Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253049/8/Kü/Ba

Linz, 26.06.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung des Herrn J S, G, Z, vom 28. Dezember 2011 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 12. Dezember 2011, SV96-463-2011, wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungs­gesetzes nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 16. Mai 2012, zu Recht erkannt:

 

 

I.        Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.    Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:       § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF        iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991     idgF.

Zu II.:   § 66 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 12. Dezem­ber 2011, SV96-463-2011, wurden über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 33 Abs.1 iVm § 111 Abs.1 Allge­meines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) drei Geldstrafen in Höhe von jeweils 730 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit jeweils Ersatzfreiheitsstrafen von 36 Stunden verhängt.

 

Diesem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Sie haben als Dienstgeber (ein verantwortl. Bevollmächtigter gem. § 35/3 ASVG wurde nicht bestellt) die am 26.10.2011, gg. 08:20 Uhr, gegen Entgelt, in persönl. u. wirtschaftl. Abhängig­keit als Hilfskräfte (bei Abbrucharbeiten auf der auswärtigen Baustelle S, A) beschäftigten, nicht von der Vollversicherung gem. § 5 ausgenommene, damit in der Kran­ken-, Unfall- und Pensionsversicherung pflichtversicherten Dienstnehmer:

- J R D, geb X,

- C P, geb X, und

- H S, geb X,

nicht vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger (.GKK) angemeldet (weder mit Mindestangaben- noch Vollanmeldung), obwohl Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Kranken­versicherung pflichtversicherte Person (Voll- u. Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen 7 Tagen nach Ende der Pflichtversicherung abzumelden haben."

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, in der das Strafer­kenntnis zur Gänze angefochten wird. Begründend wurde vom Bw festgehalten, dass ihm seine drei langjährigen Bekannten bzw. Freunde aus Z und T beim Abtragen/Abreißen der besagten Remise – eines Holzanbaus von etwa 6 x 10 m, vorne mit Schiebetoren, eingedeckt mit Welleternit – an einem Gebäude auf dem von Herrn J gepachteten landwirtschaftlichen Anwesen geholfen hätten. Er kenne die Familie J seit etwa 10 Jahren, seitdem er damals auf dem Anwesen – er sei damals noch als Zimmerer bei der Firma O in P/G beschäftigt gewesen – die besagte Remise bzw. Kutschengarage aufgestellt bzw. dabei mitgearbeitet habe.

 

Nachdem das Holzgebäude durch einen größeren Neubau ersetzt werden sollte, habe ihn Herr J sen. kontaktiert, ob er die alte Halle nicht abtragen möchte; er könne sich das Material unentgeltlich heimfahren. Er habe zugesagt und sei mit seinen drei Bekannten D, P und S – die ihm die unentgeltliche Hilfe zugesagt hätten – am 26. Oktober in der Früh nach S gefahren, um die besagte Remise abzutragen. Kurz nachdem sie mit dem Zerlegen begonnen hätten, seien um 8.30 Uhr Kontrollore des Finanzamtes auf das Anwesen gekommen und hätten sie nach dem Sachverhalt befragt.

 

Er haben den Kontrolloren gesagt, dass die Abbrucharbeiten von ihm und seinen drei Freunden - alle haupt- bzw. nebenberufliche Landwirte, denen er selber auch, wenn notwendig, unentgeltlich helfe - über den Maschinenring, für den sie alle gelegentlich arbeiten würden, abgerechnet würden, um seinen drei Helfern Probleme zu ersparen, falls ihm die Kontrollorgane nicht glauben würden, dass es sich bei den drei wirklich um unentgeltliche Helfer handle.

 

Es tue ihm leid, dass er nicht von Anfang an die Wahrheit gesagt habe und ent­schuldige sich dafür. Das einzige, was seine drei Helfer von ihm – aber nicht als Entgelt, sondern als Selbstverständlichkeit gemeint – bekommen hätten, wäre nach Abschluss der von etwa 8 bis 14 Uhr dauernden Abbrucharbeiten eine Jause in einem nahegelegenen MD-Lokal gewesen, die er ihnen vor dem Nachhausefahren spendiert habe.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit Schreiben vom 30.1.2012 die Berufung samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 16. Mai 2012, an welcher der Bw sowie Vertreter der belangten Behörde und der Finanzverwaltung teilgenommen haben. In der Verhandlung wurde Herr J D als Zeuge einvernommen.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Bw ist seit Februar 2007 als Vollerwerbslandwirt tätig. Zuvor war er bei Firmen in M bzw. P/G als Zimmerer beschäftigt. Während seiner beruflichen Tätigkeit als Zimmerer hat der Bw auch bei einem Fiaker­unternehmer in S eine Hütte, welche als Wagenremise diente, aufgestellt. Im Oktober 2011 hat der Fiakerunternehmer, Herr J sen., mit dem Bw Kontakt aufgenommen und ihm mitgeteilt, dass er beabsichtige, einen neuen Stall auf dem Gelände zu bauen und deshalb die Wagenremise zu demontierten und abzubauen ist. Herr J hat den Bw gefragt, ob er Interesse habe, selbst diese Wagenremise abzubauen und sich das Material, nämlich Holz und Dachmaterial mit auf sein Anwesen zu nehmen. Der Bw hat Herrn J gegenüber geäußert, dass er das Angebot annimmt, da er selbst bei seinem Anwesen eine derartige Hütte benötigen könnte.

