Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-301053/21/Gf/Rt

Linz, 21.08.2012

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Gróf über die Berufung der L, vertreten durch RA Dr. P, gegen den eine Beschlagnahme von Geräten nach dem Glücksspielgesetz anordnenden Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 5. Mai 2011, Zl. Pol96-68-2011, zu Recht:

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 5. Mai 2011, Zl. Pol96-68-2011, wurde zwecks Sicherung der Einziehung gemäß § 53 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Glücksspielgesetzes, BGBl.Nr. 620/1989, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 111/2010 (im Folgenden: GSpG), die Beschlagnahme von zwei näher bezeichneten, am 23. März 2011 zunächst von Organen der Finanzpolizei in einem Lokal in X vorläufig beschlagnahmten Glücksspielgeräten nunmehr behördlich angeordnet; unter einem wurde wegen Gefahr in Verzug die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Verdacht bestehe, dass die Rechtsmittelwerberin als Eigentümer bzw. Unternehmer i.S.d. GSpG mit diesen Geräten seit August 2010 wiederholt Ausspielungen durchgeführt hätte, in deren Zuge der Spieler keinerlei Möglichkeit gehabt habe, bewusst auf das Spielergebnis einen Einfluss zu nehmen, obwohl die Beschwerdeführerin nicht über eine hierfür erforderliche Konzession verfügen würde. Daher sei auf diesem Wege verbotenerweise in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen worden.

 

1.2. Gegen diesen ihr am 10. Mai 2011 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 23. Mai 2011 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachte Berufung.

 

Darin wird vorgebracht, dass im gegenständlichen Fall nicht bloß eine Übertretung des GSpG, sondern vielmehr der gerichtlich strafbare Tatbestand des § 168 StGB vorliege, weil auf den gegenständlichen Geräten kein Einzelspiel mit einem Einsatz von weniger als 10 Euro möglich sei. Somit sei sowohl die Beschlagnahme dieses Gerätes durch die Finanzpolizei als auch der bescheidmäßige Beschlagnahmeausspruch seitens einer unzuständigen Behörde vorgenommen worden.

 

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

2.1. Mit h. Erkenntnis vom 12. Juli 2011, Zl. VwSen-301053/2/Gf/Mu, hat der Oö. Verwaltungssenat dieser Berufung stattgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das Glücksspielwesen mit der Novelle BGBl.Nr. I 73/2010 einem grundsätzlich neuen System unterstellt worden sei, und zwar derart, dass neben den dem Monopol des Bundes unterliegenden Ausspielungen in Form von Lotterien und Spielbanken nunmehr auch das für vergleichsweise geringere Einsätze und Gewinne konzipierte sog. "kleine Glücksspiel" mittels Automaten explizit einer Konzessionspflicht unterstellt und damit für zulässig erklärt ist, wobei die darauf bezüglichen Vorschriften vom Landesgesetzgeber zu erlassen sind; hinsichtlich derartiger "Landesausspielungen" bestehe sohin (mangels eines entsprechenden Kompetenztatbestandes in Art. 12 B-VG) eine ergänzende, inhaltlich allerdings auf jener des Bundes notwendig aufbauende Regelungszuständigkeit der Länder (die jedoch – im Gegensatz zum Verhältnis zwischen Grundsatz- und Ausführungsgesetz gemäß Art. 12 B-VG – von Letzteren nicht in Anspruch genommen werden müsse, also auch ungenutzt bleiben könne).

Im Besonderen gelte nunmehr Folgendes:

Nach § 3 GSpG ist das Recht zur Durchführung von Glücksspielen dem Bund vorbehalten, soweit das GSpG selbst – wie z.B. § 4 Abs. 2 GSpG – hiervon keine Ausnahme vorsieht.

Gemäß § 2 Abs. 4 GSpG sind solche Ausspielungen verboten, für die einerseits eine Konzession oder Bewilligung nach dem GSpG nicht erteilt wurde und die andererseits auch nicht i.S.d § 4 GSpG vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen sind.

Nach § 4 Abs. 1 GSpG unterliegen Glücksspiele u.a. dann nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes, wenn sie einerseits nicht in Form einer Ausspielung sowie andererseits bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge durchgeführt werden.

