Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401148/29/Wg/WU

Linz, 11.07.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Beschwerde des X, geb. X, wegen Anhaltung in Schubhaft, zu Recht erkannt:

 

 

            I.      Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von der am 26. Jänner 2012 erfolgten Begutachtung durch X bis zur Entlassung am 27. Jänner 2012 rechtswidrig war.

 

        II.      Der Bund (Verfahrenspartei: Bundespolizeidirektion Linz) hat dem Beschwerdeführer zusätzlich zu dem in Spruchabschnitt II. des Erkenntnisses des UVS vom 27. Jänner 2012, VwSen-401148, vorgeschriebenen Kostenersatz Kosten in der Höhe von 922 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 83 Fremdenpolizeigesetz (FPG); § 67c Abs.3 AVG; § 69a AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Bundespolizeidirektion Linz hat über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) mit Bescheid vom 18. Jänner 2012, AZ: 1006121/FRB, die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs.1 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG) iVm. § 57 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) angeordnet. Die BPD führte begründend aus, nach negativem Abschluss des Asylverfahrens sei mit Bescheid der BPD Linz vom 19. Oktober 2010 gegen den Bf die Ausweisung verfügt worden. Zur Sicherung der Abschiebung sei er am 25. Oktober 2010 in Schubhaft genommen und in das Polizeianhaltezentrum X überstellt worden. Am 27. Oktober 2010 habe er einen Asylfolgeantrag gestellt, der mit 24. Juni 2011 gemäß § 68 AVG – verbunden mit einer Ausweisung – rechtskräftig zurückgewiesen worden sei. Am 20. Dezember 2010 sei er aus der Schubhaft entlassen worden und mit Bescheid gleichen Tages gemäß § 77 FPG angeordnet worden, dass er sich täglich bei der Polizeiinspektion X zu melden habe. In weiterer Folge habe er sich bis vor 13. Jänner 2011 im X in X in stationärer Behandlung befunden. Er sei seiner täglichen Meldepflicht nie nachgekommen. Da sein Aufenthalt nicht mehr bekannt gewesen sei, sei am 14. März 2011 die tägliche Meldepflicht formlos aufgehoben worden. Nunmehr sei er in X, in einem Zelt hausend, angetroffen worden. Er sei in X nicht gemeldet und unterstandslos; bis zur Aufgreifung am 18. Jänner 2011 habe er beschäftigungslos und als "U-boot" in Linz gelebt. Aus Vorgesagtem und weil er offensichtlich nicht bereit sei, Anordnungen gemäß § 77 FPG Folge zu leisten, stelle eine abermalige Anordnung einer täglichen Meldepflicht im Rahmen eines gelinderen Mittels nicht sicher, dass er sich zur beabsichtigten Abschiebung auch tatsächlich zur Verfügung halten werde.

 

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 23. Jänner 2012. Der Bf beantragte darin, den Schubhaftbescheid aufzuheben, die Festnahme und die Anhaltung des Bf für rechtswidrig zu erklären, sowie dem Bf die Verfahrenskosten zu ersetzen. An Kosten wurden verzeichnet: Beschwerde verfasst 737,60 Euro, Gebühr 14,20 Euro, sohin 751,80 Euro. Begründend führte der Bf aus, der angefochtene Bescheid lasse auch eine nachvollziehbare Begründung dahingehend vermissen, weshalb anzunehmen ei, dass die Schubhaft notwendig sei. Der Bf verfüge über zahlreiche Bindungen nach Österreich, insbesondere sei er Vater zweier Töchter, X und X. Seine Schwester X sei in X wohnhaft, seine Schwester X wohne in X. Mit dem Umstand, dass er unterstandslos sei, könne die Notwendigkeit der In-Schubhaftnahme nicht begründet werden. Der Bf wirke desorientiert und berichte von traumatischen Erlebnisses in der Vergangenheit und einer schweren Kopfverletzung im Alter von 4 Jahren. Seine Haftfähigkeit erscheine demnach nicht unbedingt gegeben zu sein. Mangels ausreichender Auseinandersetzung mit der tatsächlichen Situation des Bf habe die Erstbehörde auch nicht hinreichend begründet, weswegen in seinem Fall der nach Ansicht der Erstbehörde gegebene Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels nicht erreicht werden könne. Die Behörde führe dazu aus, dass gegen den Bf bei früherer Gelegenheit schon das gelindere Mittel angewendet worden sei, welches formlos aufgehoben wurde, nachdem der Bf seiner Meldepflicht nicht nachgekommen sei. Allerdings habe sich der Bf zu dieser Zeit nachweislich in stationärer Behandlung befunden. Möglicherweise sei es dem Bf bei dieser früheren Verhängung des gelinderen Mittels nicht klar gewesen, was er zu tun habe. Er sei verwirrt und sei unklar, ob ihm verständlich gemacht werden konnte, welche Auflagen er einzuhalten habe. Das österreichische Gesetz entspreche nicht der Rückführungsrichtlinie, da eine amtswegige Überprüfung der Schubhaft nur durch die Verwaltungsbehörde selbst und eine Überprüfung durch ein unabhängiges Tribunal überhaupt erst nach 4 Monaten vorgesehen sei. Der angefochtene Bescheid verstöße daher gegen das Unionsrecht.

