Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730326/7/Sr/ER/WU

Linz, 16.04.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geb. am X, StA von Bosnien, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 14. März 2011, AZ.: 1058541/FRB, betreffend die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots gegen den Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

 

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und § 63 iVm. § 64 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG


Entscheidungsgründe

 

1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 14. März 2011, AZ.: 1058541/FRB, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 iVm § 56 Abs. 1 und § 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

 

Begründend führt die belangte Behörde nach Anführung der relevanten Rechtsgrundlagen zunächst zum Sachverhalt folgende rechtskräftige gerichtliche Verurteilungen des Bw, wörtlich wiedergegeben, an:

 

"1) Am 11.06.2008 (rk 17.06.2008) vom LG Wels, 12 Hv 32/08 i, wegen Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 1. Fall StGB und Vergehens nach § 50 WaffG, Freiheitsstrafe 10 Wochen, Probezeit 3 Jahre.

 

2) Am 22.04.2009 (rk 28.04.2009) vom LG Linz, 21 Hv 43/09 w, wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB, des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 StGB und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, Freiheitsstrafe 3 Monate, Probezeit 3 Jahre.

 

3)      Am 20.11.2009 (rk 24.11.2009) vom LG Linz, 27 Hv 103/09 p, wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB, des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15 Abs. 1, 146 StGB und des Vergehens der versuchten Körperverletzung nach §§ 15 Abs. 1, 83 Abs. 1StGB, Zusatzfreiheitsstrafe 2 Monate, Probezeit 3 Jahre.

4)      Am 13.01.2010 (rk 13.01.2010) vom LG Linz, 25 Hv 201/09 k, wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall SMG,

wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 1., 2. und 7. Fall und Abs. 2 SMG,

der Vergehen des Handels mit psychotropen Stoffen nach § 31a Abs. 1 5. Fall SMG, der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit psychotropen Stoffen nach § 30 Abs. 1 1., 2. und 7. Fall SMG,

der Vergehen nach § 50 Abs. 1 Z. 2 und 3 WaffG, und des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB, Freiheitsstrafe 18 Monate, davon 12 Monate bedingt auf 3 Jahre.

5)      Am 14.06.2010 (rk 14.06.2010) vom LG Linz, 21 Hv 48/10 g, wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1, 147 Abs. 2, 148 2. Fall StGB, wegen des Vergehens des Gebrauches fremder Ausweise nach § 231 Abs. 1 StGB, der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB und des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB, Zusatzfreiheitsstrafe 3 Monate.

6)      Am 14.01.2011 (rk 14.01.2011) vom LG Linz, 23 Hv 166/10 z, wegen der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 1., 2., 7. und 8. Fall, Abs. 3 und 4 Z. 1 SMG, der Vergehen des unerlaubten Umganges mit psychotropen Stoffen nach § 30 Abs. 1 1., 2. 7. und 8. Fall SMG und des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z. 3 WaffG, Freiheitsstrafe 1 Jahr.

7)      Am 26.01.2011 (rk 31.01.2011) vom BG Linz, 31 U 123/10 x, wegen Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB, keine Zusatzstrafe unter Bedachtnahme auf LG Linz 23 Hv 166/10 z.

 

Den Verurteilungen liegen nachstehend angeführte strafbare Handlungen zugrunde:

ad 1): Sie haben zu nachstehenden Zeiten jeweils in Eferding, nachstehende Ihnen anvertraute Güter sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

am 01.02.2008 2 Handys im Gesamtwert von € 898,- am 05.02.2008 1 Handy im Wert von € 599,-, welche Sie jeweils aus Ihnen von der Fa. X zur Auslieferung anvertrauten Paketen entnahmen;

am 06.02.2008 1 Notebook im Wert von € 1.611,10, welches Sie aus einem Ihnen von der Fa. X zur Weiterleitung anvertrauten Paket entnahmen;

am 7.10.2007 haben Sie in Linz einen Schlagring, sohin, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine verbotene Waffe besessen.

