Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401202/7/MB/WU

Linz, 20.08.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde des X, geb. X bzw. X, StA von Nigeria bzw. Niger, derzeit angehalten im X, vertreten durch den X, wegen Anhaltung in Schubhaft vom 26. Juli 2012 bis zum 10. August 2012 durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Ried im Innkreis, zu Recht erkannt:

 

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

 

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 135/2009) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Ried im Innkreis vom 25. Juli 2012, GZ.: Sich41-41-2012, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf der Basis des § 76 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idgF die Schubhaft angeordnet und im X vollzogen. Mit 10. August 2012 wurde der Bf aus dem Stande der Schubhaft entlassen.

 

Die belangte Behörde spricht dazu wie folgt ab:

"Gemäß § 76 Abs 1 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 112/2011, wird gegen Sie die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) angeordnet.

Die Rechtsfolgen dieses Bescheides treten nach ihrer Entlassung aus der Gerichtshaft ein."

 

Begründend bringt die belangte Behörde vor:

"Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen. Gemäß § 76 Abs. 3 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Der Bescheid hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Fremden verständlichen Sprache zu enthalten oder einer Sprache, bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann,dass er sie versteht. Eine unrichtige Übersetzung begründet lediglich das Recht, unter den Voraussetzungen des § 71 AVG wiedereingesetzt zu werden.

 

Gemäß § 6 Abs. 4a FPG richtet sich die örtliche Zuständigkeit zur Verhängung der Schubhaft nach dem Aufenthalt.

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens sowie Ihrer niederschriftlichen Einvernahmen durch die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 25.06.2012 steht folgender Sachverhalt fest:

 

Sie besitzen nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, sind nach eigenen Angaben Staatsangehöriger von Niger und somit Fremder gemäß § 2 Abs. 4 Z. 1 FPG.

 

Sie reisten am 21.04.2010 ohne Papiere unbekannten Ortes illegal nach Österreich ein und stellten in Traiskirchen einen Asylantrag. Laut Fremdenakt wies das Bundesasylamt das Ansuchen mit Bescheid vom 03.10.2010, Zahl 10 03.443, gemäß den §§ 3 und 8 AsylG 2005 ab und verfügte Ihre Ausweisung gemäß § 10 AsylG. Die Beschwerde dagegen hat der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 17.12.2010 zu Zahl A 11 416.074/1/2010/2E abgewiesen (rechtskräftig seit 27.12.2010). Dazu gaben Sie an, dass Sie von der Zustellung des Erkenntnisses nichts wüssten.

Seit 05.01.2011 werden Sie vom X vertreten.

 

Auf Befragen gaben Sie an, dass Sie sich seit 2010 durchgehend in Österreich befinden. Für die BPD Wien waren Sie letztes Jahr einmal in Schubhaft. Weiters gaben Sie an, dass Sie am X in X, Niger geboren worden seien. Es wurde Ihnen seitens der BH Ried im Innkreis jedoch zur Kenntnis gebracht, dass diese ebenfalls das im Asylverfahren eingeholte gerichtsmedizinische Gutachten des X-Instituts vom 21.05.2010 heranzieht, wonach Sie zum damaligen Zeitpunkt bereits ein Alter von 18,2 Jahren aufgewiesen haben, was bedeutet, dass Sie inzwischen mindestens 20 Jahre alt sind.

 

Sie wurden zuletzt am 27.11.2011 in Wien wegen Verdachts des Suchtgifthandels festgenommen.

 

Gegen Sie scheinen in Österreich insgesamt zwei strafrechtliche Verurteilungen auf.

 

Das Landesgericht für Strafsachen Wien verurteilte Sie am 11.03.2011 unter Zahl 143 Hv 23/11t wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 8. Fall, Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, wobei 6 Monate unter Setzung einer 3-jährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurden (rechtskräftig seit 11.03.2011).

 

Das Landesgericht für Strafsachen Wien verurteilte Sie am 23.01.2012 unter Zahl 162 Hv 196/11y, wegen des Vergehens des Suchtgifthandels nach § 27 Abs. 1 Z. 1 8. Fall und Abs. 3 SMG und wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1, 2 Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten.

 

Sie wurden am 28.02.2012 im Stand der Strafhaft von der X in die X überstellt. Das Strafende ist mit 26.07.2012 vorgemerkt.

 

Die BPD Wien hat mit Bescheid vom 11.04.2011, Zahl MI-1304901/FrB/H, ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot gegen Sie erlassen. Mit Berufungsbescheid des UVS Wien vom 30.04.2012 wurde Ihrer dagegen erhobenen Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Anstelle eines auf 10 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes wurde anlässlich der seither in Kraft getretenen FPG-Novelle eine Rückkehrentscheidung mit einem auf die Dauer von 10 Jahren befristeten Einreiseverbot für den Schengenraum erlassen (rechtskräftig seit 18.05.2012). Der Bescheid wurde Ihrem Vertreter, dem X zugestellt.

 

Zu Ihren persönlichen Verhältnissen haben Sie angegeben, dass Sie zuletzt vor Ihrer Verhaftung von 28.06.2011 bis 27.11.2011 in X, bei "Mama X" (Verein X) obdachlos gemeldet und dort auch wohnhaft gewesen seien. Vorher waren Sie mit Unterbrechungen im Asylheim X mit Hauptwohnsitz gemeldet. Sie sind ledig, haben keine Kinder, keine Sorgepflichten und in Österreich keine Angehörigen. Vor Ihrer Verhaftung waren Sie mit einer Österreicherin namens X befreundet. Nähere Angaben zum Familiennamen, zu Adresse und Telefonnummer konnten Sie jedoch nicht machen. Ihre Telefonnummer sei Ihres Wissens in Ihrem Mobiltelefon gespeichert. Seit Ihrer Verhaftung sei der Kontakt zu X vollständig abgerissen. Sie besitzen keinen gültigen Reisepass und auch sonst keine Identitätsnachweise.

 

Sie wurden im Rahmen der Niederschrift vom 25.06.2012 von der BH Ried im Innkreis aufgefordert, unverzüglich wahre und vollständige Angaben über Ihre Identität und Staatsangehörigkeit zu machen sowie unverzüglich Beweismittel beizuschaffen. Sie blieben jedoch dabei, dass Ihr Name auf X, geb. X in X, laute und Sie Staatsbürger von Niger seien. Vater: X, Mutter: X, Religionsbekenntnis: römisch-katholisch.

 

Auf Vorhalt, dass Sie auf französisch gestellte Fragen (Wie heißt du? Woher kommst du? Wo wohnst du? Leben die Eltern noch?) offensichtlich nicht verstanden haben, erklärten Sie, dass Ihre Mutter Sie in englischer Sprache aufgezogen hat. Sie würden etwas französisch passiv verstehen, sprechen könnten Sie diese Sprache aber nicht. An die Hauptstadt von Niger, den Präsidenten, den Unabhängigkeitstag, die Bezeichnung der Regionen Nigers, konnten Sie sich nicht mehr erinnern. Sie hätten Probleme mit dem Erinnerungsvermögen. Die Währung sei CFA-Franc, die Flagge bestehe aus drei waagrechten Balken, der obere sei gelb, der untere grün, in der Mitte befinde sich ein Punkt.