 

Die BPD Linz legte den Akt vor und erstattete eine Gegenschrift. Darin beantragt sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

 

Der UVS führte am 27. Jänner 2012 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Infolge der Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers stellte der UVS mit mündlich verkündetem Erkenntnis in der Verhandlung fest, dass die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nicht vorliegen. Die Frage, ob die Haftunfähigkeit bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides am 18. Jänner 2012 bestand und damit die gesamte bisherige Schubhaft rechtswidrig war, wurde einem ergänzenden Ermittlungsverfahren vorbehalten.

 

So regte der UVS zunächst mit Schreiben vom 8. Februar 2012 beim Bezirksgericht Linz die Bestellung eines Sachwalters gegebenenfalls beschränkt auf fremdenpolizeiliche Verfahren an.

 

Rechtsanwalt X teilte daraufhin mit Schreiben vom 3. Mai 2012 Folgendes mit:

 

"In obiger Angelegenheit darf ich mitteilen, dass ich mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom 24.04.2012 zum Verfahrenssachwalter und einstweiligen Sachwalter bestellt wurde und dabei auch zum Vertreter gegenüber Behörden und Gerichten, sowie im fremdenpolizeilichen Verfahren bestimmt wurde. Ich darf ersuchen die Bestellung zum Sachwalter zur Kenntnis zu nehmen und Zustellungen zu meinen Handen vorzunehmen. Gleichzeitig würde ich vorschlagen, dass versucht wird im pflegschaftsgerichtlichen Verfahren zu klären, ob die Prozessfähigkeit bei Schubhaftverhängung bereits vorlag. Ich werde den Gutachter entsprechend ersuchen eine Äußerung zu treffen."

 

Mit Eingabe vom 26. Juni 2012 schränkte X die Schubhaftbeschwerde auf den Zeitraum ab Begutachtung durch X am 26. Jänner bis zur Entlassung ein und ersuchte um Kostenzuspruch.

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:

 

Lt. Bericht des Stadtpolizeikommandos X vom 18. Jänner 2012 erhielt am 18. Jänner 2012 um 10.15 Uhr "X" (GI X, VB/s X und X) vom Stützpunkt den Auftrag nach X, zu einem provisorischen Zelt auf der Grünfläche nächst der Westbrücke zu fahren, da dort eine vermutlich illegal aufhältige Person anwesend sein sollte. Der Bf wurde von den Beamten dort um 10.50 Uhr angetroffen. Eine durchgeführte EKIS Abfrage ergab, dass gegen den Bf ein Aufenthaltsverbot der BPD Wels und eine Ausweisung besteht. Weiters wird im erwähnten Bericht ausgeführt: "Auf Grund dieser Auskunft und da X im Bundesgebiet nicht gemeldet ist, wurde er gemäß § 39 FPG am Ort der Anhaltung festgenommen und mit dem Fukw in die PI X verbracht. Zwangsmaßnahmen waren nicht erforderlich.".

 

Um 14.00 Uhr wurde der Bf amtsärztlich untersucht. Der Amtsarzt X stellte dabei fest, dass sich der Bf in zufriedenstellender körperlicher sowie geistiger Verfassung befand, örtlich und zeitlich orientiert war. Gemäß § 7 der Anhalteordnung wurde er vom Amtsarzt am 18. Jänner 2012 um 14.00 Uhr für haftfähig befunden.

