Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310476/2/Kü/Hue

Linz, 10.07.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung des G B, vertreten durch J Rechtsanwälte D & Partner OG, A, S, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 4. November 2011, Zl. UR96-31/12-2011/Ka, betreffend die Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Verspätung der Einbringung einer Berufung gegen das Straferkenntnis vom 7. September 2011, Zl. UR96-31/7-2011/Ka, zu Recht erkannt:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. §§ 66 Abs. 4, 71 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Berufungswerbers (Bw) vom 18. Oktober 2011 um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die Möglichkeit zur Einbringung einer Berufung gegen das Straferkenntnis vom 7. September 2011, Zl. UR96-31/7-2011/Ka, abgewiesen.

 

Begründend wird auf § 71 AVG i.V.m. § 24 VStG hingewiesen, wonach gegen die Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen sei, wenn die Partei glaubhaft mache, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffe.

 

Der Vertreter des Bw habe im Wiedereinsetzungsantrag angegeben, dass die Berufung durch ein Versehen einer seiner Mitarbeiterinnen in der Postabfertigung bei einer falschen Stelle eingebracht worden sei. Dieses sei durch eine Verwechslung des "Aktionscodes" beim EDV-Programm, welcher durch ein neues Hauptupdate erstmals in der Zeit um den 20. bis 22. September eingespielt worden sei, entstanden. Der Mitarbeiterin sei die irrtümliche Auswahl des falschen Aktionscodes insofern nicht vorwerfbar, da am Tag der Erstellung der Berufung offenbar erstmalig Systemvorlagen und Kanzleivorlagen parallel in der Datenbank der Kanzleisoftware vorhanden gewesen seien und offenbar die falsche Zeile bei der Auswahl der Vorlage verwendet worden sei. Da Mitarbeiterin aufgrund der Aktenlage nach den bisherigen Vorlagen korrekt vorgegangen sei, habe sie auch nicht damit rechnen können, dass am Schriftsatzkopf nun das Bezirksgericht und nicht die Bezirkshauptmannschaft abgedruckt worden sei.      

Die belangte Behörde führt weiters aus, dass im gegenständlichen Fall ein minderer Grad des Versehens nicht geltend gemacht werden könne, da in der Kanzlei – wie im Wiedereinsetzungsantrag ausgeführt worden sei – nach erfolgter Korrektur durch den Rechtsanwalt die Formatierung des Schriftsatzes sowie das Anbringen des "Rubrums" durch die Kanzleimitarbeiterin durchgeführt werde. Als "Rubrum" bezeichne man das Deckblatt bei juristischen Schriftsätzen. Im gegenständlichen Fall befänden sich auf diesem Deckblatt

-         die Bezeichnung der Kanzlei J Rechtsanwälte (somit der Absender)    samt Aktenzeichen, Ort und Datum  

-         die Adresse des Empfängers

-         Name und Adresse des Einschreiters

-         Name und Adresse des Vertreters

-         eine Betreffzeile

-         Kurzbezeichnung des Inhalts des Schriftstückes

Dieser durch die Kanzleimitarbeiterin fertig gestellte Schriftsatz werde in der Postmappe dem einschreitenden Rechtsanwalt zur Unterfertigung vorgelegt und letztendlich durch diesen unterfertigt. Die eigenhändige Unterschrift befinde sich gegenständlich etwa mittig auf dem Rubrum bei der Bezeichnung des Vertreters. Das unterfertigte Schriftstück sei mittels Fensterkuvert versandt worden. Eine neuerliche Adressierung werde deshalb nach Unterfertigung nicht mehr durchgeführt. Wenngleich täglich eine größere Anzahl an Schriftsätzen zur Unterfertigung vorgelegt würden, könne hier nicht von einem minderen Grad des Versehens durch die Kanzleimitarbeiterin gesprochen werden. Vielmehr hätte im Zuge der Unterfertigung des Schriftstückes durch den einschreitenden Rechtsanwalt die fehlerhafte Adressierung bemerkt und korrigiert werden müssen.