 

Auf Vorhalt, dass Sie im Asylverfahren Ihre Wohnanschrift mit "X" angegeben haben, gaben Sie an, dass dies nicht sein könnte. Sie hätten in X, Niger, gewohnt. Ihre Mutter hätte Sie als Kleinkind einmal nach Nigeria gebracht, wie lange das war, daran könnten Sie sich heute nicht mehr erinnern.

 

Im Zuge der Einvernahme vom 25.06.2012 wurden Sie darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis beabsichtigt, Sie mit Beendigung der gerichtlichen Anhaltung in Schubhaft zu nehmen, um Ihre Abschiebung in Ihren Herkunftsstaat zu sichern. Es soll für Sie ein Heimreisezertifikat beigeschafft werden.

 

In Wahrung Ihres Rechts auf Parteiengehör teilten Sie mit, dass Sie nicht nach Niger zurückkehren möchten, weil dort Ihr Leben in Gefahr sei. Sie hätten dort keine Familie mehr. Sie würden die Schubhaftverhängung ablehnen und möchten an die frühere Meldeadresse in Wien zurückkehren.

 

Mit Schreiben vom 20.06.2012 und 03.07.2012 wurde der X darüber in Kenntnis gesetzt, dass die BH Ried im Innkreis beabsichtigt, Sie mit Beendigung der Strafhaft am 26.07.2012 in Schubhaft zu nehmen, um die Abschiebung zu sichern. Zudem wurden dem X die Niederschrift vom 25.06.2012 sowie das gerichtsmedizinische Gutachten des X-Institutes vom 21.05.2010 zur Stellungnahme bis 18.07.2012 übermittelt. Weiters erging jeweils die Aufforderung, Beweismittel zur Feststellung der Identität (Dokumente jeglicher Art) beizubringen.

 

Dazu erfolgte seitens des X folgende Stellungnahme vom 18.07.2012: "Herr X hat zu seiner Identität, Herkunft usw. stets gleich lautende Angaben gemacht. Soweit Herr X und der Rechtsvertretung bekannt, gibt es kein Reisedokument und kein Heimreisezertifikat. Ebenso ist nicht absehbar, wann bzw. ob überhaupt ein Reisedokument verfügbar ist. Es wird an dieser Stelle konkret beantragt, die BH Ried im Innkreis möge aktuell Auskunft geben, 1. ob es ein (Ersatz)-Reisedokument gibt und veneinendenfalls 2. welche Aussicht es auf Erlangung eines Heimreisezertifikats gibt. Gemäß dem Wissensstand von Herrn X und der Rechtsvertretung gibt es kein Reisedokument und auch eine Aussicht auf Erlangung eines solchen. Daher ist die Verhängung der Schubhaft nicht zulässig. Dem entgegen sprechende Gründe mögen konkret vorgehalten werden."

 

Es wurde Ihnen am 20.07.2012 die Durchführung einer Sprachanalyse vorgeschlagen, um Ihre Nationalität endgültig abklären zu können. Diese haben sie jedoch verweigert.

 

Bei Gesamtbetrachtung des vorliegenden Sachverhaltes und genauer Einzelfallprüfung besteht nun ernsthaft die Gefahr, dass Sie sich bei einer Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft dem Zugriff der Behörde entziehen und dadurch die angeführten fremdenpolizeilichen Maßnahmen vereiteln oder wesentlich erschweren. Die Befürchtung, dass Sie untertauchen könnten, erscheint vor allem deshalb schlüssig, weil Sie im Bundesgebiet keine relevanten beruflichen, familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte aufweisen. Sie sind illegal nach Österreich eingereist und halten sich nicht rechtmäßig in Österreich auf. Sie sind in Österreich keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen. Sie haben keine Familienangehörigen im Bundesgebiet, verfügen in Österreich auch über keinen festen Wohnsitz mehr bzw. sind nicht polizeilich gemeldet. Allein aufgrund des Umstandes, dass Sie vor ihrer Festnahme in X, obdachlos gemeldet und laut eigenen Angaben auch wohnhaft waren, ist keineswegs sichergestellt, dass Sie sich behördlichen Maßnahmen nicht entziehen würden. Zudem wurden Sie an dieser Adresse mit 27.11.2011 abgemeldet.

 

Der rechtskräftig negative Asylantrag, die rechtskräftige, mit einem auf 10 Jahre befristeten Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung und die bevorstehende Abschiebung stellen so massive Fluchtanreize dar, dass - angesichts Ihres bisherigen Verhaltens - bei Abstandnahme von Schubhaft mit Ihrem sofortigen Untertauchen zu rechnen ist. Besonders zu betonen ist, dass Sie absolut rückkehrunwillig sind und bisher jegliche Mithilfe zur endgültigen Feststellung Ihrer Identität verweigert haben. So haben Sie im Asylverfahren angegeben, Sie seien am X geboren und in "X" wohnhaft. In allen weiteren behördlichen und gerichtlichen Verfahren haben Sie jedoch "X" als Ihre Herkunftsadresse angegeben. Sie blieben bis zuletzt bei der Aussage, dass Sie Staatsbürger von Niger seien. Trotz mehrmaliger Aufforderung durch die Fremdenpolizeibehörde haben Sie keinerlei Dokumente, die Ihre Identität bestätigen würden, vorgelegt.

 

Der Zweck der Schubhaft kann in diesem Einzelfall auch nicht durch Anwendung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG erreicht werden, weil auf Grund des dargestellten Sachverhaltes zu fürchten wäre, dass Sie sich mit Beendigung der Strafhaft in die Anonymität absetzen und Ihre Abschiebung vereiteln würden. Gegen die Anwendung gelinderer Mittel spricht, dass Sie illegal nach Österreich eingereist sind, keine Identitätsnachweise vorweisen konnten und Ihre Identität nicht eindeutig geklärt ist. Auch ist Ihr wahres Geburtsdatum unklar, weil Sie mit dem offenbar falschen Geburtsdatum X (als Minderjähriger) Asyl beantragt haben. Erst durch die Einholung eines gerichtsmedizinischen Gutachtens konnte geklärt werden, dass Sie bereits am 21.05.2010 jedenfalls volljährig bzw. mindestens 18,2 Jahre alt waren. Das bedeutet, dass Sie zwischenzeitlich mindestens 20 Jahre alt sind. Sie haben derzeit in Österreich keinen Wohnsitz und es erscheint der Behörde mehr als unwahrscheinlich, dass Sie sich für die Behörden jederzeit greifbar halten würden. Zudem haben Sie Ihre Mitwirkung an Ihrer Identitätsfeststellung und auch hinsichtlich einer Sprachanalyse verweigert.

