Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523181/7/Br/Ai

Linz, 13.07.2012

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Frau X, geb. X, wh. X, X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau, vom 24.05.2012, GZ: 12/259047, nach der am 13.7.2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

 

 

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a Abs.1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz – AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 111/2010 und  § 3 Abs.1 Z3 iVm § 5 Abs.5 und § 24 Abs.1 Z2 Führerscheingesetz – FSG, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2012 iVm § 2 Abs.3 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung, BGBl. II Nr. 138/1998, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 280/2011;

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid hat die Behörde erster Instanz im Rahmen der mit der Berufungswerberin aufgenommenen Niederschrift unter Hinweis auf die Rechtslage (§ 5 Abs.5, § 8 Abs.3, § 13 Abs.2 u. § 24 Abs.1 Z2 FSG) mündlich verkündeten Bescheid, die Lenkberechtigung für die Klasse B bis

·        24.5.2015 befristet und

·        mit der Auflage (Code 104) eingeschränkt, alle 3 Monate, gerechnet ab 24.05.2012 eine Harnprobe (Opiate, Cannabis, Benzodiazepine, Cocain, Amphetamine - mind. 3 Parameter) auf die Dauer von 3 Jahren bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn abzugeben, sowie einer amtsärztlichen Nachuntersuchung in 3 Jahren mit der Verpflichtung zur Vorlage einer aktuellen Harnprobe und einer psychiatrischer Stellungnahme.

 

 

1.1.            Die Behörde erster Instanz begründete den Bescheid mit Hinweis auf § 5 Abs.5,  § 8 Abs.3, § 13 Abs.2, § 24 Abs.1 Z2 FSG, sowie § 45 Abs.3 und  § 62 AVG;

Die im vorgeschriebene periodische Überprüfung der Werte könne von der Behörde zeitlich vorgezogen werden. In einem solchen Fall werde die Berufungswerberin  nachweislich schriftlich aufgefordert, sich die Probe bis zu einem festgelegten Datum abnehmen zu lassen. Bei Nichtbefolgung gelte die ärztliche Auflage als nicht eingehalten. Dieser Vorgangsweise sei ausdrücklich zugestimmt worden.

Gemäß § 24 Abs.1 Z2 FSG sei  Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit, unter anderem die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche und sachliche Beschränkungen einzuschränken.

Im amtsärztlichen Gutachten vom 24.05.2012 sei festgestellt worden, dass derzeit die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Fahrzeugen wegen auffälliger Fahrvorgeschichte nur eingeschränkt gegeben wäre.

 

 

2. Dagegen wandte sich die Berufungswerberin mit ihrer fristgerecht erhobenen Berufung. Darin bringt sie sinngemäß zu Ausdruck, sie müsse  seit 2009 für den Führerschein regelmäßig Harnproben abgeben, die immer auf alle getesteten Substanzen negativ gewesen wären. Am 20. März 2012 habe sie wieder eine Harnprobe abgegeben, die positiv auf Benzodiazepine gewesen sei. Daraufhin sei ihr am 19. April 2012 der Führerschein entzogen worden.

Der erhöhte Wert habe sich jedoch durch Gabe der Beruhigungstropfen PsychoPax am 19. März 2012 in der Zahnarztpraxis von Dr. X erklären lassen (Hinweis auf die beigeschlossene zahnärztliche Bestätigung) Die daraufhin abgegebene Harnprobe war wieder negativ.

Deshalb berufe sie gegen die Erteilung der weiteren Auflagen.

 

 

3. Der Berufungsakt wurde von der Behörde erster Instanz dem
Oö. Verwaltungssenat vorgelegt. Demnach ist dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG).

 

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Behörde erster Instanz.

Im Rahmen des Berufungsverfahrens wurde der aus dem Verfahrensakt hervorgehende psychiatrische Gutachter (Facharzt Dr. X) um dessen Einschätzung der Rückfallgefahr u. die fachliche Beurteilung der seitens der Amtsärztin angeregten Auflagen und eine Untersuchung der Berufungswerberin  ersucht. Dessen Stellungnahme war urlaubsbedingt bis zum Verhandlungstermin nicht möglich.

Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde das amtsärztliche Gutachten, insbesondere die Frage der Bewertung des Beikonsums iVm der Verabreichung des Medikamentes PsychoPax anlässlich einer Zahnbehandlung am 19.3.2012 unter Beiziehung der Amtsärztin erörtert. Auf die Bebringung der der psychiatrischen Stellungnahme konnte im Lichte der Faktenlage letztlich verzichtet werden.

Sowohl die Berufungswerberin als auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung teil.

