Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166764/2/Kei/Bb/Eg

Linz, 06.08.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Michael Keinberger über die Berufung der A. W., geb. x, , vertreten durch x, vom 27. Februar 2012, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 16. Jänner 2012, GZ VerkR96-8435-2011-Sg, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem Kraftfahrgesetz 1967 (KFG), zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.              Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 - AVG iVm

§§ 24, 5, 51e und 45 Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

zu II.: §§ 64ff VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 16. Jänner 2012, GZ VerkR96-8435-2011-Sg, wurde über A. W. (die nunmehrige Berufungswerberin) wegen einer Übertretung des § 103 Abs.2 KFG gemäß § 134 Abs.1 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von 130 Euro, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 72 Stunden, verhängt. Weiters wurde sie zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages erster Instanz in der Höhe von 13 Euro verpflichtet.

 

Dieser Bestrafung liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde (auszugsweise Wiedergabe):

"Sie wurden mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 14.07.2011 als Auskunftsperson für Lenkererhebungen aufgefordert, binnen 2 Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekanntzugeben, wer das Kfz mit dem Kennzeichen x am 18.06.2011 um 10.17 Uhr in Schörfling a. A. auf der Autobahn Freiland, A1 bei km 231.270 in Fahrtrichtung Wien gelenkt hat. Sie haben diese Auskunft nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist erteilt."

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 24. Februar 2012, richtet sich die rechtzeitig vom Rechtsvertreter der Berufungswerberin – mit Schriftsatz vom 27. Februar 2012 – eingebrachte Berufung, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Begründend wurde festgehalten, dass die ergangene Aufforderung gemäß § 103 Abs.2 KFG insofern nicht dem Gesetz entsprochen habe, als die Berufungswerberin darin aufgefordert worden sei, als Auskunftsperson bekanntzugeben, wer damals am angeführten Ort zur angeführten Zeit den verfahrensgegenständlichen Pkw gelenkt/verwendet bzw. zuletzt vor diesem Zeitpunkt am Tatort abgestellt hat. Diese Fragestellung entspreche nicht dem Wortlaut des § 103 Abs.2 KFG, welcher drei mögliche Varianten, nämlich das Lenken, das Verwenden und das Abstellen, enthalte und löse keine Auskunftspflicht aus.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Braunau am Inn hat die Berufungsschrift unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes mit Vorlageschreiben vom 29. Februar 2012, GZ VerkR96-8435-2011-Sg, ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates zur Entscheidungsfindung (§ 51 Abs.1 VStG). Gemäß § 51c VStG entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte mangels gesonderten Antrages und der Tatsache, dass bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, unterbleiben  (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

4.1. Es ergibt sich folgender rechtlich relevanter Sachverhalt:

 

Mit Schreiben vom 14. Juli 2011, GZ VerkR96-15338-2011/Kub, wurde von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck an die Berufungswerberin in ihrer Eigenschaft als vom Zulassungsbesitzer namhaft gemachte Auskunftsperson ein Auskunftsverlangen gemäß § 103 Abs.2 KFG darüber gestellt, wer das Fahrzeug mit dem Kennzeichen x am 18. Juni 2011 um 10.17 Uhr in der Gemeinde Schörfling am Attersee, Autobahn Freiland, Nr. 1 bei km 231,270 in Fahrtrichtung Wien, Richtungsfahrbahn Wien gelenkt/verwendet bzw. zuletzt vor diesem Zeitpunkt am Tatort abgestellt hat. Diese Lenkeranfrage wurde nachweislich am 21. Juli 2011 zugestellt.

 

Grund der Anfrage war ein mit diesem Fahrzeug begangenes Delikt nach § 20 Abs.2 StVO (Geschwindigkeitsüberschreitung) am 18. Juni 2011 um 10.17 Uhr in Schörfling am Attersee, auf der Autobahn A 1 bei km 231,270, in Fahrtrichtung Wien.

