Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730657/2/BP/MZ/WU

Linz, 16.08.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, geboren am X, Staatsangehöriger von Serbien, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land vom 22. Dezember 2008, GZ: Sich-04/1840/1987+2, betreffend die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 63, 64 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2012/50

§ 66 Abs. 4 iVm § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land vom 22. Dezember 2008, GZ: Sich-04/1840/1987+2, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 sowie §§ 63 bis 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Zugleich wurde die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.

 

Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde nach Wiedergabe einschlägiger fremdenpolizeilicher Vorschriften wie folgt aus:

 

Die Behörde geht hinsichtlich der Ihre Person betreffenden Umstände und persönlichen Verhältnisse von folgendem Sachverhalt aus:

 

Sie halten sich seit Geburt in Österreich auf und gelten somit als langjährig in Österreich niedergelassen.

 

Während Ihres Aufenthaltes haben Sie folgende Straftaten begangen:

 

Gegen Sie liegen folgende gerichtliche Verurteilungen vor:

1.) LG Linz, Zl. 27 VR 309/2000 Hv 4/2000 vom 16.05.2000, rechtskräftig seit 14.12.2000, gemäß §§ 142/1 15 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren.

 

zu LG Linz Zl. 27 VR 309/2000 Hv 4/2000, rechtskräftig seit 14.12.2000, aus der Freiheitsstrafe bedingt entlassen am 01.12.2001, Probezeit 3 Jahre.

Anordnung der Bewährungshilfe LG Linz Zl. 20 BE 1059/2001 H vom 16.10.2001.

 

zu LG Linz Zl. 27 VR 309/2000 Hv 4/2000, rechtskräftig seit 14.12.2000, Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre LG Linz Zl. 24 Hv 120/2002F/B vom 06.09.2002.

 

zu LG Linz Zl. 27 VR 309/2000 Hv 4/2000, rechtskräftig seit 14.12.2000, Aufhebung der Bewährungshilfe LG Linz Zl. 20 BE 1059/2001H vom 19.12.2005

 

Sie und X haben durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, nämlich jeweils durch Vorhalt einer "Softgun-Pistole", nachstehenden Personen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen bzw. abgenötigt bzw. wegzunehmen oder abzunötigen versucht, sich durch Zueignung dieser Gegenstände unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

1.       in Gesellschaft mit dem abgesondert verfolgten Jugendlichen X als Mittäter am 18.12.1999 in Traun der X einen Bargeldbetrag von S 8.427,--;

2.       in Gesellschaft mit den abgesondert verfolgten Jugendlichen X und X als Mittäter am 23.12.1999 in Linz dem X einen nicht näher genannten Bargeldbetrag, wobei es beim Versuch geblieben ist;

3.       in Gesellschaft mit den abgesondert verfolgten Jugendlichen X und X als Mittäter am 23.12.1999 dem X einen Bargeldbetrag von S 6.000,--.

 

2.) LG Linz Zl. 24 Hv 120/2002F vom 06.09.2002, rechtskräftig seit 03.12.2002 gemäß §§ 15, 127, 129/1 StGB, Freiheitsstrafe 10 Monate, Vollzugsdatum: 15.06.2003

 

Sie haben am 15.08.2002 in P fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in Höhe von € 353,99 und eine Kellnerbrieftasche in unbekanntem Wert dem X als Verantwortlichen des Geschäftes "V" durch Einbruch in das Gebäude, indem Sie mit einem mitgeführten Montiereisen ein Fenster aufzwängten und in die Räumlichkeiten einstiegen, mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch Zueignung dieser Sachen unrechtmäßig zu bereichern.

