Linz, 16.08.2012
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, Staatsangehöriger des Kosovo, vertreten durch X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 9. Juli 2012, AZ: 1052770/FRB, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines auf die Dauer von 18 Monaten befristeten Einreisesverbots nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:
Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.
§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 65b, 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012).
Apelimi pranohet dhe Vendimi i kundërshtuar shpallet plotësisht i pavlershëm.
Baza ligjore:
§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 65b, 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012).
Entscheidungsgründe:
1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 9. Juli 2012, AZ: 1052770/FRB, dem Berufungswerber (im Folgenden: Bw) zugestellt am 11. Juli 2012, wurde gegen den Bw auf Grundlage des § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (im Folgenden: FPG) eine Rückkehrentscheidung und nach § 53 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen.
Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde wie folgt aus:
2.1. Gegen den am 11. Juli 2012 der rechtsfreundlichen Vertretung des Bw zugestellten Bescheid erhob dieser mit am 25. Juli 2012 zur Post gegebenem Schreiben rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.
2.2. Die Berufung begründet der Bw inhaltlich wie folgt:
deren Anfrage beim Bundesasylamt betreffend die Behandlungsmöglichkeit der
HIV Erkrankung bzw. der als Nebenerscheinung des HIV-Infektes erlittene
Augenerkrankung und wurde am 05.06.2012 offensichtlich eine diesbezügliche
Stellungnahme des Bundesasylamtes abgegeben.
Behörde bei richtiger rechtlicher Beurteilung zu einem gänzlich anderen
Ergebnis gelangt.
mangelhafte und unzureichende Gesundheitssystem und die
Nichtgewährleistung einer entsprechenden medizinischen Versorgung sprechen
Bände.
wonach "im Allgemeinen" ein Fremder kein Recht hat, in einem fremden
Aufenthaltsstaat zu bleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden.
Schon aus dieser Formulierung ist abzuleiten, dass bei schwerwiegenden
Ausnahmefällen jedenfalls dieses Recht zuzuerkennen ist. Hier wird nochmals
auf die Entscheidungen zu Art. 3 EMRK verwiesen. Gerade eine
Zusammenschau der medizinischen Dokumentation mit den recherchierten
Behandlungsmöglichkeiten hätte die Behörde erkennen müssen, dass hier ein
Sonderfall vorliegt, bei dem trotz intensiver Erhebungen der Behörde keinerlei
Behandlungsmöglichkeit im Kosovo abgeleitet werden kann und damit zu
rechnen ist, dass der Berufungswerber im Kosovo qualvoll sterben würde.
·
3.1. Die belangte Behörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt.
3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.
Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, nachdem bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist (vgl. § 67d Abs. 2 Z 1 AVG).
3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem in den Punkten 1. und 2.2. dargestellten, im Wesentlichen unstrittigen Sachverhalt aus.
3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:
4.2. Beim Bw handelt es sich um einen kosovarischen Staatsangehörigen, der am 4. September 2010 eine lettische Staatsbürgerin, Frau X, geehelicht hat, die von der ihr unionsrechtlich eingeräumten Freizügigkeit Gebrauch machte. Die Gattin des Bw verstarb am 26. Jänner 2012.
Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (in Folge: UnionsbürgerRL) normiert, dass der Tod des Unionsbürgers für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzen und die sich im Aufnahmemitgliedstaat als Familienangehörige vor dem Tod des Unionsbürgers mindestens ein Jahr lang aufgehalten haben, nicht zum Verlust des Aufenthaltsrechts führt.
Da der Bw Frau X
Es kann daher nicht – wie von der belangten Behörde erfolgt – auf die §§ 52 f FPG zurückgegriffen und aufgrund des formell nicht vorliegenden Aufenthaltstitels eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen werden. Im Regime des im ggst. Fall anzuwendenden 4. Abschnitts des 8. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes entspricht das in § 67 FPG geregelte Aufenthaltsverbot im Wesentlichen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach den § 52 f FPG. Dem Aufenthaltsverbot ist zum einen der Außerlandesverweis (≈ Rückkehrentscheidung), zum anderen das Verbot, für einen bestimmten Zeitraum ins Bundesgebiet zurückzukehren (≈ Einreiseverbot), immanent.
Vor diesem Hintergrund handelt es sich beim Bw um eine Person des in § 67 Abs. 1 FPG erster Satz angesprochenen Adressatenkreises. Nachdem sich der Bw erst seit 23. Mai 2005 und damit nicht schon seit zehn Jahren im Bundesgebiet aufhält, kommt § 67 Abs. 1 vorletzter Satz FPG nicht zur Anwendung.
4.3. Es ist – im Hinblick auf § 67 Abs. 1 erster Satz FPG – daher zu prüfen, ob das Verhalten des Bw aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit tatsächlich, gegenwärtig und erheblich zu gefährden.
Eine derartige, durch den weiteren Verbleib des Bw im Inland gegebene Gefahr ist für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht erkennbar:
Unzweifelhaft hat der in jeglicher Hinsicht unbescholtene Bw zu keiner Zeit die Sicherheit der Republik Österreich gefährdet noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass er in kriminelle Machenschaften verstrickt ist.
Für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw käme daher lediglich eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung in Betracht. Auch eine solche ist jedoch zu verneinen. "Angelastet" kann/können dem Bw in diesem Zusammenhang allenfalls die mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit bzw. die mit seiner Krankheit in Zusammenhang stehenden Kosten, die vom Staat zu begleichen sein dürften, werden. Das von der belangten Behörde ins Treffen geführte Argument, bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße, ist an sich zwar zutreffend. Im konkreten Fall ist allerdings wiederum darauf zu verweisen, dass der Bw zwar aus seiner Begünstigtenstellung bislang keinen Titel abgeleitet hat, dies aber jederzeit tun kann. Der Bw ist daher lediglich formal nicht rechtmäßig im Inland aufhältig, materiell betrachtet befindet er sich zu Recht im Bundesgebiet. Unabhängig davon stellt § 67 FPG, wie insbesondere aus dessen zweiten Satz ("Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen") sowie einem Vergleich mit den in § 66 Abs. 2 FPG aufgezählten Gründen für die Erlassung einer Ausweisung hervorgeht, einen Zusammenhang mit Straftätern her, der im vorliegenden Fall nicht gegeben ist.
Die in § 67 Abs. 1 FPG festgelegten Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes werden somit vom Bw nicht erfüllt.
4.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweise:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.
Sqarim të drejtave ligjore:
Kundër këtij Vendimi në bazë të drejtave ligjore të rregullta nuk lejohet ankesa.
Njoftim:
Kundër këtijë Vendimi është e mundur që brenda gjasht jave nga dita e marrjes të bëhet ankesa pranë Gjyqit Kushtetues dhe/apo pranë Gjyqit Suprem Administrativ; kjo duhet të bëhet - mvarësisht nga rastet e veçanta ligjore – nga një avokate e autorizuar apo nga një avokat i autorizuar. Për çdo lloj të këtyre ankesave të bëra duhet të paguhen 220 euro taksa.
Mag. Christian Stierschneider