Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401191/4/BP/JO

Linz, 03.07.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des X, StA von Afghanistan, derzeit aufhältig im X, wegen Anhaltung in Schubhaft seit 22. Juni 2012 durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

 

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 49/2012) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 22. Juni 2012, GZ.: Sich40-1926-2012, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Basis des § 76 Abs. 2a Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idgFiVm. § 57 AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG sowie zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) die Schubhaft angeordnet und im X vollzogen.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bf am 30.04.2012, um 16:40 Uhr, vor Beamten der Polizeiinspektion X, EAST Ost, einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz (Asyl) in Österreich eingebracht habe. Weder anlässlich der Einbringung seines Asylantrages noch im Rahmen des weiteren Asylverfahrens sei er im Stande gewesen, ein Nationalreisedokument oder ein anderweitiges Dokument welches einen Rückschluss auf die Identität zulassen würde, den österreichischen Behörden in Vorlage zu bringen.

 

Im Zuge einer niederschriftlichen Erstbefragung zum Asylantrag habe der Bf gegenüber Beamten der Polizeiinspektion X, EAST Ost, am 30.04.2012 angeführt, vor ca. 4 Jahren in Afghanistan am Hals operiert worden zu sein. Zudem habe er psychische Probleme. Ungarische Arztunterlagen habe er bei sich. Eine Medikamenteneinnahme habe er jedoch verneint. Er habe weiters ins Treffen geführt, dass er vor ca. 2 Jahren mit verschiedenen LKW bis zur iranischen Grenze gefahren sei. Vom Iran sei er über die Türkei nach Griechenland gereist. In Griechenland habe ihn die Polizei aufgegriffen. Der Bw sei ca. 1 Jahr in Griechenland aufhältig gewesen. Anschließend sei er von Griechenland über Mazedonien nach Serbien gereist, wo er an der serbisch-ungarischen Grenze von der Polizei aufgegriffen worden sei. In Ungarn habe er einen Asylantrag gestellt, welcher jedoch negativ entschieden worden sei. Von Ungarn sei er mit einem Zug nach Wien gereist. Die gesamte Reise habe der Bw selbst organisiert.

 

Befragt nach Asylantragstellungen in anderen Ländern habe er angegeben, dass er in Ungarn um Asyl angesucht habe, er jedoch zweimal einen negativen Bescheid erhalten habe. Befragt nach dem Aufenthalt in Ungarn habe er angegeben: "Ich kann nur schlechtes erzählen, sonst wäre ich nicht da. Ich will auf keinen Fall zurück nach Ungarn."

 

Auf die an ihn herangetragene Frage zu Angaben über Familienangehörige in Österreich oder in einem anderen EU-Staat habe der Bf angeführt, keinen familiären Bezug zu Österreich oder einem anderen EU-Staat zu haben. Auf die weiters an ihn gerichtete Frage, ob er über Barmittel oder andere Unterstützung verfüge, habe er angeführt, völlig mittellos zu sein und auch von niemanden eine Unterstützung zu bekommen.

 

Im Zuge der geführten weiteren Erhebungen sei mittels Abgleich der Fingerabdrücke in Erfahrung gebracht worden, dass – ehe der Bf illegal ins Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist sei – bereits folgende erkennungsdienstliche Behandlung im Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu seiner Person vorliege:

 

28.07.2011 Asylantragstellung in Ungarn.

 

Am 04.05.2012 sei seitens des Bundesasylamtes, EAST West, ein Konsultationsverfahren mit Ungarn eingeleitet und dem Bf die Verfahrensanordnung gem. § 29 AsylG am 07.05.2012 persönlich ausgefolgt worden.

 

Mit Schreiben vom 14.05.2012 habe sich Ungarn gem. Art. 16 Abs. 1 e Dublin-II-VO für das Asylverfahren zuständig erklärt. Weiters hätten die ungarischen Behörden mitgeteilt, dass der Bf am 26.07.2011 in Ungarn um Asyl ersucht habe, der Antrag am 02.11.2011 abgewiesen worden sei, eine Berufung vom Gericht am 24.02.2012 abgewiesen worden sei und er Ende April 2012 aus Ungarn verschwunden sei.

 

Am 23.05.2012 sei der Bf bei der Erstaufnahmestelle West seitens des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen worden. Im Wesentlichen habe er dabei seine Aussagen von der Erstbefragung wiederholt. Des weiteren habe er angegeben:

 

"LA: Fühlen Sie sich geistig und körperlich in der Lage, die Einvernahme durchzuführen?