Nach § 4 Abs. 2 GSpG unterliegen weiters auch Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten i.S.d. § 5 GSpG nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes; dies trifft – soweit im vorliegenden Fall von Interesse – insbesondere dann zu, wenn im Zuge einer konzessionierten Ausspielung in einem Automatensalon (mit mindestens 10 und höchstens 50 Glücksspielautomaten) als ordnungspolitische Mindestvoraussetzung eine Spielsuchtvorbeugung derart, dass die vermögenswerte Leistung des Spielers höchstens 10 Euro pro Spiel beträgt und der Gewinn 10.000 Euro pro Spiel nicht überschreitet, bzw. im Zuge einer Ausspielung im Wege einer Einzelaufstellung als ordnungspolitische Mindestvoraussetzung eine Spielsuchtvorbeugung derart, dass die vermögenswerte Leistung des Spielers höchstens 1 Euro pro Spiel beträgt und der Gewinn 1.000 Euro pro Spiel nicht überschreitet, eingehalten wird (§ 5 Abs. 1 Z. 1 i. V.m. § 5 Abs. 5 lit. a Z. 1 und 2 bzw. § 5 Abs. 5 lit. b Z. 1 und 2 GSpG).

Werden hingegen im Zusammenhang mit der Teilnahme an einer Ausspielung (mit oder ohne Glücksspielautomaten) von einem Spieler vermögenswerte Leistungen von über 10 Euro pro Spiel geleistet, so handelt es sich gemäß § 52 Abs. 2 GSpG nicht mehr um "geringe Beträge" (i.S.d. § 4 Abs. 1 GSpG), sodass eine allfällige Strafbarkeit nach dem GSpG hinter eine solche gemäß § 168 StGB zurücktritt.

Nach § 53 Abs. 1 Z. 1 lit. a GSpG kann die Behörde u.a. dann die Beschlagnahme eines Glücksspielautomaten anordnen, wenn entweder dessen Verfall oder Einziehung vorgesehen ist und zudem der Verdacht besteht, dass mit diesem fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen wird. Diese Befugnis besteht nach § 52 Abs. 2 zweiter Satz GSpG explizit selbst dann, wenn eine allenfalls gemäß § 52 Abs. 1 GSpG gegebene Strafbarkeit hinter eine solche nach § 168 StGB zurücktritt.

Nach § 115 Abs. 1 Z. 1 Strafprozessordnung, BGBl.Nr. 631/1975, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 108/2010 (im Folgenden: StPO), ist eine Beschlagnahme zulässig, wenn die sichergestellten Gegenstände voraussichtlich im weiteren Verfahren als Beweismittel erforderlich sein werden. Über eine solche Beschlagnahme hat gemäß § 115 Abs. 2 StPO das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft  oder einer von der Sicherstellung betroffenen Person unverzüglich zu entscheiden. Nach § 110 Abs. 3 Z. 1 lit. c StPO ist die Kriminalpolizei – hierzu zählt nach § 18 StPO jedoch nicht die Finanzpolizei i.S.d. § 12 des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes, BGBl.Nr. I 9/2010, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 105/2010 (im Folgenden: AVOG) – berechtigt, Gegenstände i.S.d. § 109 Z. 1 lit. a StPO von sich aus sicherstellen, wenn sie am Tatort aufgefunden wurden und zur Begehung der strafbaren Handlung verwendet oder dazu bestimmt worden sein könnten; diese Sicherstellung endet nach § 113 Abs. 1 Z. 3 StPO dann, wenn das Gericht die Beschlagnahme anordnet.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 GSpG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen, der verbotene Ausspielungen i.S.d. § 2 Abs. 4 GSpG veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht; § 54 Abs. 1 GSpG ordnet in Bezug auf Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen wird, zum Zweck der Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen deren Einziehung an und § 53 Abs. 2 GSpG ermöglicht deren vorläufige bzw. § 53 Abs. 1 GSpG deren endgültige Beschlagnahme.

