Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166448/9/Zo/Ai

Linz, 04.07.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn x, geb. x, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. x, x vom 24.10.2011 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 30.9.2011, Zl. VerkR96-5436-2011, wegen einer Übertretung der StVO nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 4.6.2012 zu Recht erkannt:

 

 

I.              Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

II.           Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren einen Kostenbeitrag in Höhe von 50 Euro zu bezahlen (das sind 20 % der von der Erstinstanz verhängten Geldstrafe).

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:  § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 19 VStG;

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass er am 6.4.2011 um 11.33 Uhr in Laakirchen auf der A1 bei Km 211,580 in Fahrtrichtung Wien als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen x zu einem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten habe, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst würde. Es sei ein zeitlicher Abstand von nur 0,33 Sekunden festgestellt worden.

Der Berufungswerber habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 18 Abs.1 StVO begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs.2c Z4 StVO eine Geldstrafe in Höhe von 250 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 135 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 25 Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber zusammengefasst aus, dass er möglicherweise den Abstand kurzfristig verkehrsbedingt unterschritten habe. Er selbst könne keinen Einfluss darauf nehmen, wenn ein anderes Fahrzeug herausfahre. Aus diesem Grund habe er die Vorführung des Videofilms beantragt, was jedoch bei der Erstinstanz nicht gewährt wurde. Dadurch sei das Verfahren mangelhaft geblieben und seine Beschuldigtenrechte nicht entsprechend gewahrt gewesen. Hätte er Einsicht in die Videoaufzeichnungen bekommen, so hätte er darlegen können, dass der Tatvorwurf nicht richtig ist.

 

Die Behörde habe ihm vorerst als Tatzeit 00.00 Uhr vorgeworfen und erst auf seinen Einwand die Tatzeit später auf 11.33 Uhr korrigiert. Diese Auswechslung der Tatzeit sei unzulässig. Zum ursprünglich vorgeworfenen Zeitpunkt, nämlich um 00.00 Uhr habe er sich zu Hause befunden und mit Sicherheit keine Übertretung begangen.

 

Aus dem vorgelegten Bildmaterial sei nicht zu entnehmen, wo die Messung erfolgt sei. Die Messergebnisse seien insgesamt äußerst unscharf. Im Übrigen habe es sich maximal um eine kurzfristige und zwar verkehrsbedingte Unterschreitung des Abstandes gehandelt.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Wels-Land hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 4.6.2012. Bei dieser wurde in die Videoaufzeichnungen Einsicht genommen und vom Sachverständigen ein Gutachten erstellt. Der Vertreter des Berufungswerbers, welcher zu diesem Termin verhindert war, stimmte dieser Vorgangsweise zu, ihm wurde die Videoaufzeichnung am 18.6.2012 vorgeführt und das Sachverständigen- gutachten zur Kenntnis gebracht.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Die gegenständliche Übertretung wurde im Zuge einer Nachfahrt mit einem Zivilstreifenfahrzeug, in welchem das Verkehrskontrollsystem Multavision 204240 eingebaut ist, festgestellt. Entsprechend dieser Videoaufzeichnungen lenkte der Berufungswerber seinen PKW auf der A1 in Fahrtrichtung Wien auf dem linken Fahrstreifen. Die Aufzeichnung beginnt um 11.32 Uhr und 28 Sekunden, zu diesem Zeitpunkt fahren mehrere Fahrzeuge auf dem linken Fahrstreifen und auf dem rechten Fahrstreifen befinden sich mehrere LKW. Der Berufungswerber näherte sich dem vor ihm fahrenden PKW, einem VW Sharan, kontinuierlich an, wobei weder beim Berufungswerber noch beim vorausfahrenden Fahrzeug die Bremslichter ersichtlich sind. Um 11.32 Uhr und 48 Sekunden führte die Polizei die erste Abstandsmessung durch, welche einen Abstand von 12,1 Meter bei einer Geschwindigkeit von 117 km/h ergab.

 

In weiterer Folge überholten sowohl der Sharan als auch der Berufungswerber ein auf dem rechten Fahrstreifen fahrendes Sattelkraftfahrzeug, nach diesem Überholvorgang wechselte der Sharan auf den rechten Fahrstreifen, dies erfolgte um 11.33 Uhr und 1 Sekunde. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich vor dem Berufungswerber auf dem linken Fahrtstreifen ein Klein-LKW, wobei der Abstand augenscheinlich leicht ausreichend ist. Der Berufungswerber verkürzt den Abstand zu diesem vor ihm fahrenden Klein-LKW rasch, wobei ersichtlich ist, dass der Klein-LKW gar nicht abgebremst wird, der Berufungswerber selbst hat um 11:33 Uhr 7 Sekunden ganz kurz das Bremspedal angetippt. Um 11:33 Uhr 15 Sekunden wechselt der Berufungswerber seine Fahrspur im Fahrstreifen soweit, dass er mit den rechten Rädern über die Mittelleitlinie kommt. Daraufhin wechselt er wieder zur Gänze auf die linke Fahrspur. Um 11:33 Uhr 24 Sekunden führte die Polizei die zweite Abstandsmessung durch. Diese wurde vom Sachverständigen nachkontrolliert.

 

Der Sachverständige führte zu dieser Messung an, dass die Geschwindigkeit des Polizeifahrzeuges 118 km/h und die Geschwindigkeit des Berufungswerbers 112 km/h betrug. Der Tiefenabstand zum vorausfahrenden Klein-LKW betrug zu diesem Zeitpunkt 10,3 Meter. Daraus ergibt sich ein zeitlicher Abstand von 0,33 Sekunden. Bei der "berechneten Geschwindigkeit" des Berufungswerbers wurde die 5 %ige Messtoleranz bereits abgezogen ist.