AW: Ja. Ich fühle mich jetzt gut.

LA: Stehen Sie irgendwo in ärztlicher Behandlung?

AW: Nein.

 

[...]

 

LA: Schildern Sie Ihren Aufenthalt in Ungarn mit allem, was Ihnen wichtig erscheint.

AW: Gleich nachdem wir nach Ungarn gekommen sind, wurden wir von der Polizei festgenommen. Dann wurden wir in Haft genommen. Ich will jetzt sagen, wie es wirklich war. Ich war 10 Tage in Serbien. Dann sind wir über Ungarn nach Österreich gefahren. Bei der Grenze von Ungarn nach Österreich wurden wir von der österreichischen Polizei festgenommen und nach Ungarn zurückgeschoben. Dann waren wir in Ungarn 6 Monate in Haft. Dann wurden wir freigelassen. Von der Haft weg wurden wir in ein Flüchtlingslager nach Debrecen gebracht. Dort war ich zirka 4 Monate. Dann bin ich von dort nach Budapest gefahren und von Budapest bin ich selber mit dem Zug nach Sopron gefahren und von dort mit dem Zug nach Wien.

 

[...]

 

LA: Was war das Ziel Ihrer Reise, als Sie Ihr Heimatland verlassen haben?

AW: Ich wollte von Anfang an, als ich Afghanistan verlassen habe, nach Österreich kommen. Mein Ziel war Österreich.

 

LA: Warum haben Sie ausgerechnet Österreich ausgewählt?

AW: In Afghanistan habe ich gehört, dass Österreich ein gutes Land ist und dass man hier Asyl, Schutz bekommt.

 

LA: Der Staat Ungarn  hat in Ihrem Fall bereits mit Anschreiben vom 14.05.2012 gem. Art. 16 (1) e) der Dublin II Verordnung zugestimmt und sich für Ihr Asylverfahren zuständig erklärt. Seitens des BAA ist nunmehr geplant, Ihren gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gem. § 5 AsylG 2005 zurückzuweisen und Sie aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn auszuweisen.

 

LA: Wollen Sie nun konkrete Gründe nennen, die dem entgegenstehen?

AW: In Ungarn wurde mein Fall abgeschlossen und negativ beurteilt. Deswegen bin ich nach Österreich gekommen."

 

Der in Österreich gestellte Asylantrag vom 30.04.2012 sei mit Bescheid des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle West, AZ: 12 05.255, vom 20.06.2012, ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Absatz 1 Asylgesetz 2005 als unzulässig zurückgewiesen worden. Gleichgehend sei festgestellt worden, dass für die Prüfung des Asylantrages Ungarn zuständig sei. Ferner sei der Bf mit gleichem Bescheid gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt worden, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Ungarn zulässig sei.

 

Am 22.06.2012, um 07:51 Uhr – und demzufolge im unmittelbaren Anschluss nachdem dem Bf seitens des BAA EAST-West der zurückweisende Asylbescheid ausgefolgt worden sei – sei er von Beamten der Polizeiinspektion X.-EAST in der Erstaufnahmestelle X, im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zur Erlassung der Schubhaft nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 festgenommen worden.

 

1.1.2. Seitens der BH Vöcklabruck werde festgehalten, dass sich der Bf gegenwärtig – nachdem er nicht im Besitz eines Aufenthaltsrechtes für Österreich sei und er zudem in seinem Asylverfahren durchsetzbar aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn ausgewiesen worden sei – unberechtigt im Bundesgebiet aufhalte.

 

Weiters sei er – abgesehen von einem gegenwärtigen Geldbetrag in der Höhe von 360,00 Euro – mittellos.

 

Hinsichtlich der Notwendigkeit werde festgehalten, dass in Fällen, in denen der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wurde und gleich gehend eine durchsetzbare Ausweisung in den (gemäß den Bestimmungen der Dublin-II-Verordnung) für die Prüfung des Antrages zuständigen Staat verfügt wurde, durch die im Fremdenrechtsänderungsgesetz (FRÄG) 2009 geänderten Rechtsbestimmungen (und bei Vorliegen einer Ausreiseunwilligkeit) ein Sicherungsbedarf bereits indiziert sei. Mit einer zeitnahen Abschiebung nach Ungarn sei im Fall des Bf jedenfalls zu rechnen, zumal sich das Asylverfahren im finalen Stadium befinde und selbst im Falle des Einbringens einer Beschwerde im Asyl- und Ausweisungsverfahren (bei Ausweisungen in einen EU-Staat ==> verkürzte Rechtsmittelfrist ==> 1 Woche) von einer zeitlich sehr kurzen Anhaltung in der Schubhaft auszugehen sei.

