Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281427/2/Wim/Bu

Linz, 27.06.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung eingeschränkt auf die Strafhöhe des Herrn Ing. X, vertreten durch X, Rechtsanwälte GmbH, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 2.5.2012, Ge96-5-2012 wegen Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes zu Recht erkannt:

 

I.     Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als im Ausspruch über die verhängte Strafe und Ersatzfreiheitsstrafe die Formulierung "je Arbeitnehmer" gestrichen wird. Ebenso entfällt der Satz "Aufgrund der Beschäftigung von vier Arbeitnehmern beträgt die Gesamtgeldstrafe 20.400 Euro und die Gesamtersatzfreiheitsstrafe 38 Tage. Die Summe der verhängten Geldstrafen beträgt nunmehr 5.100 Euro, der Ersatzfreiheitsstrafen 9,5 Tage.

 

II.   Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vermindert sich auf 510 Euro, sodass der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe und Kosten) daher 5.610 Euro beträgt. Ein gesonderter Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

zu I. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm § 19 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG und § 130 Abs. 5 Z1 iVm § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG und § 7 Abs. 1 Bauarbeiterschutzverordnung - BauV.

 

zu II. §§ 64 und 65 VStG

 


Entscheidungsgründe:

1. Dem Bw wurden folgende Übertretungen vorgeworfen:

 

"Sie üben im Standort X, X, das Gewerbe "Baumeister, eingeschränkt auf ausführende Maurermeistertätigkeiten" aus und haben im Zuge dieser Gewerbeausübung die Arbeitnehmer

X, geb. X,

X, geb. X,

X und

X geb. X,

am 26. Jänner 2012 auf der Baustelle in X, X "Eigentumswohnungsanlage der X" beschäftigt.

 

Der Arbeitsinspektor Ing. Mag. X hat bei der Besichtigung dieser Baustelle am 26. Jänner 2012 festgestellt, dass

1. der Zugang zum Bauobjekt über einen ca. 0,7 m breiten und ca. 2 m langen "Steg" erfolgte, wobei keine Absturzsicherungen angebracht waren, obwohl eine Absturzhöhe von ca. 3 m in die Baugrube vorlag.

 

2. im Dachgeschoß neben dem Stiegenauf- bzw. Abgang die Wandöffnung ins Stiegenhaus nicht ordnungsgemäß gegen Absturz abgesichert war, da zum Teil nur „Diagonalwehren" angebracht waren und nach wie vor ein Absturz möglich war. Die Absturzhöhe betrug ca. 2,5 m.

 

3. der Liftschacht im 2. Stock nicht ordnungsgemäß gegen Absturz abgesichert war, sodass ein Absturz von ca. 6 m in den Liftschacht möglich war.

 

4. die Dachgeschoßdecke und die Geibelmauer bzw. die Mauern von der Geschoßdecke über die Hand aus hergestellt wurden, obwohl die Absturzhöhe ca. 9 m betrug und keine Absturzsicherungen angebracht waren.

 

5. der Gerüstbelag des im Dachgeschoß verwendeten Bockgerüstes nicht vollflächig, sondern nur über ca. die halbe Bockgerüstbreite verlegt war.

 

Dadurch wurde zu

1. § 7 Abs. 1 der BauV iVm § 6 Abs. 1 der BauV übertreten, wonach bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8 BauV), Abgrenzungen (§ 9 BauV) oder Schutzeinrichtungen (§ 10 BauV) anzubringen sind. Laut § 6 Abs. 1 BauV sind Verkehrswege im Bereich der Baustelle ordnungsgemäß anzulegen und in einem solchen Zustand zu erhalten.

Im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 4 der BauV liegt eine Absturzgefahr vor, da die Absturzhöhe mehr als 2 m beträgt.

 

2. § 7 Abs. 1 der BauV übertreten, wonach bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8 BauV), Abgrenzungen (§ 9 BauV) oder Schutzeinrichtungen (§ 10 BauV) anzubringen sind. Im Sinne des § 7 Abs. 2 Z 3 der BauV liegt Absturzgefahr vor, da die Absturzhöhe mehr als 1 m beträgt.

 

3. § 7 Abs. 1 der BauV übertreten, wonach bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8 BauV), Abgrenzungen (§ 9 BauV) oder Schutzeinrichtungen (§ 10 BauV) anzubringen sind. Im Sinne des § 7 Abs. 2 Z 3 der BauV liegt Absturzgefahr vor, da die Absturzhöhe mehr als 1 m beträgt.

 

4. § 7 Abs. 1 der BauV übertreten, wonach bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8 BauV), Abgrenzungen (§ 9 BauV) oder Schutzeinrichtungen (§ 10 BauV) anzubringen sind.

 

5. § 57 Abs. 1 der BauV übertreten, wonach Gerüstbelagteile über die gesamte Gerüstbreite dicht aneinander verlegt sein müssen.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

Zu 1.: § 130 Abs. 5 Z. 1 iVm § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 i.d.F. BGBl. I Nr. 51/2011 iVm. § 7 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 der Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994 i.d.F. BGBl. II 3/2011

 

Zu 2.: § 130 Abs. 5 Z. 1 iVm § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 i.d.F. BGBl. I Nr. 51/2011 iVm. § 7 Abs. 1 der Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994 i.d.F. BGBl. II 3/2011

 

Zu 3.: § 130 Abs. 5 Z. 1 iVm § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 i.d.F. BGBl. I Nr. 51/2011 iVm. § 7 Abs. 1 der Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994 i.d.F. BGBl. II 3/2011

 

Zu 4.: § 130 Abs. 5 Z. 1 iVm § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 i.d.F. BGBl. I Nr. 51/2011 iVm. § 7 Abs. 1 der Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994 i.d.F. BGBl. II 3/2011

 

