Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730656/2/SR/MZ/WU

Linz, 17.08.2012

                                                                                                                                                        

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, Staatsangehöriger von Bosnien, vertreten durch RA X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels-Land vom 28. Juni 2012, Sich-06/200/1989+3, betreffend die Erlassung eines auf die Dauer von sechs Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

 

Aus Anlass der Berufung wird der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs. 1a, 6 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 50/2012).

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid des Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels-Land vom 28. Juni 2012, Sich-06/200/1989+3, wurde gegen den Bw auf Grundlage des § 63 Abs. 1 und 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in der geltenden Fassung (im Folgenden: FPG) ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

 

Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde nach Wiedergabe einschlägiger fremdenpolizeilicher Vorschriften aus:

 

Sie sind bosnischer Staatsbürger und somit Fremder nach § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Ihre erste Niederlassungsbewilligung wurde Ihnen am 15.01.2001 erteilt. Seit 05.02.2001 sind Sie in Österreich durchgehend polizeilich gemeldet. Bereits im Jänner 2006, gerade einmal 15 Jahre alt, begannen Sie Ihre kriminelle Tätigkeit mit einem Diebstahl. Dieses Verfahren wurde jedoch eingestellt. Die nächste Anzeige folgte im März 2006 auf Grund Diebstahl und Nötigung. In den Folgejahren kamen Sie auf unglaubliche 26 Anzeigen. Diese Anzeigen scheinen im Kriminalpolizeilichen Aktenindex des Bundesministerium auf und zwar in einem Zeitraum vom März 2006 bis September 2011. Folgende rechtskräftige gerichtliche Verurteilungen scheinen im Strafregister der Republik Österreich auf:

 

1)    LG Steyr zu 10 Hv 140/2006W vom 09.01.2007, rechtskräftig mit 13.01.2007 wegen §§ 127 (1. Fall) 15, 130 (1. Fall) 15, 229/1, 129/1, 241 E/3 StGB, Freiheitsstrafe 5 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

 

2)    LG Steyr zu 10 Hv 101/2007M vom 19.12.2007, rechtskräftig mit 25.12.2007 wegen §§ 83/1 und 107/1 StGB, Freiheitsstrafe 2 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

 

3)    LG Steyr zu 10 Hv 34/2008K vom 01.07.2008, rechtskräftig mit 05.07.2008 wegen §§ 15, 127, 129/2+3, 135/1, 91/2, 125, 83/1 StGB und § 50/1/3 WaffG

 

4)    LG Wels zu 25 Hv 154/2009B vom 05.11.2009, rechtskräftig 09.11.2009 wegen §§ 83/1, 105/1, 15/1 und 105/1 StGB, Freiheitsstrafe 3 Monate

 

5)    BG Gmunden zu 4 U 198/2009k vom 08.04.2010, rechtskräftig 13.04.2010 wegen § 83/1 StGB, Freiheitsstrafe 1 Monat

 

6)    BG Lambach zu 3 U 48/2010k vom 10.02.2011, rechtskräftig 10.10.2011 wegen §83/1 StGB, Freiheitsstrafe 2 Monate

 

7)    BG Lambach zu 3 U 33/2011f vom 06.10.2011, rechtskräftig mit 11.10.2011 wegen §83/1 StGB, Freiheitsstrafe 3 Monate

 

8)    LG Wels zu 25 Hv 95/2011d vom 08.11.2011, rechtskräftig mit 14.11.2011 wegen §§ 107/1 und 83/1 StGB, Freiheitsstrafe 4 Monate

 

9)    LG Wels zu 13 Hv 129/2011s vom 28.03.2012, rechtskräftig mit 28.03.2012 wegen §§ 15, 105 Abs. 1, 107 Abs. 1, 127, 241 e Abs. 1 StGB, Freiheitsstrafe 5 Monate.

 

Sie wurden am 16.09.2011 im Zuge Ihrer letzten strafbaren Handlung festgenommen und am 17.09.2011 in die Justizanstalt X eingeliefert. Seit 18.06.2012 befinden Sie sich in der Justizanstalt X in Strafhaft. Ihren letzten Verlängerungsantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung unbeschränkt stellten Sie am 24.05.2011. Mit einer § 25 NAG Verständigung vom 30.01.2012 wurden Sie in Kenntnis gesetzt, dass bis zur Entscheidung über das eingeleitete fremdenpolizeiliche Verfahren die Entscheidung über Ihren Verlängerungsantrag vom 24.05.2011 ausgesetzt ist. Darüber langte Ihrerseits keine Stellungnahme ein.