 

Durch die Gesamtheit seiner Handlungsweise und seiner Aussagen im Asylverfahren sei es offensichtlich, dass er den EU-Staat Ungarn als vollkommen ungeeignet halte um ein Asylbegehren im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens prüfen zu lassen und um sich zur Verfügung der dortigen Behörden zu halten.

 

Der Bf sei bereits am 13.07.2011 auf der ungarisch-österreichischen Grenze aufgegriffen und nach Ungarn zurückgeschoben worden, weshalb auch die ungarischen Behörden ein Einreise- und Aufenthaltsverbot im Schengener Gebiet, gültig bis 10.08.2014, gegen ihn erlassen hätten. Schon damals hätte er wissen müssen, dass die Einreise nach Österreich illegal sei und Ungarn für sein Asylverfahren zuständig sei. Der Bf sei jedoch ein weiteres Mal nach Österreich eingereist und habe einen weiteren Asylantrag gestellt. Auf Vorhalt des Bestehens des Einreise- und Aufenthaltsverbotes habe der Bf Unkenntnis vorgeschützt.

 

Der Bf habe angegeben gesundheitliche Probleme zu haben, jedoch während seines Aufenthaltes in Österreich zu keiner Zeit einen Arzt aufgesucht. In Ungarn habe er lediglich Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit vorgebracht. In Österreich hätte er nun psychische Probleme und eine chronische Blutung am Geschlechtsorgan. Medizinische Unterlagen habe er in Österreich nicht vorgelegt. Auch sei er in der Betreuungsstelle nicht in ärztlicher Behandlung gewesen, weshalb davon ausgegangen werden müsse, dass er nicht behandlungsbedürftig sei.

 

Bei der Bewertung der Wahl der Mittel zur Erreichung seines nachhaltigen Zieles sei im vorliegenden Fall von einem besonders hohen Sicherungsbedarf auszugehen und zu attestieren, dass sich der Bf – auf freien Fuß belassen – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Zugriff der Behörden entziehen werde, um eine Außerlandesbringung von Österreich nach Ungarn mit Erfolg zu vereiteln oder um diese Maßnahmen zumindest wesentlich zu erschweren. Die Sicherungsnotwendigkeit werde zudem von der strikten Abneigung Ungarn gegenüber begründet.

 

Ein gelinderes Mittel würde zudem die Gefahr beinhalten, dass der Bf – nach Abtauchen in die Anonymität – dem österreichischen Staat weiters finanziell zur Last fallen könnte.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck komme nach genauer Abwägung im Rahmen einer Einzelfallprüfung des vorliegenden Sachverhaltes zum Ergebnis, dass die Anordnung der Schubhaft zur Sicherung der Außerlandesbringung von Österreich nach Ungarn verhältnismäßig sei, denn dem Recht des Bf als Fremdem auf Schutz der persönlichen Freiheit stehe das in diesem Fall überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen (sowie insbesondere die Einhaltung des für die Republik Österreich von nachhaltiger Wichtigkeit bestehenden Regelungsregimes des Dubliner Abkommens) gegenüber.

 

1.2.1. Gegen den Schubhaftbescheid sowie gegen die darauf basierende Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf per Telefax am Freitag dem 29. Juni  2012 nach Ende der Amtsstunden, Schubhaftbeschwerde an den UVS des Landes Oberösterreich.

 

Zum Sachverhalt wird darin angeführt, dass der Bf am 30.04.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe; dieser sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.06,2012 zurückgewiesen und der BF nach Ungarn ausgewiesen worden. Über den BF sei mit Bescheid der BH Vöcklabruck vom 22.06.2012 gemäß § 76 Abs. 2a Z. 1 FPG iVm. § 57 Abs. l AVG die Schubhaft verhängt worden. Er sei festgenommen worden und befinde sich seither in Schubhaft.

 

1.2.2. Sowohl die Schubhaftverhängung als auch die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft sind rechtswidrig.

