Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281392/17/Kl/TK

Linz, 06.07.2012

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn Ing. x, x, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. x, Dr. x, Dr. x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 7. Februar 2012, Ge96-114-2011/HW wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 29. März 2012 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis sowohl hinsichtlich der Schuld als auch hinsichtlich der Strafe mit der Maßgabe bestätigt, dass für jeden Arbeitnehmer für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1,5 Tagen, das sind insgesamt 3 Tage, verhängt werden.

 

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag in der Höhe von 600 Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 64 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 7. Februar 2012, Ge96-114-2011/HW, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 1.500 Euro in zwei Fällen, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung von je § 130 Abs. 5 Z 1 und § 118 Abs. 3 ASchG iVm § 87 Abs. 2 BauV verhängt, weil er als zum Tatzeitpunkt handelsrechtlicher Geschäftsführer der Arbeitgeberin "x", FN x, Sitz des Unternehmens in x, folgende Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung zu verantworten hat:

 

Die Arbeitsinspektoren Ing. x und Ing. x vom Arbeitsinspektorat x haben bei der Besichtigung am 28. Juli 2011 auf der Baustelle "x" in x, - auf der das Unternehmen x tätig ist – festgestellt, dass am 28. Juli 2011 Herr x (geb. x) und Herr x (geb. x) Arbeiten auf der ungesicherten Dachfläche durchführten. Obwohl Absturzgefahr vom Dach (Höhe ca. 12 Meter, Dachneigung ca. 3 °) bestand, waren keine geeigneten Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen ge. §§ 7 bis 10 BauV vorhanden. Die Arbeitnehmer waren auch nicht mittels persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz sicher angeseilt.

 

Dadurch wurde § 87 Abs. 2 der Bauarbeiterschutzverordnung übertreten, wonach bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20 ° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7, 8, 9 und 10 BauV vorhanden sein müssen.

 