  

 

4. Sachverhalt:

Laut Aktenlage wurde der Berufungswerberin am 31. 01.2009 eine auf ein Jahr befristete Lenkberechtigung (Code 104) für die Klasse B erteilt. Schon im Zuge der Erteilung wurde eine fachärztliche Stellungnahme von FA Dr. X vom 4.9.2009  beigebracht. Darin wurde zunächst eine Befristung des Lenkberechtigung auf  ein halbes Jahr empfohlen, weil eine "ausreichend substituierte Opiatsabhängigkeit" – nach regelmäßigen Gebrauch von Cannabis diagnostiziert war.  Eine ebenfalls dem Akt angeschlossene Bestätigung des KH Braunau vom 10.3.2010 verweist auf eine in der Klinik erfolgte psychiatrische Betreuung der Berufungswerberin.

Aus dem amtsärztliche Gutachten vom 15.6.2010 gelangt  eine seit 2005 bestehende Opiatsabhängigkeit und die Teilnahme an einem Drogenersatzprogramm bis 2008 und ein Abstinenznachweis unter Hinweis auf die psychiatrische Stellungnahme (gemeint wohl von Dr. X v. 4.2.2009) zum Ausdruck. Darin wird eine Befristung auf zwei Jahre und die Befundvorlage in Abständen von drei Monaten (Harnprobe auf Opiate, Cannabis, Benzodiazepine u. Cocain) vorgeschlagen.

Mit Bescheid vom 23. Juni 2010 wurde die Lenkberechtigung mit der Auflage Code 104 für die Dauer von zwei Jahren eingeschränkt. In der Folge scheinen, mit Ausnahme vom 20.3.2012, jeweils negative Befunde vorgelegt worden zu sein.

Dem Akt angeschlossen ist eine fachärztliche Stellungnahme vom 3.10.2010 des Facharztes für Psychiatrie u. psychotherapeutische Medizin, Dr. X.

Darin findet sich ein Opiatsabhängigkeitssyndrom (ICD-10: F11.22) mit geringer Rückfallswahrscheinlichkeit diagnostiziert. In der Stellungnahme wurde die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen mit der Auflage eines dreimonatigen Drogenscreenings befürwortet.

 

Dem Akt beigehängt findet sich auch der entwertete (gelochte) Scheckkartenführerschein. Ein Entzugsbescheid fand sich im Verfahrensakt nicht. Er wurde im Rahmen der Berufungsverhandlung beigeschafft.

 

 

 

4.1. Zusammenfassend kann als Ergebnis des Berufungsverfahrens festgestellt werden, dass die Berufungswerberin subjektiv keinen sogenannten Beikonsum tätigte. Vielmehr wurde ihr anlässlich einer umfangreichen Zahn- bzw. Wurzelbehandlung an drei aufeinanderfolgenden Montagen in jeweils achtstündigen Behandlungsabfolgen, zweimal als Beruhigungsmittel PsychoPax verabreicht. Nur dies führte offenbar zum einmalig positiven Harnbefund.

Glaubhaft versicherte die Berufungswerberin dabei, dass ihr nicht bewusst gewesen sei, dass sie den Zahnarzt über ihr Drogenersatzprogramm in Kenntnis setzen hätte sollen.

Andererseits versicherte die Berufungswerberin, dass sie kein Verlangen nach Drogen mehr habe und bei das Ersatzprogramm erfolgreich verläuft. Sie meinte im Ergebnis unter Hinweis auf die kurz vor dem 20. März 2012 (dem von ihr nicht schuldhaft herbeigeführten positiven Harnbefund) ihr bereits ankündigt gewesene uneingeschränkte (Wieder-)Erteilung der Lenkberechtigung, dass es nicht gerecht wäre sie nun abermals auf drei Jahre diese kostenintensiven Auflangen zu erteilen.  Auf die bereits in der fachärztlichen Stellungnahme von Dr. X zum Ausdruck gelangenden "geringen Rückfallwahrscheinlichkeit" sei an dieser Stelle hingewiesen.

Ingesamt machte die Berufungswerberin einen sehr positiven und sachbezogenen Eindruck. Sie wird laut ihren Angaben ab August selbständig erwerbstätig sein, wobei sie glaubhaft auf keine von ihr ausgehende Verkehrsgefährdung durch einen Rückfall in einen Drogenkonsum verweist. 