ad 2): Sie haben zu nachangeführten Zeiten in Linz nachgenannten Verfügungsberechtigten fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

am 13.08.2008 Verfügungsberechtigten des Wettlokals „X" Bargeld in Höhe von € 60,-und am 10.01.2009 Verfügungsberechtigten des Wettlokals „X" Bargeld in Höhe von € 200,-;

am 07.10.2010 haben Sie mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der Fa. X durch Täuschung über Tatsachen unter Verwendung falscher Daten, nämlich der Vorgabe, ein zahlungswilliger und -fähiger Kunde zu sein, unter Angabe des Kundenkennwortes der X, zur Lieferung eines Notebooks im Wert von € 824,49 verleitet. Somit zu einer Handlung, die die Fa. X in dieser Höhe an ihrem Vermögen schädigte;

Am 10.01.2009 haben Sie dadurch eine fremde bewegliche Sache mit einem Schaden von € 1.000,- beschädigt, dass Sie durch die geschlossene Glastüre des Lokals „X" sprangen.

ad 3): Sie haben in Linz am 02.03.2009 eine fremde bewegliche Sache, nämlich ein Mobiltelefon in unbekanntem Wert Verfügungsberechtigten der Fa. X mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

am 16.03.2009 haben Sie im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit X mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte des Computergeschäftes X durch die Vorspiegelung, zahlungsfähiger und zahlungswilliger Kunde zu sein, unter Benützung der gesperrten Bankomatkarte der X, mithin durch Täuschung über Tatsachen zur Ausfolgung eines Laptops im Wert von € 799,- sohin zu einer Handlung verleitet, die das genannte Unternehmen im angeführten Betrag an seinem Vermögen schädigte, wobei die Tat beim Versuch blieb; ferner haben Sie X dadurch am Körper zu verletzen versucht, indem Sie einen ca. 3 cm großen Stein auf ihn warfen, ihn jedoch verfehlten.

ad 4): Sie haben in Linz, Traun und anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift im Zeitraum von 2005 bis Mitte Oktober 2009 in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge anderen Personen (gewerbsmäßig) überlassen; im Zeitraum von zumindest 2002 bis 25.10.2009 haben Sie vorschriftswidrig Suchtgift in einer insgesamt unbekannten Menge erworben besessen und anderen Personen angeboten, und zwar Heroin, Kokain, Cannabiskraut (THC), Cannabisharz (THC), Ecstasy-Tabletten (Amohetaminderivat), Speed (Amphetamin), Substitol (Morphin), und Subutex (Buprenorphin);

Sie haben im Zeitraum von 2005 bis Mitte Oktober 2009 vorschriftswidrig einen psychotropen Stoff in einer die Grenzmenge (§ 31b SMG) übersteigenden Menge anderen Personen (gewerbsmäßig) überlassen;

im Zeitraum von zumindest 2002 bis Mitte Oktober 2009 haben Sie vorschriftswidrig einen psychotropen Stoff in einer insgesamt unbekannten Menge erworben und besessen sowie anderen Personen angeboten, wobei Sie die Straftaten nicht zum ausschließlichen persönlichen Gebrauch begingen, und zwar eine insgesamt unbekannte Menge Praxiten-Tabletten (Oxazepam) und Somnubene-Tabletten (Flunitrazepam);

 

Im Einzelnen wird auf die Ausführungen in der schriftlichen Urteilsausfertigung verwiesen, die an dieser Stelle zum integrierenden Bestandteil des Bescheides erhoben wird.

 

Im Zeitraum von Anfang Dezember 2007 bis 27.10.2009 haben Sie, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine verbotene Waffe (§ 17 WaffenG) und, obwohl Ihnen dies gemäß § 12 WaffenG verboten war, besessen, und zwar eine Stahlrute.

Am 25.05.2009 haben Sie in Linz eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen, um sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar ein Mobiltelefon im Wert von € 700,- des X.