 

Zweifel an der von Ihnen angegeben Identität bzw. Herkunft bestehen insbesondere deshalb, da Sie nicht Französisch sprechen und diese Sprache auch kaum verstehen, obwohl Französisch Amtssprache von Niger ist. Zudem konnten Sie bei der Einvernahme am 25.06.2012 weder die Hauptstadt von Niger noch den Präsidenten, den Unabhängigkeitstag oder die Bezeichnung der Regionen Nigers benennen. So kannten Sie nur die Währung und die Flagge von Niger. Es erscheint der Behörde mehr als zweifelhaft, dass dies - wie von Ihnen behauptet - an Ihrem schlechten Erinnerungsvermögen liegt. Vielmehr deutet dies darauf hin, dass Sie nicht Staatsbürger von Niger, sondern nigerianischer Staatsbürger sind, was auch erklären würde, warum Sie nicht Französisch sprechen, beim Asylverfahren eine nigerianische Herkunft angegeben haben und die Sprachanalyse verweigern.

 

Ihr Vertreter, der X, wies in der Stellungnahme vom 18.07.2012 darauf hin, dass es für Sie kein Reisedokument und kein Heimreisezertifikat gebe. Zudem sei die Erlangung eines solchen aussichtslos, weshalb die Verhängung der Schubhaft unzulässig sei.

 

Dem ist entgegen zu halten, dass die Fremdenpolizeibehörde aktuell bemüht ist, bei der zuständigen Botschaft ein Heimreisezertifikat zu beschaffen. Zu betonen ist, dass bisher keine Ablehnung seitens der Botschaft von Niger vorliegt, weshalb die Beschaffung eines entsprechenden Heimreisezertifikats -keinesfalls unmöglich oder gar aussichtslos erscheint. Allenfalls ist auch noch eine Prüfung über die nigerianische Botschaft denkbar. Jedoch ist auch hier ausdrücklich festzuhalten, dass die Beschaffung eines Heimreisedokuments ausschließlich durch Ihre mangelnde Mitwirkung (keine Beischaffung von entsprechenden Dokumenten, Verweigerung einer Sprachanalyse) erschwert wird.

 

Es muss daher insgesamt angenommen werden, dass Sie - im Fall der Abstandnahme von der Schubhaft - sehr wohl versuchen würden, sich fremdenpolizeilichen Zwangsmaßnahmen zu entziehen, um Ihre Abschiebung zu vereiteln. Im konkreten Fall kann speziell auch das Suchtgiftmilieu ein Untertauchen wesentlich erleichtern.

 

Im Übrigen lassen die von Ihnen begangenen Straftaten die Anwendung eines gelinderen Mittels keinesfalls geboten erscheinen. Von einem rechtskonformen Verhalten kann bei Ihnen aufgrund der Tatwiederholung absolut keine Rede sein. Bei entsprechender Delinquenz erfahren die öffentlichen Interessen an einer effizienten Außerlandesschaffung eine maßgebliche Verstärkung. Dies trifft hier jedenfalls zu. So wurden Sie innerhalb von nur 10 Monaten zwei Mal wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz rechtskräftig in Österreich verurteilt.

Zusammenfassend vermag also der Umstand, dass Sie vor Ihrer Verhaftung Unterkunft in Wien hatten, die massiven Fluchtanreize nicht zu entkräften. Es besteht ein akuter Sicherungsbedarf und die Notwendigkeit zur Schubhaftverhängung.

 

Die Behörde hat sich im konkreten Fall mit der Frage der Verhältnismäßigkeit auseinandergesetzt und gelangte zu dem Ergebnis, dass der mit der Schubhaftverhängung verbundene Eingriff in Ihre persönliche Freiheit im Hinblick auf das besondere öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens und der Bekämpfung der Suchtmittelkriminalität nicht außer Verhältnis zu dem verfolgten Ziel steht. In diesem Zusammenhang ist nochmals darauf hinzuweisen, dass Sie in Österreich über keinerlei berufliche, familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte verfügen. Die öffentlichen Interessen an der Sicherung Ihrer Abschiebung überwiegen die privaten Interessen an der Schonung der persönlichen Freiheit bei weitem.

 

Ihre Abschiebung ist aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 46 Abs. 1 Z. 1 FPG dringend geboten. Auf Grund Ihres bisherigen Verhaltens (Asylantrag in Österreich mit falschem Geburtsdatum, illegale Einreise in Österreich, wiederholte Straffälligkeit in Österreich, Identitätsverschleierung) und Ihrer offen ausgesprochen Rückkehrunwilligkeit ist davon auszugehen, dass Sie Ihrer Verpflichtung zur (legalen) Ausreise nicht nachkommen würden (§ 46 Abs. 1 Z. 3 FPG). So sind Sie schon der Ausreiseverpflichtung anlässlich der asylrechtlichen Ausweisung nicht nachgekommen und haben in Österreich zudem Straftaten verübt.

 

Hinsichtlich ihrer bevorstehenden Abschiebung nach Niger haben Sie angegeben, nicht dorthin zurückkehren zu wollen, weil Ihr Leben dort in Gefahr sei.

 

Sie haben mit einer offenkundig falschen Identität (Geburtsdatum) in Österreich Asyl beantragt und es konnte erst anhand eines gerichtsmedizinischen Gutachtens Ihre Volljährigkeit festgestellt werden. Selbst daraufhin haben Sie an dem von Ihnen behaupteten Geburtsdatum X festgehalten. Sie sind derzeit Fremder im Sinne des Fremdenpolizeigesetzes; es ist kein Asylverfahren anhängig. Für die Behörde haben sich zusammenfassend keine konkreten, stichhaltigen Gründe für die Unzulässigkeit einer Abschiebung nach Niger (Refoulement-Verbot) ergeben."

 

1.2. Gegen die Festnahme, die Anordnung sowie die Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf durch seine rechtsfreundliche Vertretung mit Schriftsatz vom 8. August 2012 Schubhaftbeschwerde an den Oö. Verwaltungssenat.

 

Der Bf führt darin wie folgt aus:

"Mit nachstehender Beschwerde wird die Festnahme, die Schubhaftverhängung vom 26.07-2C 12 und die Anhaltung in Schubhaft durch die BH Ried im Innkreis durch oben bezeichneten Schubhaftbescheid bekämpft.

 

Sachverhalt:

Beim BF handelt es sich um einen Flüchtling aus Niger. Das Asylverfahren wurde vom AsylGH negativ abgeschlossen. Reisedokument ist unbestritten keines vorhanden, gleiches gilt für ein Ersatzreisedokument. Der BF wurde nach der Strafhaft am 26.07.2012 in Schubhaft genommen.

 

Beschwerdegründe:

Unrechtmäßigkeit der Verhängunq der Schubhaft und des bekämpften Schubhaftbescheides: Die Ausführungen des Schubhaftbescheids vermögen allesamt einen besonderen Sicherungsbedarf nicht zu begründen. Unbestritten war zum Zeitpunkt der Verfassung des Schubhaftbescheids und zum Zeitpunkt der Schubhaftnahme kein Heimreisezertifikat vorhanden. Ebenso gibt es überhaupt keine Aussicht auf die Erlangung eines Heimreisezertifikats. Die Botschaft des Heimatlandes hat keine Zusicherung o.ä. abgegeben, aus den verharmlosenden Stellungnahmen der belangten Behörde ergibt sich vielmehr, dass die Botschaft reagiert. (Siehe Schriftsatz der BH Ried im Innkreis vom 01.08.2012: 'Die Bezirkshauptmannschaft Ried hat ... am 26.06.2012 die zuständige Botschaft von NIGER in Genf um Ausstellung eines Heimreisezertifikats ersucht. Eine Antwort ist noch nicht eingegangen. Es wird entsprechend urgiert.')