 

2. In der rechtzeitig eingebrachten Berufung brachte der Vertreter des Bw vor, dass die Erstbehörde rechtsirrigerweise vom Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Z1 AVG ausgehe, weil die gegenständliche Berufung innerhalb der Rechtsmittelfrist und somit rechtzeitig zur Post gegeben, jedoch an die falsche Behörde versendet worden sei. Es liege deshalb laut belangter Behörde kein Fristversäumnis vor, weil lediglich an eine nicht zuständige Stelle adressiert worden sei. Wenn allerdings kein Fristversäumnis vorliege, wäre – wenn man die Argumentation der Erstbehörde konsequent weiterverfolge – die Berufung vom UVS inhaltlich zu behandeln und nicht mit Erkenntnis als verspätet zurückzuweisen gewesen.

 

Selbstverständlich sei die Frist versäumt worden, weil eben das Schriftstück um einen Tag verspätet bei der Bezirkshauptmannschaft eingelangt sei. Wenn rechtsirrigerweise davon ausgegangen werde, dass dann, wenn eine falsche Behörde adressiert worden sei, die Wiedereinsetzung nicht mehr stattfinde, so sei dies mit dem gesetzlichen Wortlaut des § 71 AVG nicht in Einklang zu bringen und darüber hinaus verfassungsrechtlich bedenklich.  

 

Die belangte Behörde vermeine, dass dem Vertreter des Bw die fehlerhafte Adressierung auffallen hätte müssen. Der zuständigen Mitarbeiterin sei natürlich bekannt, dass eine Berufung gegen einen Bescheid einer Bezirkshauptmannschaft nicht beim Bezirksgericht einzubringen sei. Das dies dem Vertreter des Bw gleichfalls bekannt sei, bedürfe wohl keiner näheren Erörterung. Es sei lediglich bei der elektronischen Bearbeitung zu einer Verwechslung gekommen, weil der Bw (dieser werde nach entsprechender Aktenanlage mit dem Wohnsitz M angelegt und würden eben die Bezirkshauptmannschaft und das Bezirksgericht als örtlich für ihn in Betracht kommende Behörden in Schärding erfasst) zwar mit seinem Wohnsitz richtig erfasst worden sei und auch die Zuständigkeit der Behörden in örtlicher Hinsicht richtig erfasst worden seien, allerdings bei der Endausfertigung der Berufung anstelle des Kürzels für die Bezirkshauptmannschaft das Kürzel für das Bezirksgericht "angeklickt" worden sei. Nicht zuletzt die beinahe idente Behördenbezeichnung (Bezirksgericht und Bezirkshauptmannschaft) und der idente Stadtsitz der Behörden (Schärding) hätten es mit sich gebracht, dass auch bei der durchgeführten Lektüre dieser Fehler nicht aufgefallen sei. Wäre die Berufung beispielsweise an den Obersten Gerichtshof in Wien zu adressieren gewesen, so wäre selbstredend dem Vertreter des Bw es möglicherweise (sic!)  aufgefallen. Dass allerdings irrtümlicherweise das Bezirksgericht Schärding anstelle der Bezirkshauptmannschaft Schärding in der Adresse genannt worden sei, sei wohl sicherlich ein minderer Grad des Versehens. Es sei gegenständlich auch so, dass der Schriftsatz vom 22. September 2011 "eingeschrieben" geschickt worden sei und der "Einschreibzettel" in der Postmappe beim entsprechenden Schriftstück auch immer mit einer Heftklammer im oberen linken Bereich angebracht werde, sodass möglicherweise auch nicht die vollständige Adresse erkennbar gewesen sei. Auch würde – wenn man dies nicht als minderen Grad des Versehens qualifizieren würde – es zwangsläufig bedeuten, dass vor Unterfertigung von Schriftstücken in der Postmappe wiederum alle Akten dem Rechtsvertreter vorgelegt werden müssten, damit durch eine zweite Kontrolle wiederum überprüft werde, ob alles richtig abgefertigt worden sei. Ein vergleichbarer Fall sei in der Kanzlei auch seit 22 Jahren nicht vorgekommen, sodass auch hier keine "Fehlermöglichkeit" erkannt worden sei. Es sei ja so, dass Schriftsätze oft Tage oder Wochen vorher diktiert, dann erstellt, vom Rechtsanwalt kontrolliert und dann zur Endabfertigung in die Postmappe hinein gegeben würden. Es sei hier keinesfalls angebracht, neuerlich einen Schriftsatz vollinhaltlich zu kontrollieren. Unzweifelhaft sei es zu einem Versehen gekommen, was allerdings anhand der näheren Umstände jedenfalls als minderer Grad des Versehens zu qualifizieren sei, sodass für den ausgewiesenen Rechtsvertreter nicht erfindlich sei, warum die Behörde hier einen "derartig bürokratischen Maßstab" anlege. Allein die Wortidentität "Bezirk Schärding" zeige deutlich, dass es sich hier eben gerade nicht um eine "grobe Fahrlässigkeit" im Umgang mit behördlichen Eingaben handle. So sei ja auch richtigerweise beantragt worden, den Akt dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzulegen. Die Behörde dürfe davon ausgehen, dass der gefertigte Rechtsanwalt gerichtliche Schriftstücke nicht dem UVS vorlegen lasse, sondern in diesem Fall dem Landesgericht als Berufungsgericht.

