Linz, 16.07.2012
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der X, geb. X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 14. Juni 2012, Zl. VerkR96-963-2012, nach der am 16.7.2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:
I. Die Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1Z1 VStG eingestellt.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlage:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, idF BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, idF BGBl. I Nr. 111/2010 – VStG.
Zu II.: § 66 Abs.1 u. 2 VStG
Entscheidungsgründe:
1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:
2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung tritt der Berufungswerber dem Schuldspruch mit folgenden Ausführungen entgegen:
3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des erstbehördlichen Verfahrensaktes im Rahmen der Berufungsverhandlung. Der Meldungsleger wurde im Rahmen der Berufungsverhandlung als Zeuge nochmals einvernommen. Der Berufungswerber nahm.
3.1. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung war hier trotz der 500 Euro nicht übersteigenden Geldstrafe zwecks unmittelbarer Darstellung und entsprechender Würdigung des Berufungsvorbringens in Wahrung eines fairen Verfahrens iSd Art.6 EMRK geboten. Beweis erhoben wurde durch Anhörung des Zeugen GrInsp. X und des Berufungswerbers als Beschuldigten. Vorgelegt wurden vier Lichtbilder welche zum Akt genommen wurden (Beilagen .\1 bis .\4). Die Behörde erster Instanz war unentschuldigt bei der Berufungsverhandlung nicht vertreten.
4. Sachverhalt:
Der Berufungswerber lenkte zur oben angeführten Zeit und Örtlichkeit den benannten Pkw in Altenfelden auf der B127 im Bereich des Kreisverkehrs (Strkm 36,600) in Richtung Linz. Dabei wurde der Berufungswerber von dem nächst dem Kreisverkehr aus einen Dienstkraftwagen Verkehrsüberwachungsdienst versehenden Meldungsleger wahrgenommen, dass er seine Hand am rechten Ohr hatte. Im Zuge der sofort aufgenommenen Nachfahrt konnte seitens des Meldungslegers neuerlich "die rechte Hand am Ohr" des Lenkers wahrgenommen werden. Anlässlich der Anhaltung wurde das Handy des Berufungswerbers schließlich im Bereich seines Schosses liegend wahrgenommen. Nach dem Grunde nach sofort den Tatvorwurf bestreitender Verantwortung, wurde vom Meldungsleger die eröffnete Möglichkeit, sich doch am Display des Telefons von der Geprächsdauer zu überzeugen, nicht nachgegagen. Die Bezahlung eines bargeldlosen Organmandates wurde vom Berufungswerber mit dem Hinweis abgelehnt über die Freisprechanlage telefoniert zu haben.
4.1. Im Rahmen des Berufungsverfahrens konnte festgestellt werden, dass der x 500 SL des Berufungswerber mit einem sogenannten Comand als Kommunikationsanlage ausgerüstet ist. Die Verbindung vom Handy erfolgt automatisch über Bluetooth. Davon konnte sich der Unabhängige Verwaltungssenat am Fahrzeug des Berufungswerbers überzeugen.
Vor dem Hintergrund der völlig automatisch funktionierenden Freisprecheinrichtung war letzlich der Verantwortung des Berufungswerbers zu folgen gewesen, indem es keinen vernüftigen Grund gäbe die Freisprecheinrichtung hier nicht verwendet zu haben. Ebenfalls belegen die vorgelegten Fotos, dass die unmittelbarare Wahrnehmung eines Handys in der rechten Hand, nicht zwingend als "eindeutig" angenommen werden kann.
Der Meldungsleger legte im Rahmen der Berufungsverhandlung nochmals seine Wahrnehmung dar, wobei er aber dezidiert einräumte jeweils kein Handy unmittelbar am Ohr des Berufungswerbers wahrgenommen gehabt zu haben. Jedoch auf Grund der zweimaligen Wahrnehmung der Hand am Ohr und zuletzt im Zuge der Anhaltung des Handys am Schoß des Berufungswerbers, habe er auf ein Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung geschlossen. Laut Aussage vor der Behörde erster Instanz habe dem Meldungsleger gegenüber der Berufungswerber auch eingeräumt das Handy sogar in der Hand gehalten und sich gleichzeitig am Ohr gekratzt zu haben.
Leztlich räumte der Zeuge GrInsp. X jedoch im Rahmen der Berufungsverhandlung aber durchaus unumwunden ein, zu keinem Zeitpunkt das Handy direkt in der Hand bzw. am Ohr des Berufungswerbers wahrgenommen gehabt zu haben. Vielmehr habe er, nach h. Überzeugung aus der Sicht des Zeugen gutgläubig, lediglich darauf – auf Grund der Haltung der Hand – geschlossen.