 

Nachdem die Berufungswerberin auf die angeführte Anfrage keine Lenkerauskunft erteilte, wurde sie in weiterer Folge als Auskunftsperson wegen Unterlassung der Beantwortung der Aufforderung vom 14. Juli 2011 nach § 103 Abs.2 KFG verfolgt, wobei letztlich am 16. Jänner 2012 das angefochtene Straferkenntnis erlassen wurde.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat darüber Folgendes erwogen:

 

5.1. In rechtlicher Beurteilung des dargestellten Sachverhaltes ist anzuführen, dass gemäß § 103 Abs.2 KFG die Behörde Auskünfte darüber verlangen kann, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

 

5.2. Bei einer Anfrage nach § 103 Abs.2 KFG steht im Vordergrund, dass nach einer Person gefragt wird, die zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Fahrzeug gelenkt oder einen Anhänger verwendet oder ein Fahrzeug oder einen Anhänger bei letzter Gelegenheit ("zuletzt") zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Um die Auskunftspflicht des § 103 Abs.2 KFG auszulösen, genügt es grundsätzlich, dass die Behörde an den Zulassungsbesitzer bzw. die benannte Auskunftsperson eine den inhaltlichen Kriterien der genannten Gesetzesstelle entsprechende Anfrage richtet (VwGH 7. September 1990, 90/18/0087), wobei allerdings ist erforderlich, dass das Verlangen nach Auskunft im Sinne des § 103 Abs.2 KFG unmissverständliche Deutlichkeit aufweist (VwGH 26. Jänner 2000, 99/03/0294).

 

Dieser Anforderung entsprach das Auskunftsverlangen der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 14. Juli 2011, GZ VerkR96-15338-2011/Kub, aber nicht. Die Berufungswerberin wurde darin nämlich als vom  Zulassungsbesitzer namhaft gemachte Auskunftsperson aufgefordert, gemäß § 103 Abs.2 KFG mitzuteilen, wer das betreffende Fahrzeug am 18. Juni 2011 um 10.17 Uhr, in der Gemeinde Schörfling am Attersee, auf der Autobahn A 1 bei km 231,270, in Fahrtrichtung Wien, gelenkt/verwendet bzw. zuletzt am Tatort abgestellt hat. Auf Grund des klaren Wortlautes des § 103 Abs.2 erster Satz KFG und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. VwGH 26. Jänner 2007, 2006/02/0020) ist jedoch eine alternative Anfrage, ohne entsprechende klarstellende Hinweise, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Fahrzeug gelenkt oder zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat, unzulässig.

 

Im Auskunftsverlangen der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck findet sich weder ein ergänzender Hinweis noch eine zulässige Zusatzinformation, durch die eindeutig klargestellt ist, ob sich die verfahrensgegenständliche Anfrage auf Lenken oder das Abstellen des angefragten Fahrzeuges bezog. Durch die Anführung des Tatortes allein ist für den Auskunftspflichtigen nicht zweifelsfrei erkennbar, ob sich das Auskunftsbegehren auf das Lenken oder das Abstellen eines Fahrzeuges bezieht. Das verfahrensgegenständliche Auskunftsersuchen entspricht damit nicht der gesetzlichen Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG und stellt demnach kein korrektes Auskunftsverlangen dar. Für die Berufungswerberin bestand damit auch keine Verpflichtung diese Anfrage im Sinne der gegenständlichen gesetzlichen Bestimmung zu beantworten bzw. vermag ein solches Auskunftsverlangen eine Pflicht zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers nicht auszulösen. Die Verletzung der Auskunftspflicht nach § 103 Abs.2 KFG setzt eine korrekte - mit der gesetzlichen Bestimmung übereinstimmende - Anfrage der Behörde voraus.

 

Das Verhalten der Berufungswerberin stellt daher im vorliegenden Fall unter den dargelegten Umständen keine Verwaltungsübertretung dar, weshalb der Berufung stattzugeben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen war.

Es war somit spruchgemäß (Spruchpunkt I.) zu entscheiden.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch (Spruchpunkt II.) angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr.  Michael  K e i n b e r g e r  

 

 

 

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