Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720319/2/BP/MZ/JO

Linz, 11.06.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, geb. X, StA von Tschechien, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 29. März 2012, AZ: 1072184/FRB, mit dem über den Berufungswerber ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot verhängt wurde, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, als das gegen den Berufungswerber erlassene, auf fünf Jahre befristete Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich auf eine Befristung von drei Jahren herabgesetzt wird; im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

Odvolání bylo vyhověno v tom smyslu, že zákaz pobytu proti odvolatele na území Rakouska v rozměru 5 let byl zkrácen na 3 roky. V ostatních částech bylo usnesení potvrzeno.

 

 

Rechtsgrundlage / právní podklad:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

§ 65 iVm § 67 Abs. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2011/112

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 29. März 2012, AZ: 1072184/FRB, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und ihm von Amts wegen ein einmonatiger Durchsetzungsaufschub gewährt. Als Rechtsgrundlagen werden § 67 Abs. 1 und 2 sowie § 70 Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF. genannt.

 

1.1.2. Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bw am 28. November 2011 vom LG Linz, 34 Hv 165/11 k, wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 1. Fall zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 12 Monate bedingt auf drei Jahre, verurteilt worden sei.

 

Der Verurteilung liege zugrunde, dass der Bw am 22. Oktober 2011 gewerbsmäßig nachgenannten Geschädigten fremde bewegliche Sachen, und zwar Kleidungsstücke im Gesamtwert von € 817,90 mit dem Vorsatz weggenommen habe, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1. in Wels Verfügungsberechtigten der Fa. X zwei Damenjacken im Wert von € 539,98

2. in Haid Verfügungsberechtigten der Fa. X Kleidungsstücke im Wert von € 277,92.

 

1.1.3. In rechtlicher Hinsicht merkt die belangte Behörde nach Wiedergabe einschlägiger fremdenpolizeilicher Bestimmungen an, dass der Bw von der Möglichkeit, zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes Stellung zu nehmen, keinen Gebrauch gemacht hat, und führt im Anschluss daran aus, dass, wenn Fremde nach Österreich reisen und hier Eigentumsdelikte begehen, dies zweifellos der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zuwiderlaufe. Aus dem Verhalten des Bw manifestiere sich eine erhebliche Gefahr für den Schutz fremden Eigentums, die dadurch noch erheblich verstärkt werde, dass der Bw die Straftaten gewerbsmäßig begangen habe.

 

Die Sicherheitsbehörden hätten den gesetzlichen Auftrag und die moralische Verpflichtung gegenüber den Staatsbürgern, für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Dem Phänomen des "Kriminaltourismus" sei daher entsprechend gegen zu wirken, unter anderem auch dadurch, dass gegen einen straffällig gewordenen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen wird – auch wenn es sich um einen EWR-Bürger handle.

 

Beim Bw handle es sich um einen nicht sozial integrierten ausländischen Rechtsbrecher, der sich zwecks Begehung von Diebstählen in Österreich aufhalte. Abgesehen davon, dass der Bw in Österreich keine privaten oder familiären Bindungen habe und sich sein Lebensmittelpunkt in Tschechien befinde, sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht nur zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten, sondern auch im Licht des § 61 Abs. 2 FPG zulässig.

 

Hinsichtlich der Bemessung der Geltungsdauer des Aufenthaltsverbotes finden sich keinerlei Ausführungen.

 

1.2. Gegen den angefochtenen Bescheid, nachweislich zugestellt am 3. April 2012, erhob der Bw mit Schreiben vom 11. April 2012, zur Post gegeben am 12. April 2012, rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.

 

In der Berufung führt der Bw im Wesentlichen aus, nach seiner Haftentlassung wieder als LKW-Fahrer arbeiten zu wollen. Da er immer im internationalen Güterverkehr tätig gewesen sei und dies wieder sein wolle, wäre es unbedingt erforderlich, in Österreich ein- bzw durchreisen zu dürfen, da Österreich ein wichtiges Transitland sei. Bei Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes werde es für ihn de facto unmöglich, einen entsprechenden Job zu bekommen.

 

Der Bw gibt weiters an, nach der Haft einen ordentlichen Platz in der Gesellschaft einnehmen zu wollen. Er habe aus seinen Fehlern gelernt und werde auf keinen Fall mehr Straftaten begehen. Er bitte darum, ihn nicht noch ein zweites Mal durch das Aufenthaltsverbot zu bestrafen.

