Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240893/7/WEI/Ba VwSen-240894/7/WEI/Ba

Linz, 19.06.2012

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des Walter J R-S, W, T, vertreten durch Mag. M H, Rechtsanwalt in L, H, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 21. März 2012, Zl. SanRB 96-98-2011 und Zl. SanRB 96-99-2011, betreffend die Zurückweisung von Einsprüchen gegen zwei Strafverfügungen je vom 20. Oktober 2011 und die Abweisung von Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist in Angelegenheiten von Übertretungen des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes zu Recht erkannt:

 

 

Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und werden die Wiedereinsetzungsanträge je vom 17. Februar 2012 samt den nachgeholten Einsprüchen mangels rechtswirksam erlassener Strafverfügungen als unzulässig zurückgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 iVm § 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG; § 49 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Anträge des Berufungswerbers (Bw) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand je vom 17. Februar 2012 wegen Versäumung der Frist zur Erhebung von Einsprüchen gegen zwei Strafverfügungen je vom 20. Oktober 2011, Zl. SanRB 96-98-2011 und Zl. SanRB 96-99-2011, ab (Spruchpunkt II) und die gleichzeitig nachgeholten Einsprüche gegen diese Strafverfügungen wegen verspäteter Einbringung zurück (Spruchpunkt I). In der Sache handelt es sich um dem Bw als handelsrechtlichem Geschäftsführer des "G Cafe" Gaststättenbetriebsges. m.b.H. in H, H, einerseits angelastete Verstöße gegen eine vom Lebensmittelaufsichtsorgan wegen Gefahr im Verzug bei der Kontrolle am 30. August 2011 mündlich vor Ort angeordnete Betriebsschließung sowie andererseits um in 13 Spruchpunkten vorgeworfene hygienische Missstände.

 

1.2. Den rechtsfreundlich eingebrachten Wiedereinsetzungsanträgen je vom 17. Februar 2012 wurde inhaltlich folgende sog. "Eidesstättige Erklärung" des Bw angeschlossen:

 

"Ich, W J R, geb. X, hatte keine Kenntnis über die Zustellungen der Strafverfügungen, jeweils vom 20.10.211 zu GZ SanRB96-99-2011 und GZ SanRB-96-98-2011, da ich während des gesamten Hinterlegungszeitraumes keine Hinterlegungsanzeige in meinem Briefkasten vorgefunden habe, obwohl dieser ausschließlich von mir jeden Tag geleert und eingesehen wird.

 

Eine Hinterlegungsanzeige habe ich nicht erhalten."

 

In den gleichgelagerten Eingaben vom 17. Februar 2012 wird jeweils unter II. der Einspruch gegen die näher bezeichneten Strafverfügungen nachgeholt und unter I. zur beantragten Wiedereinsetzung begründend Folgendes ausgeführt:

 

"Der Antragsteller erhielt eine Zahlungsaufforderung, welcher er entnahm, dass angeblich ein rechtskräftiger Bescheid der belangten Behörde vorliegen soll. Deshalb wurde der bevollmächtigte Rechtsanwalt beauftragt, welcher am 07.02.2012 bei der belangten Behörde einen Termin für die Akteneinsicht erhielt.

 

Anlässlich der Akteneinsicht konnte erhoben werden, dass eine Hinterlegung stattgefunden hätte. Der Rsb-Brief wurde nach Ablauf der Hinterlegungsfrist einmal als 'nicht behoben' und ein zweites Mal mit dem Vermerk 'Unbekannt' retourniert.

 

An der Adresse W in T wohnt ausschließlich der Antragsteller. Dieser entleert täglich seinen Briefkasten. Ein Dritter hat zu diesem Briefkasten keinen Zugriff und geht die Wahrscheinlichkeit, dass Schriftstücke aus diesem Entfernt werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegen Null. Eine Hinterlegungsanzeige von der versuchten Zustellung mit anschließender Hinterlegung hat der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt erhalten. Deshalb hatte er auch keine Information über die Zahlungsaufforderung. Der Antragsteller hatte daher auch keine Möglichkeit von dem Rechtsbehelf des Einspruches fristgerecht Gebrauch zu machen, wobei er allerdings Einspruch gegen die Strafverfügung erhoben hätte.

