Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-750020/2/SR/MZ/JO

Linz, 20.07.2012

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, Staatsangehöriger von Nigeria, geboren am X, vertreten durch RA X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 30. Jänner 2012, GZ Sich96-1104-2011, wegen Übertretungen nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:  §§ 24, 44a, 51 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4      Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

Zu II.: §§ 24, 65 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991-VStG iVm. § 66 Abs.4 Allgemeines           Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 30. Jänner 2012, GZ Sich96-1104-2011, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) mit Spruchpunkt 1 eine Geldstrafe in Höhe von 1.000,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 134 Stunden) gemäß "§ 120 Abs. 1a FremdenpolizeiG 2005" verhängt. Mit Spruchpunkt 2 wurde der Bw gemäß "§ 121 Abs. 3 Z. 2 FremdenpolizeiG 2005" ermahnt.

 

Die belangte Behörde führt im angefochtenen Bescheid unter der Überschrift "Straferkenntnis" wie folgt aus:

1.   Zum Tatzeitpunkt am 04.12.2011 um 15:30 Uhr wurden Sie am Tatort: Gemeindegebiet von X, Westautobahn A1, Richtungsfahrbahn Salzburg, Straßenkm. X von Beamten der API X im Bundesgebiet angetroffen ohne den Kontrollierenden Beamten eine gültiges Reisedokuments vorweisen zu können. Sie hielten sich daher als Staatsangehöriger von NIGERIA und damit als pass- und sichtvermerkspflichtiger Fremder zum Tatzeitpunkt am Tatort unrechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich auf.

2.   Zum Tatzeitpunkt am 04.12.2011 um 15:30 Uhr wurden Sie am Tatort: Gemeindegebiet von X, Westautobahn A1, Richtungsfahrbahn Salzburg, Straßenkm. X von Beamten der API X im Bundesgebiet angetroffen ohne den Kontrollierenden Beamten eine gültiges Reisedokuments vorweisen zu können. Sie führten daher als passpflichtiger Fremder keinen Reisepass mit sich respektive verwahrten diesen nicht in einer solchen Entfernung von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort, dass seine Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen konnte.

 

Es ergeht sohin folgender

SPRUCH

 

Ad 1) Sie waren zum angegebenen Zeitpunkt nicht Rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet der Republik Österreich, da Sie sich als Staatsangehöriger der NIGERIA und damit als pass- und sichtvermerkspflichtiger Fremder in Österreich aufhielten ohne den kontrollierenden Beamten der PI X EAST-X ein gültiges Reisedokument vorweisen zu können. Dies stellt eine Übertretung nach § 120 Abs. 1a FPG 2005 dar.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1.      wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2.      wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3.      wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4.      solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5.      entfällt

6.      wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7.      soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

·         Ihre Einreise ins Bundesgebiet erfolgte am 12.06.2004 illegal mit dem Flugzeug über den Flughafen Wien/Schwechat. Sie hielten sich von 30.06.2004 (dem Zeitpunkt Ihrer Asylantragstellung) bis zur negativen Finalisierung Ihres Asylverfahrens (rechtskräftig negativ in II. Instanz gem. §§ 7 und 8 AsylG seit 04.11.2010) legal in Österreich auf. Eine zwischenzeitliche Ausreise aus dem Bundesgebiet wurde von Ihnen lediglich behauptet aber bis dato nicht belegt. Sie halten sich demzufolge nunmehr seit mehr als 14 Monaten illegal im Bundesgebiet von Österreich auf.

·         Sie verfügten zum Tatzeitpunkt weder über eine Aufenthaltsberechtigung oder sind aufgrund einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem NAG zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt.

·         Ebenso verfügen Sie über keinen Aufenthaltstitel eines Vertragsstaates (Schengen-Staates).

·         Zum Zeitpunkt der Verwaltungsübertretung am 04.12.2011 um 15:30 Uhr befanden Sie sich in keinem Asylverfahren. Ihnen kam daher kein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zu.

·         Gegen Sie besteht eine mit Bescheid des Bundesasylamtes Eisenstadt erlassene Ausweisung vom 29.05.2007 und ein Aufenthaltsverbot der BPD Linz vom 08.11.2007, rechtskräftig seit 17.12.2007

·         Für Sie liegt weder eine Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gem. § 3 Abs. 5 AuslBG noch eine Anzeigebestätigung gem. § 18 Abs. 3 AuslBG vor.

