Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222617/2/Kl/BRe

Linz, 16.08.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 10. Juli 2012, Ge96-104-2011, wegen Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung 1994 zu Recht erkannt:

 

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.     Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs. 1 Z 3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 66 Abs. 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 10. Juli 2012, Ge96-104-2011, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen von

1) 500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden, und

2) 300 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß

1) § 366, Abs. 1 Z 3 GewO 1994, und

2) § 367 Ziffer 25 GewO 1994 verhängt, weil er als gewerberechtlicher Geschäftsführer der x GmbH in x zu verantworten hat, dass wie im Zuge von Ermittlungen durch Organe der Polizeiinspektion Perg am 11.08.2011 festgestellt wurde,

1) in der von der x GmbH im Standort x, in Form eines Schlachtbetriebes betriebenen gewerblichen Betriebsanlage, angrenzend an den südlichen Gebäudeteil bei dem die Lebendviehanlieferung erfolgt, ein "provisorischer Wartestall", bestehend aus zwei LKW-Anhängern, errichtet wurde und damit die genehmigte Betriebsanlage ohne erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung geändert bzw. erweitert wurde und

2) am 10.08.2011 bis ca. 22:30 Uhr ca. 407 bis 417 Mastschweine angeliefert wurden, die sich zu diesem Zeitpunkt im Wartestall auf den Anlieferungsrampen und im "provisorischen Wartestall" befanden, obwohl nach den vorgeschriebenen Aufträgen des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 21.12.1995, Ge20-75-1995, die Zulieferung der lebenden Tiere ausschließlich in der Zeit von 04:00 Uhr bis 18:00 Uhr erfolgen darf und die Aufnahmekapazität des Wartestalls mit maximal 330 Schweinen begrenzt ist.

 

2. Dagegen wurde fristgereicht Einspruch (gemeint wohl Berufung) eingebracht und zu Punkt 1 des Straferkenntnisses vorgebracht, dass aus Sicht des Berufungswerbers keine Änderung des Bestandes in baulicher Form vorliege, allerdings um Baubewilligung angesucht werde. Zu Punkt 2 des Straferkenntnisses wurde um Nachsicht ersucht, da es sich um ein einmaliges Versehen handle und auch alle Mitarbeiter nach Bekanntwerden nochmals geschult und auf die Einhaltung dieser Bestimmung hingewiesen worden seien.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Perg als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs. 2 Z 1 VStG.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81f).

§ 366 Abs. 1 Z 3 GewO erfasst mit dem Tatbestandsmerkmal "ändert" jede – durch die erteilte Genehmigung nicht gedeckte – bauliche oder sonstige, die genehmigte "Einrichtung" verändernde Maßnahme des Inhabers der Betriebsanlage, durch die sich neue oder größere Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 ergeben können. Gegenstand des Verfahrens war vielmehr die Änderung der Betriebsanlage im Verhältnis zu der in § 81 GewO 1994 normierten Genehmigungspflicht, nämlich die Beurteilung der Tatbestandsmäßigkeit der Änderung im Hinblick auf die Regelung des § 81, das heißt die Beurteilung der Frage, ob es sich um eine solche Änderung handelt, dass sich neue oder größere Auswirkungen im Sinn dieser Regelung ergeben können. Dabei bedeutet jeder Betrieb einer Betriebsanlage, der in seiner Gestaltung von dem im Genehmigungsbescheid (Betriebsbeschreibung) umschriebenen Projekt abweicht, eine Änderung der genehmigten Betriebsanlage und Bedarf unter den Voraussetzungen des § 81 GewO 1994 einer gewerbehördlichen Genehmigung (vgl. Kinscher/Palige-Barfuss, GewO, 7. Auflage, § 366, Anmerkungen 87, 89 und 90 mit Judikaturnachweisen).

