Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166915/7/Br/REI

Linz, 30.05.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn x, geb. x, x, x, vertreten durch RA Mag. x, x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 19. März 2012, Zl.: VerkR96-2509-2010, wegen Übertretung der StVO 1960, nach der am 30.5.2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt

 

II.     Es entfallen sämtliche Kostenbeiträge.

        

 

Rechtsgrundlagen:

I.     § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 111/2010 – AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1,  § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr.52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 111/2010 – VStG.

II.    § 66 Abs.1 u. 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 4 Abs.5 iVm § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 250 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 84 Stunden verhängt, wobei gegen den Berufungswerber folgender Tatvorwurf erhoben wurde:

"Tatort: Gemeinde Engerwitzdorf, Gemeindestraße Freiland, Fahrtrichtung Katsdorf, Oberholz Gemeindestraße, ungefähr 100 Meter vom Haus x, 4209 Engerwitzdorf.

Tatzeit: 03.07.2010, ca. 20:10 Uhr.

Fahrzeug: Kennzeichen x, PKW, PEUGEOT 207, schwarz.

Sie sind mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 4 Abs.5 StVO 1960"

 

 

 

1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend im Wesentlichen aus nicht nachvollziehen zu können, dem Berufungswerber in seiner Argumentation sich einer "Fahrerflucht" nicht schuldig zu fühlen. Dies insbesondere mit Blick auf die vom Berufungswerber zugestandene Wahrnehmung "des Ausrittes seines Gegenverkehrs in das Kornfeld." Daher habe ihm seine Unfallsursächlichkeit bewusst sein müssen.  Er hätte unverzüglich anzuhalten und dem Anzeiger (dem Unfallbeteiligten) seine Identität nachzuweisen gehabt.

Rechtlich verwies die Behörde erster Instanz auf § 5 Abs.1 VStG wonach zur Strafbarkeit bereits fahrlässiges Verhalten genüge. Daher habe er fahrlässig gegen die Bestimmung über das gebotene Verhalten nach einem Verkehrsunfall (mit Sachschaden) verstoßen.

 

 

1.2. Diese Feststellungen erweisen sich jedoch vor dem Hintergrund der im Rahmen der Berufungsverhandlung geschöpften Beweise als zu kurz gegriffen.

 

 

 

2. Mit Erfolg wendet sich der Berufungswerber nämlich gegen den Schuldspruch mit seiner fristgerecht durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung.

Im Ergebnis rügt er ein mangelhaft gebliebenes erstinstanzlichen Verfahren und eine unrichtige rechtliche Beurteilung, sowie unrichtige Sachverhaltsfeststellungen.

Zum ersteren wäre auch die Beifahrerin des Berufungswerbers einzuvernehmen gewesen, welche von einem Verkehrsunfall bzw. einem Sachschaden ebenfalls nichts bemerkt hätte.

In seiner Rechtsrüge vermeint der Berufungswerber der Spruch des Straferkenntnisses enthalte nur den Gesetzestext und es fänden sich darin keine Sachverhaltsfeststellungen (gemeint wohl: Sachverhaltselemente).

In der Sache selbst wendet der Berufungswerber im Ergebnis ein, sofort nach der Vorbeifahrt des mit zu hoher Fahrgeschwindigkeit ihm entgegenkommenden Fahrzeuges und des anschließend wahrgenommenen Quietschens und der durch den Rückspiegel erblickten Staubentwicklung, gewendet zu haben. Im Zuge des in der Folge mit dem betroffenen Fahrzeuglenker geführten Gespräches sei von einem "Verkehrsunfall mit Sachschaden" nicht die Rede gewesen. Daher habe für ihn kein Anlass bestanden die Polizei zu verständigen.

 

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates wurde damit begründet. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war hier wegen des gesonderten Antrages der Behörde erster Instanz erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).

 

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Verlesung und umfassende Erörterung des vorgelegten Verfahrensaktes. Insbesondere der bereits wenige Tage nach dem Vorfall mit den Beteiligten aufgenommenen Niederschriften.

Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurden abermals der am Unfall beteiligte x, sowie die Ehefrau des Berufungswerbers x als Zeugen und der Berufungswerber als Beschuldigter einvernommen.

Auch zwei Vertreter der Behörde erster Instanz nahmen an der Berufungsverhandlung teil.

