Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730037/24/Wg/JO

Linz, 06.06.2012

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung des X, geb. X, vertreten durch X, gegen die mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Steyr vom 30. März 2010, Zl. 1-1012485/FP/10, verhängte Ausweisung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15. Februar 2012 zu Recht erkannt:

 

 

I.                   Der Berufung wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

 

II.                Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG und  § 61 Abs 3 FPG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Die Bundespolizeidirektion Steyr hat den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) mit Bescheid vom 30. März 2010, Zl. 1-1012485/FP/10, gem. § 53 Abs.1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, ausgewiesen.

 

Dagegen richtet sich die Berufung vom 15. April 2010. Der Bw beantragt darin, die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich möge

a)       den angefochtenen Bescheid aufheben, die ausgesprochene Ausweisung aufheben und das eingeleitete Ausweisungsverfahren einstellen;

b)       den angefochtenen Bescheid aufheben, die Rechtssache an die Erstinstanz zur neuerlichen Entscheidungsfindung nach Durchführung eines ergänzenden Beweisverfahrens zurückverweisen; und

c)       jedenfalls eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen und durchführen.

Nachdem mit 1. Juli 2011 wesentliche Bestandteile des Fremdenrechtsänderungsgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 in Kraft getreten sind, hat die Sicherheitsdirektion den Berufungsakt dem Verwaltungssenat zuständigkeitshalber übermittelt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat führte am 15. Februar 2012 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durch, zu der der Berufungswerber im Beisein seines Rechtsvertreters erschienen ist.

Der rechtsanwaltliche Vertreter erstattete am Ende der mündlichen Verhandlung folgendes Schlussvorbringen:

"Es wird auf das Berufungsvorbringen verwiesen. Es wird beantragt, die Ausweisungsentscheidung zu beheben. Der Lebensmittelpunkt ist seit mehreren Jahren in Österreich. Der Berufungswerber hat sich entsprechend integriert. Die Ausweisung ist aus diesem Grund dauerhaft unzulässig."

 

 

Der Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:

 

Der Bw wurde am X geboren und ist Staatsangehöriger von Indien.

 

Am 8. September 2003 reiste er illegal in das Bundesgebiet ein und ist seit 23. September 2003 durchgehend mit Hauptwohnsitz gemeldet.

 

Am 9. September 2003 stellte er einen Asylantrag. Dieses Asylverfahren wurde mit 29. Dezember 2009 in II. Instanz rechtskräftig negativ entschieden. Während des Asylverfahrens verfügte er über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz. Es wurde gem. dem Asylgesetz keine Ausweisung ausgesprochen.

Beim Magistrat der Stadt Steyr stellte der Bw am 17. Februar 2010 einen Antrag auf Aufenthaltstitel. Bis dato liegt keine Entscheidung vor.

 

Zur Zeit ist er an der Adresse X wohnhaft. Der Bw ist ledig, er lebt alleine in einer Mietwohnung und bezahlt Miete incl. Betriebskosten in der Höhe von 250 Euro.

 

In Österreich hält sich ein Onkel samt Familie des Bw auf, diese sind laut Angabe des Rechtsvertreters bereits österreichische Staatsbürger. Laut Aussage in der mündlichen Verhandlung treffe er den Onkel ca. einmal im Monat. Seine Eltern – zu denen er einmal monatlich Kontakt hat – und seine Schwestern leben in Indien.

 

Im Heimatstaat besuchte er ca. 10 Jahre die Grundschule, dies ist in etwa mit einem Hauptschulabschluss in Österreich vergleichbar. Danach war er in der Landwirtschaft tätig.

Laut Angaben des Bw ist er seit ca. 5 bis 6 Jahren für die X bzw. die X GmbH tätig. Er erhält ca. 1.000 Euro monatlich und ist zur Zeit nach dem gewerblichen Sozialversicherungsgesetz pflichtversichert.

 

Laut Versicherungsdatenauszug vom 6. Februar 2012 scheinen jedoch nur folgende Versicherungszeiten auf:

14.07.2004 bis 08.01.2008:    Asylwerber bzw. Flüchtling

01.02.2008 bis 23.10.2008:    Asylwerber bzw. Flüchtling.

 

An zuviel bezogener Grundversorgung hat der Bw 5.332,66 Euro zurückzuzahlen, wobei eine Ratenzahlung in der Höhe von 75 Euro monatlich vereinbart wurde.

 

Befragt über eine Deutschprüfung gab der Bw in der mündlichen Verhandlung an, dass er keine Prüfung über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 abgelegt habe, jedoch im nächsten Monat mit einem entsprechenden Kurs beginnen würde.

 

Befragt, wie der Bw seine Freizeit verbringe, gab er an, dass er oft zu Hause sei und fernsehe. Es kämen aber auch Freunde zu Besuch.

 

Festzustellen war weiters, dass der Bw unbescholten ist.

 

 

Zur Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem Vorbringen des Bw und den vorgelegten Dokumenten.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat weiters Beweis erhoben durch Auszüge aus dem Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystem und aus dem Zentralem Melderegister und einem Versicherungsdatenauszug vom 6. Februar 2012.

 

 

Der Verwaltungssenat hat dazu in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Die Ausweisungsentscheidung gilt gem. § 125 Abs. 14 Fremden­polizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 38/2011 als Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 FPG. Der Bw hält sich seit rechtskräftigem negativen Abschluss seines Asylverfahrens nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich auf. Der Tatbestand für eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 FPG ist dem Grund nach erfüllt.

 

Wird durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 61 Abs 1 FPG die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 61 Abs 2 FPG insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung ist gemäß § 61 Abs 3 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Jedermann hat gemäß Artikel 8 Abs 1 EMRK Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Artikel 8 Abs 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Der illegale Aufenthalt des Bw seit negativem Abschluss des Asylverfahrens beeinträchtigt das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in einem erheblichen Ausmaß.

 

Dem gegenüber steht das persönliche Interesse des Bw an der Fortsetzung seines Privatlebens im Bundesgebiet.

 

Auch ein unrechtmäßiger Aufenthalt kann zur Begründung einer Integration im Inland herangezogen werden, wenn dem auch nicht derselbe Stellenwert wie bei einer rechtmäßigen Niederlassung zugemessen werden kann (vgl. VwGH vom 4.9.2003, GZ. 2000/21/0102).

 

Auf Grund der langen Aufenthaltsdauer seit 8. September 2003, der festgestellten Integration (Beschäftigung) überwiegen dessen ungeachtet seine privaten Interessen an der Fortsetzung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthaltes.

 

Eine Rückkehrentscheidung ist mittlerweile dauerhaft unzulässig.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren für die Berufung von 107,90 Euro (Eingabe- und Beilagengebühr) angefallen.

 

 

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

 

 

 

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