Linz, 17.08.2012
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, Staatsangehöriger von Bosnien, vertreten durch RA X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels-Land vom 28. Juni 2012, Sich-06/200/1989+3, betreffend die Erlassung eines auf die Dauer von sechs Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:
Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.
§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs. 1a, 6 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 50/2012).
Entscheidungsgründe:
1. Mit Bescheid des Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels-Land vom 28. Juni 2012, Sich-06/200/1989+3, wurde gegen den Bw auf Grundlage des § 63 Abs. 1 und 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in der geltenden Fassung (im Folgenden: FPG) ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde nach Wiedergabe einschlägiger fremdenpolizeilicher Vorschriften aus:
2. Gegen den am 10. Juli 2012 dem Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung zugestellten Bescheid, erhob dieser durch seine rechtsfreundliche Vertretung mit am 24. Juli 2012 zur Post gegebenem Schreiben rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.
Einleitend stellt der Bw die Anträge
anberaumen und durchführen, sowie
Im Rechtsmittel führt der Bw im Anschluss Folgendes aus:
3.1. Die belangte Behörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt.
3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt und durch Einholung eines Auszuges aus dem Zentralen Melderegister.
Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, nachdem sich bereits aus dem vorliegenden Verwaltungsakt ergibt, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (vgl. § 67d Abs. 2 Z 1 AVG).
3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:
Laut aktuellem Auszug aus dem Zentralen Melderegister war der Bw im Zeitraum von 2. August 2011 bis zum 29. September 2011 mit Hauptwohnsitz in X gemeldet. Von 17. September 2011 bis 18. Juni 2012 bestand ein Nebenwohnsitz in X (JA X). Ein Hauptwohnsitz bestand bis zum 18. Juni 2012 nicht.
Seit 18. Juni 2012 ist der Bw mit Hauptwohnsitz im Gefangenenhaus in X polizeilich gemeldet.
Einem Schreiben der vom Gericht dem Bw zugeteilten Bewährungshelferin vom 4. Juli 2012 ist zu entnehmen, dass der Bw nach seiner Entlassung bei seiner Schwester wohnen könnte, was jedoch aufgrund der beengten Wohnverhältnisse lediglich eine Übergangsmöglichkeit sei.
3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:
4.1. Gemäß § 6 Abs. 1 FPG richtet sich im fremdenpolizeilichen Verfahren die örtliche Zuständigkeit der Behörde nach dem Hauptwohnsitz im Sinn des § 1 Abs. 7 des Meldegesetzes 1991, in Ermangelung eines solchen nach dem sonstigen Wohnsitz des Fremden im Bundesgebiet.
Der Bescheid der belangten Behörde ist mit 28. Juni 2012 datiert. Zu diesem Zeitpunkt war der Bw bereits mit Hauptwohnsitz im Gefangenenhaus X polizeilich gemeldet. Örtlich zuständig zur Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes wäre daher der Bezirkshauptmann des Bezirkes Ried im Innkreis, und nicht jener des Bezirkes Wels-Land, gewesen. Dass das gegenständliche Verfahren bereits in einem Zeitpunkt eingeleitet wurde, in welchem der Bw noch einen Nebenwohnsitz im Bezirk Wels-Land gehabt hat, vermag an der eingetretenen Unzuständigkeit nichts zu ändern.
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich verkennt nicht, dass der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich davon ausgeht, dass die Begründung eines Wohnsitzes den Aufenthalt an einem bestimmten Ort und den Willen, dort zu bleiben, voraussetzt. Ein, etwa wegen Strafhaft, zwangsweise begründetet Aufenthaltsort sei daher nicht als Wohnsitz im Sinne des § 6 Abs. 1 FPG anzusehen (VwGH 28.2.2008, 2008/21/0069). Der Entscheidung ist jedoch auch zu entnehmen, dass die Strafhaft lediglich dann keinen Wohnsitz begründet, wenn ein anderer dadurch aufgegeben würde. Oder anders gewendet: Hat eine Person keinen aufrechten Wohnsitz und wird in Strafhaft genommen, begründet dies sehr wohl einen Wohnsitz im Sinne der letztzitierten Bestimmung.
Dass der Bw vor Begründung des Hauptwohnsitzes im Gefangenenhaus X am 18. Juni 2012 seit 29. September 2011 keinen Hauptwohnsitz mehr im Bundesgebiet gehabt hat, geht aus dem Zentralen Melderegister unzweifelhaft hervor. Dass der Bw über einen solchen auch nicht verfügte, wird schon dadurch indiziert, als der Bw nach seiner Entlassung nicht an einen Wohnsitz zurückkehren, sondern nur vorübergehend bei seiner Schwester Unterkunft finden könnte.
Im gegenständlichen Fall ist daher davon auszugehen, dass der Bw seit 18. Juni 2012 einen Hauptwohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 7 Meldegesetz 1991 in X begründet hat. Daraus ergibt sich in Folge freilich, dass der Bezirkshauptmann des Bezirkes Wels-Land im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides örtlich nicht (mehr) zuständig war, eine solche Entscheidung zu treffen.
4.2. Eine Sanierung durch die Entscheidung der örtlich und sachlich zuständigen Behörde im Wege des Berufungsverfahrens vermag die örtliche Unzuständigkeit der Erstinstanz nur im Hinblick auf das durch Art. 83 Abs. 2 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter zu sanieren. Die einfachgesetzliche Verletzung der Zuständigkeitsordnung kann hingegen durch eine Entscheidung der in jeder Hinsicht zuständigen Berufungsbehörde nicht heilen.
4.3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
5. Von einer Übersetzung gemäß § 59 Abs. 1 FPG konnte aufgrund der sehr guten Deutschkenntnisse des Bw abgesehen werden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweise:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 18,20 Euro (14,30 Euro Eingabegebühr + 3,90 Euro Beilage) angefallen.
Mag. Christian Stierschneider
Beschlagwortung:
Wohnsitz, Strafhaft, örtliche Zuständigkeit, § 6 (1) FPG