 

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den Umständen, welche zur Fristversäumnis geführt haben, um ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis gemäß § 71 AVG. Den Antragsteller trifft kein Verschulden oder auch nur ein minderer Grad des Versehens. Ab dem Tag der Akteneinsicht am 07.02.2012 ist das Hindernis weggefallen und der vorliegende Antrag daher fristgerecht.

 

Nach ständiger Judikatur (vgl. GZ 98/19/0198 des VwGH ua) bildet die Unkenntnis von der Zustellung eines Bescheides einen Wiedereinsetzungsgrund, sofern die Unkenntnis nicht auf einem Verschulden beruht, welches den Grad des minderen Versehens überschreitet. Mit dem Vorbringen des Antragstellers wird eine Unkenntnis vom Zustellvorgang geltend gemacht. Der Antragsteller hat während des gesamten Hinterlegungszeitraumes keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden, obwohl der Antragsteller mit entsprechender Sorgfalt handelt.

 

Beweis:

Einvernahme des Antragstellers

Eidesstättige Erklärung des Antragstellers

Weitere Beweise ausdrücklich vorbehalten

 

Es wird daher beantragt, dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben."

 

1.3. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 21. Februar 2012 zum gegenständlichen, beide Strafverfügungen betreffenden RSa-Brief, der mit zwei verschiedenen Vermerken, einmal am 17. November 2011 vom Postamt X als "Nicht behoben" und ein weiters Mal am 18. November 2011 vom Postamt 4020 als "Unbekannt", versehen und retourniert wurde, die Österreichische Post AG unter Anschluss einer Kopie um schriftliche Stellungnahme ersucht.

 

Daraufhin erhielt die belangte Behörde von der Österreichische Post AG, Zustellbasis X, B, H, das Schreiben vom 29. Februar 2012 mit folgender – wenig aufschlussreicher – Stellungnahme:

 

"Dieser Brief wurde nicht behoben und ist aus unerklärlichen Gründen wieder bei uns gelandet. Das zweite Rücksendeetikett mit dem Vermerk unbekannt ist ein Irrtum."

 

2.1. Die belangte Behörde hat daraufhin den angefochtenen Bescheid vom 21. März 2012 erlassen. Sie ging davon aus, dass die beiden Strafverfügungen durch Hinterlegung am 27. Oktober 2011 zugestellt worden wären und dass die Einsprüche bis zum 10. November 2011 eingebracht hätten werden müssen. Die dagegen am 21. Februar 2012 zur Post gegebenen Einsprüche wären daher als verspätet eingebracht zurückzuweisen gewesen.

 

Zur Begründung führt die belangte Behörde weiter aus, dass eine dauernde Ortsabwesenheit von der Abgabestelle nicht behauptet worden wäre. Die Strafverfügungen hätten daher durch Hinterlegung beim Zustellpostamt zugestellt werden können. Dem Postrückschein sei zu entnehmen, dass am 25. Oktober 2011 ein Zustellversuch vorgenommen wurde. Das Poststück wäre am 27. Oktober 2010 beim Postamt Y hinterlegt und mit Rücksendedatum 17. November 2011 und dem Vermerk "Nicht behoben" zurückgesendet worden. Beim zweiten Vermerk der Postfiliale x "Unbekannt" handle es sich um einen Irrtum.

 

Bei einem Postrückschein im Sinne des § 22 Zustellgesetz handle es sich um eine öffentliche Urkunde und einen Beweis für die Zustellung. Auf Grund des Postrückscheins und dem auf dem Kuvert angebrachten Vermerk des Zustellers könne zweifelsfrei von einem Zustellversuch am 25. Oktober 2011 und eine in den Briefkasten eingelegte Verständigung über die Hinterlegung ausgegangen werden. Es gebe keinen vernünftigen Grund an den Angaben des Zustellers zu zweifeln, weshalb von einer den Vorschriften entsprechenden Zustellung auszugehen sei.