 

ad 5): Sie haben in Linz mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, verfügungsberechtigten Personen nachgenannter Unternehmen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich Ihrer Identität und Zahlungsfähigkeit und -Willigkeit, zu Handlungen verleitet, die diese Unternehmen in einem € 3.000,- übersteigenden Betrag, nämlich € 4.107,70, an ihrem Vermögen schädigten, wobei Sie zur Täuschung falsche Urkunden benutzten und Sie die schweren Betrügereien in der Absicht begingen, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar:

am 12.05.2009 durch Unterfertigen eines Auszahlungsbeleges und die Vorspiegelung X zu sein, die X, indem Sie von dessen Konto folgende Barbehebungen durchführten: a) € 1.200,- in der Filiale X, b) € 350,- in der Filiale X;

am 19.05.2009 durch Unterfertigen einer Handyanmeldung und die Vorspiegelung X zu sein, haben Sie die X um € 2.557,70 geschädigt, indem Sie bei der X 2 Handyanmeldungen durchführten. Am 20.05.2009 haben Sie einen amtlichen Ausweis, der für einen anderen ausgestellt ist, im Rechtsverkehr gebraucht, als wäre er für Sie ausgestellt, und zwar den auf X ausgestellten Personalausweis, indem Sie sich damit auswiesen, und zwar am 18.05.2009 gegenüber Beamten des Magistrates Linz und am 20.05.2009 bei Ihrer Anhaltung und Identitätsprüfung gegenüber X und einschreitenden Polizeibeamten. Sie haben Urkunden, über die Sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, indem Sie X folgende Urkunden am 09.05.2009 wegnahmen:

Einen Personalausweis, eine Bankkarte der Bank Austria, einen Dienstausweis der Xund eine Karte der FA. x;

Am 09.05.2009 haben Sie X dadurch geschädigt, dass Sie ihm fremde bewegliche Sachen aus seiner Gewahrsam dauernd entzogen, indem Sie dessen Geldbörse wegwarfen.

 

ad 6): Sie haben im Zeitraum von 03.03.2010 bis 24.09.2010 (ausgenommen 24.09.2010 bis 26.09.2010) in Linz und anderen Orten

 

A) vorschriftswidrig Suchtgift erworben besessen, teils unbekannten und nachgenannten
Personen gewerbsmäßig überlassen und angeboten, und zwar Heroin, Kokain, Subutex,
Amphetamin und Marihuana, insbesondere

im Zeitraum von 03.03.2010 bis 23.09.2010 2 bis 3 Gramm Heroin zum Grammpreis von ca. € 80,-, 15 bis 20 Stück Subutex-Tabletten a' 8 mg (Buprenorphin) zum Stückpreis von € 20,-sowie 10 bis 20 Stück Subutex-Tabletten a' 8 mg im Austausch zu Somnubene und 4 Gramm Cannabiskraut (THC) zum Gesamtpreis von € 50,-, sohin gewinnbringend an x;

im Zeitraum von Mai 2010 bis Juni 2010 bei wöchentlichen Verkäufen zu je 6 Stück insgesamt 50 bis 60 Stück Subutex-Tabletten a' 8 mg zum Stückpreis von € 20,- bzw. zweimal gegen Zurverfügungstellung von Somubene, sohin gewinnbringend an X;

im Zeitraum von Mai 2010 bis Juni 2010 Heroin zum Grammpreis von € 80,-, Kokain zum

Grammpreis von € 110,- sowie Amphetamin X zum Kauf angeboten;

um den 25.08.2010 X Subutex-Tabletten zum Kaufangeboten;

am 24.09.2010 0,7 Gramm Heroin bis zur Sicherstellung durch Beamte des SPK Linz sowie

nach Ihrer Haftentlassung Anfang März 2010 bis Anfang/Mitte September 2010 Heroin und

Subutex-Tabletten erworben und bis zum Eigenkonsum besessen;

B) vorschriftwidrig einen psychotropen Stoff (Flunitrazepam) erworben, besessen und teils
unbekannten und nachgenannten Personen (gewinnbringend) überlassen und angeboten,
und zwar

50 bis 80 Stück Somnubene (5 bis 8 10-er Streifen) zum Preis von € 25,- pro Streifen an X;

im Zeitraum von Mai 2010 bis Juni 2010 Somnubene X zum Kauf angeboten;

C) am 24.09.2010 in Linz, wenn auch nur fahrlässig, Waffen besessen, obwohl Ihnen dies
gem. § 12 WaffG verboten ist, und zwar ein Springmesser trotz aufrechtem Waffenverbot der
BPD Linz, bis zur Sicherstellung durch Beamte des SPK Linz.