Vorgebracht werde, dass die im Bescheid angesprochene Fluchtgefahr, die sich in seinen Ausführungen und seinem Verhalten geäußert habe, ein reines Konstrukt sei. Die Behörde sei der Ansicht, dass der Bf keinesfalls gewillt sei, sich einer Abschiebung nach Ungarn zu stellen. Dies entspreche allerdings nicht den Tatsachen, der Bf habe ursprünglich in Ungarn einen ersten Asylantrag gestellt, weil er Ungarn als solches nicht ablehne. Erst nachdem er habe feststellen müssen, dass die Situation dort derartig schlecht gewesen sei, habe er sich für Österreich entschieden. Wenn hier keine Zukunft für ihn bestehe, werde er sich dem auch nicht widersetzen. Der Vorwurf der Erstbehörde, er praktiziere „Asylantragstourismus" sei haltlos. Nachdem er von Österreich nach Ungarn überstellt worden sei - die Dublin Verordnung sei ihm bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen - habe er nach bester Möglichkeit an seinem dortigen Verfahren mitgewirkt. Obwohl ursprünglich Österreich mein Zielland gewesen sei, habe er akzeptiert, dass Ungarn für sein Asylverfahren zuständig sei, was auch der Umstand zeige, dass er dort sein Verfahren vollständig durchgeführt und nach bestem Können und Wissen an diesem mitgewirkt habe, insbesondere auch ein Beschwerdeverfahren durchgeführt habe. Sein Aufenthalt in Ungarn sei allerdings sehr schwierig gewesen, durch seine Inhaftierung sei es ihm auch nicht möglich gewesen, seine Rechte im Asylverfahren ausreichend wahrzunehmen. Der Bf streite daher vehement ab, dass er „bereits mehrfach unter Beweis gestellt habe, dass er keinen Wert auf die Einhaltung der Rechts- und Werteordnung in meinen Gastländern läge". Auch entspreche es nicht der Wahrheit, dass er sich in Österreich keiner ärztlichen Behandlung unterzogen habe, in Ungarn seien ihm tatsächlich lediglich Medikamente gegen Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit verschrieben worden, dies jedoch weil für eine umfassende Behandlung laut Aussage des behandelnden Arztes kein Geld vorhanden sei.

 

Weiters werde vorgebracht, dass die Behörde die Verhältnismäßigkeit missachtet habe.

 

Da im Fall des Bf aber kein Sicherungsbedarf bestehe, wären durchaus auch gelindere Mittel zweckerfüllend. Gesundheitlich gehe es ihm, wie bereits angesprochen und der Behörde bekannt, nicht sehr gut. Der Bf habe psychische Probleme und leide neben Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit auch an einer chronischen Blutung an Geschlechtsorganen. Weiters benötige er seit Jahren wegen einer Halsoperation Behandlung. Gerade auch der Umstand, dass die Schubhaft sein Leiden deutlich verschlimmere, spreche gegen diese und lasse für eine Anwendung gelinderer Mittel jedenfalls Raum.

 

Dass der Bf dem österreichischen Staat nach Abtauchen finanziell zur Last fallen könnte, entspreche nicht der Wahrheit. Wie bereits angeführt habe er keinerlei Intention sich dem Verfahren in Österreich zu entziehen, jedoch möchte er sein Recht auf Wahrnehmung eines Beschwerdeverfahrens in Anspruch nehmen.

Die Schubhaft sei rechtswidrig.

 

Es werden abschließend daher die Anträge gestellt, "der Unabhängige Verwaltungssenat möge

1.    die Verhängung der Schubhaft und

2.    die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklären

3.    feststellen, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung des BF in Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht (mehr) vorliegen

4.    in eventu den angefochtenen Bescheid der BH Vöcklabruck dahingehend abzuändern, als die Anwendung eines gelinderen Mittels gem. § 66 FrG zur Anwendung kommt,

5.    Kostenersatz im Umfang der anzuwendenden Pauschalersatzverordnung (Schriftsatzaufwand) und der Eingabegebühr zuerkennen."

 

 

2.1.1. Mit E-Mail vom 2. Juli 2012 übermittelte die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat.

 

2.1.2. In einer Gegenschrift vom selben Tag führt die belangte Behörde ua. aus:

"Im Besonderen wird auf die ha. Aktenunterlagen und den bereits im Schubhaftbescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 22.06.2012 ausgeführten Sachverhalt hingewiesen.

 

Im Weiteren darf auch ein aktueller Auszug aus dem AIS beigefügt werden.

Wie aus dem AIS, dem Schubhaftbescheid und nunmehr auch aus der vorliegenden Beschwerde unbestreitbar hervorgeht, befindet sich das Dublinverfahren des Fremden im finalen Stadium, unmittelbar vor der durch den Beschwerdeführer absolut nicht gewünschten Überstellung nach Ungarn.

