Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281439/2/Kl/TK/BRe

Linz, 16.08.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, x, vertreten durch x Rechtsanwälte, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 27. Juni 2012, Ge96-4-5-2012, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem  ArbeitnehmerInnenschutzgesetz zu Recht erkannt:

 

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.              Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 45 Abs. 1 Z 2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

Zu II: § 66 Abs. 1 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 27. Juni 2012, Ge96-4-5-2012, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen in vier Fällen in der Höhe von je 800 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 37 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß jeweils § 130 Abs. 5 Z 1 und 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG iVm § 87 Abs. 2 und §§ 7 – 10 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der x Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in x, zu verantworten hat, dass die x Gesellschaft m.b.H als Arbeitgeberin nicht für die Einhaltung der Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung gesorgt hat, wie im Zuge einer Baustellenbesichtigung am 20. Dezember 2011 durch die Arbeitsinspektorin des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten, Frau x, festgestellt wurde.

 

Am 20. Dezember 2011 wurden die Arbeitnehmer der Firma x Gesellschaft m.b.H.,

1. Herr x,

2. Herr x,

3. Herr x und

4. Herr x

auf der Baustelle in x, mit Arbeiten am Flachdach (Aufbringung der Dämmung) mit einer Dachneigung von 0° und einer Absturzhöhe von ca. 8 m ohne entsprechende Absturzsicherungen, Schutzeinrichtungen oder Abgrenzungen beschäftigt. Dies obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20 Grad und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 Bauarbeiterschutzverordnung vorhanden sein müssen (§87 Abs. 2 Bauarbeiterschutzverordnung).

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis dem gesamten Umfang nach angefochten. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Herr x zum verantwortlichen Beauftragten ab 29.11.2011 für die Baustelle x bestellt worden sei. Gemäß § 9 Abs. 2 VStG kann für "bestimmte räumliche oder sachlich abgegrenzte Bereiche" ein verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher bestellt werden. Eine räumliche und sachliche Abgrenzung fordere hingegen das Gesetz nicht. Die Bestellung von Herrn x sei daher gesetzeskonform erfolgt und daher die Verurteilung des Berufungswerbers zu unrecht erfolgt. Weiters wurde ausgeführt, dass entgegen den Angaben des zuständigen Bauleiters nicht erwiesen sei, ob mit der Verlegung der Dämmplatten bereits begonnen worden sei. Da es sich um Arbeiten am Dachsaum handelte, sei gemäß § 87 Abs. 5 Z 2 BauV eine Strafbarkeit nicht gegeben. Auch sei nicht erwiesen, dass die Arbeiten über einen geringfügigen Umfang im Sinn von § 87 Abs. 5 Z 1 BauV hinausgegangen wären. Schließlich liege auch mangelndes Verschulden des Berufungswerbers vor. Auch werde die Strafhöhe bekämpft.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding als belangte Behörde legte die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vor.

Eine Verhandlung entfällt, weil schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51 e Abs. 2 Z 1 VStG).

 

 

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verantwortlich werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

Aus dem § 9 Abs. 3 und 4 VStG ist zu schließen, dass der räumliche oder sachliche Bereich des Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter mit dessen Zustimmung bestellt wird, "klar abzugrenzen" ist. Erfolgt eine solche klare Abgrenzung nicht, so liegt keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vor. Das Tatbestandsmerkmal des klar abzugrenzenden Bereiches im § 9 Abs. 4 VStG muss schon beim Nachweis der Zustimmung des verantwortlichen Beauftragten vorgelegen haben und darf nicht erst während des anhängigen Strafverfahrens – durch Klarstellung im Rahmen des Beweisverfahrens – entscheidend ergänzt werden. Die Zustimmung eines verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 4 VStG muss erkennen lassen, für welche juristische Person sie erfolgte. (Vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1309 f, RZ 106 ff, mit Judikaturnachweisen).

 

4.2. Im erstinstanzlichen Strafverfahren berief sich der Berufungswerber auf die Bestellung eines verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Beauftragten und legte eine Urkunde über die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten an das Arbeitsinspektorat Wels vor. Danach wurde Herr x, Arbeitnehmer der x Gesellschaft m.b.H., zum verantwortlichen Beauftragten für die Baustelle "x", bestellt, und hat der Bestellte seiner Bestellung zugestimmt. Die Mitteilung ist mit 29.11.2011 datiert und ist nachweislich am 2.12.2011 beim Arbeitsinspektorat Wels eingegangen.

Es ist daher eine wirksame Bestellung des Herrn x als verantwortlicher Beauftragter für die Baustelle x zum Tatzeitpunkt am 20.12.2011 vorgelegen.

Wie die vorzitierte Judikatur ausweist, ist der Zustimmungsnachweis vor der Tatbegehung zu erstellen. Dies ist auch tatsächlich erfolgt. Wie der Berufungswerber rechtsrichtig ausführt, verlangt § 9 Abs. 2 und Abs. 4 VStG eine Bestellung für "bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens". Auch diesem Erfordernis ist die Bestellung nachgekommen, weil die Bestellung für die bestimmte Baustelle sowohl eine räumliche als auch eine sachliche Abgrenzungskomponente beinhaltet. Räumlich ist bereits die Adressangabe ersichtlich, in sachlicher Hinsicht ist eine Baustelle immer auch ein abgegrenzter Bereich des Gesamtunternehmens. Eine weitere sachliche Abgrenzung, wie z.B. für einen bestimmten Aufgabenbereich auf der Baustelle ist gemäß § 9 VStG nicht mehr erforderlich. Eine solche weitere Eingrenzung ist auch tatsächlich nicht erfolgt, sondern ist Herr x im Bezug auf die genannte Baustelle für sämtliche Belange zum verantwortlichen Beauftragten bestellt.

Da der Zustimmungsnachweis auch rechtzeitig vor Tatbegehung dem zuständigen Arbeitsinspektorat mitgeteilt wurde, wurde die Bestellung wirksam. Es ist daher gemäß § 9 Abs. 1 VStG die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des nach außen vertretungsbefugten Organs der juristischen Person auf den bestellten verantwortlichen Beauftragten übergegangen. Es liegt daher keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Berufungswerbers vor. Aus diesem Grunde hat daher der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen und war daher gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Berufungswerber einzustellen.

Gleichzeitig wird aber auf die Bestimmung des § 32 Abs. 3 VStG hingewiesen, wonach eine Verfolgungshandlung, die gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen gerichtet ist, auch als Verfolgungshandlung gegen die anderen zur Vertretung nach außen Berufenen und die verantwortlichen Beauftragten gilt.

 

5. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs. 1 VStG.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

 

Beschlagwortung: verantwortlicher Beauftragter, nur alternativ räumliche oder sachliche Abgrenzung möglich

 

 

 

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