 

Ad 2) Sie führten zum Tatzeitpunkt am Tatort kein Reisedokument mit sich, obwohl Sie dazu gemäß § 32 FPG verpflichtet waren. Wegen dieser Übertretung nach § 121 Abs. 3 Z. 2 FremdenpolizeiG 2005 werden Sie gemäß § 21 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 ermahnt.

 

ad 1.  Gem. § 120 Abs. 1a FremdenpolizeiG 2005 wird über Sie

wegen dieser Verwaltungsübertretung folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe:                                                                                           Euro   1000,00

Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfall 134 Stunden

 

ad 2.   Gem. § 121 Abs. 3 Z. 2 FremdenpolizeiG 2005 wird über Sie

wegen dieser Verwaltungsübertretung folgende Strafe verhängt: wegen dieser Verwaltungsübertretung werden Sie gemäß §21 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 ermahnt

 

Abzüglich der einbehaltenen Sicherheitsleistung                                      - Euro       0,00

 

Ferner haben Sie gemäß §64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) als Beitrag

zu den Kosten des Strafverfahrens 10% der Strafe zu zahlen:           Euro    100,00

 

Es folgt eine Darstellung der Gesamtsumme sowie weitere die Zahlung betreffende Ausführungen. Im Anschluss setzt die belangte Behörde weiter fort:

 

BEGRÜNDUNG

 

Gemäß § 120 Abs. 1a FPG begeht, wer als Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2 500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2 500 Euro bis zu 7 500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

 

Gemäß § 120 Abs 7 liegt eine Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 nicht vor, wenn der Fremde einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und ihm der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Während des Asylverfahrens ist das Verwaltungsstrafverfahren unterbrochen.

 

Gem. § 121 Abs. 3 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 begeht, wer sein Reisedokument nicht mit sich führt oder gemäß § 32 Abs. 2 verwahrt eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 50 Euro bis zu 250 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche zu bestrafen.

 

Gemäß § 21 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Anlässlich einer Fremdenkontrolle am angeführten Tatort zur angeführten Tatzeit, wurde festgestellt, dass Sie sich im Bundesgebiet von Österreich nicht rechtmäßig aufhalten, da Ihr Asylverfahren gemäß §§ 7 und 8 AsylG, rechtskräftig negativ in II. Instanz am 04.11.2010 abgeschlossen wurde. Ihr temporär befristetes Aufenthaltsrecht in Österreich endete somit an diesem Tag. Gegen Sie besteht eine rechtskräftige Ausweisung aus dem Bundesgebiet von Österreich erlassen vom BA-Eisenstadt am 29.05.2007 und ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot der BPD Linz vom 08.11.2007. Sie verfügten als sichtvermerkspflichtiger Fremder in Österreich zum Tatzeitpunkt über keinerlei Reisedokumente respektive über keinen Sichtvermerk für Österreich oder einen Aufenthaltstitel nach dem NAG noch über eine sonstige Vorraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gem. § 31 Abs. 1 FPG.

Mit Schreiben vom 10.01.2012 wurden Sie aufgefordert zu den im Spruch genannten Übertretungen Stellung zu nehmen.

 

Mit Stellungnahme Ihres rechtsfreundlichen Vertreters, Rechtsanwalt X,  X, vom 23.01.2012, bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, Außenstelle Fremdenpolizei eingelangt per FAX am 23.01.2012, äußerten Sie sich im Wesentlichen wie folgt:

Sie seien seit 31.07.2010 mit Frau X, geb. X verheiratet. Die Gattin besitze die ungarische Staatsangehörigkeit, habe Sie mehrfach in Österreich besucht und wohne seit 13.12.2011 ständig in X. Sie sei zudem von ihnen schwanger, ihre Bemühungen in Ungarn eine Aufenthaltskarte zu erlangen seien aufgrund des in Österreich erlassenen Aufenthaltsverbotes bisher erfolglos geblieben. Ungarn habe es verabsäumt innerhalb von 6 Monaten eine Aufenthaltskarte auszustellen und Sie würden nunmehr schon seit mehr als einem Jahr auf eine Entscheidung der ungarischen Behörden diesbezüglich warten. Ihnen könne daher der Aufenthalt in Österreich ohne Innehabung einer ungarischen Aufenthaltskarte - welche die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes gem. § 31 Abs. 1 Z 3 FPG bescheinigen würde - nicht vorgeworfen werden. An dieser Einschätzung könne auch das Aufenthaltsverbot nichts ändern, da durch Ihre Eheschließung sich die Verhältnisse geändert hätten und das seit 2007 bestehende Aufenthaltsverbot somit nicht mehr vollziehbar sei. Es sei vielmehr zu überprüfen, ob es noch Bestand haben müsse. Sie würden zudem nur über ein sehr geringes Einkommen verfügen und kein Vermögen besitzen. Sie würden daher die Einstellung des ggst. Verfahrens beantragen, in eventu eine Verwarnung, in eventu die Verhängung der Mindeststrafe.

 

Die Behörde hat erwogen:

 

Sie haben sich zum Tatzeitpunkt am Tatort unrechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufgehalten.

Gegen Sie wurde am 29.05.2007 vom Bundesasylamt Außenstelle Eisenstadt eine rechtskräftige Ausweisung aus dem Bundesgebiet erlassen. Weiters besteht ein Rechtskräftiges Aufenthaltsverbot der BPD Linz vom 08.11.2007. Unabhängig davon bestand für Sie zum Tatzeitpunkt am Tatort keine der in § 31 FPG aufgelisteten Vorraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet.

 

Um Ihre Eheschließung mit Frau X, geb. X, StA. v. UNGARN zu belegen, legten Sie einen Auszug aus dem ungarischen Heiratsregister vor. Dieser Auszug ist laut vorliegendem Bericht einer urkundentechnischen Untersuchung durch die PI X EAST-X eine Totalfälschung.

Sie brachten weiters der BH Vöcklabruck keinerlei Nachweis darüber, dass Sie sich in Ungarn um eine Aufenthaltsrecht aktiv bemüht hätten. Ebenso legten Sie der BH Vöcklabruck keinen Nachweis darüber vor, dass Sie die Aufhebung des Ihrer Ansicht nach nicht mehr vollziehbaren Aufenthaltsverbotes, erlassen von der BPD Linz am 08.11.2007, aktiv betrieben hätten.

 

Zur Strafhöhe in Spruchpunkt 1 wird ausgeführt, dass in Ihrem Fall die erkennende Behörde von einem illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet von mehr als einem Jahr ausgeht, da Ihr Asylverfahren mit Erkenntnis des AGH mit 04.11.2010 rechtskräftig negativ entschieden wurde. Sie blieben im ggst. Strafverfahren bisher jeglichen Nachweise schuldig, dass Sie seither das Bundesgebiet von Österreich verlassen hätten. Mit der im § 120 Abs. 1a vorgesehenen Mindeststrafe konnte daher nicht das Auslangen gefunden werden. Vom außerordentlichen Milderungsrecht gem. § 20 VStG 2001 konnte kein Gebrauch gemacht werden. Die Strafbemessung entspricht dem Tatbild sowie der zur Last gelegten Schuld.

Zur Übertretung gem. § 121 Abs. 3 Z 2 FPG befindet die erkennende Behörde, dass in diesem Spruchpunkt mit einer bescheidmäßigen Ermahnung das Auslangen gefunden werden kann. Gleichzeitig wird aber darauf hingewiesen, dass bei erneuter Betretung keineswegs mehr mit einer milden Bestrafung gerechnet werden kann.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

2. Der Bw erhob durch seinen Rechtsvertreter innerhalb offener Frist Berufung.

 

Im Rechtsmittel führt der Bw wie folgt aus:

 

Mit Straferkenntnis vom 30.1.2012, zugestellt am 1.12.2012, wurde ich zu 1. gemäß § 31 Abs 1 iVm § 120 Abs 1a FPG mit einer Geldstrafe in Höhe von € 1000,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 134 Stunden) und zu 2. gemäß § 32 FPG iVm § 121 Abs 3 Z 2 FPG mit Ermahnung bestraft.

 

Begründend führt die Behörde aus ich sei zum Tatzeitpunkt 4.12.2011, 15:30 Uhr, nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung und auch sonst nicht rechtmäßig aufhältig gewesen und habe auch kein gültiges Reisedokument vorweisen können.