Im gegenständlichen Fall sei die Kontrolle und die vorläufige Beschlagnahme der Glückspielautomaten – dass es sich hier um solche i.S. der umfassenden Neudefinition des § 2 Abs. 3 GSpG handle, sei von fachkundigen Prüforganen der Ermittlungsbehörde festgestellt und von der Beschwerdeführerin auch nicht substantiell bestritten worden – im örtlichen Wirkungsbereich der Bezirkshauptmannschaft Gmunden von Organen der Abgabenbehörden i.S.d. § 12 AVOG, nämlich von Beamten des Finanzamtes Gmunden-Vöcklabruck, vorgenommen worden.

Im Zuge dessen habe die Finanzpolizei (als Hilfsorgan des Finanzamtes als Abgabenbehörde erster Instanz gemäß § 13 Abs. 1 Z. 3 AVOG) – wie aus dem vorgelegten erstbehördlichen Akt und den darin befindlichen Beweisfotos hervorgehe (und von der Beschwerdeführerin auch nicht in Abrede gestellt werde) – auf dem im Akt als "Nr. 1" gekennzeichneten Glückspielgerät ein virtuelles Walzenspiel mit der Bezeichnung "Hot Diamonds" mit einem Einsatz in Höhe von 10,80 Euro (dem ein in Aussicht gestellter Höchstgewinn von 1.200 Euro gegenübergestanden sei) und auf dem als "Nr. 2" gekennzeichneten Glückspielgerät ein virtuelles Walzenspiel mit der Bezeichnung "Devil´s Barbecue" mit einem Einsatz in Höhe von 10,50 Euro (dem ein in Aussicht gestellter Höchstgewinn von 10.500 Euro gegenübergestanden sei), durchgeführt.

Auf diese Weise sei zweifelsfrei der Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung gemäß § 168 StGB festgestellt worden (vgl. die dementsprechende ex-lege-Grenzziehung des § 52 Abs. 2 erster Satz GSpG).

Wenngleich die Organe der Finanzpolizei nach § 18 StPO nicht zur Kriminalpolizei zählen, so sei deren Vorgangsweise aber dennoch deshalb zulässig gewesen, weil § 52 Abs. 2 zweiter Satz GSpG im Wege einer Spezialbestimmung zur StPO anordne, dass die den Organen der öffentlichen Aufsicht – wozu nach § 50 Abs. 2 GSpG explizit auch die Organe der Abgabenbehörden zählen – überantworteten Sicherungsbefugnisse (nämlich: Beschlagnahme, Einziehung und Betriebsschließung gemäß den §§ 53, 54 und 56a GSpG) auch dann zum Tragen kommen, wenn sich ergeben sollte, dass mit den Gegenständen nicht bloß eine Verwaltungsübertretung, sondern eine gerichtlich strafbares Delikt begangen wurde.

Diese Sonderregelung sei jedoch nach ihrem Wortlaut ausdrücklich auf die Aufsichtsorgane und deren vorläufige Eingriffsbefugnis begrenzt; sie erstrecke sich dem gegenüber nicht auch auf die Behörden selbst, die in der Folge über die Rechtmäßigkeit und Dauerhaftigkeit dieser einstweiligen Sicherungsmaßnahmen zu befinden haben. Hinsichtlich letzterer bleibe somit die darauf, ob eine verwaltungsbehördlich oder gerichtliche strafbare Handlung vorliegt, aufbauende und in der Folge strukturell maßgebliche Trennung zwischen behördlicher und gerichtlicher Zuständigkeit bestehen, wie dies auch dem Verfassungsprinzip des Art. 94 B-VG entspreche.

Wenn daher die Organe der Finanzpolizei als Hilfsorgan des Finanzamtes als Abgabenbehörde erster Instanz gemäß § 13 Abs. 1 Z. 3 AVOG eine vorläufige Beschlagnahme nach § 53 Abs. 2 GSpG – wie hier – aus Anlass einer gerichtlich strafbaren Handlung vorgenommen haben, dann habe über deren Rechtmäßigkeit und weitere Aufrechterhaltung nicht die für die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 50 Abs. 1 GSpG zuständige Bezirksverwaltungsbehörde bzw. Bundespolizeidirektion, sondern die nach der StPO hierfür kompetente Institution (i.d.R. die Staatsanwaltschaft gemäß § 110 Abs. 2 StPO bzw. das Gericht i.S.d. § 115 Abs. 2 StPO) zu entscheiden.