 

Die Angaben zum Wiedereinsetzungsgrund, wonach der Bw täglich den Briefkasten leere und einsehe, aber keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden habe, würden zur Glaubhaftmachung eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses nicht reichen. Der Bw habe durch die Lebensmittelaufsicht am Zuge der Kontrolle am 30. August 2011 Kenntnis über angezeigte Mängel erhalten und mit einer behördlichen Zustellung rechnen müssen. Ihm sei daher einen der Wiedereinsetzung entgegenstehende Sorglosigkeit vorzuwerfen. Angesichts der fahrlässigen Nichtbehebung der Sendung könne von keiner unverschuldeten Fristversäumung die Rede sein.

 

2.2. Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde vom 21. März 2012, der dem Bw zu Händen seines Rechtsvertreters am 23. März 2012 zugestellt wurde, wendet sich die am 6. April 2012 per Telefax rechtzeitig übermittelte, rechtsfreundlich verfasste Berufung vom 6. April 2012.

 

Die Berufung wendet sich gegen die Nichtannahme eines Wiedereinsetzungsgrundes und wiederholt, dass der Bw eine Verständigung über die Hinterlegung nicht erhalten habe. Die belangte Behörde habe die Judikatur zur fehlenden Kenntnis vom Zustellvorgang unrichtig verstanden und ausgelegt. Auch eine der Wiedereinsetzung entgegenstehende Sorglosigkeit könne dem Bw nicht vorgeworfen werden, da seit der Kontrolle am 30. August 2011 beinahe zwei Monate bis zur Ausstellung der Bescheide vergangen seien. Die für einen Laien nicht nachvollziehbare Meinung der belangten Behörde würde bedeuten, dass man täglich mit einer behördlichen Zustellung rechnen müsste, andernfalls man keinen Wiedereinsetzung mehr beantragen könnte.

 

Die belangte Behörde hätte zumindest den Zusteller einvernehmen müssen. Sie habe keinerlei Ermittlungsverfahren durchgeführt, sondern einen Vermerk des Zustellers als unfehlbar gewürdigt. Die Verantwortung des Bw hätte nicht einfach durch den Hinweis auf den Postrückschein abgetan werden dürfen. Der Beweis eines anderen Sachverhalts sei jedenfalls zulässig.

 

3. Da im vorgelegten Verwaltungsstrafakt keinerlei Unterlagen zum Strafvollzugsverfahren der belangten Behörde vorhanden waren, musste der Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS Oberösterreich) dazu ergänzend Erhebungen durchführen. In den von der belangten Behörde nachträglich übermittelten EDV-Aufstellungen der Strafvollzugsabteilung zu beiden Strafverfahren ist für den 21. Dezember 2011 je eine einfache Mahnung bzw Zahlungsaufforderung und für den 24. Jänner 2012 je eine Exekutionsandrohung an den Bw gelistet. Mit Schreiben vom 17. Jänner 2012 wurde die Polizeiinspektion T unter Anschluss von Kopien der Strafbescheide um Erhebungen im Rahmen des Strafvollzugs ersucht. Nach dem darüber erstatteten Bericht der Polizeiinspektion T vom 26. April 2012, Zl. E1/1622/2012-Sto, hatte der Bw anlässlich der Erhebungen am 17. Februar 2012 den Akt durchgesehen und diesen per Telefax an seinen Rechtsanwalt übermittelt. Der Bw hatte angegeben, nichts von einem Strafbescheid zu wissen.

 

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass die Rechtsanwältin Mag. G F von der Kanzlei des Rechtsanwalts Mag. M H per E-Mail vom 19. Jänner 2012 um Übermittlung der Strafverfügungen zu Zl. SanRB 96-98-2011 und zu Zl. SanRB 96-99-2011 ersuchte. Darauf reagierte die belangte Behörde mit Schreiben vom 24. Jänner 2012, indem sie einen Termin zur Akteneinsicht am 7. Februar 2012 um 10:30 Uhr bekannt gab. Dem darüber angefertigten Aktenvermerk ist nichts Näheres zu entnehmen. In einem Telefonat mit der belangten Behörde bestätigte deren Sachbearbeiterin, dass der Rechtsvertretung des Bw die Bescheiddaten bekannt waren und Kopien der Bescheide nicht benötigt wurden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 71 Abs 1 AVG ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, zu bewilligen, wenn:

 

1.  die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2.  die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

 

Nach § 71 Abs 2 AVG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden. Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist nach § 71 Abs 4 AVG die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Gemäß § 71 Abs 6 AVG kann die Behörde dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen. Ein unabhängiger Verwaltungssenat hat durch Einzelmitglied zu entscheiden.