 

 

4. Sachverhalt:

Der Berufungswerber war mit seinem Pkw auf dem oben bezeichneten von Getreidefelder umsäumten und 4,2 m breiten Straßenzug in Richtung Katsdorf unterwegs, als ihm das Fahrzeug des x mit glaubhaft überhöhter Fahrgeschwindigkeit entgegen kam. Im Zuge der Vorbeifahrt gelangte x offenbar zu weit nach rechts auf das Bankett und in der Folge in das Getreidefeld.

Dies wurde vom Berufungswerber durch den Rückspiegel wahrgenommen. Aus diesem Grunde entschloss er sich zu wenden und zum gegnerischen Fahrzeug zurückzufahren. Nachdem er sein Fahrzeug etwa 100 bis 150 m in seiner Fahrtrichtung bei erster sich bietender Gelegenheit gewendet hatte, kam ihm der Zweitbeteiligte bereits entgegen. Dort wurden in einem etwa 10 Minuten währenden Gespräch seitens des Berufungswerbers in Richtung des Zeugen x offenbar Vorhalte über die zu schnelle Fahrweise gemacht. Am Fahrzeug des Zeugen B. waren lediglich im Kühlergrill einige Getreidehalme und entsprechende Kontaktspuren mit dem Getreide, jedoch sonst kein Sachschaden erkennbar. Der von der Polizei gemachte Hinweis auf ein "Ausreißen der Nummertafelhalterung" erwies sich lt. Angaben des Zeugen x in Wahrheit ebenso wenig als Sachschaden wie der vom Zeugen verursachte Flurschaden keinen bezifferbareren Schaden darstellt.  

Der Zeuge B. erklärte im Rahmen der Berufungsverhandlung im Ergebnis keinen Schaden erlitten zu haben und einen solchen gegenüber dem Berufungswerber auch nicht behauptet zu haben.

Diese Darstellung wird im Ergebnis auch von der Beifahrerin, der Ehefrau des Berufungswerbers, bestätigt.

Auch kein Anspruch an die Versicherung des Berufungswerbers sei je gestellt worden und auch der Landwirt habe von ihm keinen Flurschaden begehrt. Der Landwirt habe ihm jedoch geraten eine Meldung bei der Polizei zu erstatten.

 

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat konnte anlässlich der Beweisaufnahme zur Überzeugung gelangen, dass der Berufungswerber keinen wie immer gearteten Anhaltspunkt auf ein allfälliges Schadensereignis haben konnte. Allein der Umstand, dass einige Getreidehalme im Bereich des Kühlergrills des ihm entgegen kommenden Fahrzeuges hingen, mit dem es zu keinem Fahrzeugkontakt gekommen war, kann noch nicht als Indiz herhalten, welches trotz der gegensätzlichen Erklärung des Lenkers ihn zu einer Unfallmeldung veranlassen hätte müssen.

Schließlich konnte zuletzt im Rahmen der Berufungsverhandlung endgültig klar gestellt werden, dass hier von einem Unfallschaden an sich schon nicht die Rede sein kann. Es bedarf daher keiner weiteren Ausführungen, ob überhaupt von einer Ursächlichkeit des Berufungswerbers des vom Gegenverkehr durch dessen – wohl von ihm verschuldeten Abkommen von der Fahrbahn – allenfalls verursachten Flurschadens, die Rede sein könnte. Im Übrigen hätte der Berufungswerber einen diesbezüglichen Rückschluss nur wegen der wenigen Getreidehalme im Bereich des Kühlergrills ziehen können. Er konnte weder auf die im Bild 1 der Anzeige abgebildete Stelle des niedergefahrenen Getreides hinsehen, noch wurde er darauf von seinem "Unfallgegner" hingewiesen.

Die nachfolgend in der Anzeige gemachten Darstellungen erwiesen sich insbesondere mit Blick auf das Verhalten des Berufungswerbers als nicht nachvollziehbar. Insbesondere die Angaben des Beifahrers von x lassen sich mit der einhelligen Darstellung im Rahmen der Berufungsverhandlung nicht in Einklang bringen. Darin ist von der etwa 10-minütigen Unterredung mit dem Herrn x nicht die Rede, sondern wird dies allenfalls auf Grund eines Kommunikationsfehlers bei der Erstellung der Niederschrift so dargestellt als wäre der Berufungswerber ohne anzuhalten weitergefahren. Das angebliche Ausreißen der Nummertafelhalterung an der Stoßstande wurde einerseits von der Polizei weder erweislich als Vorfallskausal und andererseits vom Zeugen x nicht als Schaden an seinem Fahrzeug dargestellt.