Die von den Organen des Arbeitsinspektorates x angefertigten Beweisfotos, die bereits übermittelt wurden, bilden einen Bestandteil dieses Straferkenntnisses.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich um ein Flachdach ohne Neigung handle, der Aufstieg auf die Dachfläche direkt neben der Absturzkante durch Lichtbilder widerlegt sei, zumal ein Aufstieg etwas anderes sei als der Ausgang von diesem Aufstieg auf die Dachfläche. Der Aufstieg befindet sich innerhalb des Bauwerkes. Der Ausgang stelle keine Gefahrenquelle dar. Die Arbeitnehmer hätten ausschließlich 15 bis 20 m von der Dachkante entfernt Arbeiten verrichtet. Dabei habe es sich lediglich um geringfügige Restarbeiten im Zusammenhang mit der hydraulischen Verrohrung der Kältemaschinen gehandelt, die insgesamt nur rd. 1,5 Stunden in Anspruch genommen hätten. Es habe sohin jede abstrakte Gefahr für die beiden Mitarbeiter nicht bestanden. Mit Rücksicht auf diese Entfernungen sei auch objektiv auszuschließen gewesen, dass sich die Mitarbeiter absichtlich der Absturzkante nähern und in eine Absturzgefahr geraten. Relevant sei nur der tatsächliche Arbeitsbereich. Auch habe eine mehr als 1 m hohe Verplankung über der Attika bestanden. Es sei mit dem Errichter dieser Absturzsicherung vereinbart gewesen, dass diese Absturzsicherung erst nach endgültigem Abschluss aller Arbeiten entfernt werde. Bei mehrfachen Kontrollen des Berufungswerbers, zuletzt noch am 26.7.2011, sei das Vorhandensein dieser Absturzsicherung gegeben gewesen. Auch sei sie am 29.8.2011 bereits wieder angebracht gewesen. Die kurzfristige Entfernung sei ohne Wissen und Einverständnis des Berufungswerbers erfolgt. Es habe sich der Berufungswerber zweifelsfrei begründet darauf verlassen können, dass auch am 28.7.2011 bis zum Abschluss sämtlicher Arbeiten beim gegenständlichen Objekt die Schutzmaßnahmen belassen werden. Würde tatsächlich verlangt werden, dass der Berufungswerber das Vorhandensein auch am 28.7.2011 neuerlich hätte überprüfen müssen, hätte er praktisch jeden Tag, an dem Mitarbeiter dort tätig gewesen seien, während des gesamten Tages das Vorhandensein der Absturzsicherung kontrollieren müssen. Die Annahme eines schuldhaften rechtswidrigen, tatbildmäßigen Verhaltens sei daher unbegründet. Zur Strafe wurde, wenn überhaupt, nur geringes Verschulden geltend gemacht. Der Beschwerdeführer sei unbescholten. Er habe seine Pflichten immer gewissenhaft erfüllt.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 29. März 2012, zu welcher die Parteien geladen wurden. Der Berufungswerber hat nicht teilgenommen und wurde durch seinen Rechtsvertreter bei der mündlichen Verhandlung vertreten. Die belangte Behörde hat sich entschuldigt. Das Arbeitsinspektorat Linz hat durch einen Vertreter für das AI x teilgenommen. Weiters wurden die Zeugen AI x, x, x, Ing. x und Mag. x geladen und einvernommen.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der x mit Sitz in x. Am 28.7.2011 wurde durch Organe des Arbeitsinspektorates x eine Kontrolle auf der Baustelle x in x, durchgeführt und es wurden anlässlich dieser Kontrolle die der Anzeige angeschlossenen Fotos angefertigt. Es wurden die Arbeitnehmer x und x auf dem Dach arbeitend angetroffen. Es handelt sich dabei um ein Flachdach. Die Absturzhöhe betrug ca. 12 Meter. Es waren keine Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden und die Arbeitnehmer waren auch nicht mittels persönlicher Schutzausrüstung gesichert. Der Dachaufstieg bzw. –einstieg ist auf dem Foto Nr. 5 ersichtlich und wurde auch vom Kontrollorgan benutzt. Der Betriebsleiter des Einrichtungshauses hat die Kontrollorgane vom Gebäudeinneren hinaufbegleitet und war der Ausstieg auf das Dach beim bezeichneten Aus- bzw. Einstieg. Dieser befand sich unmittelbar neben der Absturzkante. An der Attika war nirgends eine Sicherheitseinrichtung vorhanden. Beide Arbeitnehmer des genannten Unternehmens befanden sich zum Kontrollzeitpunkt auf dem Dach und sind im Bild Nr. 3 ersichtlich. Ein weiterer im Hintergrund ersichtlicher Arbeitnehmer stammt von einer anderen Firma. Es waren gleichzeitig mehrere Firmen auf dem Dach beschäftigt. Anlässlich der Kontrolltätigkeit wurde auch nicht von den Arbeitnehmern dahingehend geäußert, dass vorher Sicherheitseinrichtungen vorhanden gewesen wären. Auch haben sie zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht gewusst, dass eine Sicherung erforderlich gewesen wäre. Auch das Kontrollorgan begab sich zu dem Bereich, in dem die Arbeitnehmer sich befunden haben. Dieser Bereich befindet sich etwa 5 bis 7 Meter bzw. kürzer entfernt zur Dachkante. Das Kontrollorgan hat bereits am 15.12.2010 eine Kontrolle auf der Baustelle durchgeführt und waren zu diesem Zeitpunkt ebenfalls Absturzsicherungen auf dem Dach nicht vorhanden. Arbeitnehmer der Fa. x waren zu diesem Zeitpunkt nicht auf dem Dach.

Die Arbeitnehmer waren am 28.7.2011 mit Restarbeiten auf dem Dach beschäftigt. Sie waren für die Firma schon einige Zeit auf der Baustelle tätig. Am Kontrolltag haben sie kein Sicherheitsgeschirr getragen. Es waren keine Absturzsicherungen an der Attika angebracht, allerdings waren nach Angaben der Arbeitnehmer noch zu Beginn dieser Woche Absturzsicherungen vorhanden und sind diese dann abmontiert worden. Die Arbeitnehmer bekommen in der Firma jährlich eine Sicherheitsunterweisung. Auch zu Beginn einer Baustelle hatten sie vom Vorarbeiter x eine Unterweisung bekommen und einen Zettel ausgehändigt bekommen. Was genau auf dem Zettel steht bzw. was genau besprochen wurde an Maßnahmen können die Arbeitnehmer nicht mehr angeben. Der Vorarbeiter x war zwar am Kontrolltag auf der Baustelle, er war aber nicht auf der Dachfläche. Im Übrigen ist für die Baustelle zuständig der Baustellenleiter Ing. x, der Techniker, welcher regelmäßig einmal in der Woche, nämlich zur Baustellenbesprechung am Dienstag, kommt. Der Berufungswerber war nie auf der Baustelle. Die Hauptarbeit der Arbeitnehmer war im Gebäudeinneren. Am Kontrolltag wurden bei der Kältemaschine die Klappen und Kondensatoren montiert. Es waren auf der Baustelle grundsätzlich Sicherheitsgeschirre für die Arbeitnehmer vorhanden. Es wurde ihnen jedoch nicht gesagt, dass für den Fall, wenn kein Geländer vorhanden ist, sie sich an bestimmten Punkten bei den Sekuranten anhängen sollen.

