Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-750047/2/BP/JO

Linz, 19.07.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA von Irak, geboren am X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land vom 26. Mai 2012, GZ.: Sich96-664-2011, wegen einer Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

 

 

            I.      Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

 

        II.      Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24 und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm.

          § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, iVm.

          § 120 Abs. 7 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung        des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 112/2011;

Zu II.: § 64ff. VStG.

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land vom 26. Mai 2012, GZ.: Sich96-664-2011, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000,-- Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 333 Stunden verhängt. Die belangte Behörde führt dabei Folgenden Tatvorwurf aus:

 

"Am 29.8.2011 um ca. 00.07 Uhr wurde von Beamten der Grenzpolizeiinspektion Leopoldschlag in Leopoldschlag, bei der Bushaltestelle beim Grenzübergang Wullowitz, bei StrKm. X, auf der B 310, festgestellt, dass Sie in das Bundesgebiet einreisten, ohne in Besitz eines gültigen Reisedokumentes zu sein, obwohl Fremde, soweit durch Bundesgesetz oder durch zwischenstaatliche Vereinbarung nicht anders bestimmt ist oder nicht anderen internationalen Gepflogenheiten entspricht, zur rechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet ein gültiges Reisedokument brauchen (Passpflicht).

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 15 Abs.1, iVm. § 120 Abs.1 Z1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, idgF."

 

Nach Schilderung des Verfahrensganges führt die belangte Behörde insbesondere betreffend eine mit dem Bw am 20. Dezember 2011 aufgenommenen Niederschrift aus, dass dieser angegeben habe, kein Reisedokument zu besitzen, da er Flüchtling sei und hier in Österreich den Ausgang seines Asylverfahrens abwarte.

 

Die belangte Behörde erachtet – unter offensichtlicher Heranziehung der Gesetzesbestimmungen vor dem IN-Kraft-Treten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 -  sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite als gegeben.

 

Strafmildernd sei die bisherige Unbescholtenheit des Bw, straferschwerend kein Umstand gewertet worden. 

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Berufung, welche der Bw wie folgt begründet:

 

Außer Streit gestellt werde, dass der Bw am besagten Tag bei der Bushaltestelle beim Grenzübergang Wullowitz von Beamten der Grenzpolizeiinspektion Leopoldschlag aufgegriffen worden sei. Vorab möchte er ausführen, dass es zu keinem Zeitpunkt seine Absicht gewesen sei, gegen Vorschriften jeglicher Art zu verstoßen. Diese seine Vorgehensweise sei ausschließlich auf seine Unwissenheit und Unbedachtheit zurückzuführen und nicht, weil er eine gleichgültige Haltung gegenüber der Rechtsordnung in Österreich an den Tag lege.

 

Bezugnehmend auf die Höhe der verhängten Strafe wolle er anmerken, dass er keine Geldmittel aus der Grundversorgung beziehe. Er wohne privat bei einem Freund. Es sei ihm keinesfalls möglich, den Betrag von 1.100 Euro in 15 Monatsraten abzuzahlen. Er erhalte lediglich eine geringe Unterstützung von seinen Eltern. Abgesehen davon finde er die Festsetzung der Höhe mehr als unangebracht. Für das gleiche "Vergehen", welches ein Freund von ihm am 26.04.2011 ebenso in Leopoldschlag begangen habe, habe dieser lediglich eine Strafe im Ausmaß von 50 Euro erhalten. Als Beweis lege der Bw eine Kopie dieser Strafverfügung der Berufung bei.

 

Er könne sich diesen exhorbitanten Unterschied nicht erklären und bedürfe die Festsetzung von insgesamt 1.100 Euro einer besonderen Begründung. Aus der Sicht des Bw gelange die belangte Behörde bei gleichem Sachverhalt zu einem dermaßen ungleichen Ergebnis. Überdies sei er der Auffassung, dass bei der Verhängung der Geldstrafe seine Unbescholtenheit nicht ausreichend berücksichtigt worden sei.