Dem Berufungswerber war daher zu folgen, dass für ihn kein wie immer gearteter Grund bestand von einem von ihm verursachten Unfallereignis auszugehen. Vielmehr hat er durch seine besonnene Fahrweise, nämlich am äußerst rechten Fahrbahnrand das Fahrzeug fast oder ganz zum Stillstand gebracht zu haben, einen Verkehrsunfall verhindert.

Die von der Behörde erster Instanz vorgenommene Beurteilung der Beweislage konnte im Rahmen des Berufungsverfahrens nicht nachvollzogen werden.

Jede gegensätzliche Annahme würde letztlich dazu führen, dass gleichsam jeder Verkehrsteilnehmer in einer kritischen Begegnungssituation gehalten wäre eine "Vorsichtsmeldung" zu machen um nicht Gefahr zu laufen wegen "Fahrerflucht" belangt zu werden und in ein derart aufwändiges Verfahren verwickelt zu werden.

Dass er im Nachhinein trotz ausführlicher Unterredung mit dem "Unfallgegner" und Absehen von einer Anzeige seinerseits gegen diesen wegen gefährlicher Fahrweise offenbar in durchaus fragwürdiger Weise als "Fahrerflüchtiger" hingestellt wurde, muss an dieser Stelle zumindest als bedauerlich angemerkt werden.

 

 

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Zu § 44a Z1 VStG:

Obwohl es hier auf sich bewenden bleiben könnte wäre dem Berufungswerber auch darin zu folgen, dass sich der Tatvorwurf zumindest sprachlich nicht wirklich klar nachvollziehen lässt, da im Ergebnis nur der Gesetzestext zitiert wird. So findet sich insbesondere kein sprachlich zum Ausdruck gelangender Zusammenhang, dass der Beschuldigte als Lenker eines KFZ in Beziehung zur vermeintlichen Tat steht.

Daher wäre der Spruch der sprachlichen Klarstellung der Tatumschreibung in Darstellung des tatsächlichen Fehlverhaltens entsprechend umzuformulieren gewesen.

Die Behörden erster Instanz sollten zumindest im sogenannten ordentlichen Verfahren (im Straferkenntnis), den Tatvorwurf nicht in der wenig aussagekräftigen, wenngleich im sogenannten VStV-Lückentextsystem offenbar nicht besser fassbaren Formulierung unreflektiert übernehmen, sondern diesen in einem für den Bürger sprachlich lesbaren und allgemein üblichen Stil neu verfassen.

 

 

In der Sache:

Zur Verletzung der Meldepflicht:

Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die in Abs.1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Als Verkehrsunfall ist jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis anzusehen, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat (VwGH 20.4.2001, 99/02/0176 u.a.).

Die Anhalte- und Meldepflicht setzt einerseits einen Vorfall (Verkehrsunfall) und andererseits ein Wissen (müssen) eines solchen voraus. Dabei ist aber nicht unbedingt das positive Wissen vom Verkehrsunfall und vom ursächlichen Zusammenhang erforderlich, sondern es genügt - da der Anwendungsbereich des § 4 StVO in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich auf die Schuldform des Vorsatzes beschränkt ist (§ 5 Abs.1 VStG) - wenn die betreffende Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können (siehe Pürstl - Somereder, Kommentar zur StVO, 11. Auflage, S 69 Rn 34, sowie - unter vielen - VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417, VwGH 13.2.1991, 90/03/0114 mit Hinweis auf VwGH 9.9.1981, 81/03/0125 u. VwGH 31.1.1986, 85/18/0367).

Hier führe das Beweisverfahren zum Ergebnis, dass es einerseits eines greifbaren Schadensereignisses ermangelt. Andererseits, ginge man von dem – jedenfalls nachweislich durch den Zeugen x herbeigeführten – (nicht bezifferbaren) Flurschaden aus, wäre es wohl zweifelhaft hier eine Verhaltensursächlichkeit  dem Berufungswerber zuzurechnen.

 

 

5.2. Die hier unterbliebene Meldung des Berufungswerbers begründet daher keinen Tatbestand im Sinne der hier vorgeworfenen Verwaltungsübertretung, sodass nach § 45 Abs.1 Z1 VStG mit der Einstellung des Verfahrens vorzugehen war.

 

Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

H i n w e i s:

Gegen diesen  Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen  ab der  Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220,00 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

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