Das Geländer an den Vortagen betraf den Bereich beim Dachausstieg. Dort wurde auch nach der Kontrolle mit einer anderen Firma wieder ein Geländer angebracht. Vermutlich hätte ein anderes Geländer durch eine andere Firma montiert werden sollen, weshalb das vorhandene Geländer abmontiert wurde.

Der Baustellenleiter war am 28. Juli 2011 nicht auf der Baustelle, er war aber am Dienstag zuvor auf der Baustelle bei der Baubesprechung, dies war am 26.7.2011. An diesem Tag war der Bauleiter auch auf dem Dach und hat dort auf dem Dachausstieg ein Provisorium vorgefunden. Eine Absturzsicherung an der gesamten Attika war nicht vorhanden. Sekuranten für die persönliche Schutzausrüstung waren vorhanden, allerdings würden diese nach seiner Meinung nur zur Absicherungen im Attikabereich dienen. Die Arbeiten der Fa. x waren nicht am Randbereich. Bei den Baustellenbesprechungen ist der Bauleiter nur hinsichtlich seines Gewerks anwesend. Es wurden die erforderlichen Arbeiten der Woche besprochen. Der Baustellenleiter ist davon ausgegangen, dass das provisorische Geländer noch für die auszuführenden Arbeiten am Dach vorhanden sein würde.

Zum Kontrollzeitpunkt war der Berufungswerber noch Geschäftsführer und für den Arbeitnehmerschutz zuständig. Er ist im Oktober 2011 aus der Geschäftsführung ausgeschieden. Zum Kontrollzeitpunkt war auch Mag. x in der Geschäftsführung tätig und zuständig für den technisch kaufmännischen Bereich. Er war auch für die gegenständliche Baustelle zuständig. Am 28. Juli 2011 war Mag. x nicht auf der Baustelle, sein letzter Besuch vor der Kontrolle war eine Woche vorher bei der Baustellenbesprechung am 19. Juli 2011. Bei dieser Baubesprechung waren Arbeiten auf dem Dach und Absturzsicherungen betreffend Dacharbeiten nicht besprochen worden. Mag. x kommt regelmäßig einmal im Monat auf die Baustelle. Dies war im Juli am 19. Juli 2011. An diesem Tag war er auch auf dem Dach. Es war beim Dachausstieg links eine Absturzsicherung vorhanden. Sonstige Absturzsicherungen im Attikabereich waren ihm nicht erinnerlich. Die Einweisungen und Unterweisungen auf der Baustelle hat der Obermonteur zu machen und auch gemacht. Er hat auch die Einhaltung der Anweisungen zu kontrollieren. Mag. x sind zwar die Bestimmungen zur Absicherung bekannt, allerdings war ihm nicht bewusst, dass diese Bestimmungen für alle Bereiche am Dach gelten. Er hat im Arbeitsbereich keine Absturzgefahr erkannt, weil die auszuführenden Arbeiten ca. 20 m von der Dachkante entfernt waren.

 

4.2. Diese Feststellungen gründen sich auf die Aussagen der einvernommenen Zeugen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Die Zeugen erschienen glaubwürdig und verwickelten sich nicht in Widersprüche. Es bestand kein Anhaltspunkt an der Richtigkeit der Zeugenaussagen zu zweifeln. Im Übrigen konnte der Sachverhalt auch anhand der Aktenlage, insbesondere anhand der vorliegenden Fotos nachvollzogen werden. Es konnte daher der festgestellte Sachverhalt als erwiesen der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 87 Abs. 2 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20 ° und einer Absturzhöhe von mehr als 3 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß § 7 bis 10 vorhanden sein.

