Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300845/16/WEI/Hk

Linz, 13.06.2012

B E S C H L U S S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß aus Anlass der für E K, V, R, von Rechtsanwalt Dr. M H als Urlaubsvertreter des Dr. M L, Rechtsanwalt in N, H, substitutionsweise per Telefax eingebrachten Berufung vom 18. August 2008 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 29. Juli 2008, Zl. Pol 96-63-2008, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Oö. Polizeistrafgesetz nach Aufhebung des h. Berufungsbescheides vom 28. November 2008 durch den Verwaltungsgerichtshof beschlossen:

 

 

Die Berufung wird mangels eines rechtswirksam erlassenen Straferkenntnisses als unzulässig zurückgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG;

 

 

B e g r ü n d u n g:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft (BH) Gmunden vom 29. Juli 2008 wurde E K einer Übertretung des § 5 Abs 1 iVm § 10 Abs 2 lit b) Oö. PolStG schuldig erkannt und mit Geldstrafe von 400 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 80 Stunden) bestraft, weil er als Halter einer Straußenzucht in R, M, durch unzureichende Verwahrung zu verantworten hätte, dass am 27. April 2008 um 09:00 Uhr ein Straußenvogel aus dem mangelhaft umzäunten Gehege entweichen und in die Nähe des Hauses x, vordringen konnte. Beim Eintreffen der Polizei hätte sich der Vogel im Bereich Güterweg O (Eisenbahnkreuzung) befunden und wäre auf den Geleisen Richtung L gegangen. Er hätte dann die Geleise verlassen und gelangte über eine Wiese in Richtung der angrenzenden Siedlung x.

 

1.2. Das angefochtene Straferkenntnis wurde nach dem aktenkundigen Zustellnachweis (RSa-Brief) dem Rechtsanwalt Dr. M H, R, S, als Urlaubsvertreter des Dr. M L am 31. Juli 2008 persönlich zugestellt. Dr. H hatte sich zuvor in einer per Telefax vom 28. Juli 2008 übermittelten Eingabe als Urlaubsvertreter vorgestellt und auf die erteilte Substitutionsvollmacht berufen. Rechtsanwalt Dr. H sendete am 18. August 2008 um 15:01 per Telefax die Berufung für Herrn K gegen das Straferkenntnis vom 29. Juli 2008 an die BH Gmunden, wo sie laut Eingangsstempel auch am 18. August 2008 einlangte.

 

2.1. Laut Aktenvermerk des Herrn R K von der BH Gmunden vom 13. August 2008 rief Herr M H an und teilte u.A. mit, dass er die Vertretung des Herrn K übernehmen wolle. Der BH-Bedienstete erklärte ihm, das dies Herr K selbst - am besten schriftlich - mitzuteilen hätte.

 

Daraufhin rief Herr K noch am 13. August 2008 selbst an und teilte dem BH-Bediensteten mit, dass er die Herrn Rechtsanwalt Dr. L erteilte Vollmacht mit sofortiger Wirkung zurückziehe. Er wolle nunmehr M H eine Generalvollmacht erteilen. Er ersuchte weiter, die offenen Akten und den Akt betreffend Tierhalteverbot an das Gemeindeamt W zu senden, damit M H dort Akteneinsicht nehmen könne.

 

Auf Grund dieses Widerrufs der bisherigen Vollmacht und Bekanntgabe eines neuen Bevollmächtigten übersendete die Bezirkshauptmannschaft Gmunden mit Schreiben vom 14. August 2008 die zum damaligen Zeitpunkt in erster Instanz noch anhängigen Strafverfahrensakten Pol 96-63-2008, Pol 96-64-2008, Pol 96-65-2008 und den Verwaltungsverfahrensakt Pol 20-34-2008 (Tierhalteverbot) an das Marktgemeindeamt W, um dem "bevollmächtigten Vertreter M H", F, W, Obmann der "x" nachweislich Akteneinsicht zu gewähren. Zur Abgabe einer Stellungnahme im Verfahren Pol 20-34-2008 (Tierhalteverbot) wurde eine letzte Frist von 14 Tagen ab dem Tag der Akteneinsicht gewährt.

 

2.2. Mit Schreiben vom 12. September 2008, zugestellt am 26. September 2008, ersuchte der Oö. Verwaltungssenat Herrn Rechtsanwalt Dr. L um Stellungnahme zur Frage der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses per 13. August 2008 und übermittelte auch den Bezug habenden Aktenvermerk der BH Gmunden in Ablichtung. Da das Schreiben unbeantwortet blieb, wurde schließlich ein telefonischer Kontakt am 19. November 2008 hergestellt (vgl h. Aktenvermerk vom 19.11.2008). Dr. L gab bekannt, dass er von Herrn K keine ausdrückliche Mitteilung erhalten hätte. Er wisse nur, dass dieser mit seinem Substituten und Urlaubsvertreter Dr. M H vor Einbringung der Berufung vom 18. August 2008 nicht sprechen wollte.