 

Abschließend stellt der Bw den Antrag, den Betrag so weit zu reduzieren, dass ihm auch eine realistische Rückzahlung möglich sei (50 Euro).

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 28. Juni 2012 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt dem UVS des Landes Oberösterreich.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt.

 

Da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfiel gemäß § 51e Abs. 2 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter dem Punkt 1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungs­relevanten Sachverhalt aus, wobei noch zu konkretisieren ist, dass das Asylverfahren des Bw sich seit 14. Dezember 2010 im Berufungsstadium befindet und bislang nicht abgeschlossen wurde.

 

2.4. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Im vorliegenden Fall könnte aufgrund des Berufungsantrages prima vista geschlossen werden, dass sich das Rechtsmittel lediglich gegen die Strafhöhe im angefochtenen Bescheid richtet. Bei näherer Betrachtung der Berufungsgründe fällt aber sofort ins Auge, dass der Bw zwar die Erfüllung der objektiven Tatseite nicht in Frage stellt, jedoch vermeint nicht schuldhaft gehandelt zu haben.

 

In diesem Sinn war die Berufung als in vollem Umfang erhoben anzusehen.

 

3.2. Gemäß § 120 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 100 Euro bis zu 1.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer als Fremder nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet einreist. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist. 

 

Gemäß § 15 Abs. 1 FPG brauchen Fremde, soweit durch Bundesgesetz oder durch zwischenstaatliche Vereinbarungen nicht anderes bestimmt ist oder nicht anderes internationalen Gepflogenheiten entspricht, zur rechtmäßigen Einreise in das und zur Ausreise aus dem Bundesgebiet ein gültiges Reisedokument (Passpflicht).

 

Gemäß § 15 Abs. 2 FPG brauchen passpflichtige Fremde, soweit dies nicht durch Bundesgesetz, durch zwischenstaatliche Vereinbarungen oder durch unmittelbar anwendbare Rechtsakte der Europäischen Union anders bestimmt ist, zur rechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet ein Visum (Visumpflicht). Fremde, die eine gültige Aufenthaltsberechtigung, eine besondere Bewilligung während 18 Monaten nach einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder nach Ausreise aufgrund einer Ausweisung oder eine Bewilligung zur Wiedereinreise während der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes innehaben, entsprechen der Visumpflicht.

 

Gemäß § 120 Abs. 7 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 112/2011 liegt eine Verwaltungsübertretung nach "Abs. 1 oder 1a" nicht vor, wenn der Fremde einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und ihm der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Während des Asylverfahrens ist das Verwaltungsstrafverfahren unterbrochen.

 

3.3. Es ist völlig unbestritten, dass sich das Asylverfahren des Bw seit Dezember 2010 im Berufungsstadium befindet und diesbezüglich auch noch keine Entscheidung des Asylgerichtshofes – auch nicht bis dato – vorliegt.

 

In Hinblick auf dieses anhängige Asylverfahren ist es der belangten Behörde, wie sich aus § 120 Abs. 7, letzter Satz FPG zweifelsfrei ergibt, wonach bei anhängigen Asylverfahren ein Verwaltungsstrafverfahren nach Abs. 1 oder 1a dieser Bestimmung unterbrochen ist, verwährt ein Straferkenntnis, gestützt auf
§ 120 Abs. 1 FPG, zu erlassen, zumal auch der strafrelevante Sachverhalt während des offenen Asylverfahrens gesetzt wurde und auch das Straferkenntnis der belangten Behörde während diesem offenen Verfahren erlassen wurde.

 

3.4. Es war daher – ohne auf die Berufungsvorbringen näher einzugehen – das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben. Eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens war nicht zu verfügen, da dieses nach Abschluss des Asylverfahrens allenfalls weiterzuführen sein kann.

 

 

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß den §§ 64 ff. VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

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