 

Beantragt wurde die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Entscheidung über die im Rahmen der Wiedereinsetzung eingebrachte Berufung.   

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

3.1. Der Bw wurde mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding  vom 7. September 2011, Zl. UR96-317/7-2011/Ka, wegen einer Übertretungen des Abfallwirtschaftsgesetzes bestraft. Dieses Schriftstück wurde am 12. September 2011 vom Bw eigenhändig übernommen und damit rechtsgültig zugestellt.

 

Mit Schriftstück vom 22. September 2011 brachte der Vertreter des Bw Berufung an das Bezirksgericht Schärding ein. Dieses leitete die Berufung am 26. September 2011 an die Bezirkshauptmannschaft Schärding weiter, woraufhin durch die Erstbehörde eine Übermittlung an den Oö. Verwaltungssenat erfolgt ist.

 

Mit Bescheid des Oö. Verwaltungssenates vom 25. Oktober 2011, Zl. VwSen-310466/5/Kü/Ba, wurde diese Berufung als verspätet zurückgewiesen.

 

3.2. Mittels Schreiben vom 18. Oktober 2011 stellte der Vertreter des Bw den gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag mit folgender Begründung:

"In umseits näher bezeichneter Rechtssache wurde dem Einschreiter mit Mitteilung des Unabhängigen Verwaltungssenats vom 06.10.2011, zugestellt am 10.10.2011, mitgeteilt, dass die von ihm bzw. seiner Rechtsvertretung gegen das Straferkenntnis der BH Schärding vom 07.09.2009 (richtig 2011) eingebrachte Berufung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist bei der zuständigen Behörde eingebracht wurde. [...] Die Feststellung, dass die Berufung irrtümlich nicht bei der Bezirkshauptmannschaft Schärding, sondern beim Bezirksgericht Schärding eingebracht wurde, ist richtig. Durch ein Versehen der für die Postabfertigung zuständigen Kanzleimitarbeiterin wurde der Schriftsatz nicht bei der Bezirkshauptmannschaft Schärding eingebracht, sondern irrtümlich beim Bezirksgericht Schärding. Die Aktenzahl der Bezirkshauptmannschaft Schärding wurde richtig erfasst. Dieser Fehler ist wie folgt entstanden:

