Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150901/5/Re/CA/Ba

Linz, 20.07.2012

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch X & Partner, Rechtsanwälte in X, X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptschaft Kirchdorf an Krems vom 20. Oktober 2011, GZ VerkR96-16320-2010-Wf, wegen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG 1991 zu Recht erkannt:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24 und 51 VStG 1991 iVm. §§ 66 Abs. 4 und 71 AVG 1991

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems (im Folgenden: belangte Behörde) vom 20. Oktober 2011, GZ VerkR96-16320-2010-Wf, wurde der Antrag des Berufungswerbers (im Folgenden: Bw) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 15. April 2011 gemäß § 71 Abs. 1 i.V.m. § 71 Abs. 4 AVG 1991 im Zusammenhang mit § 24 VStG 1991 als unbegründet abgewiesen.

Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Einspruch vom 23. März 2011 gegen die Strafverfügung vom 23. Februar 2011, GZ VerkR96-16320-2010, als verspätet anzusehen wäre, da die Strafverfügung vom 25. Februar 2011 hinterlegt worden sei und die Einspruchsfrist mit Ablauf des 11. März 2011 geendet habe.

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 24. Oktober 2011 zugestellt wurde, richtet sich die am 07. November 2011 bei der belangten Behörde eingelangte – und damit rechtzeitige – Berufung vom 03. November 2011, die dem Unabhängigen Verwaltungssenat von der belangten Behörde mit Schreiben vom 07. November 2011 unter Anschluss des vollständigen Verwaltungsaktes zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Begründend führt der Bw im Wesentlichen aus, dass der Bescheid zu Unrecht ergangen sei und belangte Behörde die Rechtslage verkennen würde. Tatsächlich habe er bis zum 15. März 2011 von der gegen ihn erlassenen Strafverfügung keine Kenntnis erlangen können und daher treffe ihn mit Sicherheit kein Verschulden.

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Erstbehörde (einschließlich der Schriftsätze der Parteien). Gemäß § 67d AVG 1991 konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage der entscheidungswesentliche Sachverhalt feststand, darüber hinaus eine Verhandlung nicht beantragt und vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht für erforderlich erachtet wurde.  

2.2. Aus den angeführten Beweismitteln ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der bereits der Entscheidung der belangten Behörde zugrunde lag.

Mit Strafverfügung vom 23. Februar 2011, zugestellt am 25. Februar 2011, VerkR96-16320-2011, hat die belangte Behörde ausgeführt, der Bw habe am 01. September 2010, 11:23, in der Gemeinde Spital am Phyrn, Mautabschnitt A9 bei km 50.806, Knoten Voralpenkreuz, mit dem KFZ mit dem amtlichen Kennzeichen X, ein mehrspuriges Kraftfahrzeug mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen auf dem mautpflichtigen Straßennetz gelenkt, ohne die fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben. Es wurde festgestellt, dass ein für die elektronische Entrichtung der fahrleistungsabhängigen Maut zwingend vorgeschriebenes Fahrzeuggerät nicht ordnungsgemäß angebracht war und dadurch die Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet wurde. Der Bw habe dadurch § 20 Abs. 2 i.V.m. §§ 6 und 7 Abs. 1 BStMG verletzt. Daher wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 120 Stunden) verhängt.

Am 11. März 2011 – zugestellt am 15. März 2011 - wurde dem Bw eine zweite Strafverfügung mit dem selben Inhalt (siehe oben) geschickt.  

Die Strafverfügung vom 23. Februar 2011 wurde vom Bw durch seinen Rechtsvertreter mit Schreiben vom 23. März 2011 beeinsprucht. Im Wesentlichen wird ausgeführt, dass der Bw Einspruch gegen die Strafverfügung erhebt und die Einleitung des ordentlichen Verfahrens beantragt.

Daraufhin wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 1. April 2011, VerkR96-16320-2010, ausgeführt, dass aufgrund der Bestimmungen des § 49 Abs. 1 VStG 1991 der Einspruch vom 23. März 2011 als verspätet zurückzuweisen ist.

Begründend führt die belangte Behörde aus, dass die Einspruchsfrist gemäß § 49 Abs. 1 VStG 1991 nur 2 Wochen beträgt.  