Mitte Oktober 2010 haben Sie in Linz vorschriftswidrig Suchtgift erworben, besessen und nachgenannten Personen gewerbsmäßig angeboten, wobei Sie einem Minderjährigen den Gebrauch von Suchtgift ermöglichten und selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als der Minderjährige waren, und zwar

Subutex-Tabletten a' 8 mg zum Stückpreis von € 15,- bis € 20,- an den am 07.08.1993 geborenen, minderjährigen X zum Kauf angeboten;

bei zwei Ankäufen 5 bis 6 Gramm Cannabiskraut zum Grammpreis von € 10,- X erworben;

vorschriftswidrig einen psychotropen Stoff (Flunitrazepam) erworben, besessen und nachgenannten Personen (gewinnbringend) überlassen, und zwar bei 2 Verkäufen zwei 10-er Streifen Somnubene zum Gesamtpreis von € 40,- gewinnbringend an X."

 

 

Nach Wiedergabe der angewendeten Rechtsgrundlagen gibt die belangte Behörde an, dass der Bw in seiner Stellungnahme zur beabsichtigten Erlassung des Aufenthaltsverbots ausführt, dass er 1993 mit seiner Mutter und seinem Bruder aus Bosnien nach Österreich vor dem Krieg geflohen sei. Seither halte er sich durchgehend in Österreich auf. Er habe hier 4 Klassen Volksschule und 4 Klassen Hauptschule besucht und eine Lehre als Fliesenleger in Linz absolviert.

Sowohl die Mutter als auch der Bruder des Bw seien bosnische Staatsbürger und besäßen unbefristete Aufenthaltstitel für Österreich. Der Vater sei im Krieg getötet worden.

Der Bw verfüge über keine persönlichen Bindungen zum Heimatland und kenne dort keine Anschrift.

 

In Österreich habe er soziale Bindungen mit seiner österreichischen Verlobten, seinem großen Freundeskreis und durch die Mitgliedschaft in einem Boxverein.

Der Bw spreche gut deutsch, sehe die deutsche Sprache sogar als seine Muttersprache an und beabsichtige, sich in Österreich weiterzubilden. Er beabsichtige, weiterhin einer geregelten Arbeit nachzugehen und seine Drogensucht im Rahmen einer Therapie zu bekämpfen.

 

Darüber hat die belangte Behörde im Wesentlichen erwogen, dass der Bw einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" besäße und sich daher der heranzuziehende Gefährdungsmaßstab aus § 56 Abs. 1 FPG und nicht bloß aus   § 60 Abs. 1 FPG (jeweils in der damals geltenden Fassung) ergebe.

 

Schon aufgrund der häufigen Verurteilungen des Bw sei sein weiterer Aufenthalt eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Auch sein Umgang mit Suchtgiften, der ebenfalls zu zwei Verurteilungen geführt habe, stelle eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

 

In Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbots auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden dringend geboten, da das maßgebliche öffentliche Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen zum Schutz der Gesundheit in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wöge als das private Interesse des Fremden.

 

Nach weiterführenden Erwägungen zur Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität stellt die belangte Behörde fest, dass in der Datei für verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen des Bw 15 Bestrafungen, überwiegend wegen Schwarzfahrens, aufscheinen würden.

 

Nachdem der Bw seit 18 Jahren in Österreich aufhältig sei und auch seine Mutter und sein Bruder hier leben würden, er eine österreichische Verlobte habe und einer Beschäftigung nachgegangen sei, sei ihm eine der Dauer des Aufenthalts entsprechende Integration zuzubilligen.

Seine soziale Integration sei aber durch seine Suchtgiftkriminalität erheblich beeinträchtigt.