 

3. Mit Erkenntnis vom 24. April 2012, Zlen. 2010/09/0088, 0089-9, hat der Verwaltungsgerichtshof die im ersten Rechtsgang ergangenen Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich (UVS Oberösterreich) je vom 28. November 2008, Zl. VwSen-300845/6/WEI/Ga und Zl. VwSen-300846/6/WEI/Ga, mit denen Berufungen gegen die Straferkenntnisse der belangten Behörde vom 29. und vom 31. Juli 2008 mit der Begründung des Erlöschens der Vertretungsbefugnis des bisherigen Rechtsvertreters durch erklärten Widerruf am 13. August 2008 zurückgewiesen wurden, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

 

Der UVS Oberösterreich hat nunmehr im zweiten Rechtsgang in Bindung an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofs einen Ersatzbescheid zu erlassen.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 10 Abs 1 AVG können sich Beteiligte und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

 

Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen (§ 10 Abs 2 AVG).

 

Auch die Frage des Erlöschens der Vertretungsbefugnis ist nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Das Vollmachtsverhältnis kann durch übereinstimmende oder einseitige Willenserklärung, nämlich Widerruf des Machtgebers oder Kündigung des Machthabers beendet werden (näher Hengstschläger/Leeb, AVG § 10 Rz 25 f). Da die Vollmacht ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Machtgeber und Machthaber voraussetzt, kann sie jederzeit durch einseitige Willenserklärung aufgehoben werden (vgl Koziol/Welser, Bürgerliches Recht13 I [2006], 210). Gemäß § 1020 ABGB steht es vor allem dem Machtgeber frei, die Vollmacht nach Belieben zu widerrufen. Widerruft eine Partei dem Rechtsanwalt das Mandat bzw die Vollmacht, so besteht gemäß dem § 11 Abs 3 RAO auch keine Pflicht zur Weitervertretung iSd § 11 Abs 2 RAO (vgl VwGH 5.5.2003, Zl. 2000/10/0137).

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs muss zur Außenwirksamkeit der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses eine entsprechende Mitteilung gegenüber der Behörde erfolgen (Nachw bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] E 66a ff; Hengstschläger/Leeb, AVG § 10 Rz 26).

 

Zur Begründung der im ersten Rechtsgang ergangenen Zurückweisung führte der UVS Oberösterreich aus :

 

"4.2. Herr K konnte demnach am 13. August 2008 durch einseitige Erklärung gegenüber einem Bediensteten der BH Gmunden in den zu diesem Zeitpunkt noch anhängigen Verfahren seinem bisherigen Rechtsvertreter das Mandat entziehen und die Vollmacht außenwirksam widerrufen. Er gab auch seine Disposition bekannt, für die Zukunft einen anderen Vertreter, nämlich Herrn M H, bestellen zu wollen. Seinen damals auf Urlaub befindlichen Rechtsvertreter Rechtsanwalt Dr. M L hat er zwar nicht mehr extra verständigt, mit dem Urlaubsvertreter und Substituten Dr. M H wollte er aber zur Vorbereitung des Rechtsmittels nicht einmal sprechen, sodass er offenbar auch im Innenverhältnis die Bevollmächtigung schlüssig widerrief.

 

Im Ergebnis stellt sich die Situation im vorliegenden Fall so dar, dass der das Mandat von seinem Kollegen Dr. L ableitende Rechtsanwalt Dr. H die Berufung vom 18. August 2008 wohl im Zweifel ohne Mitwirkung des Herrn K einbrachte. Zu diesem Zeitpunkt hatte Dr. L infolge des Widerrufs von E K gegenüber der BH Gmunden aber keine Vertretungsbefugnis mehr, weshalb auch die davon abhängige Substitutionsvollmacht im Außenverhältnis nicht mehr wirksam war.

 

Die Berufung vom 18. August 2008 wurde demnach für Herrn E K ohne dessen Zustimmung und ohne ein aufrechtes Vollmachtsverhältnis eingebracht, weshalb sie unzulässig und zurückzuweisen war."