 

Abschließend beantragt der Bw, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, das Verfahren einzustellen und die Verkündung der Entscheidung in einer öffentlichen Sitzung / Anhörung.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 13. April 2012, eingelangt am 16. April 2012, wurde der gegenständliche Verwaltungsakt von der Bundespolizeidirektion Linz dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem und das Zentrale Melderegister.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG). Nachdem die entscheidungsrelevanten Sachverhaltsangaben vom Bw in keinster Weise angezweifelt werden, erübrigt sich auch aus diesem Grund eine weitere mündliche Erörterung. Ausdrücklich festgehalten wird in diesem Zusammenhang, dass sämtliche Vorbringen des Bw hinsichtlich seiner Läuterung durch das erlittene Haftübel sowie dessen Reue vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht in Zweifel gezogen werden. Durch die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zum Nachweis seiner Vorbringen könnte der Bw daher nicht besser gestellt sein als ohne die Durchführung einer solchen.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem, widerspruchsfreien und unstrittigen Sachverhalt, der sich überwiegend aus der im Akt befindlichen Beschuldigtenvernehmung der PI X vom 22. Oktober 2011 ergibt, aus:

 

Der Bw wurde am x in Tschechien geboren und besitzt die tschechische Staatsbürgerschaft. Er hat dort nach Absolvierung einer achtjährigen Schulausbildung eine vierjährige Ausbildung zum Maschinenbauer gemacht. Der Bw lebt bei seiner Mutter in Tschechien und ist für einen 12-jährigen Sohn sorgepflichtig.

 

Im Herbst 2011 hat der Bw, nachdem er sich mit einem Bekannten darüber unterhalten hat, aus Alufolie und mit Klebeband eine Tasche gebastelt, welche es ihm ermöglichen sollte, "Geschäfte zu verlassen, ohne dass die Diebstahlssicherungen `anschlagen´".

 

Am 20. Oktober 2011 fuhr der Bw mit einem Bekannten nach Österreich, und beging in Folge mit der gebastelten Tasche mehrere – unten im Detail aufgeführte – Diebstähle. Bei einem dieser Diebstähle handelte es sich um eine Art "Auftragsarbeit", da der Bw diesen im Hinblick darauf vornahm, das gestohlene Gut in Tschechien an eine Bekannte, die ihm gesagt hatte, einen guten Preis dafür zu bezahlen, zu verkaufen.

 

Angemerkt wird, dass der Bw explizit ausgesagt hat, den Entschluss in Österreich zu stehlen bereits in Tschechien gefasst zu haben und die Tasche ja auch um zu stehlen gebastelt habe. Er habe "[d]ieses Mal nur ausprobiert ob das mit der präparierten Tasche auch wirklich funktioniert."

 

Mit Urteil des LG Linz vom 28. November 2011, 34 Hv 165/11 k, wurde der Bw schuldig gesprochen, am 22. Oktober 2011 gewerbsmäßig nachgenannten Geschädigten fremde bewegliche Sachen, und zwar Kleidungsstücke im Gesamtwert von € 817,90 mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1. in Wels Verfügungsberechtigten der Fa. X zwei Damenjacken im Wert von € 539,98

2. in Haid Verfügungsberechtigten der Fa. X Kleidungsstücke im Wert von € 277,92.

 

Der Bw wurde daher zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, wobei 12 Monate auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden.

 

Nach Verbüßung des unbedingten Teils der Haftstrafe von sechs Monaten wurde der Bw am 20. April 2012 aus der Haft entlassen. Er scheint seither nicht mehr im Zentralen Melderegister auf.

 

Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass der Bw den der Behörde zugänglichen Unterlagen zufolge – abgesehen vom Haftzeitraum – zu keiner Zeit in Österreich wohnhaft war, hier nie gearbeitet hat und auch sonst keinen Bezug zur Republik Österreich aufweist.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 67 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

 

3.1.2. Beim Bw handelt es sich um einen tschechischen Staatsangehörigen, der von seiner unionsrechtlich eingeräumten Freizügigkeit Gebrauch machte, indem er nach Österreich einreiste, also grundsätzlich um eine Person des in den § 65 in Verbindung mit § 67 Abs. 1 FPG erster Satz angesprochenen Adressatenkreises. Nachdem sich der Bw nicht schon seit zehn Jahren im Bundesgebiet aufhält bzw. aufgehalten hat, kommt § 67 Abs. 1 vorletzter Satz FPG nicht zur Anwendung.