In weiterer Folge hat der Bw am 15. April 2011 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Im Wesentlichen wird ausgeführt, dass der Bw erstmals am 15. März 2011 von der Strafverfügung Kenntnis erlangt habe.

Schlussendlich hat die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid erlassen, woraufhin der Bw das Rechtsmittel der Berufung geltend gemacht hat.

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 72 Abs. 4 AVG 1991 steht dem Bw das Recht auf Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat zu.

3.2. Gemäß § 49 Abs. 1 VStG 1991 ist der Einspruch von der Partei binnen 2 Wochen ab Zustellung bei der Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, zu erheben. Verspätete Einsprüche sind von der Behörde I. Instanz zurückzuweisen (VwGH 9.3.1988, 87/03/0229). Verfahrensrechtliche Fristen sind Zeiträume, die bei der Setzung von Verfahrenshandlungen zu beachten sind.

Gemäß § 6 ZustG löst die neuerliche Zustellung des gleichen Dokuments keine Rechtswirkungen aus (VwGH 18.4.1988, 87/12/0043).

Gemäß § 17 ZustG erfolgt eine Zustellung mittels Hinterlegung dadurch, dass das Dokument bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes , beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in der selben Gemeinde befindet, zur Abholung bereitgehalten wird. Eine Hinterlegung ist nur zulässig, wenn an der Abgabestelle nicht zugestellt werden konnte, weil weder der Empfänger noch eine in § 13 Abs. 2 und 4 ZustG genannte Person, noch ein Ersatzempfänger, der zur Annahme verpflichtet, oder ein solcher, der zur Annahme bereit war, anwesend gewesen ist. Die Zustellung mittels Hinterlegung setzt voraus, dass der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter iSd § 13 Abs. 3 ZustG regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Der Empfänger ist von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung hat den Ort der Hinterlegung, den Beginn und die Dauer der Abholfrist und die Wirkung der Hinterlegung anzugeben. Sie ist in die für die Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Breifeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen. Ist dies nicht möglich, muss sie an der Abgabestelle zurückgelassen werden (VwGH 16.10.1990, 87/05/0063). Erst wenn auch dazu keine Möglichkeit besteht, ist die Verständigung an der Eingangstüre anzubringen, das heißt zu befestigen. Wurde die Verständigung später beschädigt oder entfernt, ist die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung dennoch gültig (§ 17 Abs. 4 ZustG).

Die Abholfrist ist vom Zustellorgan festzulegen und muss mindestens 2 Wochen betragen. Der Lauf der Frist beginnt mit dem Tag , an dem das Dokument laut Angabe erstmals zur Abholung bereit gehalten wird. Mit diesem Tag gilt das hinterlegte Dokument als zugestellt und die Zustellung iSd. § 17 ZustG als durchgeführt und beendet (VwGH 31.8.1995, 95/19/0324). Die Abholung gehört nicht mehr zur Zustellung, daher gehen Fehler und Missgeschicke, die dabei passieren, zu Lasten des Empfängers, dem ja bereits wirksam zugestellt wurde.

Der Beweis, dass die Zustellung rechtmäßig und damit rechtswirksam erfolgt ist, wird durch den Zustellnachweis gemäß § 22 ZustG erbracht. Er liefert als öffentliche Urkunde auch den Beweis darüber, dass die darin beurkundeten Zustellvorgänge eingehalten wurden.

Gemäß § 71 AVG 1991 soll die Partei die Möglichkeit haben, eine versäumte Prozesshandlung unter bestimmten Vorraussetzungen nachzuholen. Die Bewilligung hat nach § 71 Abs. 1 AVG 1991 zur Vorraussetzung, dass die Partei einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt hat, weil sie entweder eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumte, dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, und die Versäumung entweder durch ein unvorhergesehenes oder durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde und die Partei daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Als Ereignis ist jedes Geschehen anzusehen; nicht nur Abläufe in der Außenwelt, sondern auch ein innerer Vorgang, kann ein Ereignis sein. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme von zumutbarer Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden kann. (siehe: Johannes Hengstschläger,  Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Auflage 2009)