 

Mit einer Verständigung über die Einleitung eines fremdenpolizeilichen Verfahrens vom 21.05.2012 wurden Sie in Kenntnis gesetzt, dass die Behörde beabsichtigt, gegen Sie ein 6-jähriges Aufenthaltsverbot zu verhängen. Ihnen wurde eine 14-tägige Frist eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen.

 

Durch Ihre rechtsfreundliche Vertretung Herrn X gaben Sie in einer Stellungnahme vom 06.06.2012 im Wesentlichen an, dass Sie sich seit 11 Jahren in Österreich aufhalten und hier entsprechend integriert seien. Sie haben in Österreich die Volksschule, Hauptschule und die Polytechnische Schule besucht und haben auch immer wieder gearbeitet. Nach der Haftentlassung wäre es Ihnen möglich bei der Firma X einer Beschäftigung nachzugehen. Sie geben weiters an, in Bosnien nur drei Jahre eine Schule besucht zu haben, und dadurch die bosnische Sprache nicht gut sprechen. Es bestünde keinerlei soziales Netzwerk mehr in Bosnien, da sämtliche Verwandte in Österreich aufhältig sind. Sie geben weiters an, dass Sie erstmals über einen längeren Zeitraum das Haftübel verspüren und sich kurz nach Inhaftierung einer Therapie unterzogen. Sie erwähnen weiters Ihre günstige Zukunftsprognose und geben an, dass es einer Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht bedarf um sicherzustellen, dass Sie keine weiteren strafbaren Handlungen mehr begehen werden.

 

Die Behörde hat erwogen und entschieden:

 

Sie sind bosnischer Staatsangehöriger und im Alter von 10 Jahren erstmals nach Österreich im Zuge einer Familienzusammenführung eingereist. Bereits als 15-jähriger begannen Sie, strafbare Handlungen zu setzen, die Sie im Laufe der Jahre fortsetzten, sodass sich die Schwere Ihrer gerichtlichen Verurteilungen mit den Jahren steigerte. Die letzte verhängte Freiheitsstrafe betrug fünf Monate. Sie wurden mehrmals wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt. Dies lässt daraus schließen, dass es Ihnen gleichgültig ist, zur Anzeige gebracht zu werden und von einem Gericht verurteilt zu werden. Aus den polizeilichen Niederschriften geht hervor, dass es Ihnen "wurscht" sei, was die "Bullen" machen. Von einer gelungenen Integration im Gastland sind Sie weit entfernt. Die Behörde geht auf Grund der 26! vorliegenden Anzeigen und der im Lauf der Zeit immer höher angesetzten gerichtlichen Verurteilungen von einer ungünstigen Zukunftsprognose aus. Die Wiederholungsgefahr zukünftiger Straftaten ist bei ihnen als sehr wahrscheinlich einzustufen.

 

Obwohl Sie im Februar 2008 von der Fremdenpolizei der BPD Steyr niederschriftlich über die Androhung eines Aufenthaltsverbotes informiert wurden, haben Sie trotzdem ihr Verhalten nicht geändert. Ihnen hätte somit bewusst sein müssen, dass gegen Sie bei weiteren strafbaren Handlungen tatsächlich einmal ein Aufenthaltsverbot verhängt werden kann, ihre aktenkundigen furchtbaren Drohungen und Körperverletzungen, als auch Ihre zahlreichen Diebstähle, stellen eine Gefahr für die österreichische Bevölkerung dar. Ein Aufenthaltsverbot ist jedenfalls zum Schutze der in Österreich lebenden Bevölkerung gerechtfertigt und notwendig.

 

Sie sind ledig und für keine Personen in Österreich sorgepflichtig. Vom 21.08.2006 bis 20.08.2007 waren Sie als Lehrling erwerbstätig, danach scheinen bis September 2010 Arbeitslosengeldbezüge, Krankengeldbezüge sowie Notstandshilfe im Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherung auf. Danach scheinen kurze Erwerbstätigkeiten von zwei Monaten, gefolgt von Notstandshilfebezüge, auf. Ihre letzte Erwerbstätigkeit war vom 09.11.2010 bis 29.04.2011. Von einer guten sozialen Integration kann daher nicht ausgegangen werden. Im Zuge Ihres letzten Verlängerungsantrages vom 24.05.2011 wurden Sie in der Folge durch mehrmalige Ladungen und Ladungsbescheide auf fehlende Unterlagen hingewiesen. Diese Forderungen kamen Sie bis zur Einleitung des fremdenpolizeilichen Verfahren nicht nach. Die beinahe fast ein Jahr lang offene Antragsgebühr von 100,-- wurde mittlerweile von Ihrer Schwester beglichen, dennoch sind 100,-- Zwangsstrafe wegen Nichtbefolgung eines Ladungsbescheides ausständig. Aus Sicht der Behörde waren Sie monatelang nicht bemüht, einen weiteren Aufenthaltstitel zu erlangen. Auch das deutet auf eine bisherige geringe Integration hin.