 

3.2.1. Es ist – im Hinblick auf die oa Bestimmung – nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bw aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit tatsächlich, gegenwärtig und erheblich zu gefährden.

 

Maßgeblich ist dabei aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird.

 

3.2.2. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass der Bw nicht etwa einen Gelegenheitsdiebstahl, also eine spontane, unüberlegte Handlung vorgenommen hat, als er sich die verschiedenen Waren aneignete. Vielmehr hat es sich bei der "Reise" nach Österreich um einen langfristig geplanten, klar zielgerichteten verbrecherischen Akt gehandelt.

 

Wie im entscheidungsrelevanten Sachverhalt dargestellt, unterhält der Bw offensichtlich Kontakte zu Menschen, die – sollten sie nicht überhaupt selbst Diebstähle begehen – wissen, mit welchen Tricks die zur Sicherung des Verkaufsgutes heute gängigen elektronischen Alarmsysteme umgangen bzw. ausgeschalten werden können.

 

Nachdem der Bw das entsprechende Wissen vermittelt bekam, machte er sich daran, selbst eine "Diebstahlstasche" zu basteln, welche er – seiner Aussage vor der PI X zufolge – am Tattag nur erproben wollte. Schon daraus geht hervor, dass der Bw, zumindest zum damaligen Zeitpunkt, die klare Absicht verfolgte, die Tasche, so sie denn funktioniert, in Hinkunft weiter zu benützen, sprich weiter auf Diebestour zu gehen. Die Funktionalität der Tasche ist nunmehr auch erwiesen.

 

Für die Gefährlichkeit des Bw spricht weiters, dass dieser offenbar Menschen kennt, welche bei ihm schon vorab Diebesgut "bestellen", und er diesen Bestellungen auch nachkommt bzw. nachgekommen ist. Zweifellos besteht auch in Hinkunft die Gefahr, dass potentielle "Kunden" den Bw bedrängen, für sie diverse Gegenstände "zu besorgen", und der Bw dadurch in Versuchung geführt wird.

 

Im Ergebnis ist also zu konstatieren, dass durch das vom Bw gezeigte Verhalten das öffentliche Interesse der Gesellschaft an der Verhinderung von strafbaren Handlungen generell, die Verhinderung von Eigentumsdelikten speziell, gegenwärtig, nachhaltig und erheblich gefährdet ist und ihm eine günstige Zukunftsprognose nicht auszustellen ist.

 

Festzuhalten ist, dass der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich dem Bw vollinhaltlich Glauben schenkt, wenn dieser angibt, durch das erlittene Haftübel geläutert zu sein. Dennoch scheint ein gewisser Beobachtungszeitraum nötig, um dem Bw Gelegenheit zu geben, diese Läuterung unter Beweis zu stellen.

 

Grundsätzlich werden somit vom Bw die in § 67 Abs. 1 FPG normierten Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erfüllt. Es gilt in diesem Zusammenhang jedoch immer auch, im Sinne einer Interessensabwägung auf das durch eine aufenthaltsbeendende Maßnahme betroffene Privat- und Familienleben des Fremden in Österreich Bedacht zu nehmen.

 

3.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

3.3.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige          Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

3.4.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich effektiv zu begegnen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse äußerst hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

3.4.2. Im gegenständlichen Fall ist hinsichtlich eines schützenswerten Privat- und Familienlebens des Bw in Österreich festzuhalten, dass ein solches nicht besteht. Der Bw hat zu keiner Zeit in Österreich gelebt, hat nie im Inland gearbeitet und hat hier keine Familie und keine Verwandten. Es bestehen nicht einmal Anhaltspunkte, dass der Bw vor hatte, sich in Österreich niederzulassen. Der Aufenthalt des Bw in der Republik Österreich diente einzig und allein dazu, sich durch die Verwirklichung von gewerbsmäßigen Diebstählen eine wiederkehrende Einnahmequelle zu verschaffen.

