Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-360041/2/Gf/Rt

Linz, 21.08.2012

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Gróf über die Berufung der M, vertreten durch RA Dr. G, gegen das aus Anlass einer Verwaltungsübertretung nach dem Glücksspielgesetz ergangene Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried im Innkreis vom 5. Juli 2012, Zl. Pol96-116-2011, zu Recht:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried im Innkreis vom 5. Juli 2012, Zl. Pol96-116-2011, wurde über die Rechtsmittelwerberin eine Geldstrafe in Höhe von 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 7 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 50 Euro) verhängt, weil sie sich am 11. Oktober 2011 als Gesellschafterin einer OG anlässlich einer Kontrolle ihres Lokales in X geweigert habe, den einschreitenden Organen umfassend Auskunft zu erteilen. Dadurch habe sie eine Übertretung des § 50 Abs. 4 des Glücksspielgesetzes, BGBl.Nr. 620/1989, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. 76/2011 (im Folgenden: GSpG), begangen, weshalb sie nach § 52 Abs. 1 Z. 5 GSpG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu unter Hinweis auf die Anzeige des Finanzamtes Braunau-Ried-Schärding vom 17. Oktober 2011, Zl. 041/75207/13/2011, und die darauf Bezug habenden Niederschriften im Wesentlichen ausgeführt, dass auf Grund der Wahrnehmungen der einschreitenden Exekutivorgane zweifelsfrei feststehe, dass sich die Rechtsmittelwerberin a priori kategorisch geweigert habe, Fragen der Beamten zu beantworten, obwohl sie hierzu gesetzlich verpflichtet gewesen wäre.

Im Zuge der Strafbemessung sei die bisherige Unbescholtenheit als mildernd zu werten gewesen, während Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen seien; ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen (monatliches Nettoeinkommen: 2.000 Euro, keine Sorgepflichten).

1.2. Gegen dieses ihr am 9. Juli 2012 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 23. Juli 2012 – und damit rechtzeitig – per e‑mail eingebrachte Berufung.

Darin wird – auf das Wesentliche zusammengefasst – vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin im Hinblick auf bereits früher stattgefundene gleichartige Kontrollen davon ausgegangen sei, dass sie selbst oder ihre Tochter als Beschuldigte in einem Verwaltungsstrafverfahren einvernommen werden sollte, weshalb sie sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht bzw. auf ihr Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, berufen habe. Außerdem habe sie die Aussage nicht kategorisch verweigert, sondern die Beamten darauf hingewiesen, dass die Geschäftsführerin – ihre Tochter – ohnehin wesentlich einschlägiger informiert sei. Schließlich seien ihr selbst von den Beamten auch gar keine konkreten Fragen gestellt worden. Davon ganz abgesehen müsse ihr aber jedenfalls ein entschuldigender Rechtsirrtum zugebilligt werden.

 

Aus diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Ried im Innkreis zu Zl. Pol96-116-2011sowie in den Akt des Finanzamtes Braunau-Ried-Schärding zu Zl. 041/75207/2011; da sich bereits aus diesen in Verbindung mit den Schriftsätzen der Parteien der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil hier eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 52 Abs. 1 Z. 5 i.V.m. § 50 Abs. 4 GSpG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen, der den Organen der öffentlichen Aufsicht nicht umfassend Auskünfte erteilt.

 

3.2. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der von den einschreitenden Organen des Finanzamtes Braunau-Ried-Schärding mit der Beschwerdeführerin aufgenommenen Niederschrift vom 11. Oktober 2011, Zl. 41, explizit, dass ein "Verdacht der Übertretung nach dem GSpG" (vgl. S. 2) den Gegenstand der Amtshandlung der Kontrollorgane bildete.

 

Anders als die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses vermeint, erfolgte damit aber die Befragung der Rechtsmittelwerberin im Rahmen eines verwaltungsstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Davon ausgehend war die Beschwerdeführerin in diesem Stadium sohin bereits als Beschuldigte i.S.d. § 32 Abs. 1 VStG anzusehen, sodass sie gemäß der dem § 50 Abs. 4 GSpG insoweit derogierenden lex specialis des § 33 Abs. 2 VStG zur Beantwortung der an sie gestellten Fragen nicht verhalten war; Gleiches ergibt sich im Übrigen auch aus dem ihr nach Art. 6 Abs. 1 EMRK verfassungsmäßig gewährleisteten Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen (vgl. dazu bereits ausführlich VwSen-130751 vom 28. März 2011 und VwSen-130629 vom 15. Dezember 2010).

 

3.3.  Schon aus diesem Grund war daher der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten ist.

 

 

 

Dr.  G r ó f

 

 

 

 

 

VwSen-360041/2/Gf/Rt vom 21. August 2012

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

EMRK Art6 Abs1;

GSpG §50 Abs4;

VStG §32 Abs1;

VStG §33 Abs2

 

Wenn die Befragung der Rechtsmittelwerberin im Rahmen eines verwaltungsstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erfolgt, ist diese bereits als Beschuldigte iSd § 32 Abs 1 VStG anzusehen, sodass sie gemäß der dem § 50 Abs. 4 GSpG insoweit derogierenden lex specialis des § 33 Abs 2 VStG zur Beantwortung der an sie gestellten Fragen nicht verhalten war. Gleiches ergibt sich im Übrigen auch aus dem gemäß Art 6 Abs 1 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen (vgl dazu bereits ausführlich VwSen-130751 vom 28. März 2011 und VwSen-130629 vom 15. Dezember 2010).

 

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