 

Dadurch, dass Sie im Alter von 10 Jahren erstmals nach Österreich kamen, und Sie im Heimatland zur Schule gingen, kennen Sie auch Ihre heimische Sprache. In Ihrer Stellungnahme gaben Sie zwar an, Ihre Heimatsprache nicht gut zu sprechen, jedoch kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass in Ihren jungen Jahren innerhalb des Familienverbandes sehr wohl auch die Heimatsprache benutzt wurde. Ihre Eltern wohnen zwar in Österreich, von einer starken Bindung innerhalb des Familienverbandes kann jedoch auf Grund eines Polizeiberichtes vom August 2011, wonach Ihr Vater angab, nicht Ihren Aufenthaltsort zu wissen, nicht ausgegangen werden. Auch wohnten Sie als Jugendlicher für längere Zeit in einem Internat. Auch das ist ein Indiz dafür, dass es innerhalb des Familienverbandes keinen intensiven Kontakt gab.

 

Zwar ist Ihr über 10-jähriger Aufenthalt in Österreich in der Prognosebeurteilung stark zu bewerten, jedoch wird diese Tatsache dahingehend geschmälert, da Sie sich im Zeitraum Ihres bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet durch die zahlreichen Vergehen gegen die öffentliche Ordnung kaum integriert haben. Sie waren in den letzten Jahren nicht gewillt die Rechtsordnung Ihres Gastlandes zu respektieren.

 

In der Gesamtschau überwiegen jedenfalls Ihre zahlreichen Anzeigen sowie Ihre zahlreichen rechtskräftigen Gerichtsurteile. Sie scheinen nicht gewillt, sich an die österreichische Rechtsordnung halten zu wollen. Ihre Respektlosigkeit gegenüber österreichischen Rechtsgütern lässt jedenfalls eine für Sie positive § 61 FPG Abwägung nicht in Betracht ziehen.

 

Eine Aufenthaltsverfestigung im Sinne des § 64 Abs. 1 FPG kann nicht festgestellt werden, da gegen Sie bereits nach sechs Jahren Aufenthalt in Österreich das erste rechtskräftige Gerichtsurteil verhängt wurde und somit die Staatsbürgerschaft nicht verliehen hätte werden können. Auch sind Sie von klein auf im Inland nicht aufgewachsen.

 

Ihr Verhalten gefährdet daher erheblich das Interesse der Republik Österreich an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.

 

Wie sich aus Ihrem Gesamtverhalten ersehen lässt, scheinen Sie in Österreich, geschützten Rechtsgütern derart negativ gegenüber zu stehen, sodass zum Zwecke der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen ein Aufenthaltsverbot zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele, dringend geboten scheint.

 

Laut Artikel 8 Europäische Menschenrechtskonvention hat nach Abs. 1 jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Nach Abs. 2 ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Auf Grund des geschilderten Sachverhaltes, unter Berücksichtigung Ihrer persönlichen Lebenssituation und ihres bisherigen Verhaltens wird festgestellt, dass durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes Ihre persönliche Lebenssituation sicherlich eingeschränkt wird, jedoch wird weiters festgestellt, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wiegen, als die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf Ihre Lebenssituation.

 

Das Aufenthaltsverbot ist zum Schutze der in Österreich lebenden Bevölkerung zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Das Aufenthaltsverbot ist daher auch im Sinne des § 61 FPG zulässig.

 

Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes kommt die Behörde zum Entschluss, dass ein 6-jähriges Aufenthaltsverbot dringend notwendig erscheint, um die Republik Österreich vor Ihren weiteren kriminellen Aktivitäten zu schützen.