Nach Einlangen des Straferkenntnisses mit dem Auftrag, dagegen Berufung zu erheben, wurde die Rechtssache vom zuständigen Rechtsanwalt Dr. S-L bearbeitet. Dieser hat die Berufung inhaltlich formuliert und der für die Verfassung von Schriftsätzen, und damit einhergehend auch für die Postabfertigung zuständigen Mitarbeiterin der J Rechtsanwälte OG übergeben. Dieses inhaltliche Diktat der Berufung wurde sodann von der zuständigen Sekretärin gemäß dem Diktat des Rechtsanwalts in Text übertragen. Die Bearbeitung der meisten Akten innerhalb der J Rechtsanwälte OG wird im elektronischen Weg durchgeführt. So wird ein Berufungstext, nachdem dieser übertragen wurde (wie auch gegenständlich), dem zuständigen sachbearbeitenden Rechtsanwalt elektronisch übermittelt. Die Berufung wird dann vom Rechtsanwalt inhaltlich entsprechend korrigiert und von der zuständigen Sekretärin gemäß der Korrektur bearbeitet. In dieser zur Korrektur an den Rechtsanwalt übermittelten Ausfertigung ist lediglich die inhaltliche Ausführung der Berufung ersichtlich, während die Formatierung sowie das Anbringen des ´Rubrums` erst nach der inhaltlichen Korrektur durchgeführt wird, zumal es sich hier ausschließlich um eine administrative Tätigkeit handelt. Herr G B wohnt im Sprengel des Bezirksgerichtes Schärding und ist ein langjähriger Klient der ausgewiesenen Rechtsanwaltskanzlei. Im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit kommt es in Verwaltungsangelegenheiten zu entsprechenden Kontakten mit der Bezirkshauptmannschaft, bei zivilgerichtlichen Angelegenheiten mit dem Bezirksgericht Schärding.

Die inhaltliche Korrektur der Berufung wurde offenkundig von der sachbearbeitenden Sekretärin N M durchgeführt. Bei Erstellung des elektronischen Schriftsatzes wurde jedoch nicht das Kürzel mit dem Aktionscode ´SVS´, sondern mit ´SVST´ ausgewählt, sodass das BG und nicht die BH in den Schriftsatz übernommen wurde. Wie es zur Verwechslung des Aktionscodes kommen konnte, ist in beiliegender Stellungnahme des für die EDV-Agenden in der Kanzlei zuständigen Rechtsanwalt Dr. F R zu entnehmen.

Ergänzend kommt dazu, dass die zuständige Mitarbeiterin als ausgesprochen gewissenhafte und kompetente Sachbearbeiterin in der Kanzlei der J Rechtsanwälte OG beschäftigt ist (aufgrund ihrer Schwangerschaft endet dieses Dienstverhältnis mit Dezember 2011).