 

Da der Bw alleine nicht in der Lage war, diese Hütte abzubauen, hat er drei bekannte Personen, die sich untereinander regelmäßig Nachbarschaftshilfe leisten, gefragt, ob diese ihm bei den Abbauarbeiten in S helfen würden. Zwischen den drei Helfern, nämlich J R D, C P und H S, und dem Bw wurde vereinbart, dass am National­feiertag 2011 gemeinsam die Abbauarbeiten der Hütte in S durchgeführt werden. Es war nicht vereinbart, dass die drei Helfer ein Entgelt erhalten würden. Der Bw ging von Nachbarschaftshilfe und damit einem Freundschaftsdienst aus. Vom Bw wurde den drei Helfern auf der Heimfahrt eine Jause bezahlt.

 

Kurz nach Beginn der Arbeiten in S wurde der Bw sowie seine drei Helfer von Organen des Finanzamtes Salzburg-Stadt kontrolliert. Den Kontrollbeamten gegenüber hat der Bw angegeben, dass die Tätigkeit der drei Helfer über den Maschinenring abgerechnet wird. Der Bw hat dies deshalb ange­geben, um allenfalls den drei Helfern Probleme zu ersparen. Der Bw hat zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, dass eine nachträgliche Meldung der Arbeiten über den Maschinenring nicht mehr möglich ist. Er hatte beabsichtigt, am nächsten Tag die Tätigkeit beim Maschinenring zu melden und die erforderlichen Abgaben zu leisten.

 

Vom Bw und seinen Helfern wurden nach der Kontrolle die Abbauarbeiten fort­gesetzt und wurde das Material am Gelände zwischengelagert. Das Material wurde vom Bw nicht sogleich mit nach Hause genommen. Das Werkzeug für die Arbeiten hat der Bw selbst mitgebracht. Der Traktor mit Frontlader, der zu den Abbauarbeiten erforderlich war, wurde von Herrn J zur Verfügung gestellt.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Angaben des Bw in der Berufung bzw. in der mündlichen Verhandlung. Auch vom einvernommenen Zeugen wird bestätigt, dass er ein Bekannter des Bw ist und beim Abbruch der besagten Hütte einen unentgeltlichen Freundschaftsdienst dem Bw gegenüber erbracht hat. Insofern steht der Sachverhalt unbestritten fest.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1.       Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2.       Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

3.       Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

4.       gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß § 111 Abs.2 ASVG ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 von der Bezirks-verwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungs­strafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Gemäß § 33 Abs.2 ASVG gilt Abs.1 für die nur in der Unfall- und Pensions­versicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z3 lit.a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

Nach § 35 Abs.1 ASVG gilt als Dienstgeber i.S. dieses Gesetzes u.a. derjenige, für dessen Rechnung jener Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 ASVG pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.

 

Nach § 4 Abs.2 ASVG ist als Dienstnehmer anzusehen, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 539a Abs.1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.

 

5.2. Voraussetzung für die Annahme der Dienstnehmereigenschaft im Sinne des § 4 Abs.2 ASVG ist das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beur­teilung der persönlichen Abhängigkeit auf das Gesamtbild der Tätigkeit an. Es müssen nicht alle Kriterien der Dienstnehmereigenschaft vorliegen. Wesentlich ist, ob die Gesamt­betrachtung der Art und Weise der Tätigkeit zum Ergebnis der persönlichen Abhängigkeit gelangt.

 

Fest steht, dass es sich bei den drei Helfern des Bw um Bekannte handelt, die in mehr oder minder regelmäßigen Abständen für gegenseitige Freundschafts­dienste herangezogen werden. Auch im konkreten Fall ist der Bw, da er die Gelegenheit hatte, einen Holzanbau in S zu demontieren und sich das Material zu behalten, auf seine drei Bekannten zugekommen, damit ihm diese am Nationalfeiertag 2011 beim Abbau der Holzkonstruktion behilflich sind. Aufgrund der Bekanntschaft bzw. der gegenseitigen regelmäßigen Hilfe, war von vornherein nicht vereinbart, dass die drei Helfer ein Entgelt vom Bw für ihre Hilfstätigkeiten erhalten sollten. Vielmehr standen dem Bw die drei Helfer frei­willig und somit unentgeltlich zur Verfügung. An der Vereinbarung der unent­geltlichen Hilfsleistung ändert auch der Umstand nichts, dass der Bw im Zuge der Kontrolle zum Schutz seiner Helfer angegeben hat, dass deren Tätigkeiten über den Maschinenring abgerechnet werden sollten. Bei diesen Angaben handelt es sich gemäß den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung um eine Behauptung des Bw, die dem Grunde nach nicht den Tatsachen entspricht. In Gesamtbe­trachtung sämtlicher Umstände des Falles kommt das erkennende Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates zum Schluss, dass die drei Helfer des Bw zu ihm jedenfalls nicht in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit in Form eines Beschäftigungsverhältnisses gestanden sind. Vielmehr ist im gegenständ­lichen Fall von unentgeltlichen Freundschaftsdiensten auszugehen. Dieses Ergebnis führt dazu, dass dem Bw die Verletzung der Meldepflicht im Sinne des § 111 ASVG nicht angelastet werden kann. In diesem Sinne war daher der Berufung Folge zu geben, das gegenständliche Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Thomas Kühberger

 

 

 

 

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