 

Ein Ereignis ist unvorhergesehen, wenn es die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt sie auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (vgl u.a. VwGH 26.8.1998, 96/09/0093; VwGH 1.7.1998, 98/09/0026, 0027; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], E 18b und E 21 zu § 71 Abs 1 AVG).

 

Der Wiedereinsetzungswerber hat alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, [2004] E 8b u 8d zu § 71 Abs 1 und E 2 zu § 71 Abs 2 AVG).

 

4.2. Im vorliegenden Fall ging die belangte Behörde auf Grund des aktenkundigen Postrückscheins von einem Zustellversuch am 25. Oktober 2011 und einer anschließenden Hinterlegung der Sendung am 27. Oktober 2011 beim Postamt Y aus. Auf Basis der Angaben des Zustellers auf dem Rückschein wird der Zustellvorgang für unbedenklich gehalten. Die Berufung tritt dem entgegen, bringt aber gegen die Annahme der Beweiskraft des Rückscheins im Wesentlichen nur vor, dass der Gegenbeweis zulässig sein müsse, ohne dazu etwas auszuführen. Der Zustellvorgang ist allerdings von Amts wegen zu überprüfen.

 

Der UVS Oberösterreich muss bei näherer Betrachtung des Postrückscheins feststellen, dass keine unbedenkliche Urkunde vorliegt, die vollen Beweis über den Zustellvorgang machen könnte. Denn entgegen der Behauptung der belangten Behörde ist dem Postrückschein nicht zu entnehmen, dass am 25. Oktober 2011 ein Zustellversuch stattfand. Die beim Datum des Zustellversuchs für die handschriftliche Eintragung durch den Zusteller vorgesehenen Kästchen sind nämlich nicht vollständig ausgefüllt worden. Es fehlt die entscheidende Eintragung für den Tag. Lediglich der Ausdruck ".. 10 2011" und damit Monat und Jahr wurde vermerkt. Daran vermag auch die im Vordruck angekreuzte Wendung "in Briefkasten eingelegt" nichts zu ändern. Das Datum "25.10.11" geht aus dem im Formular des Rückscheins vorgesehenen Poststempel für die Zustellbasis H hervor. Dabei handelt es sich aber nur um den Tag des Einlangens der Sendung bei diesem Postamt, nicht aber um den Tag der tatsächlichen Zustellung, der vom Zusteller anzugeben ist.

 

Auf der Rückseite des Briefkuverts hat der Zusteller die Hinterlegung mit dem Datum "25/10/11" vermerkt, während er im Widerspruch dazu auf der Vorderseite am angebrachten RSa-Postrückschein die Hinterlegung mit Datum 27.10.2011 eingetragen hat. Auch dieser Umstand spricht im vorliegenden Fall gegen eine sorgfältige Arbeitsweise des Zustellers. Jedenfalls ist mangels einer Angabe des Tages des Zustellversuches der wesentliche Umstand, dass die Hinterlegung nach einem ordnungsgemäßen Zustellversuch erfolgt ist, im aktenkundigen Postrückschein nicht ausgewiesen. Im Ergebnis hätte die belangte Behörde daher nicht einfach von einem ordnungsgemäßen Zustellvorgang ausgehen dürfen, ohne dafür Beweise aufzunehmen und den Zusteller möglichst zeitnah zu befragen. Nach den mittlerweile vergangenen 8 Monaten ist bei realistischer Betrachtung nicht mehr zu erwarten, dass sich ein viel beschäftigter Postzusteller noch genau an einen so lange zurückliegenden Zustellversuch erinnern kann.