 

Da die belangte Behörde keinen Anhaltspunkt dafür hat, (zeitnah) ein Heimreisezertifikat zu erlangen, ist die Schubhaft von Anbeginn an unverhältnismäßig.

 

Schon in einer Stellungnahme des Rechtsvertreters vor der Verhängung der Schubhaft wurde in genauen Ausführungen darauf hingewiesen, dass mangels Heimreisezertifikat und Aussicht darauf die Schubhaft nicht zulässig ist.

 

Zwischenzeitlich, d.h. nach der Schubhaftverhängung, wurde vom  Rechtsvertreter zweimal an die belangte Behörde die Anfrage gestellt, welche konkreten Aussichten es mittlerweile für die Erlangung eines Heimreisezertifikats gibt. Nur eine dieser Anfragen wurde beantwortet, die zweite Anfrage wurde ignoriert. Die belangte Behörde kann bis dato überhaupt keine Angabe dazu machen, ob bzw. wann ein Heimreisezertifikat verfügbar wäre. Die belangte Behörde hat auch keine Erfahrungswerte.

 

Angeführt wird auch, dass die belange Behörde das offensichtlich erste Ersuchen um Ausstellung eines Reisedokuments an die Botschaft reichlich spät durchgeführt hat; vor allem wenn man die lange Anhaltung des BF in Strafhaft bedenkt.

 

Die belangte Behörde übersieht offenbar, dass die Schubhaft nicht zu einer Beugehaft und nicht zu einer automatischen Verlängerung einer Freiheitsstrafe verkommen darf.

 

Eine gebotene Unverhältnismäßigkeitsprüfung wurde von belangten Behörde unterlassen.

 

Fehlende Ausreisewilligkeit vermag nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH für sich allein die Verhängung von Schubhaft niemals zu rechtfertigen:

'... Schubhaft hach § 76 Abs. 1 FrPolG 2005 setzt die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme voraus. Zur Beurteilung der Notwendigkeit Verhältnismäßigkeit der Schubhaft ist eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Außerlandesschaffung (Aufenthaltsbeendigung) und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Bei dieser Prüfung ist unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses vor allem der Frage nachzugehen, ob im jeweils vorliegenden Einzelfall ein Sicherungsbedürfnis gegeben ist. Das setzt die gerechtfertigte Annahme voraus, der Fremde werde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bzw. nach deren Vorliegen der Abschiebung (insbesondere) durch Untertauchen entziehen oder sie zumindest wesentlich erschweren. Fehlende Ausreisewilligkeit vermag für sich allein diese Annahme nickt zu rechtfertigen (Hinweis E 28. Mai 2008, 2007/21/0246) ...'

VwGH v. 23.09.2010, Zl. 2007/21/0432

 

Eine Abschiebung nach Niger ist jedenfalls zumindest derzeit nicht möglich.

 

Allenfalls hätte mit einem gelinderen Mittel das Auslangen gefunden werden können. Oder es hätte dem BF in eventu aufgetragen werden können, in von der Behörde bestimmten Räumlichkeiten Unterkunft zu nehmen.

 

Eine Bekannte der BF hat konkret und schriftlich angeboten, dass der BF bei ihrer Adresse Unterkunft nehmen kann, mit Kost und Logis versorgt wird und sich dort auch anmelden kann.

 

Die belangte Behörde hat diese Möglichkeit zur Unterkunftnahme (mit gelinderen Mittel) nie ernsthaft überprüft. Das Angebot der Bekannten des BF wurde nie ernsthaft überprüft, sondern mit dem Hinweis vom Tisch gewischt, es handle sich „offenbar" um eine "nigerianische() Staatsangehörige()"-

 

Der Bf stellt dazu die Beweisanträge:

"Beantragt wird die Einvernahme des BF in einer mündlichen Verhandlung, zum Beweis dafür, dass seine Angaben richtig sind, und als Beweis dafür, dass die Behauptungen der belangten Behörde, er würde an der Feststellung seiner Identität nicht mitwirken, unrichtig, willkürlich und haltlos sind.

 

Beantragt wird die Einvernahme eines Verantwortlichen der belangten Behörde mitsamt Vorlage des Schriftverkehr mit der Botschaft von Niger, zum Beweis dafür, dass die Erlangung eines Heimreisezertifikats nicht möglich ist.

 

Beantragt wird auch die Einvernahme des Verfassers der Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft Ried vom 01.08.2012, zum Beweis dafür, dass die sich als Unterkunftgeberin zur Verfügung stellenden Frau X bloß aus Gründen der Diskriminierung des abgelehnt wurde.

 

Beantragt wird die Einvernahme eines Zuständigen der belangten Behörde auch zur Erörterung der Frage, warum auf die konkrete Anfrage des Rechtsberaters bezüglich Verhältnismäßigkeit der Schubhaft nicht reagiert wurde."

 

Beantrag wird vom Bf daher:

1. den Schubhaftbescheid,

2. die Festnahme und

3. die Anhaltung für rechtswidrig zu erklären, in eventu die weitere Anhaltung für rechtswidrig zu erklären, sowie

4. die Verfahrenskosten zu ersetzen.

 

Der Bf legt Kosten:

Schriftsatzaufwand:   € 737,60

Gebühren:                 €   13,20

                                  € 750,80

 

2. Mit Schreiben vom 9. August 2012 übermittelte die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat.

 

2.1. In einer Gegenschrift führt die belangte Behörde wie folgt aus:

"Der im Betreff angeführte Fremde wird auf Grundlage des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 25.07.2012 gemäß § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) seit 26.07.2012, 08:00 Uhr, im Polizeianhaltezentrum (PAZ) X zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft angehalten. Die Schubhaft ist somit aufrecht.

 

In der Beilage wird der Fremdenpolizeiakt zur Schubhaftbeschwerde vom 08.08.2012 zwecks Entscheidung vorgelegt. Wir erstatten hiezu folgende Gegenschrift:

 

Der Beschwerdeführer war im fremdenpolizeilichen Verfahren vom X vertreten. Der Schubhaftbescheid wurde rechtswirksam dem Vertreter sowie dem Fremden selbst zugestellt.

 

Die Fremdenpolizeibehörde vertritt weiterhin den Standpunkt, dass akuter Sicherungsbedarf vorliegt. In diesem Zusammenhang und im Hinblick auf die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft sowie auf die Nichtanwendung gelinderer Mittel wird, um Wiederholungen zu vermeiden, nochmals auf die ausführliche Begründung des Schubhaftbescheides verwiesen.