Aus all dem folge, dass der hier bekämpfte Bescheid von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen wurde. Daher sei der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben gewesen.

2.2. Gegen diese Entscheidung hat die Bundesministerin für Finanzen eine Amtsbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

3. Mit Erkenntnis vom 16. November 2011, Zl. 2011/17/0226, hat der Verwaltungsgerichtshof dieser Beschwerde stattgegeben und den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründend wurde dazu unter Hinweis auf das (erst ex post ergangene) Erkenntnis des VwGH vom 20. Juli 2011, Zl. 2011/17/0097, ausgeführt, dass eine behördliche Beschlagnahme nach § 53 Abs. 1 GSpG auch dann zulässig sei, wenn eine Strafbarkeit nach § 168 StGB vorliegen sollte, sodass hierfür nicht entscheidungswesentlich sei, ob das Tatbild des § 168 StGB verwirklicht wurde. Dem stehe – wie sich aus dem Erkenntnis des VwGH vom 10. Oktober 2011, Zl. 2011/17/0110, ergebe – auch das verfassungsrechtliche Prinzip der Gewaltentrennung nicht entgegen, weil nach dem letzten Satzteil des § 52 Abs. 2 GSpG die Befugnisse im Rahmen der behördlichen Sicherungsmaßnahmen (wie z.B. einer Beschlagnahme) ausdrücklich unberührt bleiben.

 

4. In der Folge hat der Oö. Verwaltungssenat an den Verfassungsgerichtshof die Anträge gestellt, dieser möge die Wendung "53," im zweiten Satz des § 52 Abs. 2 GSpG wegen Widerspruches zu Art. 18 Abs. 2 B-VG, zu Art. 94 B-VG, zu Art. 83 Abs. 2 B-VG, zu Art. 5 StGG und zu Art. 1 des 1.ZPMRK sowie in eventu auch die Bestimmung des § 63 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985, BGBl.Nr. 10/1985, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 470/1995, wegen Widerspruches zu Art. 140 Abs. 7 B-VG als verfassungswidrig aufheben.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass sich zunächst aus den Gesetzesmaterialien insofern ein Widerspruch zu ergeben scheine, als der Gesetzgeber im Zuge der Erlassung der GSpG-Novelle BGBl.Nr. I 54/2010 explizit davon ausgegangen ist, dass dann, wenn der Einsatz pro Spiel mehr als 10 Euro beträgt, jedenfalls eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte besteht (arg.: "Ab Übersteigen dieses Betrages ist die Anzeige an die Staatsanwaltschaft zu übermitteln und besteht Gerichtszuständigkeit."), wobei mangels gegenteiliger Hinweise davon auszugehen sei, dass diese nach dem allgemein üblichen Verständnis nicht nur die materiell-rechtlichen, sondern auch die entsprechenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Strafrechtswesens i.S.d. Art. 10 Abs. 1 Z. 6 B-VG umfasse.

 

Dem gegenüber scheine aus den Erläuterungen zur GSpG-Novelle BGBl.Nr. I 111/2010 implizit zu folgen, dass eine behördliche Zuständigkeit auch dann gleichsam "fortwirkt" – und demgemäß die entsprechende Kompetenz der ordentlichen Gerichte und der Behörden des gerichtlichen Strafrechts "zurückdrängt" –, wenn und soweit es um die behördliche Bestätigung von im Zuge von Kontrollhandlungen der Exekutive gesetzten Sicherungsmaßnahmen (wie die Beschlagnahme) und darauf aufbauende behördliche Eingriffsakte geht.

 