Gemäß § 130 Abs. 5 Z 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/In den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwider handelt.

Gemäß § 118 Abs. 3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

5.2. Aufgrund der Feststellungen ist erwiesen, dass an der näher genannten Baustelle am 28.7.2011 auf dem Flachdach zwei näher genannte Arbeitnehmer der x mit Sitz in x Arbeiten auf dem Dach durchgeführt haben. Es waren weder Absturzsicherungen vorhanden noch waren die Arbeitnehmer mit persönlicher Schutzausrüstung angeseilt. Die Absturzhöhe betrug ca. 12 m. Es war daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung gemäß § 87 Abs. 2 BauV erfüllt.

Die Ausnahmebestimmung des § 87 Abs. 5 BauV kommt nicht zur Anwendung, zumal die Absturzhöhe 12 m betrug und die Arbeitnehmer nicht angeseilt waren.

Als handelsrechtlicher Geschäftsführer der x hat daher der Berufungswerber die Verwaltungsübertretung gemäß § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind in den Tatbeständen der BauV jene Voraussetzungen auf Baustellen normiert, bei deren Vorliegen der Verordnungsgeber jedenfalls von einer Absturzgefahr ausgeht. Ob im Einzelfall zusätzlich eine "konkrete Gefahr" gegeben ist, ist nicht entscheidend (VwGH v. 5.8.2009, Zl. 2008/02/0128-5).

 

Auch hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 5. September 2008, Zl. 2008/02/0129, ausgeführt, dass "§ 87 BauV keine Einschränkung etwa nach der Entfernung der durchzuführenden Arbeit von der Absturzkante enthält. Damit ist der Wortlaut eindeutig. Dies ist auch klar, wenn man nach dem Sinn aller Arbeitnehmerschutznormen berücksichtigt, dass es auf die Verhinderung abstrakter Gefahrenlagen ankommt. Bei Arbeiten auf Dächern ist grundsätzlich nie auszuschließen, dass sich ein Arbeitnehmer (etwa, weil er anderen Arbeitern ausweicht) der Absturzkante nähert und in konkrete Absturzgefahr gerät. Für die von der Bw geforderte teleologische Reduktion des § 87 BauV jeweils nach dem Ort der gerade durchgeführten Arbeit verbleibt kein Raum."

 

5.3. Der Berufungswerber hat die Tat aber auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinne der zitierten Bestimmungen ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Berufungswerber kein Entlastungsnachweis erbracht wird.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht aus.

 

Im Sinne dieser Judikatur reicht daher das Vorbringen des Berufungswerbers nicht aus, ihn von seinem Verschulden zu befreien. Insbesondere reicht es nicht aus, dass die Arbeitnehmer Sicherheitsunterweisungen jährlich bekommen sowie auch Sicherheitsunterweisungen anlässlich des Beginns der Baustelle. Vielmehr ist auch erforderlich, dass die Einhaltung dieser Weisungen auch tatsächlich kontrolliert wird. Es reicht daher nicht aus, dass ein Vorarbeiter vor Ort auf der Baustelle ist, ein Bauleiter wöchentlich zu den Baustellenbesprechungen kommt, sondern ist vielmehr auch nachzuweisen, dass konkret die Sicherheitsvorschriften eingehalten bzw. deren Einhaltung kontrolliert wird. Wenn daher im Ergebnis des Beweisverfahrens feststeht, dass konkret am Kontrolltag keine Kontrollen durch den Vorarbeiter und durch den Bauleiter stattgefunden haben, der Bauleiter zudem auch nur wöchentlich einmal auf die Baustelle kommt, und der Berufungswerber selbst auf der Baustelle nicht kontrolliert hat, so ist im Sinn der Judikatur des Vewaltungsgerichtshofes ein lückenloses Kontrollsystem nicht nachgewiesen. Die stichprobenartige Überprüfung und die Erteilung von Weisungen allein sowie auch die Durchführung von Schulungen reichen aber für das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht aus. Es hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur mehrmals drauf hingewiesen, dass es für ein wirksames Kontrollsystem nicht ausreicht, dass auf den einzelnen Baustellen Bauleiter bzw. Vorarbeiter mit der Überwachung und Einhaltung an Ort und Stelle verantwortlich sind (VwGH v. 26.9.2008, Zl. 2007/02/0317). Er hat vielmehr darauf hingewiesen, dass ein lückenloses Kontrollsystem insbesondere auch für den Fall X  zu greifen hat, dass Arbeitnehmer auf eigenen Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen. Das Kontrollsystem soll nämlich genau dazu dienen, dass eigenmächtige Vorgangsweisen der Arbeitnehmer nicht eintreffen und soll das Kontrollsystem verhindern, dass gegen das Wissen und gegen den Willen des Arbeitgebers Arbeitnehmer Handlungen treffen und Arbeitnehmerschutzvorschriften außer Acht lassen. Dass konkret keine nachteiligen Folgen eingetreten sind, ist unerheblich, weil die Nichteinhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften als bloßes Ungehorsamsdelikt verwaltungsstrafrechtlich strafbar ist und schon deshalb kann es kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften auch einhalten (VwGH v. 5.8.2008, Zl. 2008/02/0127-9). Vielmehr ist es dem Berufungswerber nicht gelungen, aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in diesem Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, d.h., sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden (VwGH v. 5.8.2009, 2008/02/0128-5).