 

Darüber hinaus wird hervorgehoben, dass im vorliegenden Fall ein konkreter Sicherungsbedarf vorliegt und ohne einer freiheitsentziehenden Sicherheitsmaßnahme berechtigt und klar im angefochtenem Schubhaftbescheid begründet, nicht davon ausgegangen werden kann, das vorliegende Ausweisungsverfahren zu beenden und eine Vollstreckung mit der Abschiebung nach Ungarn vollziehen zu können.

 

Im vorliegenden Fall konnte in der Gesamtschau des Sachverhaltes:

 

·         mehrfache illegale Grenzübertritte und Durchreisen mehrerer Mitgliedstaaten der EU (Reiseroute laut eigenen Angaben: Iran – Türkei – Griechenland – Mazedonien – Serbien – Ungarn – Wien)

·         Eurodac-Treffer vom Mitgliedstaat Ungarn vom 28.07.2011

·         offensichtliches Entfernen in Ungarn, Abtauchen in die Anonymität und illegale Weiterreise in weitere Mitgliedstaaten

·         Identität in Österreich durch Unterdrückung von Unterlagen und Urkunden nicht gesichert

·         bewusstes Vernichten und Unterdrücken von Unterlagen und Papieren, die zur Reiseroute und Identität Hinweise geben – siehe ausgefolgte Unterlagen (Bescheide, Einvernahmen, Verfahren,...) in Ungarn (alle Unterlagen von Ungarn wurden durch den Fremden bewusst entweder zurückgelassen, vernichtet oder werden in Österreich versteckt gehalten)

·         Falschangaben bzw. Verschleierung von Angaben (zB Aufgriff am 12.07.2011 in Kittsee - Zurückschiebung am Landweg nach Ungarn am 13.07.2011) in der Erstbefragung trotz eingänglicher Belehrung

·         keine Vorlage von Dokumenten - keine gesicherte Identität

·         Schengenweites Einreise- und Aufenthaltsverbot vom EU-Staat Ungarn, gültig bis 10.08.2012

·         Schengenweites Einreise- und Aufenthaltsverbot vom EU-Staat Griechenland, gültig bis 30.05.2013

 

nicht erkannt werden, dass der Beschwerdeführer sein Verhalten geändert hätte und eine Tendenz dahingehend nunmehr zeigen würde, die Einhaltung der Rechtsordnung und Rechtsbestimmung zu akzeptieren. Es war nicht zu erkennen und daher auch nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nunmehr die Rechtsordnung befolgen und sich zur Verfügung der Behörde halten werde. Folglich konnte mit vorliegenden Sachverhalt kein Anhaltspunkt erkannt werden, der für den Fremden spreche und eine Sicherung des Ausweisungsverfahrens und eine Sicherung der Abschiebung nach Ungarn abseits der Schubhaft mit einem gelinderen Mittel zulassen würde.

 

In Bezug auf die Ausführungen in der Schubhaftbeschwerde, dass es nicht der Wahrheit entsprechen würde, dass er sich in Österreich keiner ärztlichen Behandlung unterzogen hätte, wird angeführt, dass der Beschwerdeführer selbst im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesasylamt angab, nicht in ärztlicher Behandlung zu stehen und sich gut fühlen würde.

 

Es befindet sich daher nicht nur das Außerlandesbringungsverfahren im absolut letzten Stadium, sondern zeigt auch die Handlungsweise des Beschwerdeführers erneut auf, dass er alles daran setzen werde, um dieser fremdenpolizeilichen Maßnahme, seiner Außerlandesbringung aus Österreich, zu entgehen."

 

(…)

"Mit Bescheid des Bundesasylamtes, EAST West vom 20.06.2012 wurde der Fremde durchsetzbar nach Ungarn ausgewiesen und sein Asylbegehren nach der Dublin-VO gem. § 5 AsylG 2005 nach Ungarn zurückgewiesen. Am 27.06.2012 brachte der Genannte Beschwerde beim Asylgerichtshof ein.

Es ist daher beabsichtigt, den Beschwerdeführer – nach Ablauf der Wochenfrist – gegen Ende nächster Woche nach Ungarn abzuschieben. Dass der Beschwerdeführer nicht nach Ungarn zurückkehren will, ist nicht nur auf Grund seiner Handlungsweise, sondern auch auf Grund seiner letztlich nunmehr eingebrachten Schubhaftbeschwerde außer Zweifel. Um letztlich die in Kürze bevorstehende Überstellung in den für den Beschwerdeführer zuständigen Mitgliedstaat Ungarn auch vollziehen zu können, wird dringend die kostenpflichtige Abweisung vorliegender Beschwerde beantragt."