 

3.) LG Linz, Zl. 24 HV 116/2005X vom 19.09.2005, rechtskräftig seit 19.09.2005 gemäß §§ 127, 129 Z 1 u. 2, 130 4. Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten

 

zu LG Linz Zl. 24 Hv 116/2005X vom 19.09.2005, rechtskräftig seit 19.09.2005, aus der Freiheitsstrafe bedingt entlassen am 15.01.2007, Probezeit 3 Jahre LG Linz Zl. 20 BE 439/2006I vom 21.11.2006.

zu LG Linz Zl. 24 Hv 116/2005X, rechtskräftig seit 19.09.2005, Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre BG Linz ZI. 18 U 387/2007W vom 21.09.2007.

 

Sie haben in Traun nachgenannten Personen fremde bewegliche Sachen jeweils durch Einbruch mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, teils weggenommen und teils wegnehmen versucht, wobei Sie die Einbruchsdiebstähle in der Absicht begingen, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar:

I.   in der Nacht zum 14.07.2005

1.      dem X eine Handkasse samt ca. € 100,- Bargeld sowie 25 Briefmarken im Gesamtwert von € 6,- durch Aufbrechen der Eingangstüre einer Arztpraxis;

2.      der X durch Aufbrechen eines Imbissstandes, wobei die Tatvollendung infolge Unvermögens unterblieb;

3.      der X Bargeld durch Aufbrechen der Eingangstüre des Frisiersalons "H-Shop", wobei die Tatvollendung infolge Unvermögen unterblieb.

II. .in der Nacht zum 15.07.2005

1.       den Verantwortlichen des Kindergartens X gesamt ca. € 100,-- Bargeld durch Aufzwängen einer Terassentüre und Aufbrechen von Laden und einer Handkasse;

2.       der X Bargeld durch Aufzwängen der Eingangstüre des Friseursalons "H-Shop", wobei die Tatvollendung infolge Unvermögens unterblieb.

III. in der Nacht vom 19.07.2005

1.       den Verfügungsberechtigten des Kindergartens X ca € 100,-- Bargeld durch Einschlagen der Eingangstüre und Aufzwängen von Laden;

2.       den Verfügungsberechtigten des Kindergartens X eine Kunststofftasche samt € 5,10 Bargeld durch Aufzwängen der Eingangstüre des Kindergartens;

3.       dem X Bargeld durch Aufzwängen der Eingangstüre der Stadtapotheke, wobei die Tatvollendung infolge Unvermögen unterblieb;

4.       den Verfügungsberechtigten des Restaurants des Badezentrums Traun Bargeld durch Aufzwängen der Eingangstüre des Restaurants, wobei die Tatvollendung infolge Unvermögen und Ihrer nachfolgenden Verhaftung unterblieb.

 

4.)BG Linz Zl. 18 U 387/2007W vom 21.09.2007, rechtskräftig seit 25.09.2007 gemäß § 27/1 1. 2. 6. Fall SMG, Freiheitsstrafe 6 Wochen.

 

Sie haben in Linz den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift erworben, besessen und teilweise versucht, teilweise vollendet anderen überlassen, und zwar:

1.       am 28.04.2007 1,5 Gramm Cannabisharz besessen und zuvor einen Teil seines angekauften Suchtmittels an einen Freund verschenkt;

2.       am 14.07.2007 versucht, einer unbekannten Person ein Päckchen Cannabiskraut zu verkaufen und 15,5 Gramm Marihuana besessen.

 

5.) LG Linz Zl. 28 Hv 55/2008K vom 30.05.2008, rechtskräftig seit 30.05.2008 gemäß §§ 127, 129/1, 129/2, 130 4, Fall, 15/1 StGB, Freiheitsstrafe 2 Jahre.