Eine Änderung liegt in jedem Abweichen von jener Erscheinungsform der Betriebsanlage vor, wie sie nach dem Inhalt des Genehmigungsbescheides genehmigt wurde. Ob eine "Änderung" vorliegt, bemisst sich ausschließlich nach dem die Betriebsanlage genehmigenden Bescheid (VwGH 24.5.1994, 93/04/0031). Die Erfüllung des Straftatbestandes des § 366 Abs. 1 Z3 GewO 1994 setzt damit eine (von der genehmigungspflichtigen Änderung betroffene) genehmigte Betriebsanlage voraus. Aus dem Spruch des Straferkenntnisses muss daher zu entnehmen sein, dass es sich bei der vorgeworfenen konsenslosen Änderung um die einer gewerblich genehmigten Betriebsanlage handelt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dieser Umstand, dass im Spruch des Straferkenntnisses zur Konkretisierung der genehmigten Betriebsanlage der (die) Genehmigungsbescheid (e) angeführt wird (werden) (zB. VwGH vom 28.1.1993, Zl. 91/04/0246; 25.2.1993, Zl. 91/04/0248, und 25.4.1995, Zl. 94/04/0026).

Die bloß örtliche Beschreibung der Betriebsanlage bzw. jenes Teiles, der genehmigungslos geändert worden war, reicht im Sinn der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht hin.

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Weder dem angefochtenen Straferkenntnis im Spruchpunkt 1 noch der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 27. Dezember 2011 ist zu entnehmen, ob die Betriebsanlage am Standort x, genehmigt wurde, noch mit welchen Bescheiden der Letztstand der Genehmigung vorliegt. Es kann der im Sinn der vorzitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Änderung in dem im Straferkenntnis umschriebenen Umfang im Verhältnis zum genehmigten Zustand nicht abgeleitet werden. Da bereits die 6-monatige Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 32 VStG verstrichen ist, war daher wegen eingetretener Verfolgungsverjährung das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG einzustellen.

 

Darüber hinaus wird angemerkt, dass dem erstbehördlichen Akt, insbesondere der Verhandlungsschrift vom 23.7.2009 zu entnehmen ist, dass auch in den Jahren 1998 und 1999 eine Änderung der Betriebsanlage stattgefunden hat und genehmigt wurde, und dass auch in der Verhandlung am 23.7.2009 um eine gewerbebehördliche Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage angesucht wurde und diese abgehandelt wurde. Ob diese Verhandlung in einer gewerbebehördlichen Genehmigung geendet hat, ist dem Strafakt nicht zu entnehmen. Allerdings ist bereits dieser Verhandlungsschrift zu entnehmen, dass auch eine Erweiterung des Wartestalls im Bereich der Tieranlieferung beabsichtigt ist und auch die Schlachtkapazität von 600 auf 900 Schweine täglich erweitert werden soll.

 

Darüber hinaus ist auch anzumerken, dass nach § 81 Abs. 1 GewO nicht jede Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung bedarf, sondern nur eine solche, die geeignet ist, die in § 74 Abs. 2 leg.zit. umschriebenen Interessen zu beeinträchtigen. Ein Schuldspruch nach § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 muss daher, um das Erfordernis des § 44a Z1 VStG zu erfüllen, auch jene Tatumstände enthalten, die eine Beurteilung dahin zulassen, ob die vorgenommene Änderung der Betriebsanlage die im § 74 Abs. 2 GewO genannten Interessen zu beeinträchtigen geeignet ist (Kinscher/Palige-Barfuss, GewO, § 366, Anmerkung 91 mit Judikaturnachweisen).

Auch eine Umschreibung der in § 74 Abs. 2 GewO angegebenen Interessen fehlt im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses.

 