Herr X verfügt in Österreich über keinen festen Wohnsitz. Erst nach Erlassung des Schubhaftbescheides legte der X mit Fax vom 25.07.2012, 22:00 Uhr, eine Bestätigung von Frau X, wohnhaft in X, vor, dass Herr X nach der Entlassung aus der Haft bei ihr Unterkunft nehmen und sich dort anmelden könne und dass sie für Kost und Logis aufkommen könne. Ermittlungen der BH Ried i.l. haben ergeben, dass es sich bei Frau X, geb. X, um eine nigerianische Staatsangehörige handelt, die mit einem slowakischen Staatsangehörigen, Herrn X, geb. X, verheiratet ist. Herr X ist an der selben Adresse gemeldet. An der Wohnadresse X sind zudem noch die nigerianische Staatsangehörige X, geb. X, sowie die "X" gemeldet. Dazu ist weiters auszuführen, dass Herr X bis zur Erlassung des Schubhaftbescheides Frau X und die anderen Personen bzw. eine konkrete Wohnmöglichkeit in der X, noch kein einziges Mal erwähnt hat. Auch hat Frau X Herrn X während seiner Haftstrafe vom 27.11.2011 bis 26.07.2012 weder besucht noch sind Kontakte zu Frau X bekannt. Die Behörde geht daher davon aus, dass es sich dabei um eine zwar existierende Adresse, aber bloß um eine vorgeschobene Unterkunftsmöglichkeit handelt. Es liegen keine realistischen Anhaltspunkte dafür vor, dass Herr X auch tatsächlich dort Unterkunft nehmen und bei der Abstandnahme von einer Schubhaft nicht untertauchen würde.

 

Hinsichtlich des konkreten Sicherungsbedarfes wird zudem auf die beiden gerichtlichen Verurteilungen - innerhalb von nur 10 Monaten - nach dem SMG hingewiesen. Es entspricht der allgemeinen Erfahrung, dass die Suchtmittelszene ein Abtauchen in die Anonymität erheblich erleichtert.

 

Weiters besteht gegen Herrn X eine rechtskräftige asylrechtliche Ausweisung und eine seit 18.05.2012 rechtskräftige, mit einem auf die Dauer von 10 Jahren befristeten Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung.

Zudem ist Herr X absolut rückkehrunwillig bzw. lehnt eine freiwillige Rückkehr nach Niger ab, weil dort sein Leben in Gefahr sei. Er verfügt nur über geringe finanzielle Mittel. Eine berufliche, soziale oder familiäre Verankerung im Bundesgebiet fehlt vollständig. Ein Art. 8 MRK-relevanter Sachverhalt, welcher der Durchsetzung der Rückkehrentscheidung und der asylrechtlichen Ausweisung entgegen stehen würde, liegt jedenfalls nicht vor.

 

Seit seiner Asylantragstellung in Österreich versucht Herr X, seine Identität zu verschleiern. So hat er sich beim Asylantrag mit einem falschen Geburtsdatum als Minderjähriger ausgegeben und hat dort die Adresse "X" als Herkunftsadresse angegeben. Erst in weiterer Folge hat er sich als Staatsangehöriger von Niger bezeichnet.

 

Selbst der Asylgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 17.12.2010, GZA11 416.074-1/2010/2E festgestellt, dass sich hinsichtlich der vom Asylwerber ins Treffen geführten (auf Niger bezogenen) Fluchtgründe in seinem Vorbringen derart massive Widersprüche finden, dass vor diesem Hintergrund auch der Wahrheitsgehalt seiner Fluchtgeschichte fraglich erscheint. Der Asylgerichtshof hat von sich aus jedoch keine Feststellungen darüber getroffen, dass Herr X Staatsangehöriger von Niger sei, sondern hat über dessen Beschwerde auf Grundlage seiner eigenen Aussagen vor dem Bundesasylamt erkannt. Da er selbst angegeben hat, Staatsangehöriger von (ausschließlich) Niger zu sein, war für den Asylgerichtshof seine Flüchtlingseigenschaft lediglich in Bezug auf den Staat Niger zu prüfen. Da Argument des X, der AsylGH habe die Staatsangehörigen von Niger festgestellt, geht damit ins Leere.

 

Keineswegs kann mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen zur Erreichung des Sicherungszwecks gefunden werden, so dass die Anhaltung im konkreten Fall eine "ultima ratio"-Maßnahme darstellt. Es ist zu befürchten, dass der Fremde bei Abstandnahme von Schubhaft sofort in die Anonymität untertaucht oder sich illegal in einen anderen Mitgliedstaat der EU oder in die Schweiz absetzt.

 

Die mangelnde Ausreisewilligkeit ist daher keineswegs der alleinige Grund zur Rechfertigung einer Schubhaftverhängung. Hinzu treten die nicht vorhandenen familiären, beruflichen und sozialen Kontakte in Österreich sowie der Umstand, dass Herr X über keinen Wohnsitz verfügt, an den er realistischerweise zurückkehren könnte. Insbesondere ist auch auf die mangelnde Mitwirkung von Herrn X bei der Sachverhalts- und Identitätsfeststellung hinzuweisen. So hat er bis zuletzt ein falsches Geburtsdatum, und zwar den X angegeben. Dies, obwohl ein gerichtsmedizinisches Gutachten des X-Instituts vom 21.05.2010 seine Volljährigkeit bereits zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung bestätigte, weshalb in weiterer Folge das Geburtsdatum X angenommen wurde.

 

Von einer rechtswidrigen Abschiebung kann aufgrund des rechtskräftig negativen Asylverfahrens sowie der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung für die Dauer von 10 Jahren nicht die Rede sein. Es haben sich für die Behörde keine konkreten, stichhaltigen Gründe für die Unzulässigkeit einer Abschiebung (Refoulement-Verbot) ergeben.

 

Besonders hervorzuheben ist die mangelnde Mitwirkung bei der Identitätsfeststellung, was die Beschaffung eines Heimreisezertifikats erheblich erschwert. Dazu ist folgendes festzuhalten: Mit Schreiben vom 20.06.2012 wurde der Fremde aufgefordert, unverzüglich wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zu seinen Personalien zu machen und entsprechende Beweismittel zur Identitätsfeststellung (Dokumente jeglicher Art) beizubringen.

 

Im Rahmen der Niederschrift vom 25.06.2012 wurde Herr X erneut aufgefordert, wahrheitsgemäße Angaben zu seiner Identität zu machen. Er blieb jedoch bei seinen bisherigen Angaben, obwohl ihm das Gutachten des X-Instituts bekannt war. Am 26.06.2012 wurde die Botschaft der Republik Niger (mit Sitz in 1202 Genf, Schweiz) um Ausstellung eines Heämreisezertifikates ersucht. Gleichzeitig wurde die Durchführung eines Telefoninterviews angeregt. Das Schriftstück wurde am 10.07.2012 übernommen. Am 03.07.2012 wurde der X nochmals um Übermittlung von Beweismitteln für die Identitätsfeststellung ersucht.

 

Am 20.07.2012 wurde die Österreichische Botschaft in Bern ersucht, mit der Botschaft von Niger in Kontakt zu treten und dort die Ausstellung eines Heimreisezertifikats zu urgieren. Es wurde um Terminvereinbarung für ein Telefoninterview ersucht.

 

Am 20.07.2012 wurde Herr X von der Behörde (Herrn X) in englischer Sprache darüber informiert, dass die Botschaft von Niger bisher nicht geantwortet hat. Es wurde ihm die Durchführung einer Sprachanalyse vorgeschlagen, damit die Nationalität (in jede Richtung) abgeklärt werden kann. Herr X verweigerte jedoch die Durchführung einer Sprachaufzeichnung in englischer Sprache (AV vom 20.07.2012).