 

Trotz des schwerwiegenden Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Bw erscheine die Erlassung des Aufenthaltsverbots im Sinne des § 60 Abs. 1 und     § 56 Abs. 1 FPG gerechtfertigt und im Lichte des § 66 FPG (jeweils in der damals geltenden Fassung) und des Art. 8 EMRK zulässig.

Die belangte Behörde schließt mit Erwägungen zur Dauer des Aufenthaltsverbots.   

 

2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 17. März 2011 zugestellt wurde, erhob er am 29. März 2011 rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.

 

Darin gibt der Bw im Wesentlichen an, dass er in Bosnien niemanden kenne und eine Rückkehr dorthin für ihn eine zusätzliche Strafe wäre. Er beherrsche auch die bosnische Sprache nicht gut. Er sei bei Begehung der Straftaten sehr jung gewesen und bereue diese sehr.

 

Österreich sei seine Heimat, er beabsichtige, sich hier eine Zukunft aufzubauen und nach Inanspruchnahme einer Therapie seine Fehler wieder gut zu machen.

 

Die Rückkehr des Bw nach Bosnien würde den Verlust seiner Familie, seiner Verlobten, seiner Heimat und der Möglichkeit, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren, mit sich führen.

 

Der Bw schließt seine Berufung mit der Bitte, ihm noch eine Chance zu geben, ein ordentliches Leben in Österreich zu führen.

 

Mit Schriftsatz vom 8. Juni 2011 ergänzt der Bw durch seinen mittlerweile bevollmächtigten rechtsfreundlichen Vertreter seine Berufung, indem er im Wesentlichen angibt, dass er aus dem Haftübel gelernt habe und mittlerweile eine Drogentherapie absolviere, auf die er sehr gut anspreche.

 

Weiters beantragt der Bw, den erstinstanzlichen Bescheid zu beheben und das Aufenthaltsverbotsverfahren einzustellen; in eventu die Dauer des Aufenthaltsverbots angemessen herabzusetzen.

 

3. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

3.1. Mit Schreiben vom 11. Mai 2011 reichte die belangte Behörde der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich ergänzend folgendes Urteil des Landesgerichts Linz vom 5. April 2011 nach:

 

"URTEIL

Im Namen der Republik

 

Schuldspruch

 

X ist schuldig, er hat am 31.10.2010 in Linz

1.     den X durch Stichbewegungen mit einem Springermesser mit einer Klingenlänge von 7 cm zumindest mit der Zufügung einer Körperverletzung gefährlich bedroht, um diesen in Furcht und Unruhe zu versetzen;

2.     wenn auch nur fahrlässig, eine Waffe besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten ist, und zwar das unter unter Faktum 1. genannte Springmesser trotz aufrechtem Waffenverbot der BPD Linz vom 06.12.2007, III-WA-309/WL/07.

Strafbare Handlung X hat hiedurch zu

1.   das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB

2.   das Vergehen nach § 50 Abs. 1 Z 2 WaffG begangen.

Strafe:

Unter Anwendung des § 28 StGB, unter Bedachtnahme gemäß den §§ 31 und 40 StGB auf das Urteil des LG Linz 23 Hv 166/10z vom 14.1.2011 und des BG Linz zu 31 U 123/10x vom 26.1.2011 nach §107 Abs. 1 StGB zu

 

einer Zusatzfreiheitsstrafe von 3 Monaten

 

Anwendung weiterer gesetzlicher Bestimmungen:

Gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB wird die Vorhaft von 31.10.2010 22:20 Uhr bis 22.35 Uhr angerechnet.

Gemäß § 494a Abs. 1 Z 2 StPO wird vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu 21 HV 43/09w des LG Linz, zu 20 BE 39/1 Ox des LG Linz und zu 25 HV 201/ 09h des LG Linz wird abgesehen.

Kostenentscheidung:

Der Angeklagte wird gemäß § 389 Abs. 1 StPO zum Ersatz der Prozesskosten verurteilt.

Strafbemessungsgründe:

mildernd: Geständnis, teilweiser Versuch

erschwerend: 2 Vergehen, 3 einschlägige Vorstrafen"

 

3.2. Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich übermittelt wurde.