 

Der Schubhaftbescheid wurde dem Bf am 18. Jänner 2012 um 16.40 Uhr ausgefolgt.

 

Der UVS veranlasste auf Grund des Beschwerdevorbringens eine neuerliche amtsärztliche Untersuchung.

 

Frau X, Amtsärztin der BPD X, berichtete daraufhin mit Mail vom 24. Jänner 2012 über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers. Sie führte dazu aus: "Seit der Inhaftierung des Herrn X am 20. Jänner 2012 ist er ruhig, freundlich und kooperativ. Im Jahr 2010 wurde bei Herrn X eine Psychose sowie eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Auch bei diesem Haftaufenthalt ergibt sich der Hinweis auf eine Belastungsstörung sowie einer Psychose. Diesbezüglich wurde eine psychiatrische Untersuchung für den 26. Jänner 2012 vorgesehen. Eine Medikation lehnt Herr X derzeit ab, da er keine Notwendigkeit diesbezüglich sieht. Herr X ist glaubhaft von Suizidgedanken distanziert. Die einzige Sorge die er aktuell habe, gilt seinem Zelt und seiner Katze, die ihm wohl weggenommen wurden. Aus ärztlicher Sicht besteht derzeit kein Hinweis auf Haftuntauglichkeit."

 

Aus dem Ambulanzbefund des X, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 26. Jänner 2012 (Anmerkung: irrtümlich datiert auf 25. Jänner 2012) wird ausgeführt: "Patient hochgradig psychisch auffällig. Formale und inhaltliche Denkstörungen im Sinne einer psychotischen Einengung gegeben. Patient jedoch orientiert, freundlich; … Patient ist nicht als geschäftsfähig (bzw. prozessfähig) zu beurteilen, massiv eingeschränkte Urteils- und Einsichtsfähigkeit". Als Therapievorschlag wurde unter anderem die Enthaftung angegeben ("auch wenn kein subjektiver Leidensdruck, Patient ist psychisch krank!").

 

Wie X dem erkennenden Mitglied am 26. Juni 2012 tel. mitteilte, fand die Untersuchung des Beschwerdeführers im PAZ X statt. Der Ambulanzbefund über die Untersuchung am 26. Jänner 2012 wurde von X in die Kartei des Beschwerdeführers eingelegt. X übergab unmittelbar nach der Untersuchung diese Kartei samt dem Ambulanzbefund dem diensthabenden Sanitäter des PAZ. Diese Aussage des X wird den Feststellungen zugrunde gelegt, zumal seitens der BPD Linz der Wahrheitsgehalt nicht in Frage gestellt wurde (Telefonat mit X am 26. Juni 2012).

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat in rechtlicher Hinsicht dazu erwogen:

 

Da der Beschwerdeführer – vertreten durch seinen einstweiligen Sachwalter X – die Beschwerde nunmehr auf die Anhaltung in Schubhaft seit der am 26. Jänner 2012 erfolgten Untersuchung durch X einschränkte, konnte das Verfahren ohne weitere Ermittlungsschritte abgeschlossen werden. X stellte im PAZ X die Haftunfähigkeit fest. Es hätte daraufhin unverzüglich die Enthaftung veranlasst werden müssen. Dies ist nicht erfolgt, weshalb die weitere Anhaltung nach Abschluss der Untersuchung rechtswidrig war. Aus diesem Grund war wie im Spruchpunkt I. zu entscheiden.

 

Im Spruchpunkt II. des Erkenntnisses vom 27. Jänner 2012 wurde dem Beschwerdeführer zunächst – antragsgemäß – ein Kostenersatz lediglich in der Höhe von 751,80 Euro zugesprochen. Die Kosten für den Verhandlungsaufwand wurden mangels entsprechendem Antrag zunächst nicht zugesprochen. Nunmehr ersuchte der einstweilige Sachwalter mit Eingabe vom 26. Juni 2012 ausdrücklich um Kostenzuspruch, weshalb nunmehr auch der im § 1 Z2 der UVS-Aufwandersatzverordnung vorgesehene Verhandlungsaufwand (922 Euro) zuzusprechen war.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. An Stempelgebühren sind 46,80 Euro (Eingabe- und Beilagengebühr) angefallen.

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

 

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