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem – im Übrigen vom Bf nicht substantiell widersprochenen - unter dem Punkt 1.1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

Zusätzlich ergibt sich aufgrund eines am 2. Juli 2012 mit der Sanitätsstelle des X geführten Telefonates, dass der Bf seit seiner Einlieferung am 22. Juni 2012 gesundheitlich völlig unauffällig sei. Weder bei der ärztlichen Erstuntersuchung noch aufgrund der vom Bf angegebenen Daten hätten sich Hinweise auf Blutungen an den Geschlechtsorganen oder psychische Probleme manifestiert. Der Bf hätte jederzeit bislang die Möglichkeit gehabt den Amtsarzt zu kontaktieren, hat dies aber nicht gemacht. Chronische Krankheiten (Blutungen an den Geschlechtsorganen) hätten im Rahmen der Untersuchungen nicht übersehen werden können. Der Bf beziehe aber auch keinerlei Medikamente oder habe dieses angefragt.

 

Daraus kann aber korrespondierend zu den aus dem Akt gewonnenen Informationen keinerlei gravierende Erkrankung des Bf konstatiert werden.

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1.1.  Gemäß § 83 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. Nr. 49/2012, ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z. 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs. 1 Z. 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.  

 

Gemäß § 82 Abs. 1 FPG hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.1.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des in Rede stehenden Bescheides der belangten Behörde vom 22. Juni 2012 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

3.2. Gemäß § 76 Abs. 2a FPG hat die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1.       gegen den Asylwerber eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5        AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2.       eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der      Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3.       der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG mehr als einmal verletzt hat;

4.       der Asylwerber, gegen den nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 15 Abs. 1 Z. 4 vorletzter Satz AsylG nicht nachgekommen ist, oder

5.       der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde,

und die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegen stehen.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Der Bescheid hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Fremden verständlichen Sprache zu enthalten oder einer Sprache, bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass er sie versteht. Eine unrichtige Übersetzung begründet lediglich das Recht, unter den Voraussetzungen des § 71 AVG wiedereingesetzt zu werden.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z. 1.

 

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung,

1.      in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2.      sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden      oder

3.      eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.

 

Gemäß § 27 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005 gilt ein Ausweisungsverfahren als eingeleitet, wenn nach Ziffer 1 im Zulassungsverfahren eine Bekanntgabe nach
§ 29 Abs. 3 Z 4 oder 5 erfolgt.

 

3.3. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass der Bf am 30. April 2012 einen Asylantrag in Österreich gestellt hat. Nachdem die fremdenpolizeilichen Ermittlungen ergaben, dass der Bf bereits in Ungarn einen Asylantrag gestellt hatte, wurde dieser Antrag mit Bescheid des BAA vom 22. Juni 2012 gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen und gleichzeitig die Ausweisung gemäß § 10 AsylG verfügt.

 

Gemäß § 36 Abs. 1 AsylG 2005 kommt einer Entscheidung, mit der ein Antrag zurückgewiesen wird, eine aufschiebende Wirkung nicht zu. Einer Beschwerde gegen eine mit einer solchen Entscheidung verbundenen Ausweisung kommt die aufschiebende Wirkung nur zu, wenn sie vom Asylgerichtshof zuerkannt wird.

 

Letzteres liegt jedoch nicht vor und wurde auch vom Bf nicht behauptet. Es ist daher völlig unbestritten, dass im in Rede stehenden Fall eine durchsetzbare Ausweisung vorliegt und dem Bf im Übrigen auch kein faktischer Abschiebeschutz zukommt.

 

Es liegen somit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2a Z. 1 FPG vor.

 

3.4.1. Im Gegensatz zu den Schubhafttatbeständen des § 76 Abs. 1 und 2, die ihrer Formulierung nach eine Ermessensentscheidung bedingen, legt Abs. 2a leg. cit., der mit der Novelle BGBl. I Nr. 122/2009 introduziert wurde, grundsätzlich eine obligatorische Verhängung der Schubhaft bei Vorliegen der hier normierten Tatbestandselemente fest. Den Materialien zu § 76 Abs. 2a FPG ist zu entnehmen, dass in den hier normierten 5 Fällen "grundsätzlich von einem Sicherungsbedürfnis auszugehen sein wird".