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, durch Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem und das Zentrale Melderegister, durch Einsichtnahme in einen aktuellen Versicherungsdatenauszug, sowie durch telefonische Auskunft der Fremdenbehörde des Magistrats der Landeshauptstadt Linz.

 

3.4. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 67 d Abs. 1 Z. 1 AVG).

3.5. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten, im Wesentlichen unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

Ferner steht aufgrund eines entsprechenden Eintrags in das Elektronische Polizeiliche Informationssystem fest, dass der Bw mit Bescheid des Magistrats der Landeshauptstadt Linz vom 12. September 2007, Zl. AEG/22229, ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" erteilt worden ist.

 

Aus dem Verwaltungsakt geht hervor, dass die belangte Behörde am 3. März 2010 festgestellt hat, dass der Bw seit 6. Dezember 1993 in Österreich aufhältig und daher die Erlassung eines Aufenthaltsverbots im Sinne des § 61 Z. 3 FPG (in der damals geltenden Fassung) nicht möglich war.

 

Aufgrund der telefonischen Auskunft der Fremdenbehörde des Magistrats der Landeshauptstadt Linz vom 5. April 2012 steht fest, dass der Bw beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz erstmals am 5. Oktober 1999 einen Verlängerungsantrag als Familienangehöriger gestellt hat und bereits davor – mindestens für das Jahr 1998 – als Familienangehöriger in einem anderen Bezirk niedergelassen war.

 

Aus dem Versicherungsdatenauszug geht hervor, dass der Bw erstmals am 9. September 2002 versicherungspflichtig erwerbstätig gewesen ist. Er ist ab diesem Datum – mit einer Unterbrechung von 3 Tagen – rund 2 Jahre und 4 Monate versichert gewesen, danach war er von 22. Jänner 2005 bis 19. Februar 2005 nicht versichert. Von 19. Februar 2005 bis 21. Juni 2005 hat der Bw, mit einer Unterbrechung von 15 Tagen, Arbeitslosen- bzw. Krankengeld bezogen. Vom 22. Juni 2005 bis 22. Juni 2007 war der Bw als Arbeiter versichert, danach war er von 9. Juli 2007 bis 31. Juli 2007 und von 7. August 2007 bis 13. August 2007 als Arbeiter versichert. Von 30. August 2007 bis 11. September 2007 und von 2. Oktober 2007 bis 3. Oktober 2007 hat der Bw Arbeitslosengeld bezogen. Am 4. und 5. Oktober 2007 war der Bw erneut als Arbeiter versichert. Von 6. Oktober 2007 bis 12. November 2007 und von 21. November 2007 bis 25. November 2007 hat er Arbeitslosengeld bezogen. Von 26. November 2007 bis 11. Februar 2008 war der Bw als Arbeiter versichert.

 

Auch danach weist der Bw beinahe durchgehende versicherungspflichtige Zeiten auf, wobei er entweder als Arbeiter beschäftigt war, oder Arbeitslosengeld bezogen hat.

 

3.6. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 125 Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idF. BGBl. I Nr. 38/2011 gelten Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei In-Kraft-Treten des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idF. BGBl. I Nr. 38/2011 noch nicht abgelaufen sind, als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer.

 

4.1.2. Im vorliegenden Fall wurde das Aufenthaltsverbot auf Basis des § 60 FPG (in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I. Nr. 38/2011) erlassen, weshalb dieses Aufenthaltsverbot im Sinne des § 63 FPG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 anzusehen und zu beurteilen ist. 

 

4.2.1. Gemäß § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011, kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.         die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.         anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen           zuwiderläuft.

 

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

4.2.2. Gemäß § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

 

4.3. Aus verfahrensökonomischer Sicht ist es aufgrund des über 18-jährigen Aufenthalts des Bw im Bundesgebiet im gegenständlichen Fall zweckmäßig, nicht erst zu prüfen, ob ein Aufenthaltsverbot dem Grunde nach gerechtfertigt ist, sondern erst die Frage zu klären, ob eine Aufenthaltsverfestigung im Sinne des § 64 FPG vorliegt, weil der Bw vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die österreichische Staatsbürgerschaft hätte erwerben können. Diesfalls dürfte ein Aufenthaltsverbot, mag es vor dem Hintergrund des § 63 auch berechtigt sein, ohnehin nicht erlassen werden.