Sie hat vor ihrer Tätigkeit bei J Rechtsanwälte OG in der Kanzlei P, V & Partner Rechtsanwälte GmbH zuverlässig, kompetent und makellos Fristen verwaltet, Schriftstücke abgefertigt etc. Das gegenständliche Versehen ist ein rein administratives Versehen, zumal keinerlei inhaltliche (juristisch fundierte) Recherchen anzustellen sind, die natürlich dem zuständigen Rechtsanwalt obliegen, um die Frage der Zuständigkeit für die Einbringung  der Berufung zu überprüfen. Die Berufung ist ja an die bescheiderlassende Stelle, und nicht etwa an die Berufungsbehörde (diese wäre selbstverständlich vom Rechtsanwalt zu erheben) zu richten. Es wurde gemäß dem Diktat des Rechtsanwaltes auch beantragt, den Akt an die Berufungsbehörde (UVS) vorzulegen. Nach inhaltlicher Kontrolle des Diktats entzieht sich die weitere Bearbeitung dem einschreitenden Rechtsanwalt. Dieser konnte nicht davon ausgehen, dass dann irrtümlich durch ein versehentliches ´Anklicken´ die Berufung an das Bezirksgericht Schärding adressiert wird anstatt an die Bezirkshauptmannschaft Schärding. Es wird nach Fertigstellung eines vom Rechtsanwalt überprüften Schriftsatzes (wie gegenständlich) dies von der zuständigen Kanzleimitarbeiterin formatiert und gemäß dem anwaltlichen Diktat auch adressiert und dann in die Postmappe (mit einer Vielzahl von weiteren Schriftstücke, oft bis zu 40 oder 50 Schriftstücke täglich!) dem einschreitenden Rechtsanwalt zur Unterfertigung vorgelegt. Dass dabei dann anstelle der (richtig diktierten) Bezirkshauptmannschaft dann aufgrund des Kanzleiversehens das Bezirksgericht Schärding als Adressat herausgenommen wurde, ist ein rein administratives Versehen und als minderer Grad des Verschuldens zu qualifizieren. Es handelt sich mithin um einen minderen Grad des Versehens und es ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gerechtfertigt. Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist die Wiedereinsetzung in einen solchen Fall zu bewilligen, wenn den Vertreter selbst weder eine über den minderen Grad des Versehens hinausgehende Verletzung seiner Überwachungs- und Kontrollpflichten, noch eine mangelhafte Organisation seines Kanzleibetriebes zur Last liegt. Auf das Verschulden des Vertreters ist auch dann abzustellen, wenn die Fristversäumung auf einen Fehler eines Kanzleiangestellten oder eines Rechtsanwaltsanwärters des Vertreters beruht. Die gegenständliche Rechtssache wurde von der ausgewiesenen Rechtsanwaltskanzlei zum Anlass genommen, mit sofortiger Wirkung im EDV-Programm eine optische ´Abgrenzung´ bei meinen Mandanten erfassten Behörden (Gerichte, Verwaltungsbehörden, etc.) durchzuführen, sodass nicht mehr durch einen ´Zeilenfehler´ eine unrichtige Behörde als Adressat eingezogen werden kann. Zumal erstmals mit dem gegenständlichen Schriftsatz der ausgewiesene Rechtsanwalt als Vertreter des Einschreiters vom Sachverhalt Kenntnis erlangt hat, ist auch die Frist zur Wiedereinsetzung gegeben. [...] Gegenständlicher Antrag wird zur inhaltlichen Bekräftigung und Richtigkeit der obigen Ausführungen auch von der zuständigen Sachbearbeiterin mitunterfertigt".

 

Diesem Wiedereinsetzungsantrag sind angeschlossen die "News 2.5" zum im Einsatz stehenden EDV-Programm sowie eine Stellungnahme des Systemadministrators der Kanzlei, Dr. F R, zum edv-technischen Hergang folgenden Wortlauts:

"In der Kanzlei des Rechtsvertreters wird das Programm Wincaus der Firma EDV2000 GmbH, Wien, verwendet, um die Leistungserfassung und Dokumentenerstellung elektronisch zu verwalten. In diesem Zusammenhang stellt EDV2000 immer wieder auch Updates zur Verfügung. Diese werden über Nacht vom Server von EDV2000 automatisch geladen und auf dem Kanzleiserver eingespielt, sodass beim Arbeitsbeginn in der Früh die neue Version zur Verfügung steht. Begleitend dazu wird bei größeren Updates auch eine News zur Verfügung gestellt.

Für die Abwicklung der Verwaltungsstrafsachen wurden aufgrund des Fehlens von Systemvorlagen durch den Programmhersteller eigene Vorlagen erstellt, die sämtlich mit dem Kürzel SVS begannen. Zur korrekten Verwendung der Daten in den Vorlagen in Verwaltungsstrafsachen war die Erfassung der zuständigen Bezirkshauptmannschaft als Gegner erforderlich.

Bei der Aktanlage hat die Mitarbeiterin die notwendigen Felder korrekt befüllt und auch die Bezirkshauptmannschaft Schärding als Gegner zugeordnet. In der Regel wird auch gleichzeitig das für den Gegner zuständige Gericht in den Aktstammdaten hinterlegt. Da als Gegner die Bezirkshauptmannschaft Schärding zugeordnet war, ist auch das Bezirksgericht Schärding in die Aktstammdaten eingetragen worden.