 

Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die Gesetzesbestimmung schon nach dem Wortlaut kumulativ zusätzlich zum Vorliegen der Z. 1 bis 5 jedenfalls auch die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig sein muss. Dies kann aber nichts anderes bedeuten, als dass der Sicherungsbedarf zusätzlich zum Vorliegen der Tatbestandsmäßigkeit der Z. 1 bis 5 geprüft werden muss. Fraglos sind die genannten Fallkonstellationen ihrer Natur nach dazu geeignet aufgrund ihres Vorliegens Indizien auch für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs darzustellen.

 

Weiters geben die Materialien an, dass der von den Höchstgerichten geforderten Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den letzten Satz Rechnung getragen wird und gehen diesbezüglich von einem Anwendungsbereich der besonderen in der Person des Asylwerbers gelegenen Umstände "insbesondere" von "Alter" und "Gesundheitszustand" aus. Eine Beschränkung allein auf derartige Umstände wird wohl unzureichend sein, da nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 17.891/2006 und 18.196/2007) schon bei den Absätzen 1 und 2 des § 76 FPG eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen ist. Eine nunmehrige Einschränkung auf lediglich rein in der Person gelegene Umstände wäre somit verfassungsrechtlich bedenklich und ist über verfassungskonforme Interpretation aufzulösen.

 

Es folgt also daraus, dass das Vorliegen einer oder mehrerer Alternativen des
§ 76 Abs. 2a FPG als Indiz für das Vorliegen des Sicherungsbedarfs gewertet werden muss, eine derartige Prüfung aber nicht ersetzt. Weiters muss auch bei dieser Bestimmung die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft – mit besonderer aber nicht ausschließlicher Blickrichtung auf persönliche Verhältnisse des Schubhäftlings – vorliegen. Ein Vergleich mit den Materialien zeigt zudem, dass durch diese Norm das Institut des gelinderen Mittels nach § 77 FPG unberührt bleibt und somit in die Erörterung miteinzubeziehen ist.

 

3.4.2. Im vorliegenden Fall ergibt sich betreffend den Sicherungsbedarf ein eindeutiges Bild:

 

Zunächst ist anzumerken, dass der Bf, dessen Identität – mangels entsprechender Dokumente - nicht letztgültig geklärt ist, bereits über einen breiten Erfahrungsschatz mit fremdenpolizeilichen Maßnahmen in verschiedenen Schengenstaaten verfügt. Dies verdeutlichen gleich zwei schengenweite Aufenthaltsverbote, die gegen ihn von Griechenland und Ungarn erlassen wurden und die auch gegenwärtig aufrecht sind. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass der Bf bereits einmal vergeblich versuchte illegal nach Österreich zu gelangen (2011), wobei er nach Ungarn zurückgeschoben wurde. So war er zunächst gezwungen das dortige Asylverfahren zu bestreiten, um erst nach dessen negativem Ausgang wieder nach Österreich einzureisen, um hier erneut den Versuch des Verbleibens zu unternehmen. Die Aussagen in der Schubhaftbeschwerde selbst widersprechen sich hier offensichtlich, wenn der Bf zum Einen angibt gar nicht unbedingt nach Österreich gewollt zu haben, sondern das Verfahren in Ungarn angestrebt zu haben und zum Anderen doch von vorne herein Asyl in Österreich angestrebt haben will. Ohne sich hier in allgemeine Unterstellungen zu verlieren erweckt der Bf ganz konkret den Eindruck, dass es ihm jedenfalls auf die Erlangung des Verbleibs in einem für ihn wirtschaftlich interessanten Land der Europäischen Union – völlig losgelöst von einer allfälligen asylrelevanten Bedrohungssituation  - ankommt.

 

Der belangten Behörde folgend ist festzuhalten, dass der völlig mittellose Bf geradezu darauf angewiesen ist, der drohenden Abschiebung nach Ungarn, wo gegen ihn nicht nur eine negative Asylentscheidung vorliegt, sondern auch ein schengenweites Aufenthaltsverbot besteht, und von wo aus er mit höchster Wahrscheinlichkeit in sein Heimatland abgeschoben werden wird,  durch ein Untertauchen in die Illegalität zu entgehen. Dabei aber kann er seinen Lebensunterhalt nur entgegen den arbeitsmarktrechtlichen Bestimmungen bestreiten, weshalb die diesbezügliche Feststellung der belangten Behörde aufrecht erhalten werden kann.

 

Der Bf verfügt zudem über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet und auch über keine Verwandten innerhalb des Gebietes der Europäischen Union (laut seinen eigenen Angaben).

 

Die mehrfach geäußerte Weigerung des Bf nach Ungarn zurückzukehren erscheint demnach unter einem besonderen Licht und ist nicht mit den Fällen zu vergleichen, in denen die Höchstgerichte die bloße Ausreiseunwilligkeit allein als nicht ausreichend sahen, einen Sicherungsbedarf zu begründen.

