Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166992/3/Kei/Bb/Eg

Linz, 09.08.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Michael Keinberger über die Berufung des Dr. S. Z., geb. x, vertreten durch x, vom 22. Mai 2012, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 7. Mai 2012, GZ VerkR96-12594-2010, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem Kraftfahrgesetz 1967 (KFG), zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Die Berufung wird im Schuldspruch und hinsichtlich der Höhe der verhängten Geldstrafe abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich bestätigt.

Die Ersatzfreiheitsstrafe wird auf 44 Stunden herabgesetzt.

 

 

II.              Für den Berufungswerber entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens. Für das erstinstanzliche Verfahren beträgt der Kostenbeitrag 21,80 Euro (= 10 % der verhängten Geldstrafe).

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 - AVG iVm

§§ 24, 51, 16 und 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

zu II.: §§ 64 Abs.1 und 2 und 65 VStG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 7. Mai 2012, GZ VerkR96-12594-2010, wurde über Dr. S. Z. (den nunmehrigen Berufungswerber) wegen einer Übertretung des § 103 Abs.2 KFG iVm § 134 Abs. 1 KFG gemäß § 134 Abs.1 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von 218 Euro, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 4 Tagen, verhängt. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages erster Instanz in der Höhe von 21,80 Euro verpflichtet.

 

Dieser Bestrafung liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde (auszugsweise Wiedergabe):

"Sie haben als Zulassungsbesitzer der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land auf ihr schriftliches Verlangen vom 12.12.2011 nicht binnen 2 Wochen ab Zustellung des Schreibens (14.12.2011), das ist bis 28.12.2011, darüber Auskunft erteilt, wer das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen x am 01.10.2010 um 15.13 Uhr in Weißkirchen a. d. Tr., A 25, Welser Autobahn, bei km 6,900, Richtung Wels, gelenkt hat."

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 10. Mai 2012, richtet sich die rechtzeitig – mit Schriftsatz vom 22. Mai 2012 – erhobene Berufung, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben.

 

Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass das Vorgehen der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land gegen Art. 6 EMRK (Verbot der Selbstbezichtigung) verstoße, weil gegen ihn zuerst durch die Erlassung einer Strafverfügung ein Verwaltungsstrafverfahren wegen des Grunddeliktes eingeleitet und er erst im Nachhinein gemäß § 103 Abs.2 KFG aufgefordert worden sei, den Fahrzeuglenker bekannt zu geben. Die Nicht- oder Falschbeantwortung einer derart begehrten Lenkerauskunft sei nicht strafbar.  Die Behörde sei nur so lange berechtigt, vom Zulassungsbesitzer eine sanktionsbewehrte Auskunft über den Lenker einzufordern, als sie sich noch im Bereich des Administrativverfahrens bewegt.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Wels-Land hat die Berufungsschrift unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes mit Vorlageschreiben vom 25. Mai 2012, GZ VerkR96-12954-2010, ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates zur Entscheidungsfindung (§ 51 Abs.1 VStG). Gemäß § 51c VStG entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte mangels gesonderten Antrages und der Tatsache, dass der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt vorliegt, unterbleiben.

 

4.1. Es ergibt sich folgender rechtlich relevanter Sachverhalt:

 

Am 1. Oktober 2010 um 15.13 Uhr wurde die Fahrgeschwindigkeit des Pkw mit nationalen Kennzeichen x, in Weißkirchen an der Traun, auf der Welser Autobahn A 25, bei Strkm 6,900, in Fahrtrichtung Wels – nach Abzug der entsprechenden Messtoleranz – mit 168 km/h festgestellt (gemessene Geschwindigkeit 174 km/h). In diesem Straßenabschnitt der A 25 ist, nachdem keine höhere Geschwindigkeit erlaubt und keine niedrigere Geschwindigkeit angeordnet war, gemäß § 20 Abs.2 StVO die höchste zulässige Geschwindigkeit mit 130 km/h gesetzlich festgelegt. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mittels geeichtem Abstandsmessgerät (Datum der Eichung: 30. April 2009), Type VKS 3.1, Messgerät Nr. A 901.

 

Laut Auskunft der Zulassevidenz war der verwendete Pkw zum damaligen Zeitpunkt auf den Berufungswerber zugelassen.