 

Am 01.08.2012 wurde dem X mitgeteilt, dass die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft deshalb zulässig ist, weil die Behörde davon ausgeht, dass während der höchst zulässigen Anhaltedauer ein Heimreisezertifikat beschafft werden könne. Die zeitlichen Verzögerungen würden sich aus der mangelnden Mitwirkung des Fremden an der Identitätsfeststellung ergeben. Es wurde nochmals um konkrete, überprüfbare Angaben zur Identität und Staatsangehörigkeit des Fremden ersucht.

 

Am 01.08.2012 wurde auch ein Urgenzschreiben an die Botschaft von Niger in Genf gerichtet. Am 03.08.2012 erfolgte ein Telefonat mit Konsul X von der Österreichischen Botschaft Bern. Dieser teilte mit, dass der Fall noch nicht bearbeitet werden konnte, es sei jedoch eine Verbalnote in französischer Sprache an die Botschaft von Niger beabsichtigt (AV vom 03.08.2012).

 

Am 07.08.2012 bat Herr X vom Konsulat von Niger um ein Telefoninterview mit Herrn X. Der Fremde verweigerte jedoch das Telefonat. Er verweigerte ebenfalls ein Telefonat mit der Fremdenpolizei der BH Ried i.I. Die Fremdenpolizei der BPD Wels wurde ersucht, auf Herrn X einzuwirken und das Telefonat mit dem Mitarbeiter des Konsulats zu führen - er verweigerte dies am 08.08.2012 erneut.

 

Laut Aktenvermerk vom 08.08.2012 teilte Herr Wo vom Konsulat von Niger telefonisch mit, dass es sich bei dem Fremden um keinen Staatsangehörigen von Niger handeln würde, weil die Schreibweise von Vor- und Familiennamen von X eine englische Version sei, die man in Niger nicht verwendet. Weiters sei es nicht üblich, dass ein Staatsbürger von Niger nur Englisch spricht. Aufgrund dieser Tatsachen und des optischen Erscheinungsbildes am übermittelten Foto vermutet Herr X, dass es sich um einen nigerianischen Staatsangehörigen handelt. (Hinsichtlich der weiteren Indizien, die für die Annahme einer nigerianischen Staatsangehörigkeit sprechen (Sprache, mangelndes Wissen über Niger...), wird auf die Ausführungen im Schubhaftbescheid verwiesen.)

 

Am 09.08.2012 wurde sodann das mit hoher Dringlichkeitsstufe versehene Ersuchen um Identitätsfeststellung und Beschaffung eines nigerianischen Heimreisezertifikats an das Bundesministerium für Inneres gerichtet.

 

Zu den Aufforderungen gegenüber Herrn X sowie dem X erfolgten keinerlei Angaben bzw. Beweise, die die wahre Identität oder Staatsbürgerschaft des Fremden untermauert hätten.

 

Es konnte nunmehr die Vorführung des Fremden zur nigerianischen Botschaftsdelegation für 10.08.2012,12:00 Uhr, zwecks Feststellung der Identität und Ausstellung eines Heimreisezertifikats organisiert werden.

 

Da die Behörde sich laufend bemüht hat, ein Heimreisedokument zu beschaffen, es ausschließlich aufgrund der mangelnden Mitwirkung des Fremden zu Verzögerungen gekommen ist und keinesfalls ausgeschlossen werden kann, dass ein entsprechendes Heimreisezertifikat zeitnah erreicht werden kann, ist die Schubhaft nach wie vor gerechtfertigt."

 

Abschließend wird die kostenpflichtige Abweisung der in Rede stehenden Beschwerde beantragt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist und dieser zwischen den Verfahrensparteien auch nicht strittig ist, weshalb die bereits von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen auch dem gegenständlichen Verfahren zu Grunde gelegt wurden und im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht somit von dem unter Punkt 1.1., 1.2. und 2.1. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des Bescheides des Bezirkshauptmannes des Bezirks Ried im Innkreis vom 25. Juli 2012, GZ.: Sich41-41-2012, seit dem 26. Juli 2012 bis zum 10. August 2012 in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates nicht mehr in Schubhaft befand, sondern am 10. August 2012 aus dieser entlassen wurde, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG keine umfassende Prüfung der Anhaltung und des ihr zugrunde liegenden Bescheides vorzunehmen, sondern war im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung,

1.      in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2.      sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden      oder

3.      eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

In den Fällen, dass ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden kann oder darf,

1. weil die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht möglich ist oder

2. weil die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt oder

3. weil er die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13 FPG) widersetzt,

kann die Schubhaft gem. § 80 Abs. 4 FPG wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraumes von einem Jahr nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden, es sei denn, die Nichtvornahme der Abschiebung ist dem Verhalten des Fremden zuzurechnen. In diesen Fällen darf der Fremde wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monate nicht länger als 10 Monate in Schubhaft angehalten werden. Gleiches gilt, wenn die Abschiebung dadurch gefährdet erscheint, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen hat. Ebenso kann die Schubhaft, die gemäß § 76 Abs. 2 verhängt wurde, länger als sechs Monate in einem Jahr, aber nicht länger als 10 Monate in 18 Monaten aufrechterhalten werden.

 

3.4. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass der Bf – nach rechtskräftigem "negativen" Abschluss seines Asylverfahrens mit dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes nicht mehr als Asylwerber, sondern als Fremder im Sinne des § 76 Abs. 1 FPG anzusehen ist. Die belangte Behörde hat somit grundsätzlich zurecht diese Bestimmung herangezogen.

 

3.5. Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs. 1 (und auch Abs. 2) FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass er sich dem Verfahren gem. § 76 Abs. 1 FPG entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

3.5.1. Zuvorderst ist festzuhalten, dass der Bf zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zur Verhängung der Schubhaft in der X nicht bloß kurzfristig in Strafhaft befindlich war. Er wurde vom Landesgericht Wien mit Urteil vom 11. März 2011 zu GZ: 143 Hv 23/11t und mit Urteil vom 23. Jänner 2012 zu GZ: 162 Hv 196/11y einerseits zu 6 M FS bed wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchgiften und andererseits zu 8 M FS unbed wegen des Vergehens des Suchtgifthandels und des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgift verurteilt. Mit 28. Februar 2012 wurde der Bf im Stande der Strafhaft in die X verlegt, wo er seine Strafhaft bis zum 26. Juli 2012 zu verbüßen hatte. Insofern hat die belangte Behörde rechtsrichtig keinen Mandatsbescheid gem. § 57 AVG erlassen.

 

3.5.1.1.Im Zuge des Ermittlungsverfahrens wurde von der belangten Behörde zeitnahe und zielstrebig versucht ein Heimreisezertifikat zu erlangen. Aufgrund der jeweils vorhandenen Informationen, sei es die Aussage des Bf, aber auch die Aussage des Konsulates von Niger, war die jeweilige Erlangung desselbigen mit Wahrscheinlichkeit prognostizierbar.

 

Chronologisch gesehen begann die belangte Behörde das Verfahren zur Abschiebung bereits mit dem 20. Juni 2012. Zu diesem Datum und zum 3. Juli 2012 wurde der Bf zu Handen seiner Vertretung in Kenntnis davon gesetzt, dass die belangten Behörde beabsichtigte ihn mit dem Ende seiner Strafhaft in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung zu nehmen.