 

Sie haben in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung gleichartiger Diebstähle durch Einbruch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nachangeführte fremde bewegliche Sachen nachgenannten Personen mit dem Vorsatz weggenommen bzw. wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

1.       am 07.02.2008 in Traun Verfügungsberechtigten der Fa. X dadurch, dass Sie durch Aufzwängen bzw. Aushebeln zweier Fenster mittels mitgeführter Flachwerkzeuge in das in X, etablierte Firmengebäude der Geschädigten gelangten, wo Sie eine Innentüre aufzwängten und weiters einen Standtresor aufzuzwängen versuchten, sohin durch Einbruch in ein Gebäude und einen abgeschlossenen Raum sowie durch Aufbrechen eines Behältnisses, werthältige Gegenstände, die Sie zu finden hofften, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist;

2.            am 07.02.2008 in Traun Verfügungsberechtigten der Fa. X dadurch, dass Sie durch Aufzwängen eines Kunststofffensters mittels eines mitgeführten Flachwerkzeuges in das in X, etablierte Bürogebäude der Geschädigten gelangten, wo Sie eine Lagerhallentüre aufzuzwängen versuchten, |sohin durch Einbruch in ein Gebäude und in einen abgeschlossenen Raum, einen Bargeldbetrag von etwa € 45,--, eine Fotokamera der Marke "Canon" im Wert von ca. € 100,--, sowie werthaltige Gegenstände, die Sie in der Lagerhalle zu finden hofften, wobei die Tat diesbezüglich beim Versuch geblieben ist;

3.            am 07.02.2008 in H X dadurch, dass Sie durch Aufzwängen der Eingangstüre mittels eines mitgeführten Flachwerkzeuges in die in X, etablierte Imbissstube "X' der Geschädigten gelangten, sohin durch Einbruch in ein Gebäude, vier Donuts und eine Stange Zigaretten der Marke "Memphis" im Gesamtwert von etwa € 40,--;

4.            am 07.02.2008 in H X dadurch, dass Sie durch Aufzwängen eines Oberlichtenfensters mittels eines mitgeführten Flachwerkzeuges in das in X, etablierte Tankstellengebäude des Geschädigten zu gelangen versuchten, werthaltige Gegenstände, die Sie zu finden hofften, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist;

5.            am 08.02.2008 in L X dadurch, dass Sie durch das Aufzwängen eines Fensters zum Verkaufsraum mittels eines mitgeführten Montiereisens in das in X, etablierte Trafikgebäude der Geschädigten gelangten, sohin durch Einbruch in ein Gebäude, vier Kunststoffboxen mit Rubellosen in unbekannten Wert.

 

Aufgrund dieser Verurteilungen wurde gegen Sie mit Schreiben vom 07.10.2008 ein Aufenthaltsverbotsverfahren eingeleitet, das Schreiben wurde Ihnen mit RSa-Brief am 22.10.2008 zugestellt. Ihnen wurde die Möglichkeit eingeräumt, zum vorliegenden Sachverhalt binnen einer Frist von 2 Wochen ab Erhalt des Schreibens schriftlich Stellung zu nehmen.

 

In Ihrer Stellungnahme vom 22.10.2008, geben Sie an, dass Sie in Österreich geboren sind, Ihre gesamte Familie hier lebt und Sie zu Ihrem Ursprungsland Serbien nur sporadischen Kontakt haben. Ein Großteil Ihrer Familie lebt über 30 Jahre in Österreich und haben teilweise die österreichische Staatsbürgerschaft. Sie haben in Österreich die Volksschule und die Hauptschule absolviert und haben eine Schlosserlehre erfolgreich abgeschlossen. Mit 14 Jahren sind Sie das erste Mal mit Drogen in Kontakt gekommen und seit Jahren drogenabhängig. Ihr Leben ist im wesentlichen von Ihrer Sucht kontrolliert und gesteuert worden, Sie unterziehen sich seit 01.09.2008 aufgrund einer gerichtlichen Weisung einer stationären Drogentherapie beim Institut "X" in X in der Steiermark. In dem Ihrer Stellungnahme beigelegtem Therapiezwischenbericht schreiben Ihre Betreuer dass Sie derzeit rückfallsfrei sind, regelmäßig an Therapiesitzungen teilnehmen und Ihre Aufgaben zur Zufriedenheit erledigen. Voraussichtlich werden Sie nach Abschluss der Drogentherapie bei Ihrem ehemaligen Dienstgeber wieder zu arbeiten anfangen. Um Ihre Sucht zu finanzieren haben Sie die oben angeführten Straftaten begangen. Sie haben derzeit eine Freundin, mit der Sie bereits einige Zeit zusammengelebt haben und mit ihr auch eine Lebensgemeinschaft eingehen möchten. Sie beherrschen die serbokroatische Sprache kaum, sind auch nur gelegentlich mit Ihren Eltern nach Serbien gefahren. Weiters führen Sie an, dass Sie in Österreich einen starken familiären Rückhalt haben, Sie sozial integriert sind und Ihr Freundeskreis überwiegend aus österreichischen Staatsbürgern besteht.