 

Zwar habe ich das Bestehen einer Ehe mit der Ungarin X behauptet, der der Behörde vorgewiesene Auszug aus dem ungarischen Heiratsregister sei aber gefälscht gewesen. Auch habe ich nicht nachweisen können, dass ich mich aktiv um eine ungarische Niederlassungsbewilligung bemüht bzw die Aufhebung des österr. Aufenthaltsverbotes aktiv betrieben habe.

 

Daher habe in Bezug auf den rechtswidrigen Aufenthalt mit der Mindeststrafe des § 120 Abs 1a FPG nicht das Auslangen gefunden werden können, hinsichtlich des nicht mit geführten Reisepasses sei diesmal mit einer Ermahnung vorgegangen worden, bei neuerlichen Betreten könne ich nicht mehr mit einer milden Bestrafung rechnen.

 

Innerhalb offener Frist erhebe ich gegen dieses Straferkenntnis

 

Berufung

mit folgender

Begründung

 

1)    Ich bin tatsächlich mit Frau X verheiratet, die Gattin ist von mir schwanger, es trifft nicht zu, dass der von mir vorgewiesene Auszug aus dem Heiratsbuch gefälscht gewesen wäre, die BH Vöcklabruck hat auch bereits im Schubhaftverfahren (zur Haft vom 4.12.2011-13.1.2012) via der ÖB Budapest die Rechtmäßigkeit der Eheschließung bestätigt erhalten.

 

Ich bin also als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen, als solcher dürfen gegen mich bei Verstößen gegen aus der UnionsbürgerRL erwachsenen Verpflichtungen (Anmeldung des Aufenthalts ab dem 4. Monat aber wohl auch Nichtmitführen des Reisepasses) nur nicht diskriminierende Sanktionen verhängt werden. Angesichts der schwierigen sozialen Lage von meiner Gattin und mir (siehe die Stellungnahme vom 23.1.2012) ist wohl davon auszugehen, dass die Verhängung einer Strafe von € 1.000.—Euro als diskriminierend anzusehen ist.

 

2)            Es trifft nicht zu, dass ich ein Bemühen um die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nachzuweisen habe, sondern es darf mein Aufenthalt durch Österreich nicht beendet werden bis das Aufenthaltsverbot gehörig auf seine weitere Notwendigkeit hin überprüft worden ist. Ein solches amtswegig zu führendes Überprüfungsverfahren (nach Art 33 Abs 2 UnionsbürgerRL) wäre wohl sinnlos wenn ich bis zum Abschluss der Prüfung das Land zu verlassen hätte. Darf ich also bis zum Abschluss der Überprüfung des Aufenthaltsverbotes im Land bleiben darf dieses Bleiben auch nicht bestraft werden. Es gilt, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 8.11.2001, 99/21/0113) und ihm folgend des UVS Wien (15.11.2002 UVS-03/P/46/8952/2002) die Sfrafsanktionsnormen des Fremdenpolizeigesetzes nicht dazu herangezogen werden dürfen, Abschiebungsverbote, die sich aus anderen fremdenrechtlichen Normen ergeben, zu umgehen und Fremde über den Druck von Verwaltungsstrafverfahren aus dem Land zu treiben.

 

3)            Bei der Strafbemessung besteht im Übrigen ein gleichheitswidriges extremes Missverhältnis zwischen Schuld und Sühne. Es ist selbstverständlich, dass ich mit einer schwangeren ungarischen Ehefrau nicht nach Nigeria reise, weil sie dort nicht jenen Stand der medizinischen Geburtshilfe genießen kann, der in Österreich bzw auch in Ungarn üblich ist. Es ist auch die Sterblichkeit Neugeborener in Nigeria um ein Vielfaches höher als hier. Es ist wohl auch verständlich, dass ich angesichts dessen das mir Möglichste unternehme um mit der Gattin hier Aufenthalt zu nehmen. Dies ist in jedem Fall mildern zu berücksichtigen, wozu noch kommt, dass ein gemeinsames Bestrafen von nicht mit geführtem Reisepass und nicht rechtmäßigen Aufenthaltes für unzulässig gehalten wird. Denn durch die Bestrafung eines nicht rechtmäßigen Aufenthaltes wird wohl auch das Nichtmitführen des Reisepasses mit bestraft, wobei in meinem Falle ein Vorzeigen des Reisepasses zu meiner Identifizierung ohnehin nicht notwendig gewesen ist, weil diese nach meiner Festnahme am Polizeiposten anhand der von mir im EKIS aufliegenden Lichtbilder ohnehin hat durchgefühlt werden können, und zwar ohne unverhältnismäßiger Verzögerung.