 

Am 25. Juni 2012 erfolgte hierzu eine Einvernahme des Bf durch die belangte Behörde. Die Niederschrift der Einvernahme, sowie ein von der Behörde beigeschafftes Gutachten, welches das Geburtdatum des Bf zur Klärung als Aufgabe hatte, wurden dem Bf zur Stellungnahme bis zum 18. Juli 2012 übermittelt. Der Ausgangspunkt dieser Ermittlungmaßnahmen waren die Angaben des Bf. Dieser gab – so wurde dies auch in seiner diesbezüglichen Stellungnahme vorgebracht – an, aus dem Staat Niger abzustammen. Überdies wurde hierin vorgebracht, dass kein Reisedokument existiere und daher auch nicht beigeschafft werden könne.

 

Noch am 26. Juni 2012 wurde die Botschaft der Republik Niger um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates ersucht – hierin wurde auch die Durchführung eines Telefoninterviews angeregt.

 

Daraufhin hat die belangte Behörde den Bf um seine Mitwirkung gebeten, um seine Identität abzuklären. Dies erfolgte – nach Ablauf der oben genannten Stellungnahmefrist – mit dem 20. Juli 2012 (unmittelbar nach Ablauf der Stellungnahmefrist). Konkret wurde der Bf um die Durchführung einer Sprachaufzeichnung in englischer Sprache gebeten. Dies wurde vom Bf aber verweigert.

 

Am gleichen Tag wurde seitens der belangten Behörde bei der österreichischen Botschaft im Wege der Amtshilfe um Urgenz betreffend die Anfrage vom 26. Juni 2012 bei der Botschaft des Staates Niger angefragt.

 

Eine weitere Urgenz erfolgt mit Schreiben vom 1. August 2012. Am 3. August 2012 nimmt die belangte Behörde mit dem Konsul der österreichischen Botschaft in Bern (Herr X) direkt Kontakt auf. Dahingehend wird die umgehende Bearbeitung (= eine Note in französischer Sprache) zugesichert. Am 7. August 2012 findet die Kontaktaufnahme durch das Konsulat von Niger statt. Darin gibt ein Mitarbeiter des Konsulates (Herr X) an, dass zur Ausstellung eines Laissez-Passer für den Bf ein Telefoninterview unter der Nummer 0041/22/9792454 geführt werden muss.

 

Sowohl am 7., wie auch am 8. August 2012 wurde das Führen eines Telefoninterviews vom Bf verweigert. Dies wurde sohin von der belangten Behörde dem Konsulat von Niger am 8. August 2012 telefonisch mitgeteilt.

 

Daraufhin teilt der Konsulatsmitarbeiter mit, dass aufgrund der Schreibweise des Vor- und Familiennamens des Bf – welche eine englische Version darstelle und in Niger nicht verwendet werde -, der Sprachkenntnisse des Bf (überwiegend Englisch) und des optischen Erscheinungsbildes des Bf es naheliegend sei, dass dieser ein Staatsangehöriger von Nigeria sei.

 

Unmittelbar daraufhin – am 9. August 2012 – wurde von der belangten Behörde über das BMI – aufgrund der oben angeführten Hinweise, sowie einer Angabe des Bf im Asylverfahren – die Anberaumung eines Vorführtermines zur Botschaftsdelegation des Staates Nigeria zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates angefordert. Noch am selben Tag wird seitens des BMI (Frau Fleischhacker) mitgeteilt, dass der Bf am 10. August 2012 um 12.00 Uhr zur nigerianischen Botschaftsdelegation vorgeführt werden kann.

 

Im Zuge dieser tatsächlich durchgeführten Vorführung wurde jedoch aufgrund des Verhaltens des Bf die Haftuntauglichkeit festgestellt und eine Enthaftung mit dem selbigen Tag von der belangten Behörde unmittelbar verfügt.

 

3.5.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst völlig unbestritten, dass der Bf zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft mittels Bescheid der belangten Behörde kein anhängiges Asylverfahren vorweisen konnte. Überdies ist ebenso unstrittig, dass der Bf zumindest seit dem 18. Mai 2012 eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung unter Einem mit einem 10 Jahre befristeten Einreiseverbot gegen sich gelten lassen muss. Somit ist der Bf im Zeitpunkt der Inschubhaftnahme durch die belangte Behörde als Fremder anzusehen, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

 

3.5.3. Wie unter 3.3.1.1. dargestellt, war ab den Zeitpunkt der Verhängung, bis zum Zeitpunkt der Aufhebung der Schubhaft die Erlangung eines Heimreisezertifikates gesteigert möglich, da entsprechende objektive Anhaltspunkte gegeben waren (z.B.: Name, Gutachten über Geburtsdatum, Anhaltspunkte im Asylakt, Kooperation mit der Botschaft von Niger, Sprachkenntnisse, Schreibweise des Namens, usw.). Schon Mitte Juni 2012 (also noch während aufrechter Strafhaft) begann die belangte Behörde mit intensiven Ermittlungsmaßnahmen. Dies zeigt entgegen den Ausführungen des Bf die Frequenz, Anzahl und zeitliche Abfolge der Ermittlungsschritte. Die Wahrscheinlichkeit der Erlangung desselben ging aber letztlich einher mit den Bemühungen des Bf seine Kooperation einzustellen. MaW: Je intensiver die belangte Behörde auf die Erlangung eines Heimreisezertifikates hinarbeitete, desto mehr wurde die Mitarbeit des Bf eingestellt. Blickt man auf den fremden- und asylrechtlichen Akt in seiner Gesamtheit, so wird dies belegt und ersichtlich, dass der Bf zu Beginn sowohl hinsichtlich seines Namens, möglicher Herkunft, Adressangabe, Geburtsdaten usw. kooperativ den Behörden gegenüber eingestellt war. Mit Fortschreiten des fremdenrechtlichen Verfahrens, nach Abschluss des Asylverfahrens, stagnierte die Mithilfe des Bf an der Verifizierung seiner Identität. Da eben Dokumente fehlten, welche auf formal-abstrakte Weise die Identität des Bf bekunden könnten, bedurfte es der subjektiven Betrachtung der Identität des Bf und insofern seiner höchstpersönlichen Mithilfe (z.B.: Sprachprobe, Telefoninterview, Gespräch vor der nigerianischen Botschaftsdelegation). Diese Mithilfe erbrachte der Bf nicht. Insofern ist die Nichterlangung des Heimreisezertifikates (jedenfalls auch) dem Verhalten des Fremden zuzurechnen.

 

Der Einwand des Bf, dass einerseits zu spät mit dem Ermittlungsverfahren angefangen worden sei und bereits zu Beginn "[...] überhaupt [...]" keine Aussicht auf Erlangung eines Heimreisezertifikates bestanden habe (S 2 der Beschwerde) entbehrt nach der Analyse des Verfahrensganges der Grundlage im Sachverhalt. Die Erreichung des Zieles der Schubhaft war letztlich bis zur Enthaftung möglich.