 

Es wurde zunächst gegen den Berufungswerber als Zulassungsbesitzer dieses Pkw wegen der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung im Ausmaß von 38 km/h von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land (Tatortbehörde) zu GZ VerkR96-12594-2010 eine Strafverfügung, datiert vom 7. Oktober 2010, nach § 20 Abs.2 StVO erlassen. Dagegen erhob der Berufungswerber am 8. August 2011 einen unbegründet gebliebenen Einspruch. Dieser Einspruch wurde seitens der Erstinstanz mangels Auffindbarkeit des Zustellnachweises als fristgerecht eingebracht gewertet.

 

In der Folge wurde sodann nach einer ergangenen Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3. November 2011, GZ VerkR96-12594-2010, mit Schreiben vom 12. Dezember 2011, GZ VerkR96-12594-2010, an den Berufungswerber in seiner Eigenschaft als Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges, Kennzeichen x, ein Auskunftsverlangen zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers nach § 103 Abs.2 KFG zur Tatzeit am 1. Oktober 2010 um 15.13 Uhr am gegenständlichen Tatort gerichtet. Gleichzeitig wurde in diesem Schreiben auf die Strafbarkeit bei Nichterteilen oder Erteilen einer unrichtigen Auskunft hingewiesen. Diese Lenkeranfrage wurde nachweislich am 14. Dezember 2011 zugestellt.

 

Nachdem der Berufungswerber auf die entsprechende Anfrage keine Lenkerauskunft erteilte, wurde er in weiterer Folge wegen Unterlassung der Beantwortung der Aufforderung vom 12. Dezember 2011 mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 10. Jänner 2012, GZ VerkR96-12594-2010, wegen Übertretung nach § 103 Abs.2 KFG verfolgt, wogegen er fristgerecht – wiederum unbegründet – Einspruch erhob. 

 

Nach einer an ihn gerichteten Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7. Februar 2012, GZ VerkR96-12594-2010, mit dem Tatvorwurf einer Übertretung gemäß § 103 Abs.2 KFG, wurde - nach entsprechender Äußerung durch den Berufungswerber vom 24. Februar 2012 - das gegenständliche Straferkenntnis erlassen.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat darüber Folgendes erwogen:

 

5.1. In rechtlicher Beurteilung des dargestellten Sachverhaltes ist anzuführen, dass gemäß § 103 Abs.2 KFG die Behörde Auskünfte darüber verlangen kann, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

 

5.2. Der Berufungswerber hat als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges, Kennzeichen x, die von ihm nachweislich im Wege der Aufforderung gemäß § 103 Abs.2 KFG verlangte Lenkerauskunft nicht erteilt. Dies steht unbestritten fest.

 

Zutreffend ist im konkreten Fall, dass gegen den Berufungswerber im Zeitpunkt der gegenständlichen Lenkeranfrage bereits ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung gemäß 20 Abs.2 StVO (Grunddelikt) anhängig war. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch, nicht zuletzt auf Grund der Verantwortung des Berufungswerbers im Einspruch vom 8. August 2011, noch nicht klar, ob er überhaupt selbst dieses angefragte Kraftfahrzeug gelenkt hat, zumal er sich im – unbegründet gebliebenen - Einspruch gegen die Strafverfügung zur Täterschaft überhaupt nicht äußerte.

 