Es war daher auch vom Verschulden, nämlich zumindest von sorgfaltswidrigem, d.h. fahrlässigem Verhalten des Berufungswerbers auszugehen.

 

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat die geschätzten persönlichen Verhältnisse, nämlich ein Vermögen von ca. 70.000 Euro sowie ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 3.000 Euro zugrunde gelegt. Sie hat keine Verwaltungsvorstrafen angerechnet. Insbesondere im Hinblick auf den erhöhten Unrechtsgehalt der Tat, weil das Rechtsgut der Gesundheit der Arbeitnehmer in erheblichem Maße im Grunde der Absturzhöhe gefährdet wurde, hat die belangte Behörde eine strengere Strafe, die aber im gesetzlichen Strafrahmen noch im unteren Bereich liegt, als gerechtfertigt betrachtet.

Auch seitens des Oö. Verwaltungssenates ist insbesondere auf die große Absturzhöhe und die besondere Gefährdung der Arbeitnehmer hinzuweisen, wodurch dem Schutzzweck der Norm in erheblichem Maße verletzt wurde. Darüber hinaus hat der Berufungswerber zu seinen persönlichen Verhältnissen nichts vorgebracht. Hinsichtlich der Unbescholtenheit ist aber auszuführen, dass nach der Liste der Verwaltungsvormerkungen eine rechtskräftige Vorstrafe nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sowie eine rechtskräftige Vorstrafe nach der Straßenverkehrsordnung gegen den Berufungswerber vorliegen. Es kann daher nicht von Unbescholtenheit ausgegangen werden. Im Hinblick auf die gesetzlich vorgesehene Höchststrafe von 7.260 Euro ist die tatsächlich verhängte Geldstrafe je Delikt von 1.500 Euro nicht überhöht und liegt im untersten Bereich des Strafrahmens. Sie ist vielmehr Tat und Schuld angemessen und auch im Hinblick auf die überdurchschnittlichen persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers angepasst. Da aber zwei Arbeitnehmer angetroffen wurden, war im Hinblick auf das in § 22 VStG vorgesehene Kumulationsprinzip für jeden Arbeitnehmer ein gesondertes Delikt anzunehmen und eine gesonderte Geldstrafe, gemäß § 16 VStG, aber auch je eine gesonderte Ersatzfreiheitsstrafe zu verhängen. Diesbezüglich musste daher das Straferkenntnis berichtigt werden, wobei aber eine Verschlechterung des Berufungswerbers nicht eingetreten ist.

Milderungsgründe liegen nicht vor, sodass nicht von einer außerordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG Gebrauch zu machen war. Weiters liegt nicht geringfügiges Verschulden vor, sodass auch nicht mit § 21 VStG vorzugehen war. Geringfügigkeit des Verschuldens liegt nämlich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur dann vor, wenn das Verhalten des Beschuldigten weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt.

Es war daher auch die Strafe zu bestätigen.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 600 Euro, festzusetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. Ilse Klempt

 

Beschlagwortung: Kontrollsystem

 

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