Dass diese Fortwirkung und Zurückdrängung allerdings so weit reichen würde, dass selbst dann, wenn bereits feststeht oder zumindest ein dringender Verdacht dahin besteht, dass ein Vergehen nach § 168 StGB vorliegt, die entsprechenden Parallelbefugnisse der Gerichte und Gerichtsbehörden (vgl. § 26 StGB; §§ 115 ff und 443 ff StPO) nicht zum Tragen kämen, könne den Erläuterungen allerdings nicht entnommen werden. Systemkonform – nämlich: um einen Widerspruch zu Art. 94 B-VG zu vermeiden – seien daher die Erläuterungen insgesamt besehen wohl dahin zu verstehen, dass eine entsprechende verwaltungsbehördliche Befugnis nur so lange gegeben ist, als kein begründeter Verdacht dahin besteht, dass ein Vergehen nach § 168 StGB vorliegt (arg. "Übertretungen" [und nicht "Vergehen", wie es der Qualifikation nach § 17 StGB entsprechen würde] in 981 BlgNR, 24. GP, 148). Damit sei aber unklar, bis wann die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden jeweils konkret reicht bzw. ab welchem Zeitpunkt eine Zuständigkeit des Gerichts und der Staatsanwaltschaft vorliegt, es sei denn, es käme in diesem Zusammenhang auf die Wertgrenze des § 52 Abs. 2 GSpG, d.h. darauf an, dass sich ergibt, dass der Einsatz pro Spiel den Betrag von 10 Euro pro Spiel übersteigt oder nicht, was in der Praxis allerdings regelmäßig erst von einem (zum Zeitpunkt der Kontrolle durch die Exekutive meist nicht anwesenden) Sachverständigen beurteilt werden könne. Darüber hinaus scheine das rechtliche Schicksal jener der Verwaltungsbehörde zuzurechnenden Eingriffsmaßnahmen für den Fall, dass sich in der Folge ergibt, dass nicht – wie ursprünglich (vertretbar) angenommen – eine Übertretung des § 52 Abs. 1 GSpG, sondern vielmehr ein Vergehen nach § 168 StGB vorliegt, völlig offen.

 

§ 52 Abs. 2 GSpG scheine daher insofern gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 18 Abs. 1 B-VG und davon ausgehend auch gegen das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG zu verstoßen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei der Normsetzer dazu verhalten, die Regelung der Behördenzuständigkeit in einer auch strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden Weise präzise vorzunehmen (vgl. z.B. VfGH v. 19. Juni 1989, V 33,34/88; VfSlg 9937/1984; VfSlg 10311/1984).

 

Davon abgesehen scheine die Bestimmung des § 52 Abs. 2 zweiter Satz GSpG auch gegen den Trennungsgrundsatz des Art. 94 B-VG zu verstoßen.

 

In diesem Zusammenhang sei insbesondere auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2010, G 259/09 u.a., zu verweisen, in dem es unter Pkt. 2.5. wörtlich heißt:

 

"Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen hat (zB VfSlg. 2778/1954, 2902/1955, 3236/1957, 3424/1958, 4455/1963, 5630/1967, 6537/1971, 7273/1974, 7882/1976, 9590/1982, 10.300/1984, 10.452/1985, 11.259/1987, 16.772/2002, 17.083/2003 [S 1134 f.]), ergibt sich aus dem in Art 94 B-VG verankerten Prinzip der Trennung der Justiz von der Verwaltung die Verpflichtung des Gesetzgebers, eine Angelegenheit –  zur Gänze – zur Vollziehung entweder den Gerichten oder den Verwaltungsbehörden zuzuweisen. Daraus folgt, dass über ein und dieselbe Frage nicht sowohl Gerichte als auch Verwaltungsbehörden, sei es im gemeinsamen Zusammenwirken, sei es im instanzenmäßig gegliederten Nacheinander, entscheiden dürfen; jede verfahrensrechtliche Verflechtung von Gerichten und Verwaltungsbehörden zu einer organisatorischen Einheit ist als unzulässig anzusehen."

 

Gerade dieser Effekt der verfassungsmäßig verpönten Verflechtung trete jedoch ein, wenn Gegenstände von Exekutivorganen im Zuge einer Kontrolle vorläufig in Beschlag genommen und in der Folge ausschließlich die Verwaltungsbehörden zur Anordnung von deren endgültiger Beschlagnahme und/oder Einziehung zuständig sind, und zwar selbst in jenen Fällen, in denen sich zu einem bestimmten Zeitpunkt zweifelsfrei ergibt, dass nicht – wie ursprünglich angenommen – eine Übertretung des § 52 Abs. 1 GSpG, sondern ein Vergehen gegen § 168 StGB und damit eine gerichtliche Zuständigkeit vorliegt. Vielmehr hätte der einfache Gesetzgeber daher i.S.d. ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes vorzusehen gehabt, dass die behördliche Entscheidung über die Beschlagnahme und/oder die Einziehung spätestens zu diesem Zeitpunkt ihre Wirksamkeit verliert (vgl. dazu z.B. VfGH v. 14. Juni 1985, G 17/85, m.w.N.).