Zu 5.: § 130 Abs. 5 Z. 1 iVm § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 i.d.F. BGBl. I Nr. 51/2011 iVm. § 57 Abs. 1 der Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994 i.d.F. BGBl. II 3/2011

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von             falls diese                  Freiheitsstrafe von     Gemäß

                                    uneinbringlich ist,

zu 1.: 1.500 Euro je                                      Ersatzfreiheitsstrafe                             zu 1.: § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG

Arbeitnehmer                                               von                                 zu 2.: § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG

zu 2.: 300 Euro je       zu 1.: 3 Tage je                                           zu 3.: § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG

Arbeitnehmer                                               Arbeitnehmer                 zu 4.: § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG

zu 3.: 1.000 Euro je    zu 2.: 6 Stunden je                                      zu 5.: § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG

Arbeitnehmer               Arbeitnehmer

zu 4.: 2.000 Euro je                                      zu 3.: 2 Tage je

Arbeitnehmer             Arbeitnehmer

zu 5.: 300 Euro je        zu 4.: 4 Tage je

Arbeitnehmer                                               Arbeitnehmer

                                    zu 5.: 6 Stunden je

zusammen: 5.100        Arbeitnehmer

Euro je                        

Arbeitnehmer              zusammen:

                                  9,5 Tage je

                                  Arbeitnehmer

Aufgrund der Beschäftigung von vier Arbeitnehmern beträgt die Gesamt­geld­strafe 20.400 Euro und die Gesamtersatzfreiheitsstrafe 38 Tage."

 

Weiters wurde ein 10%-iger Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber rechtzeitig eine auf die Strafhöhe beschränkte Berufung eingebracht und darin zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, dass die Strafhöhen weder den Taten angemessen noch den persönlichen Verhältnissen des Einschreiters entsprechen und gegen spezial- und generalpräventive Überlegungen verstoßen würden.

Der Einschreiter sei unbescholten und bedürfe es keiner drakonischen Bestrafung um ihn von weiteren Verwaltungsübertretungen abzuhalten. Aus dem bisherigen Vorleben des Einschreiters sei ersichtlich, dass ein verwaltungsstrafresistentes Verhalten nicht vorliege. Es wurde daher der Antrag gestellt, das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abzuändern, dass der verhängte Strafrahmen bezogen auf die jeweilige Verwaltungsübertretung auf den Mindeststrafrahmen herabgesetzt werde.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Da sich die Berufung nur gegen die verhängten Geldstrafen richtet, sind die Schuldsprüche in Rechtskraft erwachsen und ist es daher dem Unabhängigen Verwaltungssenat verwehrt hierauf einzugehen.

 

Die Erstinstanz hat bei der Strafbemessung die von ihm angegebenen persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers (monatliches Einkommen von 1000 Euro, Sorgepflicht für Ehefrau) insbesondere sein Einkommen angezweifelt und angeführt, dass acht Verwaltungsvorstrafen bzgl. des Berufungswerbers aufscheinen würden.

 

Aus dem im erstinstanzlichen Verfahrensakt einliegenden Verwaltungsstraf­register­auszug ergibt sich jedoch, dass für den Berufungswerber insgesamt vier noch nicht getilgte Verwaltungsstrafen aufscheinen, von denen sich aber keine auf das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz bezieht. Die Erstinstanz hat richtig den Strafrahmen für die Erstübertretung von 145 bis 7.260 Euro angenommen, wobei es sich bei der Angabe in der Begründung für die Höchststrafe mit 7.600 Euro um einen Schreibfehler handeln dürfte.

 

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Weiters sind bei der Strafbemessung überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 – 35 des StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die Übertretungen beziehen sich durchwegs auf den Vorwurf des § 7 Abs. 1 BauV der den generellen Schutz aller auf einer Baustelle mit Absturzgefahr Beschäftigten durch das Anbringen von Schutzvorrichtungen vorsieht. Auch der § 57 Abs. 1 BauV sieht generelle Schutzmaßnahmen in der Ausführung des Gerüstes vor. Aus der VwGH-Entscheidung 96/02/0052 vom 31.3.2000 kann abgeleitet werden, dass in solchen Fällen auch bei Beschäftigung mehrerer Arbeitnehmer jeweils pro Übertretung nur eine Straftat vorliegt, sodass die Verhängung einer gesonderten Strafe pro Arbeitnehmer ausscheidet. Sie wurde überdies auch vom Arbeitsinspektorat nicht so beantragt. Im Rahmen der allgemeinen Strafbemessung ist jedoch die Gefährdung von Leib und Leben mehrerer Arbeitnehmer zu berücksichtigen.

 

Angesichts der doch großen möglichen Absturzhöhen und der damit verbundenen Gefahren für die vier tätigen Arbeitnehmer erscheint nach der Schwere der Tat die verhängten Strafen pro Übertretung (aber nicht je Arbeitnehmer) durchaus angemessen, zumal sie sich im unteren Bereich der Strafdrohung befinden. Dies gilt auch bei Annahme der vom Berufungswerber geschilderten und nicht belegten persönlichen Verhältnisse hinsichtlich Sorgepflicht und Einkommen, sodass diesbezüglich auch in Anbetracht des Umstandes, dass der Berufungswerber vier, wenn auch nicht einschlägige Verwaltungsvorstrafen, aufweist die nunmehr verhängte Strafe tat- und schuldangemessen ist und auch general- und spezialpräventiven Zwecken entspricht.

 

Von der Anwendung der Bestimmungen der §§ 20 und 21 VStG (außer­ordentliche Strafmilderung bzw. Absehen von der Strafe) war abzusehen, da die dafür erforderlichen kumulativen Voraussetzungen nicht gegeben sind.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Leopold Wimmer

 

 

 

 

 

 

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