 

Der Bf hat – auch wenn er dies bestreitet – in der Vergangenheit sehr wohl bewiesen, dass er bereit ist fremdenpolizeilichen Anordnungen zuwider alles dafür zu tun, um sein Ziel der Sicherung des von ihm angestrebten Lebensstandards in einem für ihn attraktiven Staat zu erreichen. Dabei ist sein Vorgehen als durchaus strategisch orientiert zu bewerten. Da nun aber die Abschiebung nach Ungarn noch diese Woche erfolgen soll verdichtet sich der ab der negativen Asylentscheidung am 22. Juni 2012 massiv gegebene Sicherungsbedarf noch weiter.

 

3.4.3. Der belangten Behörde folgend ist im vorliegenden Fall – in Zusammenschau all der eben beschriebenen Sachverhaltselemente - von einem besonders hohen sowie akuten Sicherungsbedarf auszugehen und zu attestieren, dass sich der Bf – auf freiem Fuß belassen – spätestens ab dem Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlich negativen Asylbescheides am 22. Juni 2012  fraglos dem Zugriff der Behörde entzogen haben würde. Je weiter dieses Verfahren fortschreitet, desto höher ist auch die Fluchtgefahr anzusetzen. Diese bestand aber schon zweifellos zum Zeitpunkt der Verhängung der Maßnahme.

 

3.5.1. Die Verhängung der Schubhaft ist demnach zweifellos auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses im vorliegenden Fall fraglos überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

3.5.2. Betreffend die vertiefte Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 76 Abs. 2a ist folgende Feststellung zu treffen: 

 

Betreffend des Alters des Bf ergeben sich keinerlei Probleme. Anders könnte es sich – dem Vorbringen in der Beschwerde nach – mit der gesundheitlichen Situation verhalten. Wenn der Bf nun chronische Blutungen an den Geschlechtsorganen und psychische Probleme ins Treffen führt, ist ihm zu entgegnen, dass erstere Erkrankung wohl bei der Untersuchung im PAZ nicht hätte übersehen werden können, was auch der zuständige Arzt im X bestätigte. Anzumerken ist aber vor allem auch, dass der Bf seinen Gesundheitszustand sowohl bei den Befragungen als auch bei der Einlieferung ins PAZ als gut angab und keinerlei Hinweise von ihm selbst auf die vorgeblichen Erkrankungen gemacht wurden. Auch bedarf er – wie vom PAZ-Arzt bestätigt – offenbar aktuell keiner Medikation; eine solche wurde von ihm zu keinem Zeitpunkt seit dem 22. Juni 2012 gefordert oder angeregt.

 

Es ist also davon auszugehen, dass der Gesundheitszustand des Bf – wenn überhaupt – jedenfalls nur in einem vernachlässigbaren Grad beeinträchtigt ist, weshalb auch aus diesem Grund die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft durchaus gegeben ist. 

 

3.6. Damit scheidet auch grundsätzlich die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise aus. Eine allfällige tägliche Meldepflicht würde das Ziel der Schubhaft nicht haben gewährleisten können, zumal der Bf schon in der Vergangenheit bewies, dass er nicht bereit ist, behördlichen Anordnungen zu entsprechen.

 

3.7. Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls nicht schlagend in Anwendung gebracht werden, zumal der Bf über keine familiären Kontakte oder Verpflichtungen im Bundesgebiet verfügt.

 

3.8.1. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf solange aufrecht erhalten werden,  bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Gemäß § 80 Abs. 2 FPG darf die Schubhaftdauer grundsätzlich

1.       zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;

2.       vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

 

3.8.2. Der Bf wird gegenwärtig seit 11 Tagen in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte Frist bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Es liegen auch keine Umstände vor, die erwarten ließen, dass die Anhaltung noch längere Zeit andauern werde, zumal die Abschiebung des Bf nach Ungarn noch diese Woche erfolgen soll.

 

Das Ziel der Schubhaft, die Ausweisung und Abschiebung nach Ungarn, ist zum Entscheidungszeitpunkt somit absolut zeitnah erreichbar, da aktuell keine Umstände bekannt sind, die gegen die Durchführbarkeit der Rückführung sprechen würden.

 

3.9. Es sind zudem keinerlei Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden, weshalb die Beschwerde vom
29. Juni 2012 (sie gilt als am 2. Juli 2012 eingebracht) als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen war, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

 

 

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