Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-750048/4/SR/WU

Linz, 19.07.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 1. Juni 2012, GZ Sich96-717-2011, wegen einer Übertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

 

 

I.  Aus Anlass der Berufung wird das in Rede stehende Straferkenntnis    aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24, 44a, 45 und 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

Zu II.: § 64ff. VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 1. Juni 2012, GZ.: Sich96-717-2011, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 1.000,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 333 Stunden) gemäß 120 Abs. 1 Z. 2 FPG BGBl. I Nr. 100/2005 i.d.g.F." verhängt, weil er "§ 15 Abs. 1 iVm 120 Abs. 1 Z. 1 FPG BGBl. I Nr. 100/2005 i.d.g.F." verletzt habe.

Dabei wurde dem Bw folgender Tatvorwurf gemacht:

 

"Am 10.11.2011 um 5.14 Uhr wurde von Beamten der Polizeiinspektion Ottensheim in X, Rohbracher Straße B 127, bei X, festgestellt, dass Sie in das Bundesgebiet einreisten, ohne in Besitz eines gültigen Reisedokuments zu sein, obwohl Fremde, soweit durch Bundesgesetz oder durch zwischenstaatliche Vereinbarung nichts anderes bestimmt ist oder nicht anderen internationalen Gepflogenheiten entspricht, zur rechtmäßigen Einreise in das österreichische Bundesgebiet ein gültiges Reisedokument brauchen (Passpflicht)."

 

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Spruches aus, dass der Bw im Ermittlungsverfahren ausgesagt habe, dass er nur nach den Fahrzeugpapieren gefragt worden sei. Als Zeuge befragt habe der einschreitende Beamte angegeben, dass der Bw bei der Kontrolle vorgebracht habe, als Asylwerber nach Österreich gekommen zu sein und daher kein Reisedokument habe.

 

Nach Bezugnahme auf § 15 Abs. 1 FPG und § 120 Abs. 1 Z. 1 FPG (in der Fassung vor dem FRÄG 2011) maß die belangte Behörde der Zeugenaussage mehr Glaubwürdigkeit bei und stellte fest, dass sich der Bw am "10.11.2011 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe und seinen Aufenthaltstitel zum rechtmäßigen Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet nicht vorweisen" habe können. Die objektive Tatseite sei daher erfüllt.

 

Mangels Rechtfertigung habe der Bw auch keine Gründe vorgebracht, die das Verschulden in Frage stellen könne. Die subjektive Tatseite sei daher auch erfüllt.

 

Strafmildernde oder straferschwerende Gründe seien nicht hervorgekommen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seinen entsprechend den Angaben des Bw gewertet worden.

 

2. Innerhalb offener Frist hat der Bw am 2. Juli 2012 vor der belangten Behörde mündlich Berufung erhoben.

 

Die Ausführungen des Bw wurden von der belangten Behörde niederschriftlich aufgenommen. Abschließend beantragte er die Einstellung des Verfahrens.

 

3. Mit Schreiben vom 28. Juni 2012 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erhob Beweis durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt.

Laut der im Akt einliegenden EKIS-Abfrage (AI) kommt dem Bw seit dem 17. November 2009 der Status eines Asylberechtigten zu. Auf dem Auszug vom 14. Juni 2012 hat die belangte Behörde vermerkt, dass der Bw wegen [Verstöße gegen das] SMG keinen Konventionsreisepass bekomme und [daher] eine ID-Karte beantragt habe.

 

3.2. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfiel gemäß § 51e Abs. 2 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten, entscheidungsrelevanten Sachverhalt und dem unter Punkt 3.1. dargestellten Ermittlungsergebnis aus.

 

3.4. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 120 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 100 Euro bis zu 1.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer als Fremder nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet einreist. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 1.000 Euro bis zu 5.000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist. 

 

Gemäß § 15 Abs. 1 FPG brauchen Fremde, soweit durch Bundesgesetz oder durch zwischenstaatliche Vereinbarungen nicht anderes bestimmt ist oder nicht anderes internationalen Gepflogenheiten entspricht, zur rechtmäßigen Einreise in das und zur Ausreise aus dem Bundesgebiet ein gültiges Reisedokument (Passpflicht).

 

Gemäß § 15 Abs. 2 FPG brauchen passpflichtige Fremde, soweit dies nicht durch Bundesgesetz, durch zwischenstaatliche Vereinbarungen oder durch unmittelbar anwendbare Rechtsakte der Europäischen Union anders bestimmt ist, zur rechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet ein Visum (Visumpflicht). Fremde, die eine gültige Aufenthaltsberechtigung, eine besondere Bewilligung während 18 Monaten nach einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder nach Ausreise aufgrund einer Ausweisung oder eine Bewilligung zur Wiedereinreise während der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes innehaben, entsprechen der Visumpflicht.

 

4.2. Hinsichtlich der Tatanlastung des unrechtmäßigen Aufenthalts des Bw stellt sich nun zunächst die Frage, ob der Spruch des in Rede stehenden Straferkenntnisses den Anforderungen des § 44a VStG genügt.

 

Im vorliegenden Fall beschränkt sich die Tatanlastung des angefochtenen Erkenntnisses jedoch nur auf die Feststellung, dass zum Kontrollzeitpunkt am "10.11.2011 um 5.14 Uhr" festgestellt worden sei, dass der Bw in das Bundesgebiet eingereist ist, ohne in Besitz eines gültigen Reisedokuments zu sein.

 

Zu Recht hat die belangte Behörde ihre Zuständigkeit in Anspruch genommen, da § 120 Abs. 1 FPG (in der Fassung des FRÄG 2011, BGBl. I Nr. 38/2011) eine Tatortfiktion vornimmt. Demnach gilt als Tatort der Ort der Betretung. Für die Festlegung der Tatzeit hat der Fremdengesetzgeber keine derartige Regelung getroffen.

 

Die belangte Behörde wäre daher gehalten gewesen, Ermittlungen zur Tatzeit vorzunehmen und diese im Spruch anzuführen.

 

Bei genauer Betrachtung des vorliegenden relevanten Sachverhaltes ist zu ersehen, dass der Bw bei der Kontrolle weder eine zeitnahe rechtswidrige Einreise in das Bundesgebiet eingestanden hat, noch die Beamten eine solche vertretbar annehmen konnten. Der Bw war zum Kontrollzeitpunkt nicht verdächtigt, vor der Amtshandlung nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Lediglich aus seinen Ausführungen – Einreise als Asylwerber ohne Reisedokument – haben die Beamten den Verdacht der angelasteten Verwaltungsübertretung geschöpft. Spätestens nach Bekanntgabe des Status des Bw (Ergebnis der EKIS-Anfrage – der Bw ist Asylberechtigter seit November 2009) hätte den Beamten als auch in der Folge der belangten Behörde klar sein müssen, dass der Bw die Einreise am 1. Dezember 2003 angesprochen hat.

 

Dass die Einreise in das Bundesgebiet jedenfalls nicht am 10. November 2011 um 05.14 Uhr erfolgte, bedarf keiner weiteren Erläuterung.

 

Da der Tatvorwurf keine zutreffende Tatzeit beinhaltet, ist die belangte Behörde dem § 44a VStG nicht gerecht geworden. Im Hinblick auf die "tatsächliche Tatzeit" ist dem Oö. Verwaltungssenat eine Spruchkorrektur verwehrt (Verfolgungsverjährung).

 

4.3. Es war daher – ohne auf die Berufungsvorbringen näher einzugehen – das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

5. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß den §§ 64 ff. VStG weder ein Betriag zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Christian Stierschneider

 

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