 

4.2. Im aufhebenden Erkenntnis vom 24. April 2012, Zlen. 2010/09/0088, 0089-9, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang auf § 10 Abs 1 3. Satz AVG hingewiesen, wonach eine Vollmacht auch mündlich vor der Behörde erteilt werden kann. Aus der danach verlangten Anwesenheit des Vollmachtgebers "vor der Behörde" habe der Verwaltungsgerichtshof den Schluss gezogen, dass einer telefonischen Bevollmächtigungserklärung keine Rechtswirksamkeit zukommt, woran auch ein Vermerk über das Telefongespräch nichts ändern könne (Hinweis auf VwGH 16.10.1989, Zl. 89/10/0167). Für den Fall des zu beurteilenden Widerrufs als contrarius actus zur Erteilung der Vollmacht müsse dies ebenso gelten, auch wenn der dritte Satz des § 10 Abs 1 AVG für den Fall des Widerrufs keine besonderen Vorschriften enthält.

 

Ob eine Zurückweisung allenfalls aus anderen als den angenommenen Gründen zulässig gewesen wäre, habe der Verwaltungsgerichtshof nicht zu beurteilen. Er verweist aber zur Frage der Wirksamkeit einer Zustellung an den Substituten in Klammer auf VwSlg 12.860 A/1989. In diesem Beschluss vom 17. Februar 1989, Zl. 85/18/0268, führte der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf den OGH in SZ 35/130 aus, dass die Substitution keine unmittelbaren Vertragsbeziehungen zwischen dem Klienten des substituierenden Rechtsanwalts und dem Substituten begründe. Wenn dieser keine direkte Vollmacht erhalten hat, habe er im Verwaltungsverfahren auch keine Vollmacht zur Empfangnahme von Schriftstücken (Hinweis auf VwSlg 10.327 A/1980). Die Zustellung eines Bescheides an den substituierten Rechtsanwalt bewirke nicht die Erlassung des Bescheides, weil der substituierte Rechtsanwalt nicht Zustellbevollmächtigter iSd § 9 Abs 1 ZustellG sei. Eine Sanierung könne nicht eintreten, wenn der Bescheid einer Person zugestellt worden ist, die nicht Vertreter iSd § 9 Abs 1 ZustellG gewesen ist.

 

4.3. Im gegenständlichen Fall wurde das Straferkenntnis zu Händen des substituierten Rechtsanwalts Dr. M H an dessen Kanzleianschrift adressiert und zugestellt. Dieser konnte aber nach den obigen Ausführungen als bloßer Substitut nicht Zustellbevollmächtigter des Bw sein. Er hatte keine direkte Vollmacht vom Bw, der bekanntlich zur Vorbereitung der Berufung nicht einmal mit ihm reden wollte (vgl unter Punkt 2.2.). Wie oben entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs schon ausgeführt, war die Bezeichnung des Substituten als Empfänger des Straferkenntnisses in rechtlicher Hinsicht unzulässig und konnte die Zustellung an den substituierten Rechtsanwalt keine Erlassung des Straferkenntnisses bewirken.

 

Auch eine Heilung durch tatsächliches Zukommen war nicht möglich, weil das Straferkenntnis an einen unrichtigen Empfänger adressiert war. Der § 9 ZustellG idgF BGBl I Nr. 5/2008 hat daran nichts geändert. Die nunmehr im § 9 Abs 3 ZustellG geregelte Heilung entspricht der früheren gleichartigen Regelung, bei der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eine Heilung nur dann möglich war, wenn irrtümlich der Vertretene anstelle des Zustellbevollmächtigten als Empfänger bezeichnet wird (vgl Thienel/Zeleny, Verwaltungsverfahrensgesetze18 [2012], Anm 10 zu § 9 ZustellG). Auch nach der allgemeinen Vorschrift zur Heilung von Zustellmängeln gemäß § 7 ZustellG kommt es nicht auf die Person, für die das Dokument inhaltlich bestimmt ist, sondern auf jene Person, an die es gerichtet ist, an. Daher kann die fehlerhafte Bezeichnung einer Person als Empfänger in der Zustellverfügung nicht heilen (vgl Thienel/Zeleny, Verwaltungsverfahrensgesetze18 [2012], Anm 3 zu § 7 ZustellG).

 

Im Ergebnis war daher davon auszugehen, dass das angefochtene Straferkenntnis nie rechtswirksam erlassen wurde, weshalb die Berufung mangels eines rechtlich existent gewordenen Bescheides als unzulässig zurückzuweisen ist.

 

4.4. Aus prozessökonomischen Gründen weist der UVS Oberösterreich die belangte Behörde noch auf die mittlerweile nach drei Jahren eingetretene Strafbarkeitsverjährung des § 31 Abs 3 VStG hin. Da der gegenständliche Bescheid nicht als erlassen gelten kann, greift auch die Vorschrift des dritten Satzes nicht. Die Nichteinrechnung der Zeiten des Verfahrens vor dem Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof setzt nämlich voraus, dass der zu überprüfende Strafbescheid auch rechtlich existent geworden ist.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

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