Der Sachverständige erläuterte die Abstandsmessung und führte aus, dass dabei der Abstand zwischen der Hinterachse des vorausfahrenden Klein-LKW sowie der Vorderachse des Fahrzeuges des Berufungswerbers gemessen wurde. Dieser Abstand wird der Messung zu Grunde gelegt, wobei die jeweiligen Fahrzeugüberhänge nicht berücksichtigt wurden, sodass der tatsächliche Abstand geringer ist. Die Messung erfolgte durch eine fotogrammetrische Auswertung, wobei die für diese Auswertung erforderlichen Kalibrierungsvideos beim Sachverständigen aufliegen und er unter Verwendung des Auswertesystems "Videomaß" die Messung nochmals nachvollzogen und dabei auf die selben Werte gekommen ist.

 

Festzuhalten ist noch, dass in weiterer Folge sowohl der Klein-LKW als auch der Berufungswerber den auf dem rechten Fahrstreifen fahrenden LKW und einen weiteren PKW überholen. Daran anschließend überholt offenbar der Berufungswerber den vor ihm fahrenden Klein-LKW auf dem rechten Fahrstreifen.

 

Die Videoaufzeichnung sowie diese Ausführungen des Sachverständigen wurden dem Vertreter des Berufungswerbers am 18.6.2012 zur Kenntnis gebracht. Er nahm die Ausführungen des Sachverständigen zur Kenntnis.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

 

5.2. Auf Grund des Videos sowie der vom Sachverständigen überprüften Auswertung ist offensichtlich, dass der Berufungswerber zur Tatzeit bei einer Geschwindigkeit von 112 km/h lediglich einen Abstand von 10,3 Metern eingehalten hat, was einem zeitlichen Abstand von 0,33 Sekunden entspricht. Bei dieser Auswertung wurden sämtliche Messungenauigkeiten zu Gunsten des Berufungswerbers berücksichtigt. Dieser Abstand ist deutlich zu niedrig, weil nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes zumindest jener Abstand einzuhalten ist, welcher der durchschnittlichen Reaktionszeit (also etwa 1 Sekunde) entspricht.

 

Die Behauptung des Berufungswerbers, dass sich dieser Abstand nur ganz kurzfristig verkehrsbedingt (gemeint wohl durch das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer) ergeben hat, ist durch die Videoaufzeichnungen widerlegt. Aus diesen ergibt sich augenscheinlich, dass der Berufungswerber nicht nur die ihm konkret vorgeworfene Übertretung begangen hat sondern kurz vorher auf einen anderen PKW ebenfalls ganz knapp aufgefahren ist und im Anschluss an diese Übertretung den vor ihm fahrenden Klein-LKW rechts überholt hat. Offenbar ist es dem Berufungswerber darauf angekommen, die vor ihm fahrenden Fahrzeuge möglichst schnell zu überholen.

 

Der Berufungswerber hat die ihm vorgeworfene Übertretung in objektiver Hinsicht begangen und auf Grund der Videoaufzeichnungen ist auch ersichtlich, dass dem Berufungswerber der zu geringe Abstand nicht bloß wegen einer kurzen Unaufmerksamkeit "passiert ist", sondern der Berufungswerber den Abstand ganz bewusst verkürzt hat. Es ist ihm also vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen.

 

In formalrechtlicher Hinsicht ist festzuhalten, dass in der Strafverfügung vom 4.5.2011 tatsächlich anstatt der richtigen Tatzeit (11.33 Uhr) als Tatzeit 00.00 Uhr angegeben ist. Dieser Fehler wurde vom Zeugen in seiner Einvernahme vom 20. Juli 2011 korrigiert, wobei diese Zeugenaussage dem Vertreter des Berufungswerbers mit Schreiben vom 20.7.2011 zur Kenntnis gebracht wurde. Auch das Straferkenntnis wurde noch innerhalb der Verjährungsfrist, und zwar am 5.10.2011 abgesendet, wobei in diesem die Tatzeit richtig angeführt ist. Dem Berufungswerber wurde daher innerhalb der Verjährungsfrist die richtige Tatzeit vorgeworfen, weshalb auch keine formalen Gründe gegen die Bestrafung des Berufungswerbers sprechen.

 

5.3. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Gemäß § 99 Abs.2c Z4 StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 2.180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis 6 Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges den erforderlichen Sicherheitsabstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug gemäß § 18 Abs.1 nicht einhält, sofern der zeitliche Sicherheitsabstand 0,2 sec oder mehr, aber weniger als 0,4 sec beträgt.

 

Der Berufungswerber ist aktenkundig unbescholten, was einen erheblichen Strafmilderungsgrund bildet. Sonstige Strafmilderungsgründe liegen nicht vor. Straferschwerend ist zu berücksichtigen, dass der Berufungswerber die gegenständliche Übertretung vorsätzlich begangen hat.

 

Die von der Erstinstanz verhängte Geldstrafe schöpft den gesetzlichen Strafrahmen nur zu ca. 12 % aus und erscheint auch deshalb nicht überhöht. Sowohl aus general- als auch aus spezialpräventiven Überlegungen ist für derartige Übertretungen die Verhängung von spürbaren Geldstrafen erforderlich. Die Geldstrafe entspricht auch den persönlichen Verhältnissen des Berufungswerbers, wobei die erstinstanzliche Einschätzung (monatliches Nettoeinkommen von 1.500 Euro bei keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten) zu Grunde gelegt wird, weil der Berufungswerber dieser nicht widersprochen hat.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

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