 

Die ha. Behörde hat aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes unter Einbeziehung Ihrer Stellungnahme folgendes erwogen:

 

Ein Aufenthaltsverbot kann gemäß § 60 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz (früher § 36 Abs. 1 Fremdengesetz) auch dann erlassen werden, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen die im Abs. 2 angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die in § 60 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz umschriebene Annahme rechtfertigen (siehe neben vielen anderen die Erkenntnisse vom 2.4.1990, Zl. 90/19/0136 und vom 2.12.1991, Zl. 90/19/0585)

 

Die Behörde ist demnach unter Zugrundelegung des festgestellten Gesamtverhaltens des Fremden berechtigt zu prüfen, ob die im § 60 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz umschriebene Annahme gerechtfertigt ist.

 

Auf Ihren Fall bezogen hat die Abwägung des Sachverhaltes besonders unter Einbeziehung der oben zitierten gerichtlichen Verurteilungen und Ihrem sonstigen Verhalten zu erfolgen.

 

Festzuhalten ist, dass Sie seit 1995 immer wieder straffällig werden. Bei den gerichtlichen Verurteilungen ist festzustellen, dass unbedingte Freiheitsstrafen ausgesprochen wurden, wobei 3 Verurteilungen zusätzlich auf Taten beruhen, der die gleiche schädliche Neigung (gewerbsmäßiger Diebstahl) zugrunde liegt. Die Tatsache, dass gegen Sie unbedingte Freiheitsstrafen verhängt bzw. bedingte Freiheitsstrafen widerrufen wurden lässt darauf schließen, das die österreichischen Gerichte keine günstige Zukunftsprognose mehr abgeben können.

 

Es stellt sich folgendes Persönlichkeitsbild dar:

 

Sie verfügen offenbar über ein großes Potential an krimineller Energie und Sie sind auch bereit, andere Menschen gesundheitlich zu gefährden (siehe Verurteilung wegen des Handels mit Suchtmitteln). Während Ihres gesamten Aufenthaltes im Bundesgebiet haben Sie in jeder nur möglichen Form die österreichische Rechtsordnung gebrochen und missachtet. Es muss fast mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass Sie im Falle eines weiteren Aufenthaltes in Österreich wieder straffällig werden.

 

Auf Grund dieser Tatsachen und deren Wertung ist die Annahme gerechtfertigt, dass Ihr Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet und den in Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Die Tatsachen wiegen so schwer, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist (§ 60 FPG).

 

Im Rahmen der Ausübung des der Behörde aufgrund des § 60 Abs. 1 FPG eingeräumten freien Ermessens ging die Behörde von folgenden Überlegungen aus:

 

Bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes manifestiert sich die Kollision verschiedener unvereinbarer Interessen.

Schon aufgrund der aus §§ 60 Abs.1 und Abs. 2 Ziff. 1 FPG 2005 und Art. 8 Abs. 2EMRK einerseits und § 63 bis 66 FPG 2005 andererseits, abzuleitenden Ermessensdeterminanten ergibt sich, dass die öffentlichen Interessen an Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie am wirtschaftlichen Wohl des Landes, an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, am Schutz der Gesundheit und Moral und am Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, den Interessen des Betroffenen am Privat- und Familienleben gegenüberzustellen und unter Bedachtnahme auf die individuellen Umstände gegeneinander abzuwägen sind.