Offenbar wurde in der Zeit um den 20. bis 22.09. ein neues Hauptupdate auf die Version 2.5 automatisch eingespielt. Die dazu zur Verfügung gestellten News 2.5 haben ein Speicherdatum vom 20.09. Diese News werden in der Regel einen Tag vor dem Wirksamwerden des Updates zur Verfügung gestellt. Kanzleiintern werden diese News per E-Mailverteiler an die Mitarbeiter weitergegeben.

Wie den News auf Seite 13 zu entnehmen ist, wurden mit dieser Version erstmals neben den Aktionscodes für die Bemessungsgrundlagen im Verwaltungs­strafverfahren auch systemseitig Aktionscodes für Schriftsatzvorlagen zur Verfügung gestellt. Diese beginnen laut den Vorgaben des Programmherstellers mit dem Kürzel SVST.

Diese Systemvorlagen sind jedoch nicht wie die kanzleiintern erstellten Vorlagen als Dokumenttyp Brief, sondern als Dokumenttyp Schriftsatz angelegt. Damit verbunden ist, dass als Adressat des Dokuments nicht der Gegner, sondern das in den Aktstammdaten hinterlegte Gericht verwendet wird.

Die Mitarbeiterin hat nun offenbar bei der Erstellung des fertigen Dokumentes irrtümlich den falschen Aktionscode ausgewählt. Dies ist insofern nicht vorwerfbar, als an diesem Tag offenbar erstmalig Systemvorlagen und Kanzleivorlagen parallel in der Datenbank der Kanzleisoftware vorhanden waren und offenbar die falsche Zeile bei der Auswahl der Vorlage verwendet wurde. Die Unterscheidung liegt im wesentlichen nur bei dem zusätzlichen Buchstaben ´T´ am Ende der ersten Teils des Kürzels. Da die Mitarbeiterin nicht mit dem Vorhandensein zweier gleichgelagerter Formulare mit unterschiedlichen Erstellungsmodalitäten rechnen musste, ist ihr nicht vorzuwerfen, dass sie offenbar das falsche der zwei beinahe gleichlautenden Kürzel verwendet hat.

Bedauerlicherweise führte dies dazu, dass auf dem zu Versand vorgesehenen Schriftstück nicht die Bezirkshauptmannschaft, sondern das Bezirksgericht als Adressat ausgewiesen wurde. Da die Mitarbeiterin aufgrund der Aktanlage nach den bisherigen Vorgaben korrekt vorgegangen war, musste sie auch nicht damit rechnen, dass am Schriftsatzkopf nun das Bezirksgericht und nicht die Bezirkshauptmannschaft Schärding angedruckt werden würde.

Im Zusammenspiel der dargestellten Umstände liegt sicherlich nur ein minderer Grad des Versehens vor."

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Bescheid und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

4.1. Gem. § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1.     Die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2.     die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

 

4.2. Der Bw selbst geht (zurecht) von einer Versäumung der Rechtsmittelfrist aus und fokussiert das Rechtsproblem darauf, dass durch eine erfahrene und verlässliche  Kanzleikraft aufgrund eines kurz davor erfolgten automatischen Updates des in der Kanzlei in Verwendung stehenden EDV-Programms eine Verwechslung der Adressierung der Berufungsschrift erfolgt sei. Es sei damit ein Fehler im Rahmen einer ausschließlich manipulativen Tätigkeit aufgetreten.

 

Dazu ist festzuhalten, dass ein Rechtsanwalt rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer ansonsten verlässlichen Kanzleikraft überlassen kann. Solche Vorgänge sind etwa die Kuvertierung, die Beschriftung eines Kuverts oder die Postaufgabe, also manipulative Tätigkeiten. Eine regelmäßige Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Parteienvertreter nicht zuzumuten, will man seine Sorgfaltspflicht nicht überspannen (vgl. u.a. VwGH 23.11.2009, 2009/03/0089).