 

Mit der festgesetzten Dauer des Aufenthaltsverbotes wird dem eminenten Interesse der Republik Österreich an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie einem geordneten Fremdenwesen entsprochen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

2. Gegen den am 10. Juli 2012 dem Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung zugestellten Bescheid, erhob dieser durch seine rechtsfreundliche Vertretung mit am 24. Juli 2012 zur Post gegebenem Schreiben rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.

 

Einleitend stellt der Bw die Anträge

 

a)   die Berufungsbehörde möge eine mündliche Berufungsverhandlung
anberaumen und durchführen, sowie

b)    den hier angefochtenen Bescheid der BH-Wels Land, Sich-06/200/1989+3, vom 28.06.2012, zugestellt am 10.07.2012, ersatzlos beheben, in eventu

c)    den hier angefochtenen Bescheid der Erstbehörde aufheben, sowie

d)    die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftragen, in eventu

e)    die Aufenthaltsverbotsdauer angemessen herabsetzen.

 

Im Rechtsmittel führt der Bw im Anschluss Folgendes aus:

 

Ich verweise zunächst auf sämtliches erstinstanzliches Vorbringen, insbesondere die Stellungnahme vom 06.06.2012, meines rechtsfreundlichen Vertreters und hätte bei richtiger rechtlicher Würdigung, ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden dürfen. Ich verweise neuerlich darauf, dass ich mich nunmehr seit elf Jahren in Österreich aufhalte und hier entsprechend integriert bin. Richtig ist allerdings, dass ich in Österreich mehrfach verurteilt wurde und bedauere ich mein Fehlverhalten zutiefst. Ich ersuche jedoch zu berücksichtigen, dass ich nunmehr erstmals das Haftübel über einen längeren Zeitraum verspürt habe und mir auch Bewährungshilfe angeordnet wurde. Bereits aufgrund der Bewährungshilfe insbesondere aber aufgrund des Umstandes, dass ich mir nicht zuletzt auch aufgrund des gegenständlichen Verfahrens durchaus bewusst bin, dass ich im Falle einer weiteren Verurteilung mit einem langjährigen Aufenthaltsverbot zu rechnen habe, ist Gewähr dafür geleistet, dass ich keinerlei strafbaren Handlungen mehr begehen werde. Ich habe der Erstbehörde das Schreiben meines Bewährungshelfers vorgelegt und übermittle in der Anlage auch eine Beschäftigungszusage der Firma X, bei der ich umgehend nach meiner Entlassung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen kann. Auch deshalb sollte Gewähr dafür geleistet sein, dass ich keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mehr darstelle. Im Hinblick auf die sohin zu treffende positive Zukunftsprognose, hätte gegenständliches Aufenthaltsverbots nicht erlassen werden dürfen.

 

Ich ersuche weiters zu berücksichtigen, dass ich in Bosnien über keinerlei soziales Netzwerk verfüge, zumal sämtliche Verwandte in Österreich aufhältig sind und ich in Österreich sämtliche Schulen besucht habe. Ich habe in Bosnien, nur sehr kurz die Schule besucht, sodass ich daher auch die Sprache nicht sehr gut beherrsche. Vor diesem Hintergrund wäre es mir unmöglich in Bosnien meinen Lebensunterhalt sicherzustellen, sodass auch unter Berücksichtigung meines langjährigen Aufenthalts, gegenständliches Aufenthaltsverbot einen unzulässigen Eingriff in mein Privat- und Familienleben darstellt. Auch aus diesem Grund hätte gegenständliches Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden dürfen.

 

Die Erstbehörde setzt sich auch mit den vorgebrachten Argumenten der Stellungnahme, insbesondere der angeordneten Bewährungshilfe und der Arbeitsplatzzusage nicht auseinander und wäre bei Berücksichtigung jedenfalls zu einem anderen Ergebnis gelangt, sodass auch entscheidungswesentliche Begründungsmängel geltend gemacht werden.

 

Weiteres Vorbringen im Zuge des Berufungsverfahrens behalte ich mir ausdrücklich vor.

 

3.1. Die belangte Behörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt und durch Einholung eines Auszuges aus dem Zentralen Melderegister.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, nachdem sich bereits aus dem vorliegenden Verwaltungsakt ergibt, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (vgl. § 67d Abs. 2 Z 1 AVG).

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Laut aktuellem Auszug aus dem Zentralen Melderegister war der Bw im Zeitraum von 2. August 2011 bis zum 29. September 2011 mit Hauptwohnsitz in X gemeldet. Von 17. September 2011 bis 18. Juni 2012 bestand ein Nebenwohnsitz in X (JA X). Ein Hauptwohnsitz bestand bis zum 18. Juni 2012 nicht.