 

4) Ich beantrage Verfahrenseinstellung, in eventu die Herabsetzung der Strafe auf das Minimum des § 13 VStG, in eventu Verfahrenserledigung ausschließlich durch Ermahnung.

X

 

 

3. Mit eine Stellungnahme bezüglich des Berufungsverfahrens beinhaltendem Schreiben vom 13. Februar 2012 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erhob Beweis durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt.

 

3.2. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, hatte gemäß § 51e Abs. 2 Z 1 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen.

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten, soweit für diese Entscheidung von Relevanz, unstrittigen Sachverhalt aus.

 

3.4. Da im angefochtenen Bescheid keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat hinsichtlich Spruchpunkt 1 erwogen:

 

4.1. § 120 Abs. 1a des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, lautet:

 

Wer als Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2 500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2 500 Euro bis zu 7 500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

 

§ 31 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, lautet:

 

Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1.   wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2.   wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3.   wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4.   solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5.   (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)

6.   wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7.   soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

 

4.2. Hinsichtlich Spruchpunkt 1 stellt sich zunächst die Frage, ob der die normative Anordnung des Straferkenntnisses beinhaltende Spruch den Anforderungen des § 44a VStG genügt.

 

Dem klaren Gesetzeswortlaut nach hat "[d]er Spruch" – und damit nicht etwa eine Präambel, eine Einleitung oder die Begründung – verschiedene Merkmale zu enthalten. So muss er etwa die als erwiesen angenommene Tat bezeichnen. Im Spruch – und nirgendwo sonst – ist also darzustellen, ob und inwieweit sich alle Tatbestandsmerkmale der verletzten Verwaltungsvorschrift im als erwiesen angenommenen Verhalten wiederfinden. Es ist für eine Bezeichnung der Tat in tatsächlicher Hinsicht darüber hinaus erforderlich, das Geschehen, also jenes eine Vorschrift übertretende Verhalten des Beschuldigten – hinreichend genau nach Zeit und Ort – zu umschreiben, das die Behörde für erwiesen hält und einer rechtlichen Würdigung unterzieht.

 

4.3.1. Im angefochtenen Straferkenntnis werden von der belangten Behörde einleitend in einer Art Präambel Tatzeit und Tatort der in Rede stehenden Übertretung konkretisiert. Erst im Anschluss erfolgt der normative Abspruch, also die behördliche Anordnung dem Bw gegenüber, welche entsprechend mit dem – großgeschriebenen, unterstrichenen und fett gedrucktem – Wort "Spruch" überschrieben ist.

 

In diesem Spruch erfolgt keine Anführung von Tatzeit und Tatort. Bezüglich der Tatzeit findet sich zumindest eine Anknüpfung an die Präambel, in welcher die belangte Behörde dem Bw "zum angegebenen Zeitpunkt" einen unrechtmäßigen Aufenthalt vorwirft. Hinsichtlich des Tatorts findet sich nicht einmal ein derartiger – im Übrigen auch im Sinne des § 44a VStG nicht hinlänglicher – Verweis.

 

Schon aus diesem Grund vermag die Formulierung von Spruchpunkt 1 den Anforderungen, die sich aus der zitierten Norm ergeben, nicht Genüge zu tun.

 

4.3.2. Darüber hinaus lautet der hinsichtlich Tatort und Tatzeitpunkt nicht konkretisierte Tatvorwurf gegenüber dem Bw in Spruchpunkt 1, eine Übertretung des § 120 Abs. 1a FPG verwirklicht, sich also nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten zu haben, weil er sich als Staatsangehöriger Nigerias und damit als pass- und sichtvermerkspflichtiger Fremder in Österreich aufgehalten habe, ohne den kontrollierenden Beamten der PI X EAST-X ein gültiges Reisedokument haben vorweisen zu können.