 

Dazu komme, dass aus der Sicht der über die Gegenstände verfügungsberechtigten Personen nicht erkennbar sei, ab welchem Zeitpunkt der behördliche Rechtsschutz ende und damit der gerichtliche Rechtsschutz zu greifen beginne, was – von qualitativen Unterschieden abgesehen – zu entsprechenden Versäumnissen in Bezug auf die jeweiligen Rechtsmittelfristen und zusätzlichen Kostenbelastungen, sohin also letztlich auch zu einer Verletzung von deren Grundrecht auf Eigentum – weil sowohl Art. 5 StGG als auch Art. 1 des 1.ZPMRK eine auch in formeller Hinsicht verfassungskonforme Grundlage für einen entsprechenden Eingriff fordern – führen könne, wie diese Zusammenhänge der Verfassungsgerichtshof bspw. auch in seinem Erkenntnis VfSlg 8349/1978 (S. 483 f) dargelegt habe:

 

"Der VfGH hat in dieser Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, dass die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die durch eine unscharfe Abgrenzung gekennzeichnet sind, nur dann zulässig ist, wenn deren Inhalt so weit bestimmbar ist, dass der Rechtsunterworfene sein Verhalten danach einrichten kann. Auch dass die Verwendung solcher unbestimmter Rechtsbegriffe mit Art. 18 B-VG nur dann vereinbar ist, wenn das Verhalten der Behörde auf seine Übereinstimmung mit dem Gesetz überprüft werden kann, hat der VfGH wiederholt ausgesprochen .....

 

Diesem Erfordernis muss auch dann entsprochen sein, wenn die standesrechtliche Aufsicht  über das Verhalten von Berufsangehörigen so geregelt ist, dass die Wahrnehmung und Ahndung bestimmter Verstöße gegen Berufspflichten in die Zuständigkeit der Standesorganisation als Selbstverwaltungsbehörde fällt, hingegen für andere Berufspflichtverletzungen Disziplinargerichte zuständig sind. Die Normen müssen es ermöglichen, die Inanspruchnahme der Zuständigkeit durch eine der beiden Behörden dermaßen nachzuprüfen, dass sich diese als richtig oder falsch erweist. Eine Regelung, die offen lässt, wann die Verwaltungsbehörde und wann das Gericht zur Entscheidung berufen ist, ist mit Art. 83 Abs. 2 B-VG nicht vereinbar. Wird durch die Unbestimmtheit der Regelung die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen einer Verwaltungsbehörde und einem Gericht betroffen, liegt hierin auch ein Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz des Art. 94 B-VG."   

 

Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG seien die Behörden verpflichtet, im Falle der Stattgabe einer Beschwerde nach Art. 131 B-VG unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

 

Selbst wenn diese Bestimmung jene Konstellationen abdecken sollte, in denen sich die Rechtsansicht des VwGH (wie im Anlassfall) ausschließlich auf eigene Erkenntnisse, die dieser – ohne Durchführung eines Verfahrens gemäß § 38a VwGG – erst nach der Erlassung der bei ihm angefochtenen behördlichen Entscheidung gefällt hat (sodass die Behörde zum Entscheidungszeitpunkt davon naturgemäß gar keine Kenntnis haben konnte), stützt, scheine sie doch keine Vorkehrung für den Fall zu treffen, dass sich die vom VwGH seiner Judikatur zu Grunde gelegte(n) gesetzliche(n) Bestimmung(en) als verfassungswidrig erweist (erweisen).

 

Damit scheine diese – nicht nur eine vorbehaltslose, sondern zudem auch eine unverzügliche Bindung normierende – Bestimmung des § 63 Abs. 1 VwGG jedoch der Anordnung des Art. 140 Abs. 7 B-VG zu widersprechen, in dem nicht nur festgelegt ist, dass alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den aufhebenden Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden sind, sondern auch, dass das als verfassungswidrig erkannte Gesetz auf den Anlassfall nicht mehr anzuwenden ist.