5.2. Gemäß § 367 Z 25 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 2180 Euro zu bestrafen ist, wer Gebote oder Verbote von gemäß § 82 Abs. 1 oder § 84 d Abs. 7 erlassenen Verordnungen nicht befolgt oder die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359b in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur dargelegt, dass das Wesen von Auflagen im Sinn des Straftatbestandes des § 367 Z 25 GewO 1994 darin besteht, dass die Verwaltungsbehörde in einem dem Hauptinhalt begünstigenden Bescheid belastende Gebote oder Verbote als Nebenbestimmungen aufnimmt, mit denen der Inhaber des Rechtes für den Fall der Gebrauchnahme zu einem bestimmten, im Wege der Vollstreckung erzwingbaren Tun oder Unterlassen verpflichtet wird. Das durch den Hauptinhalt des Spruches gestaltete Rechtsverhältnis bleibt auch bei Nichtbeachtung der Auflage bestehen. Nur für den Fall der Gebrauchnahme vom erteilten Recht wird ein bestimmtes Verhalten (Tun, Unterlassen, Dulden) vorgeschrieben. Auflagen in diesem Sinne sind somit "bedingte Polizeibefehle", die erst dann wirksam werden, wenn der Bewilligungswerber von der ihm erteilten Bewilligung Gebrauch macht. Im Fall der Gebrauchnahme werden die Auflagen zu unbedingten Aufträgen (VwGH 5.9.2001, 99/04/0123, 21.2.2002, 2001/07/0106). Es trifft daher zu, dass die nach § 44a Z 1 VStG gebotene Umschreibung der Tat bei der Verwaltungsübertretung nach § 367 Z 25 GewO 1994 die wörtliche Wiedergabe der als verletzt erachteten Auflage des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides erfordert (VwGH 19.6.1990, 89/04/0249). Weiters weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass dadurch, dass § 367 Z 25 auf die in den Betriebsanlagengenehmigungsbescheiden vorgeschriebenen Auflagen und Aufträge verweist, das jeweilige, in einem solchen Bescheid enthaltene Gebot oder Verbot Teil des Straftatbestandes wird, was voraussetzt, dass derartige Auflagen so klar gefasst sein müssen, dass sie dem Verpflichteten jeder Zeit die Grenzen seines Verhaltens und damit die Einhaltung der Auflagen zweifelsfrei erkennen lassen (Grabler, Stolzlechner, Wendl, Gewerbeordnung, Kommentar, 2. Auflage, Springerverlag, Anmerkung 41 zu § 367 mit Judikaturnachweisen).

 

Der im angefochtenen Straferkenntnis angelastete Tatvorwurf entspricht den in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dargelegten Anforderungen nicht. Einerseits geht dem Tatvorwurf eine wörtliche Wiedergabe der als verletzt erachteten Auflage unter Zitierung des Auflagenpunktes des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides nicht hervor. Ebenfalls fehlt eine ziffernmäßige Anführung des Auflagenpunktes des Genehmigungsbescheides. Darüber hinaus ist aber anzumerken, dass der im Spruchpunkt 2 des Straferkenntnisses vorangelastete Tatvorwurf keine Bescheidauflage des Betriebsanlagenbescheides vom 21.12.1995, Ge20-75-1995, darstellt. Es ist vielmehr anzumerken, dass dem genannten Betriebsanlagengenehmigungsbescheid weder eine Beschränkung der Aufnahmekapazität des Wartestalls mit maximal 330 Schweinen noch eine zeitliche Beschränkung von 04.00 Uhr bis 18.00 Uhr zu entnehmen ist. Dies könnte allenfalls aus einer Betriebsbeschreibung oder Verhandlungsschrift ersichtlich sein, wobei die Verhandlungsschrift nicht als ergänzender Bestandteil der Genehmigung in den Spruch des Genehmigungsbescheides aufgenommen wurde. Allerdings bedeutet der Umstand, dass die genannten Einschränkungen nicht den Bescheidauflagepunkten, sondern gegebenenfalls in der Beschreibung des Betriebsanlagenbescheides selbst vorzufinden sind, dass es sich allenfalls um eine Beschränkung des Umfanges der Betriebsanlagengenehmigung handelt und eine Änderung des Umfanges in zeitlicher wie auch in räumlicher Hinsicht eine Änderung der Betriebsanlage selbst darstellt. Ein diesbezüglich strafbares Verhalten ist im Tatvorwurf des § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 geregelt.

Es war daher auch Spruchpunkt 2 des Straferkenntnisses wegen eingetretener Verfolgungsverjährung im Hinblick auf einen Tatbestand nach § 367 Z 25 GewO aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen. Eine Tatanlastung im Sinn des § 366 Abs. 1 Z 3 GewO ist hinsichtlich des vorgeworfenen Sachverhaltes nicht erfolgt und kann daher ein diesbezügliches Strafverfahren nicht durchgeführt werden.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, waren gemäß § 66 Abs. 1 VStG keine Verfahrenskostenbeiträge aufzuerlegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung: Tatkonkretisierung

 

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