 

§ 31 Abs. 1 FPG legt taxativ fest, wann sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Aus einem Umkehrschluss lässt sich damit auch der nicht rechtmäßige Aufenthalt von Fremden ableiten. Der explizit im Spruchpunkt 1 vorangestellte Tatvorwurf, nicht rechtmäßig aufhältig zu sein, weil trotz Verpflichtung zur Mitführung eines Reisedokuments dieses nicht mitgeführt wird, findet in § 31 Abs. 1 FPG keine Deckung und steht in keinem erkennbaren Zusammenhang mit den – isoliert angeführten – Tatbestandselementen des § 31 Abs. 1 FPG und deren Negation. Aufgrund der von § 44a VStG normierten und insbesondere auch vom Verwaltungsgerichtshof aus dieser Norm abgeleiteten äußerst strengen Anforderungen an die Umschreibung der Tat entspricht Spruchpunkt 1 auch unter diesem Aspekt nicht den gesetzlichen Vorgaben.

 

4.3.3. Eine allfällige Korrektur des Spruchs war dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich schon allein aufgrund des Ablaufs der Verfolgungsverjährungsfrist verwehrt.

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat hinsichtlich Spruchpunkt 2 erwogen:

 

5.1. § 121 Abs. 3 Z 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, lautet:

 

Wer sein Reisedokument nicht mit sich führt oder gemäß § 32 Abs. 2 verwahrt begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 50 Euro bis zu 250 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, zu bestrafen.

 

§ 32 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, lautet:

 

Fremde sind verpflichtet, ihr Reisedokument mit sich zu führen oder in einer solchen Entfernung von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einholung (Abs. 1) ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann. Für EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige gilt dies nur insoweit, als auch österreichische Staatsbürger verpflichtet sind maßgebliche Dokumente mitzuführen. Die Verzögerung ist noch verhältnismäßig, wenn

1.      das Reisedokument innerhalb des Sprengels der Fremdenpolizeibehörde erster Instanz seines Aufenthaltes verwahrt wird oder

2.      die Einholung des Reisepasses voraussichtlich nicht länger als eine Stunde in Anspruch nehmen würde.

 

5.2. Bezüglich der allgemeinen Ausführungen zu den aus § 44a VStG resultierenden Anforderungen kann auf Punkt 4.2. verwiesen werden.

 

5.3.1. Hinsichtlich der nicht ausreichenden Umschreibung von Tatzeit und Tatort im Spruch selbst kann auf Punkt 4.3.1. verwiesen werden, wenn in Spruchpunkt 2 freilich auch bezüglich des Tatorts an die diesbezüglichen Ausführungen in der Präambel angeknüpft wird.

 

5.3.2. Der hinsichtlich Tatort und Tatzeitpunkt nicht konkretisierte Tatvorwurf gegenüber dem Bw lautet in Spruchpunkt 2, eine Übertretung des § 121 Abs. 3 Z 2 FPG verwirklicht zu haben, weil er zum Tatzeitpunkt am Tatort kein Reisedokument mit sich geführt habe, obwohl er dazu gemäß § 32 FPG verpflichtet gewesen wäre.

 

§ 32 Abs. 2 FPG sieht jedoch – wie wiederum auch der Präambel zu entnehmen ist – als gleichwertige Alternative zum mitführen des Reisedokuments vor, dieses in einer solchen Entfernung vom jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann.

 

Da die belangte Behörde dem Bw im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lediglich die Nichtmitführung des Reisedokuments, nicht jedoch auch den zweiten Anwendungsfall des in § 32 Abs. 2 FPG normierten Tatbestandes vorgeworfen hat, wird auch dadurch den Anforderungen des § 44a VStG nicht entsprochen.

 

5.3.3. Eine allfällige Korrektur des Spruchs war dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich auch hier aufgrund des Ablaufs der Verfolgungsverjährungsfrist verwehrt.

 

6. Es war daher sowohl bezüglich Spruchpunkt 1 als auch bezüglich Spruchpunkt 2 – ohne auf die Berufungsvorbringen näher einzugehen – der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

7. § 65 VStG bestimmt, dass die Kosten des Berufungsverfahrens dem Bw nicht aufzuerlegen sind, wenn der Berufung auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.

 

Es war daher auch auszusprechen, dass der Bw weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zu leisten hat.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Christian Stierschneider

 

Beschlagwortung:

§ 44a VStG, §§ 120, 121 FPG

 

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