 

Seit 18. Juni 2012 ist der Bw mit Hauptwohnsitz im Gefangenenhaus in X polizeilich gemeldet.

 

Einem Schreiben der vom Gericht dem Bw zugeteilten Bewährungshelferin vom 4. Juli 2012 ist zu entnehmen, dass der Bw nach seiner Entlassung bei seiner Schwester wohnen könnte, was jedoch aufgrund der beengten Wohnverhältnisse lediglich eine Übergangsmöglichkeit sei.

 

3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 6 Abs. 1 FPG richtet sich im fremdenpolizeilichen Verfahren die örtliche Zuständigkeit der Behörde nach dem Hauptwohnsitz im Sinn des § 1 Abs. 7 des Meldegesetzes 1991, in Ermangelung eines solchen nach dem sonstigen Wohnsitz des Fremden im Bundesgebiet.

 

Der Bescheid der belangten Behörde ist mit 28. Juni 2012 datiert. Zu diesem Zeitpunkt war der Bw bereits mit Hauptwohnsitz im Gefangenenhaus X polizeilich gemeldet. Örtlich zuständig zur Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes wäre daher der Bezirkshauptmann des Bezirkes Ried im Innkreis, und nicht jener des Bezirkes Wels-Land, gewesen. Dass das gegenständliche Verfahren bereits in einem Zeitpunkt eingeleitet wurde, in welchem der Bw noch einen Nebenwohnsitz im Bezirk Wels-Land gehabt hat, vermag an der eingetretenen Unzuständigkeit nichts zu ändern.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich verkennt nicht, dass der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich davon ausgeht, dass die Begründung eines Wohnsitzes den Aufenthalt an einem bestimmten Ort und den Willen, dort zu bleiben, voraussetzt. Ein, etwa wegen Strafhaft, zwangsweise begründetet Aufenthaltsort sei daher nicht als Wohnsitz im Sinne des § 6 Abs. 1 FPG anzusehen (VwGH 28.2.2008, 2008/21/0069). Der Entscheidung ist jedoch auch zu entnehmen, dass die Strafhaft lediglich dann keinen Wohnsitz begründet, wenn ein anderer dadurch aufgegeben würde. Oder anders gewendet: Hat eine Person keinen aufrechten Wohnsitz und wird in Strafhaft genommen, begründet dies sehr wohl einen Wohnsitz im Sinne der letztzitierten Bestimmung.

 

Dass der Bw vor Begründung des Hauptwohnsitzes im Gefangenenhaus X am 18. Juni 2012 seit 29. September 2011 keinen Hauptwohnsitz mehr im Bundesgebiet gehabt hat, geht aus dem Zentralen Melderegister unzweifelhaft hervor. Dass der Bw über einen solchen auch nicht verfügte, wird schon dadurch indiziert, als der Bw nach seiner Entlassung nicht an einen Wohnsitz zurückkehren, sondern nur vorübergehend bei seiner Schwester Unterkunft finden könnte.

 

Im gegenständlichen Fall ist daher davon auszugehen, dass der Bw seit 18. Juni 2012 einen Hauptwohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 7 Meldegesetz 1991 in X begründet hat. Daraus ergibt sich in Folge freilich, dass der Bezirkshauptmann des Bezirkes Wels-Land im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides örtlich nicht (mehr) zuständig war, eine solche Entscheidung zu treffen.

 

4.2. Eine Sanierung durch die Entscheidung der örtlich und sachlich zuständigen Behörde im Wege des Berufungsverfahrens vermag die örtliche Unzuständigkeit der Erstinstanz nur im Hinblick auf das durch Art. 83 Abs. 2 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter zu sanieren. Die einfachgesetzliche Verletzung der Zuständigkeitsordnung kann hingegen durch eine Entscheidung der in jeder Hinsicht zuständigen Berufungsbehörde nicht heilen.

 

4.3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Von einer Übersetzung gemäß § 59 Abs. 1 FPG konnte aufgrund der sehr guten Deutschkenntnisse des Bw abgesehen werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 18,20 Euro (14,30 Euro Eingabegebühr + 3,90 Euro Beilage) angefallen.

 

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

Beschlagwortung:

Wohnsitz, Strafhaft, örtliche Zuständigkeit, § 6 (1) FPG

 

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