 

5. Mit Erkenntnis vom 14. Juni 2012, G 4/12 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof diese Anträge abgewiesen.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass § 52 Abs. 2 zweiter Satz GSpG i.V.m. § 53 GSpG nur die Zuständigkeit für Beschlagnahmen, nicht aber jene zur Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens selbst enthalte, wobei der VfGH mit der ständigen Rechtsprechung des VwGH davon ausgeht, dass die Befugnisse im Rahmen der behördlichen Sicherungsmaßnahmen nach den §§ 53, 54 und 56a GSpG ungeachtet der – nunmehr ausdrücklich angeordneten – Subsidiarität des § 52 Abs. 1 GSpG gegenüber § 168 StGB hinsichtlich der Strafverfolgung und Strafbarkeit unberührt bleiben; dieses Auslegungsergebnis werde auch durch die Gesetzesmaterialien zur GSpG-Novelle 2010 bestätigt. Vor diesem Hintergrund sei die Bestimmung des § 52 Abs. 2 GSpG nicht nur nicht unklar, sondern durch die Rechtsprechung des VwGH in ihrer Bedeutung in Fällen einer Zuständigkeit des Gerichts geklärt. Unterschiede in den Auffassungen des VwGH und eines UVS über die Auslegung einer Zuständigkeitsbestimmung würden diese nicht verfassungswidrig machen. Ein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter liege daher ebenso wenig vor, wie die Bedenken im Hinblick auf Art. 94 B-VG nicht zutreffen würden: Denn die eine Beschlagnahme anordnende Verwaltungsbehörde und ein allenfalls zur Verhängung einer Strafe zuständiges Gericht entscheiden nicht über dieselbe Sache. Da bei der Anordnung der Beschlagnahme nach § 53 GSpG noch nicht erwiesen sein müsse, ob eine Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 1 GSpG begangen oder der Tatbestand des § 168 StGB verwirklicht wurde, habe § 52 Abs. 2 letzter Satz GSpG insoweit die Anordnung zum Inhalt, dass die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden so lange gegeben ist, als nicht die ausschließliche Gerichtszuständigkeit feststehe. Die Behörde entscheide also im Rahmen der Anordnung einer Beschlagnahme darüber, ob der Verdacht einer Verwaltungsübertretung gegeben ist; das Gericht aber entscheide gegebenenfalls, ob eine Straftat nach § 168 StGB begangen wurde.

 

6.1. Von der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des § 52 Abs. 2 GSpG ausgehend ist daher der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 63 Abs. 1 VwGG an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. November 2011, Zl. 2011/17/0226, zum Ausdruck gebrachte Rechtsmeinung, wonach eine behördliche Beschlagnahme nach § 53 Abs. 1 GSpG auch dann zulässig sei, wenn eine Strafbarkeit nach § 168 StGB vorliegen sollte, gebunden.

 

Auf weitere, insbesondere auch erst zwischenzeitlich ergangene einschlägige Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes – nämlich insbesondere auf VwGH vom 3. Juli 2009, Zl. 2005/17/0178 und vom 3. Juli 2009, Zl. 2009/17/0065 (wonach § 53 GSpG als eine von § 39 VStG abweichende Regelung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verstehen ist, sodass eine solche Beschlagnahme nicht als "nicht im Rahmen eines Strafverfahrens ergehend" zu qualifizieren ist); vom 20. Juli 2011, Zl. 2011/17/0097, vom 27. April 2012, Zl. 2011/17/0046, und vom 20. Juli 2012, Zl. 2011/17/0097 (wonach selbst in Fällen der Subsidiarität des verwaltungsbehördlichen Straftatbestandes bei einem hinreichend substantiierten Verdacht von der Zulässigkeit einer verwaltungsbehördlichen Beschlagnahme auszugehen ist); sowie vom 14. Dezember 2011, Zl. 2011/17/0171, vom 27. April 2012, Zl. 2011/17/0313, und vom 27. April 2011, Zl. 2011/17/0315 (wonach von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden kann, wenn ausschließlich Rechtsfragen zu klären sind) – wird verwiesen.

 

6.2. Das sich – ausschließlich – auf eine gegenteilige Rechtsansicht stützende Berufungsvorbringen war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abzuweisen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.


Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten ist.

Dr.  G r ó f

 

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