Die Wirksamkeit der der Zustellung der Strafverfügung setzt voraus, dass vom Zustellorgan die Verständigung von der Hinterlegung der Strafverfügung an der Abgabestelle zurückgelassen wurde. Für die Annahme eines fehlerhaften Zustellvorganges bietet der Sachverhalt keine Anhaltspunkte. Am 24. Februar 2011 erfolgte ein Zustellversuch des gegenständlichen Rsa-Brief durch den zuständigen Postzusteller Herrn X an den Bw. Da dieser an der Abgabestelle nicht anwesend war, wurde eine Hinterlegungsanzeige in den Briefkasten eingeworfen. Die Hinterlegungsfrist begann am 25. Februar 2011 und endete somit am 11. März 2011. Es wurde eine ordnungsgemäße Zustellung durchgeführt, da aus dem Akt hervor geht, dass der Rsa-Brief auch bei der zuständigen Postfiliale abgeholt und mit "X" unterzeichnet wurde. Somit stellt der Unabhängige Verwaltungssenat fest, dass der Bw von der Hinterlegungsanzeige Kenntnis erlangen musste, da weiters die Strafverfügung vom 23. Februar 2011 und nicht die Strafverfügung vom 11. März 2011 beeinsprucht wurde. Die zweite Strafverfügung, die dem Bw am 15. März zugestellt wurde, löst gemäß § 6 ZustG keine neuerlichen Rechtwirkungen aus und verlängert somit auch nicht die Frist. Der Einspruch musste als verspätet zurückgewiesen werden.

Gemäß § 71 AVG 1991 trifft den Bw die Beweislast, aufgrund eines unvorhersehbaren oder unabwendbarem Ereignis nicht von dem "Dokument" Kenntnis erlangt zu haben. Dahingehend hat der Bw lediglich erwähnt, sein Vater (X sen.) habe ihm die Hinterlegungsanzeige versehentlich nicht ausgehändigt. Es ist dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen, eine Lösung getroffen zu haben, die es durch die bloße Behauptung  der Nichtkenntnis und bei der Beschau des Posteingangs erlaubt, die gesetzlichen Fristenbestimmungen zu unterlaufen. Abzulehnen ist demnach eine Auslegung, die dazu einlädt, mittels leicht aufzustellender aber schwer widerlegbarer Behauptungen die gesetzlichen Fristen illusorisch zu machen. Daraus ergibt sich weiter, dass, wenn man trotz Zweifels, der Behauptung der Nichtkenntnis folgt, man an die bei der Behandlung des Posteingangs zu beachtende Sorgfalt einen strengen Maßstab anzulegen hat. Das Vorliegen der nach diesem Maßstab die Annahme eines minderen Grades des Versehens rechtfertigenden Umstände hat der Bw glaubhaft zu machen. Zu dieser Sorgfalt gehört, dass der Posteingang "täglich mit der entsprechenden Sorgfalt" (VwGH 6.5.1997, 97/08/022) durchgesehen wird. Tut die Partei dies nicht selbst – wie bei dem Bw der Vater – so hat sie für eine entsprechende Genauigkeit bei der Postdurchsicht und eine zweckentsprechende Kommunikation zu sorgen; dazu gehört, dass sich der Bw vergewissert, dass in beiderlei Hinsicht mit entsprechender Sorgfalt vorgegangen wird. Laut Judikatur des VwGH setzt eine rechtswirksame Zustellung nicht notwendig voraus, dass dem Empfänger das Schriftstück auch tatsächlich zukommt. Die Zustellung gilt mit der Hinterlegung als vollzogen (VwGH 18.4.1988, 87/12/0043, VwGH 23.04.2009, 2007/09/0202, VwGH 29.05.2008, 2005/07/0166). Das Erkenntnis des OGH (OGH vom 26.6.1979, 5Ob 576/79), dass der Berufung zu Grunde liegt, ist aus dem Jahr 1979. Mittlerweile judiziert der VwGH in Belangen der Zustellung mittlerweile konträr, wie aus den obigen Erkenntnissen hervorgeht. Somit schließt sich die Berufungsbehörde dieser Judikatur an. Der Bw hat keine relevanten Gründe vorgebracht, die aufgrund eines unvorhersehbaren oder unabwendbaren Ereignisses von der Berufungsbehörde zu berücksichtigen wären, um eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu rechtfertigen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. Reichenberger

 

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