Seine protokollierte Zeugenaussage vor der Behörde erster Instanz hört sich wohl etwas anders an, da jedoch der Vertreter der Behörde erster Instanz nicht erschienen war, konnte dieser scheinbare Widerspruch letztlich nicht näher hinterfragt werden.
Insgesamt vermag hier aber dennoch keine für einen Schuldspruch ausreichende Beweislage im Sinne des Tatbestandes erblickt werden.
Vielmehr wurde vom Berufungswerber durchaus nachvollziehbar und insbesondere auch unter Vorlage einer Bilddokumentation dargelegt, dass die Haltung seiner Hand keinen zwingenden Schluss zulässt dabei ein Telefon am Ohr zu haben. Dies schiene insbesondere vor dem Hintergrund der im Fahrzeug vorhandenen Kommunikationstechnik eher doch als unlogisch. Das es letztlich überhaupt zu dieser Anzeige gekommen ist, mag hier in einer nicht ausreichend gegebenen gegenseigten Verständnis und einer allenfalls einseitig fehlenden Kommunikationsbereitschaft zu suchen sein.
Der Berufungswerber erklärte im Rahmen der Berufungsverhandlung seinen Unmut über den in der Begründung des Strafbescheides bloß lapidaren Hinweis auf die Wahrheitspflicht und den Amtseid, zeigte aber andererseits auch Einsicht ob der Unangemessenheit und sich am Rande der beleidigenden Schreibweise iSd § 34 Abs.3 VStG bewegenden Wortwahl in seinen Eingaben.
Zur freien behördlichen Beweiswürdigung nach § 45 Abs.2 AVG in Verbindung mit einem fairen Verfahren sei abschließend bemerkt, dass an einen Beweis wohl ein strengerer Maßstab als bloß eine aus der Lebensnähe gezogene Schlussfolgerung zu stellen ist (vgl. VfSlg 12649; sowie Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage, S 98, Fn 372).
5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Gemäß § 102 Abs.3 KFG 1967 dritter Satz ist während des Fahrens dem Lenker das Telefonieren ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung verboten.
Gemäß § 134 Abs.3c KFG 1967 begeht, wer als Lenker eines Kraftfahrzeuges die in § 102 Abs. 3 fünfter Satz angeführte Verpflichtung nicht erfüllt, wenn dies bei einer Anhaltung gemäß § 97 Abs.5 StVO 1960 festgestellt wird, eine Verwaltungsübertretung, welche mit einer Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG mit einer Geldstrafe von 50 Euro zu ahnden ist. Wenn die Zahlung des Strafbetrages verweigert wird, ist von der Behörde eine Geldstrafe bis zu 72 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe bis zu 24 Stunden, zu verhängen.
Es käme nicht darauf an, ob mit dem Handy ohne Freisprecheinrichtung auch tatsächlich schon telefoniert wurde, oder etwa erst die Rufnummer eingegeben würde. Aus dem Bericht des Verkehrsausschusses (1334 BlgNR 20. GP) ergibt sich nämlich, dass Anlass für die auf einen Initiativantrag zurückzuführende Pflicht zur Verwendung von Freisprecheinrichtungen das erhöhte Unfallrisiko war. Wörtlich wird ausgeführt: "Gerade das Halten eines Handy während der Fahrt – gemeint wohl im Zuge es zu verwenden - lenkt vom Verkehrsgeschehen ab. Deshalb erscheint es zielführend, dieses Problem im KFG bei den Lenkerpflichten ausdrücklich zu regeln" (s. VwGH 14.7.2000, 2000/02/0154). Dem Willen des Gesetzgebers kann aber nicht unterstellt werden, dass bereits ein jegliches Halten des Handys im Zuge eines unter der Verwendung der Freisprechanlage geführten Telefonates von diesem Verbot umfasst zu sehen wäre. Dann müsste der Tatbestand wohl klar in diese Richtung formuliert sein und etwa lauten, dass jegliche Manipulation eins Fahrzeuglenkers mit einem Handy während der Fahrt verboten wäre. Das müsste sich dann logischer Weise wohl auch auf die Bedienung eines Radios und/oder GPS beziehen.
6. Dem Berufungswerber war daher in seinem Berufungsvorbringen zu folgen gewesen und zumindest gemäß dem Grundsatz "in dubio pro reo" von einem fehlenden Tatbeweis auszugehen.
Schon bei bloßem Zweifel an der Tatbegehung ist nämlich von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und desse Einstellung zu verfügen (vgl. VwGH 12.3.1986, Zl. 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r