Die Amtsärztin verwies auf die Praxis, wonach eine einstige Abhängigkeit als solche einen irreversiblen Charakter habe, wobei jedoch nach fünf Jahren Abstinenz eine Rückfallgefahr tatsächlich nur noch als so gering zu bezeichnen wäre, dass eine unbefristete Erteilung der Lenkberechtigung mangels Präzisierbarkeit einer Rückfallgefahr sachlich durchaus vertretbar wäre. Auf ihre Vorgaben hinsichtlich der Befristungsregeln nach einer Suchtgiftabhängigkeit wurde dabei verwiesen.  Das die Berufungswerberin das Substitutionsprogramm bisher positiv wurde ihr seitens der Amtsärztin ebenfalls zugestanden.

Auch die Behörde erster Instanz schloss sich im Ergebnis dieser positiven Bewertung an, wobei jedoch auf die Befristungspflicht im Falle von Auflagen von Kontrolluntersuchungen verwiesen wurde.

Letztlich wurde die einhellige Auffassung vertreten,  dass die Befristung in diesem zeitlichen Umfang wohl aufrecht zu erhalten sein werde, jedoch bis zum Ablauf derselben mit noch insgesamt vier Harnbefunden das Auslangen gefunden werden könne. Dies sind dann bis zum Februar 2013 noch drei der Behörde vorzulegende Befunde und zuletzt ein Befund im April 2015. Auf die Vorlage eines psychiatrischen Gutachtens könne im Falle der negativ bleibenden Befunde verzichtet und sodann die Lenkberechtigung unbefristet erteilt werden. Die Parteien befinden im Einklang sich dieser Sicht- und Vorgehensweise anzuschließen.

 

 

 

4.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat schließt sich im Ergebnis dieser Auffassung unter Hinweis auf das positiv zu wertende Prognosekalkül an. Der Berufungswerberin wird darin vertraut, dass sie sich in  der Zukunft, wie auch schon seit der Erteilung der Lenkberechtigung, von illegalen und einen Rückfall in das Suchtverhalten herbeiführende Suchtmitteln fern halten werde.

Gegen eine ab 2013 fortgesetzte, jedoch weitmaschige Beobachtung (durch vier Harntests) und die behördlicherseits bis Februar 2015 als  aufrecht zu erhaltenden  Befristung, hat sich der Berufungswerberin selbst nicht ausgesprochen, sondern sich durchaus auch in diesem Punkt  einer zu erwartenden Einschränkungsempfehlung betreffend sein Lenkberechtigung problembewusst gezeigt. 

 

 

 

5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 3 Abs.1 Z3 FSG-GV gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

            1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

            2. die nötige Körpergröße besitzt,

            3. ausreichend frei von Behinderungen ist und

            4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische psychophysische  Leistungsfähigkeit verfügt.

Gemäß § 5 Abs.5 FSG ist die Lenkberechtigung, soweit dies auf Grund des ärztlichen Gutachtens oder wegen der Art der Lenkberechtigung nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit nötig ist, unter den entsprechenden Befristungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen (§ 8 Abs. 3 Z2).

….

Gemäß § 14 Abs.5 FSG-GV, ist Personen,  die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, (nur) nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.

Gemäß § 24 Abs.1 Z2 FSG ist Besitzer einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit, unter anderem die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche und sachliche Beschränkungen einzuschränken.

Nach § 2 Abs.1 letzter Satz der FSG-GV gilt im Falle der Vorschreibung gemäß §§ 5 bis 16  ärztliche Kontrolluntersuchungen  als Auflage (in Form der Vorlage von Laborbefunden), dass diese niemals alleine, sondern immer nur in Verbindung mit einer Befristung der Lenkberechtigung und einer amtsärztlichen Nachuntersuchung bei Ablauf dieser Befristung verfügt werden dürfen (Befristungsgebot durch BGBl. II Nr. 280/2011).

Die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Sinne des § 8 Abs.3 Z2 FSG ist nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wohl (nur) dann gegeben, wenn eine "Krankheit" festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Um eine bloß bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen in diesem Sinne anzunehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maß für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 24. April 2001, Zl. 2000/11/0337, vom 13. August 2003, Zl. 2001/11/0183, 13. August 2003, Zl. 2002/11/0228, vom 25. April 2006, Zl. 2006/11/0042, vom 15. September 2009, Zl. 2007/11/0043, vom 22. Juni 2010, Zl. 2010/11/0067, und vom 24. Mai 2011, Zl. 2010/11/0001 mwN.).

Hier war von einer Verschlechterungserwartung wohl nicht auszugehen, dennoch war mit Blick auf die medizinisch  noch indizierte Kontroll- u. Nachuntersuchung die Befristung vorerst noch aufrecht zu erhalten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungs­gerichts­hof und/oder an den Verfassungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

                                                                          

 

Dr. B l e i e r

                                                                                                                                                      

 

 

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