 

Der Bw hat vorgebracht, dass er keine Hinterlegungsanzeige in seinem Briefkasten vorgefunden habe, obwohl er ihn täglich einsieht und entleert und sonst niemand Zugriff habe. Diese Darstellung wird nicht nur durch die mangelhafte Beurkundung der Zustellvorganges, sondern auch durch die Erhebungen der Polizeiinspektion T im Rahmen des Strafvollzugs erhärtet, zumal der Bw dabei nach dem Bericht der Polizeiinspektion von den Strafbescheiden nichts wusste und die Unterlagen aus dem Akt seinem Rechtsvertreter faxte. Angesichts der Tatsache, dass der gegenständliche Postrückschein des RSa-Briefes nicht als unbedenkliche öffentliche Urkunde angesehen werden kann, die die ordnungsgemäße Zustellung bescheinigt, und auch mit Rücksicht auf weitere Ungereimtheiten hinsichtlich der widersprüchlichen Postfehlberichte "Nicht behoben" und "Unbekannt" sieht sich der UVS Oberösterreich im Zweifel zugunsten des Bw zur Annahme veranlasst, dass ein fehlerhafter Zustellvorgang vorlag und das den Umständen nach glaubhafte Vorbringen des Bw nach der Aktenlage nicht widerlegbar erscheint.

 

4.3. Gemäß § 17 Abs 2 Zustellgesetz ist der Empfänger nach einem vergeblichen Zustellversuch schriftlich von der Hinterlegung zu verständigen, wobei diese Verständigung grundsätzlich in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten einzulegen ist. Die Nichteinhaltung oder Unterlassung dieser Vorgangsweise bedeutet einen schwerwiegenden Zustellmangel, der zur Folge hat, dass die nachfolgende Hinterlegung keine Rechtswirkungen entfalten kann (näher mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] Anm 3a zu § 17 ZustellG). Ein solcher Zustellmangel setzt keine Fristen in Gang und kann daher auch nicht als Wiedereinsetzungsgrund angesehen werden.

 

Eine Sanierung des Zustellmangels wäre nur im Wege des § 7 Zustellgesetz möglich, dem zufolge die Zustellung in dem Zeitpunkt als bewirkt gilt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Dieses tatsächliche Zukommen des Schriftstücks und nicht die Kenntnis seines Inhalts ist für die Heilung entscheidend. Die bloße Kenntnisnahme vom Bescheidinhalt etwa durch Akteneinsicht oder Übermittlung einer Telekopie heilt den Zustellmangel nicht (zahlreiche Nachw bei Hauer/Leukauf, Handbuch6, Anm 4 und 5 sowie E 2 bis E 4 zu § 7 ZustellG).

 

Demnach konnte eine Heilung im gegenständlichen Fall schon deshalb nicht eintreten, weil der an den Bw adressierte RSa-Brief der belangten Behörde mit den beiden Strafverfügungen wieder an diese zurückgesendet wurde und im Verwaltungsstrafakt einliegt. Diese Dokumente sind dem Bw im Original nicht tatsächlich zugekommen. Daher kann schon mangels Heilung des Zustellmangels auch keine Erlassung der Strafverfügungen angenommen werden.

 

Wie sich schon aus dem Wortlaut des § 71 Abs 1 Satz 1 AVG (arg.: "Gegen die Versäumung einer Frist ..") ergibt, setzt die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand voraus, dass eine Frist versäumt wurde. Ist dies nicht der Fall, liegt kein Wiedereinsetzungsgrund vor. Nur wenn tatsächlich eine Frist versäumt wurde, ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begrifflich überhaupt möglich (vgl die Judikaturnachweise bei Hauer/Leukauf, Handbuch6, E 9a bis E 9g zu § 71 Abs 1 AVG).

 

5. Im Ergebnis ist aus den dargelegten Gründen davon auszugehen, dass schon eine begriffliche Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorlag. Da im vorliegenden Fall die Einspruchsfrist gegen nicht rechtswirksam erlassene Strafverfügungen gar nicht versäumt werden konnte, kann diesbezüglich auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Die darauf abzielende Antragstellung war nicht zulässig.

 

Es erfolgte aber auch die Zurückweisung der Einsprüche wegen verspäteter Einbringung durch die belangte Behörde zu Unrecht. Denn gegen nicht rechtswirksam erlassene Strafverfügungen konnte ein Einspruch nicht verspätet eingebracht worden sein. Die Zurückweisung aus diesem Grunde war daher aufzuheben und besonders zum Ausdruck zu bringen, dass die gemäß § 49 VStG an sich zulässigen Einsprüche im gegenständlichen Fall mangels rechtlich existent gewordener Strafverfügungen unzulässig waren.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

 

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