 

Aus den zit. Rechtsbestimmungen ist abzuleiten, dass die Interessen des Privat- und Familienlebens nur dann entscheidend ins Gewicht fallen können, wenn sie in Summe schwerer wiegen als die zu erwartenden Beeinträchtigungen und Gefährdungen der öffentlichen Interessen. Dazu ist festzustellen, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht erst mit der tatsächlichen Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen, sondern bereits das Vorliegen einer bloßen Gefährdung gegeben ist.

 

Da einerseits die öffentlichen Interessen nicht mehr geschützt werden können, wenn der Betroffene sie durch die Realisierung bestimmter Tatsachen bereits in der Vergangenheit verletzt hat und andererseits pro futuro ein effektiver Schutz nicht in der Inkaufnahme neuerlicher Verletzungen bestehen kann, basiert die Entscheidung nach § 60 Abs. 1 FPG stets auf einer Prognose über das zukünftige Verhalten des Betroffenen, getroffen aufgrund historischer Sachverhalten und deren Wertung.

 

Die von Ihnen begangenen Straftaten verletzten bereits die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen.

 

Zusammenfassend ist somit auszuführen, dass aus den obzit. Gründen die Befürchtung der Begehung neuer Straftaten mit großer Wahrscheinlichkeit nicht ausgeschlossen werden kann.

 

Nach Ansicht der Behörde kann nicht von einer zu Ihren Gunsten ausschlaggebenden Integration gesprochen werden, da das Ausmaß der dafür wesentlichen sozialen Komponente angesichts der Zahl der von Ihnen begangenen Straftaten äußerst gering anzusehen ist.

 

In Anbetracht der somit, wie bereits angeführt, bestehenden gravierenden öffentlichen Interessen kann auch die Berücksichtigung der Dauer Ihres Aufenthaltes und die familiäre Bindungen (Ihre gesamte engere Familie ist in Österreich aufhältig) nicht entscheidend zu ihren Gunsten ins Gewicht fallen.

 

Man kann die Interessen eines Einzelnen oder Wenigen nicht dadurch schützen, indem man die Allgemeinheit bzw. eine Vielzahl von Personen der Gefährdung durch einen Einzelnen aussetzt. Ein durch die Verhängung des Aufenthaltsverbotes erfolgender Eingriff in Ihr Privatleben ist zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen dringend geboten.

 

Auf Grund der obzit. Ausführungen und unter Berücksichtigung Ihrer persönlichen Lebenssituation wird festgestellt, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wiegen als die Auswirkungen auf Ihre persönliche bzw. familiäre Lebenssituation.

 

Gemäß § 61 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist, es sei denn der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als einer unbedingten zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden oder würde einen der in § 60 Abs.2 Z12 bis Z14 bezeichneten Tatbestände verwirklichen.

In ihrem Fall ist festzuhalten, dass Sie starke familiäre Bindungen zu Österreich haben. Andererseits wurden sie einmal zu einer dreijährigen, einmal zu einer zweijährigen, einmal zu einer zwanzigmonatigen und einer zehnmonatigen unbedingten Haftstrafe verurteilt. Nach Verbüßung der ersten Haftstrafe wurde Ihnen die Möglichkeit eingeräumt, ein neues Leben zu beginnen und sich in Österreich zu integrieren. Sie haben jedoch weiterhin Straftaten begangen, was zu einer neuerlichen massiven Verurteilung führte. Somit kann seitens der ha. Behörde keine günstige Zukunftsprognose abgegeben werden, da nicht auszuschließen ist, dass Sie neuerlich straffällig werden.

 

Zusammenfassend kann in Ihrem Fall nicht davon ausgegangen werden, dass Ihr Recht auf Familienleben schwerer wiegt als die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu Schutz der Gesellschaft.