 

Bei fristgebundenen Eingaben kommt der richtigen Adressierung des Schriftstückes eine zentrale Bedeutung zu. Bei der Kontrolle eines solchen Schriftsatzes und seiner Unterfertigung durch den Rechtsvertreter ist daher eine besondere Sorgfalt geboten (vgl. VwGH 21.01.2010, 2009/18/0527).

 

Im hier vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 7. September 2011, Zl. UR96-31/7-2011/Ka, an das "Bezirksgericht Schärding a.Inn" adressiert und dort auch die Adresse "Gerichtsplatz 1, 4780 Schärding am Inn" angeführt war. Die Berufung wurde vom Rechtsvertreter des Bw mit dieser Adressierung unterfertigt.

 

Beim normalen Kanzleiablauf erfolgt im Rahmen der Unterfertigung durch den Rechtsanwalt die abschließende Kontrolle eines Schriftsatzes. Abgesehen davon, dass ein durch falsche Adressierung eines Schriftsatzes verursachtes Fristversäumnis in der Regel als verschuldet anzusehen ist (vgl. VwGH 31.05.2012, 2012/06/0054 und die bei Walter/Thienel, aaO, S. 1574 unter E 170 zitierte verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung), kann nicht erkannt werden, dass sich die Geschehnisse ohne Verschulden des Parteienvertreters ereignet hätten:

-         Der Vertreter des Bw gibt an, dass das Update des von ihm in Verwendung stehenden EDV-Programms zwischen dem 20. und 22. September 2011 erfolgt ist. Diese doch sehr inkonkreten Angaben sind insofern bemerkenswert, da es sich bei den angegebenen Tagen um Wochenarbeitstage gehandelt hat, bei denen davon auszugehen ist, dass das EDV-Programm in der Kanzlei des Anwaltes in Anwendung gestanden ist.

-         Selbst wenn man zugunsten des Rechtsvertreters davon ausgeht, dass dieses Update in der Nacht vom 21. auf den 22. September 2011 (dem Tag der Unterfertigung der in Rede stehenden Berufung) installiert wurde und man weiters den weiteren Ausführungen des Anwaltes hinsichtlich der konkreten Arbeitsabläufe folgt, ist festzuhalten, dass seine Kanzleikraft nach diesem Update erstmals mit der Auswahl von Aktionscodes für Schriftsatzvorlagen konfrontiert wurde. Es stellt das falsche Anklicken eines solchen (neuen) Aktionscodes keinesfalls ein Unverschulden oder ein minderer Grad des Versehen dar, zumal über dieses Update per E-Mail am 20. September 2011 vorinformiert wurde und bei Anwendung eines bisher nicht vorhandenen Aktioncodes eine zumutbare Kontrolle (sowohl durch die Kanzleikraft als auch durch den Rechtsanwalt) zwingend geboten ist.  

 

Da es sich bei der Adressierung eines Schriftsatzes nicht um manipulative Tätigkeiten im Sinne der weiter oben angeführten Judikatur handelt und der einschreitende Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle seiner Angestellten bzw. des von ihm persönlich unterfertigten Schriftsatzes  unterlassen hat, ist von einem Verschulden iSd § 71 Abs. 1 AVG auszugehen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war. Der Unabhängige Verwaltungssenat kann auch nicht feststellen, dass es sich bei "Bezirkshauptmannschaft Schärding" und "Bezirksgericht Schärding" um beinahe idente Behördenbezeichnungen handeln soll.

 

Unbeschadet der vorherigen Ausführungen ist auch darauf hinzuweisen, dass der Vertreter des Bw nicht nur in der in Rede stehenden Berufung vom 22. September 2011 sondern auch im gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag vom 18. Oktober 2011 als Einschreiter die "B E GmbH" bezeichnet hat. Die Firma B E GmbH war jedoch nicht Adressat des dem Wiedereinsetzungsverfahren vorangegangenen Strafbescheides, weshalb der von Anwalt bezeichnete Einschreiter auch nicht beschwert war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Thomas Kühberger

 

 

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