 

Gemäß § 64 Abs. 1 Z 1 FPG darf ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht erlassen werden, wenn ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können.

 

Gemäß § 64 Abs. 4 FPG dürfen Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel “Daueraufenthalt - EG” oder “Daueraufenthalt-Familienangehöriger” verfügen, nur mehr ausgewiesen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

 

Gemäß § 64 Abs. 5 FPG hat als schwere Gefahr im Sinn des Abs. 4 insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem inländischen Gericht

1. wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei, entgeltlicher Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt, Eingehens oder Vermittlung von Aufenthaltsehen oder Aufenthaltspartnerschaften, wegen einer Aufenthaltsadoption oder der Vermittlung einer Aufenthaltsadoption, wegen eines mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens nach dem SMG oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des besonderen Teils des StGB oder

2. wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten

rechtskräftig verurteilt worden ist. § 73 StGB gilt.

 

4.3.1. Vorab ist bezüglich der gemäß § 64 Abs. 1 FPG heranzuziehenden Fassung des § 10 Abs. 1 StbG festzustellen:

 

In seiner Entscheidung vom 24.09.2009, Zl. 2007/18/0653, hat der VwGH festgestellt, dass "Unter dem Zeitpunkt "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" [...] der Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände zu verstehen [ist].

[...]

Nach dem Gesagten kommt es vorliegend daher darauf an, ob dem Beschwerdeführer am [...] gemäß § 10 Abs. 1 StbG die Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können. Eine Verleihungsmöglichkeit in anderen Zeitpunkten vermag den Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund des § 61 Z. 3 FPG nicht zu verwirklichen. Bei der Beurteilung, ob sämtliche Voraussetzungen nach § 10 Abs. 1 StbG erfüllt sind, stellen die vor dem genannten Zeitpunkt liegenden Verhaltensweisen des Fremden Umstände dar, die der Verleihung der Staatsbürgerschaft zu diesem Zeitpunkt gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StBG entgegen gestanden wären."

 

Der maßgebliche Sachverhalt, der zur Verurteilung des Bw am 11. Juni 2008 geführt hat, wurde erstmalig am 1. Februar 2008 durch die Zueignung mit Bereicherungsvorsatz von zwei Handys verwirklicht. Als "Zeitpunkt vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts" ist demnach der 31. Jänner 2008 festzusetzen.

 

Zur Feststellung, ob dem Bw vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden hätte können, ist daher § 10 Abs. 1 StbG in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2006 heranzuziehen.  

 

4.3.2. § 10 Abs. 1 StbG in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2006 lautet:

 

"Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn          

1. er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war;

2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zugrunde liegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, entsprechendem Verfahren ergangen ist;

3. er nicht durch ein inländisches Gericht wegen eines Finanzvergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist;

4. gegen ihn nicht wegen des Verdachtes einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat oder eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig ist;

5. durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft die internationalen Beziehungen der Republik Österreich nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;

7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist und

8. er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde."

 

4.3.3. Gemäß § 64 Abs. 1 Z 1 FPG darf gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn diesem vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG verliehen hätte werden können. Im gegenständlichen Fall ist zu prüfen, ob eine Aufenthaltsverfestigung stattgefunden hat.

 

4.3.3.1. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass der Bw seit 6. Dezember 1993 rechtmäßig und ununterbrochen in Österreich aufhältig ist. Aufgrund der telefonischen Auskunft der Fremdenbehörde des Magistrats der Landeshauptstadt Linz steht fest, dass der Bw zumindest seit 5. Oktober 1999 als Familienangehöriger im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Magistrats der Landeshauptstadt Linz niedergelassen ist.