 

Bei der Abwägung wurde die Dauer Ihres Aufenthaltes, das Ausmaß der Integration und die Intensität der familiären und sonstigen Bindungen berücksichtigt. Wie oben bereits ausgeführt wurden Sie bereits im Jahr 1995 das erste Mal straffällig.

 

Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes war auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

 

Auf Grund der schweren gerichtlichen Verurteilungen und deren Wertung kann keine günstige Zukunftsprognose getroffen werden. Es ist daher nicht abzusehen, wann der Grund für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegfällt. Das Aufenthaltsverbot ist daher unbefristet zu erlassen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

ad II:

 

Gemäß. 64 Abs. 2 AVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausschließen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

 

Bei Fremden, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf gemäß § 64 FPG die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen ein Aufenthaltsverbot nur ausgeschlossen werden, wenn die sofortige Ausreise des Fremden im Interesse der öffentlichen Ordnung oder aus Gründen der nationalen Sicherheit erforderlich ist.

 

Ihre sofortige Ausreise ist wegen Gefahr im Verzug im Interesse des öffentlichen Wohles bzw. der öffentlichen Ordnung dringend erforderlich, es können vor allem in Anbetracht des ggstl. Aufenthaltsverbotes im Zusammenhalt mit Ihrer ständigen Missachtung der österreichischen Rechtsordnung weitere Verbrechen gegen die Allgemeinheit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ausgeschlossen werden.

 

Es ist somit einer allfälligen Berufung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.

 

1.3. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 11. September 2009, Zahl: E1/830/2009, wurde der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

1.4. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juli 2012, Zl. 2009/21/0323-9, wurde der Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

 

2.1. Die Sicherheitsdirektion für das Bundsland Oberösterreich legte nunmehr den in Rede stehenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 9. August 2012 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, Einholung eines Auszuges aus dem Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystem sowie eines Auszuges aus dem Zentralen Melderegister.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (vgl. § 67d Abs. 2 Z 1 AVG).

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten, unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Einleitend ist vorauszuschicken, dass von den Behörden im Verwaltungsverfahren grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im jeweiligen Entscheidungszeitpunkt heranzuziehen sind. Wenn der Bescheid der belangten Behörde aufgrund der durch den Bw an den Tag gelegten maßlosen kriminellen Energie auch einer Prüfung anhand der damaligen Rechtslage standhalten dürfte,

bedeutet dies im vorliegenden Fall dennoch, dass die mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 erfolgten Änderungen der Rechtslage nicht außer Acht gelassen werden dürfen.

 

3.2. Gemäß § 63 Abs. 1 FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2012 kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.      die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.      anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen    zuwiderläuft.

 

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des
§ 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

3.3. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass der Bw über einen Aufenthaltstitel verfügt und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Daher sind grundsätzlich die oben genannten Bestimmungen zur Prüfung des Aufenthaltsverbotes heranzuziehen.

 

Allerdings ist davor noch auf die besonderen Ausschließungsgründe des § 64 FPG einzugehen.

 

Der Bw wurde in Österreich geboren und ist seither im Inland aufhältig. Einschlägig ist daher in jedem Fall § 64 Abs. 1 Z 2 FPG, wonach ein Aufenthaltsverbot gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht erlassen werden darf, wenn er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

 

Die Einschränkung, dass trotzdem der Drittstaatsangehörige von klein auf im Inland aufgewachsen und langjährig hier rechtmäßig niedergelassen ist, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden kann, wenn der Fremde wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu einer mehr als unbedingten zweijährigen Haftstrafe verurteilt wurde, besteht nach der aktuellen Rechtslage nicht mehr.

 

3.5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Auf eine Übersetzung von Spruch und Rechtsmittelbelehrung (vgl. § 59 Abs. 1 FPG) konnte aufgrund der Deutschkenntnisse des Bw verzichtet werden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 


Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

Bernhard Pree

Beschlagwortung:

Aufenthaltsverbot, von Klein auf im Inland aufgewachsen, § 64 (1) 1 FPG

 

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