 

Darüber hinaus sieht der Gesetzgeber, wie sich bereits aus § 80 Abs. 4 Z 2 FPG ergibt, vor, dass im Falle eines fehlenden Heimreisezertifikates die Schubhaft dem Grund nach möglich ist.

 

3.6.1. Zur Prüfung der Notwendigkeit und Angemessenheit der Schubhaft ist darzulegen, dass entgegen den Ausführungen des Bf in der Beschwerde die belangte Behörde das Sicherungsbedürfnis nicht alleine mit der Ausreiseunwilligkeit begründet wurde. Vielmehr wird aus ersterer nur die Indizwirkung für den Sicherungsbedarf abgeleitet und in weiterer Folge mit der konkreten Verhaltensweise des Bf weiter begründet.

 

3.6.2. In der Person des Bf konkret ist zu erkennen: Über den Bf wurde mit Erkenntnis des UVS Wien vom 30. April 2012 rechtskräftiges Rückkehrverbot für die Dauer von 10 Jahren aufgrund des Gefährdungspotentials der dahinter stehenden Suchtgiftkriminalität (LG Wien vom 11. März 2011, 143 Hv 23/11t und vom 23. Jänner 2012, 162 Hv 196/11y) verhängt. Somit hat der Bf in der kurzen Zeit seines Aufenthaltes – seit seiner illegalen Einreise nach Österreich am 21. April 2010 – bereits mehrfach massive Rechtsverstöße zu verbuchen und musste aufgrund dieser Taten eine Freiheitsstrafe von 8 Monaten verbüßen. Als integrative – und somit sichernde – Schnittstellen in Österreich kann lediglich die Meldung in der X (Haus X) vom 28. Juni 2011 bis zum 27. November 2011 erkannt werden. Aufgrund des sehr kurzen Zeitraumes, kommt dem jedoch geringes Gewicht zu.

 

Die vom Bf angegebene österreichische Freundin mit dem Namen "X" konnte vom Bf selbst nicht näher konkretisiert werden. Zudem hat der Bf angegeben, dass sein Kontakt seit seiner Verhaftung gänzlich abgerissen sei. Insofern ist auch dieser Anhaltspunkt als mit geringer Sicherheit zu bewerten. Selbiges gilt für die Bereitschaft von Frau X, dem Bf eine Unterkunft zu gewähren. Unabhängig davon, dass tatsächlich von Frau X eine Bereitschaft zur Unterkunftgabe vorliegt, ist zu erkennen, dass die Gewähr, dass der Bf dadurch die Bedenken gegen seine Greifbarkeit durch die belangte Behörde, entkräftet als gering zu bewerten. Dieser Schluss wird dadurch erhärtet, als die betreffende Möglichkeit vom Bf erst im Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides bekannt gegeben wurde und insofern der Eindruck entsteht, dass bloß aus prozesstaktischen Überlegungen eine entsprechend bereite Person genannt wurde. Zusammengefasst ergibt sich somit, dass der Bf keinerlei ausreichende Anknüpfungspunkte in Österreich aufweisen kann, die darauf hindeuten könnten, dass die Greifbarkeit gegeben ist. Es ist daher schon alleine aus diesen Gründen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit zu rechnen, dass sich der Bf der Abschiebung entziehen würde, wenn die Schubhaft nicht verhängt worden wäre.

 

Bestätigt wird dieses Bild durch die Umstände im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Erlangung eines Heimreisezertifikates. Wie bereits ausgeführt (s dazu Punkt 3.3.3.), stellte der Bf, je näher die Erlangung eines Heimreisezertifikates trat, umso mehr sein kooperatives Verhalten ein. Dies bestätigt auch seine immer getätigte Aussage, nicht nach Niger zurückkehren zu wollen (S 2 Niederschrift vom 25. Juni 2012) und der, aufgrund des Verhaltens des Bf, notwendige Abbruch der Vorführung vor die nigerianische Botschaft am 10. August 2012.

 

Hinzu tritt, dass der Bf bereits einmal in der selben Situation (Schubhaftverhängung im Jahr 2011) seine Bereitschaft sich gegen die Abschiebung mit allen erdenklichen Mitteln zur Wehr zu setzen unter Beweis gestellt hat. Mit Bescheid der BPD-Wien vom 21. Jänner 2011, GZ: 1304901/FrB/11 wurde über den Bf bereits einmal die Schubhaft verhängt. Bereits drei Tage später musste der Bf aufgrund eines Hungerstreiks aus der Schubhaft (24. Jänner 2011) entlassen werden.

 

3.6.3. Der belangten Behörde folgend ist im vorliegenden Fall – in Zusammenschau all der eben beschriebenen Sachverhaltselemente - von einem besonders hohen sowie akuten Sicherungsbedarf auszugehen und zu attestieren, dass sich der Bf – auf freiem Fuß belassen – umgehend dem Zugriff der Behörde entzogen haben würde.

 

3.7. Mit der Begründung des Sicherungsbedarfes unter 3.4.2. und 3.4.3. scheidet auch grundsätzlich die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise aus. Eine allfällige tägliche Meldepflicht würde das Ziel der Schubhaft nicht haben gewährleisten können, ebenso nicht die Unterkunftnahme in einer behördlich bestimmten Räumlichkeit, zumal der Bf schon in der Vergangenheit kontinuierlich und vehement bewies, dass er nicht bereit ist, behördlichen Anordnungen zu entsprechen (Schubhaft, Vorführung etc.).

 

3.8. Die Verhängung der Schubhaft ist demnach zweifellos auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses im vorliegenden Fall fraglos überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls nicht schlagend in Anwendung gebracht werden, zumal der Bf über keine familiären Kontakte oder Verpflichtungen im Bundesgebiet verfügt. Solches wird auch von ihm selbst nicht behauptet (s dazu nur die Niederschrift 25. Juni 2012). Nach den Ausführungen des Bf besteht weder ein zu gewichtender Bezug zu seiner ehemaligen Freundin (arg.: "kein Kontakt mehr"), aber auch ein Kontakt zur nicht näher definierten Person der potentiellen Unterkunftgeberin wird vom Bf nicht als darüber hinausgehend beschrieben. Sonstige Kontakte und soziale Netzwerke wurden vom Bf nicht ins Treffen geführt.

 

3.9.1. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf solange aufrecht erhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Gemäß § 80 Abs. 2 FPG darf die Schubhaftdauer grundsätzlich

1.      zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;

2.      vier Monate  nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein         Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

 

3.9.2. Der Bf wurde 16 Tagen in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte Frist bei weitem noch nicht ausgeschöpft wurde. Es liegen auch keine Umstände vor, die erwarten ließen, dass die Anhaltung noch beträchtliche Zeit andauern werde, zumal die für eine Außerlandesbringung des Bf getroffenen Maßnahmen durch die belangte Behörde konsequent verfolgt werden und eine Finalisierung in jedem Zeitpunkt des Standes der Schubhaft zu erwarten war.

 

3.10. Es war also aufgrund o.a. Darlegungen die Anhaltung des Bf in Schubhaft vom 26. Juli 2012 bis zum 10. August 2012 nicht für rechtswidrig zu erklären und daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

Markus Brandstetter

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 14. November 2013, Zl.: 2012/21/0251-6

 

 

 

 

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