 

Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes kann daher allenfalls insofern in das Privatleben des Bw eingreifen, als dieser in seiner Berufung vorbringt, als LKW-Fahrer im internationalen Gütertransport arbeiten zu wollen und dabei nach Österreich als wichtiges Transitland einreisen bzw. durch das Land reisen zu müssen. Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass das öffentliche Interesse an der Hintanhaltung einer Gefährdung des besonders schützenswerten Rechtsgutes "Eigentum" eindeutig das allfällige berufliche Interesse des Bw an einer Ein- bzw. Durchreise durch die Republik Österreich überwiegt. Selbst wenn der Bw tatsächlich im internationalen Gütertransport tätig werden sollte, bleibt es ihm unbenommen, nur solche Fahrten anzunehmen, welche ihn nicht nach Österreich führen. Sollte dies nicht möglich sein, ist es ihm nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich auch unbenommen, nicht auf internationaler Ebene sondern lediglich innerhalb von Tschechien LKW´s zu chauffieren. Eine Interessenabwägung geht daher zu Lasten des Bw.

 

Aus all dem folgt, dass, wenn überhaupt ein Eingriff in das Privatleben des Bw zu bejahen sein sollte, dieser im Verhältnis zu dem dargestellten öffentlichen Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes weniger stark zu gewichten ist als das Interesse des Bw an der Nichterlassung des Aufenthaltsverbotes.

 

3.5. Da somit auch aus Sicht des Art. 8 EMRK bzw. des § 61 FPG nichts gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw spricht, ist abschließend die fünfjährige Befristung des von der belangten Behörde erlassenen Aufenthaltsverbotes zu prüfen.

 

Hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbotes sind als maximaler Rahmen nach § 67 Abs. 2 FPG zehn Jahre vorgesehen.

 

Da es die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid gänzlich unterlassen hat, Gründe für die Befristung des erlassenen Aufenthaltsverbotes auf die Dauer von fünf Jahren anzuführen, können die erstinstanzlichen Überlegungen vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich auch nicht weiter geprüft bzw. verfolgt werden.

 

Aus immanent zu berücksichtigenden gemeinschaftsrechtlichen Überlegungen und der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ist eine Beschränkung der Grundfreiheiten von Unionsbürgern oder begünstigten Drittstaatsangehörigen jedenfalls möglichst maß- und zurückhaltend vorzunehmen.

 

Der im gegenständlichen Fall vom Fremdenpolizeigesetzgeber in § 67 Abs. 2 FPG vorgesehene Rahmen für eine Befristung eines zu erlassenden Aufenthaltsverbotes auf maximal zehn Jahre schließt unter anderem Straftaten mit ein, für deren Begehung ein Fremder mit einer unbedingten Freiheitsstrafe bis einschließlich fünf Jahren verurteilt wurde (§ 67 Abs. 3 Z 1 FPG e contrario).

 

Der Bw wurde "lediglich" zu 18 Monaten Freiheitsstrafe, 12 Monate davon bedingt, verurteilt. Er ist – zumindest in Österreich – bislang nicht weiter negativ in Erscheinung getreten. Vor diesem Hintergrund erachtet das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates einen Zeitraum von drei Jahren für angemessen, um dem Bw die Möglichkeit zu geben, den von ihm beteuerten Gesinnungswandel entsprechend unter Beweis zu stellen.

 

In diesem Punkt war also zugunsten des Bw vom angefochtenen Bescheid abzuweichen.

 

3.6. Hinsichtlich des erteilten Durchsetzungsaufschubes bedarf es keiner weiteren Erörterungen, zumal sich dieser schon aus dem Gesetz ergibt und der Bw im Übrigen – soweit ersichtlich – nicht mehr im Bundesgebiet aufhältig ist.

 

3.7. Es war daher im Ergebnis der Berufung hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbotes stattzugeben, diese auf drei Jahre herabzusetzen und im Übrigen der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

Poučení:

Proti tomuto usnesení není přípustný opravný prostředek.

 

 

Upozornění:

Proti tomuto usnesení můžete podat do šesti týdnů od data doručení stížnost k ústavnímu soudu a/nebo k správnímu soudu. Stížnost musí být – kromě v případech, uvedených v zákoně - podepsána zmocněným advokátem nebo zmocněnou advokátkou. Za každou stížnost musí být uhrazen poplatek ve výši € 220,-.

 

 

Bernhard Pree

 

Beschlagwortung:

Aufenthaltsverbot, EWR-lBürger, § 67 FPG

 

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