 

Der Bw war somit im für eine eventuelle Aufenthaltsverfestigung gemäß § 64 Abs. 1 FPG iVm. § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG maßgeblichen Zeitraum von 31. Jänner 1998 bis 31. Jänner 2008 sowohl rechtmäßig und ununterbrochen aufhältig als auch mindestens fünf Jahre davon niedergelassen.

 

4.3.3.2. Aufgrund des Verwaltungsakts bzw. der Abfrage des Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystems steht fest, dass der Bw während des gemäß § 64 Abs. 1 FPG iVm. § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG maßgeblichen Zeitraums durch kein inländisches oder ausländisches Gericht verurteilt wurde und gegen ihn in diesem Zeitraum bei keinem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig war.

 

4.3.3.3. Im relevanten Beurteilungszeitpunkt scheiden auch die in § 10 Abs. 1 Z. 5 und 8 StbG enthaltenen Tatbestände offensichtlich aus.

 

4.3.3.4. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG kann die Staatsbürgerschaft ua. nur verliehen werden, wenn der Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist. § 10 Abs. 5 StbG regelt, dass der Lebensunterhalt iSd. Z. 7 dann hinreichend gesichert ist, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt für die letzten drei Jahre nachgewiesen werden, die eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen.

 

Aus dem aktuellen Versicherungsdatenauszug ergibt sich, dass der Bw während des gesamten gemäß § 10 Abs. 5 StbG maßgeblichen Zeitraums beinahe durchgehend entweder versicherungspflichtigen Tätigkeiten nachgegangen ist oder Arbeitslosengeld bezogen hat. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich ferner, dass der Bw während dieses Zeitraums sowohl aus seiner Erwerbstätigkeit als auch durch den Bezug von Arbeitslosengeld Geldmittel in der Höhe von monatlich mindestens € 747,-- (Richtsatz des zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden § 293 ASVG idF. BGBl. I Nr. 101/2007) zur Verfügung hatte.

 

4.3.3.5. Im maßgeblichen Zeitraum wurden über den Bw folgende zwei verkehrsrechtliche Verwaltungsstrafen verhängt:

3. Juli 2006: € 145,-- wegen § 20 Abs. 2 StVO (Geschwindigkeitsübertretung)

24. September 2007: € 58,-- wegen § 20 Abs. 2 StVO.

 

Über Sachverhalte, die zur Gerichtsanhängigkeit eines Strafverfahrens oder zu einer gerichtlichen Verurteilung während des maßgeblichen Zeitraums geführt hätten, geht aus dem Verwaltungsakt und dem Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystem nichts hervor.

 

Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats Oö. ist daher davon auszugehen, dass das Verhalten des Bw bis zum Zeitpunkt, in dem die Verleihung der Staatsbürgerschaft erstmalig möglich gewesen wäre, im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG keinen Anlass dazu bietet, davon auszugehen, dass das Verhalten des Bw nicht Gewähr dafür geboten hätte, dass er zur Republik Österreich bejahend eingestellt gewesen ist. Sein Verhalten hat keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gebildet, zumal er in diesem Zeitraum keine gerichtlich relevanten Taten gesetzt hat und die Verwaltungsübertretungen als geringfügig anzusehen sind.

 

4.4. Es ist nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich daher davon auszugehen, dass durch die Nicht-Erfüllung von Versagungstatbeständen des § 10 Abs. 1 StbG dem Bw vor Verwirklichung des für das gegenständliche Aufenthaltsverbot maßgeblichen Sachverhalts im Sinne des § 64 Abs. 1 Z 1 FPG die österreichische Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können. Der Bw ist in seinem Aufenthalt daher verfestigt.

 

Da im vorliegenden Fall aber bereits im Sinne des § 64 Abs. 1 Z. 1 iVm. § 10 Abs. 1 StbG festgestellt wurde, dass dem Bw vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die Staatsbürgerschaft verliehen werden hätte können, erübrigt sich die weitere Prüfung gemäß § 64 Abs. 4 und Abs. 5 FPG.

 

Es war aus diesem Grund spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 28,60 Euro (2 x Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

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