Die folgende Lenkeranfrage im Sinne des § 103 Abs.2 KFG hatte daher den Zweck, den Kraftfahrzeuglenker festzustellen bzw. einen Verdächtigen zu ermitteln. Diese Lenkeranfrage war nicht mit dem Vorwurf der Übertretung nach der StVO verbunden und der Berufungswerber war keinesfalls verhalten, ein Geständnis hinsichtlich des Grunddeliktes abzugeben. Die Lenkererhebung bezog sich bloß auf die Tatsache, wer dieses Kraftfahrzeug gelenkt hat. Der Berufungswerber wurde damit in seiner Eigenschaft als Zulassungsbesitzer lediglich verpflichtet, wahrheitsgemäß anzugeben, wer dieses Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt hat. Dies konnte für ihn nicht belastend sein, weil nicht übersehen werden darf, dass auch nach Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers das Grunddelikt der Geschwindigkeitsüberschreitung weder objektiv noch subjektiv bewiesen gewesen wäre. Zur Klärung des Verdachtes, ob der Lenker zum angeführten Zeitpunkt die in Rede stehende Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs.2 StVO begangen hat, wären noch zahlreiche Fragen zu klären gewesen. Für den bekanntgegebenen Lenker hätte im Verfahren die Möglichkeit bestanden, den Tatvorwurf bzw. den angezeigten Sachverhalt zu bestreiten und sich in jeder Hinsicht zu verteidigen sowie auch die rechtliche Beurteilung zu hinterfragen. Das bloße Lenken eines Kraftfahrzeuges ist an sich jedenfalls kein strafbares Verhalten, weshalb die Auskunft, wer ein bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt hat, auch keine unmittelbare verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung nach sich zieht. Eine Selbstbezichtigung, die nach Art. 6 EMRK verpönt ist, kann darin nicht erblickt werden.

 

Das Rechtsinstitut der Lenkerauskunft ist gesetzlich in § 103 Abs.2 KFG vorgesehen. Es handelt sich bei der Aufforderung zur Erteilung einer Lenkerauskunft um ein Administrativverfahren und somit um eine vom Vorwurf des Grunddeliktes unabhängige (administrative) Maßnahme (VwGH 23. Februar 2000, 99/03/0314).

 

Der Bestimmung liegt die Absicht des Gesetzgebers zu Grunde, die Ordnung und Kontrolle des Straßenverkehrs zu gewährleisten und sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jeder­zeitige Feststellung ohne langwierige und umfangreiche Erhebun­gen zu ermöglichen (VwGH 18. November 1992, 91/03/0294 ua).

 

Das beträchtliche öffentliche Interesse an der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG wurde dadurch zum Ausdruck gebracht, dass der Bundesverfassungsgesetzgeber die Pflicht zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers in Verfassungsrang erhoben hat. Der im Verfassungsrang stehende letzte Satz des § 103 Abs.2 KFG normiert, dass gegenüber der Befugnis der Behörde derartige Auskünfte zu verlangen, Rechte auf Auskunftsverweigerung zurücktreten. Da sich § 103 Abs.2 KFG konkret nur an die Zulassungsbesitzer von Kraftfahrzeugen richtet, ist die Bestimmung daher als lex specialis zu Art. 6 EMRK anzusehen (vgl. UVS Oberösterreich 7. September 2011, VwSen-166127/5; 19. Jänner 2012, VwSen-166190/5 ua.).

 

Der Verwaltungsgerichtshof stellte bereits wiederholt fest, dass die Auskunftspflicht nach § 103 Abs.2 KFG keine Verletzung des Art. 6 EMRK bzw. Art. 90 Abs.2 B-VG bedeutet (z.B. VwGH 26. Mai 2000, 2000/02/0115) und   erachtete in seiner bisherigen Rechtsprechung eine Aufforderung nach § 103 Abs.2 KFG nach bereits erlassener Strafverfügung wegen des sogenannten Grunddeliktes für zulässig. Er hielt in diesem Zusammenhang fest, dass die Erlassung einer Strafverfügung lediglich bedeute, dass die Behörde den Adressaten für den Täter hält; das hindere sie aber nicht, sich im Falle eines Einspruches im Wege der Aufforderung nach § 103 Abs.2 KFG Gewissheit zu verschaffen. In den folgenden Entscheidungen hat der Verwaltungsgerichtshof diesen chronologischen Ablauf wiederholt als rechtmäßig bestätigt bzw. die dagegen erhobenen Beschwerden als unbegründet abgewiesen:

VwGH 15. Jänner 1991, 91/03/0349; 30. Oktober 2003, 2003/02/0139; 18. Mai 2001, 2001/02/0001; 27. Oktober 1997, 96/17/0348; 27. Oktober 1997, 96/17/0425.

 

Auch der Verfassungsgerichtshof erachtete nach mehrfacher diesbezüglicher Befassung die Verfassungsbestimmung des § 103 Abs.2 KFG in Einklang mit den Baugesetzen des B-VG und erblickte bislang keinen Widerspruch zu Art. 6 EMRK und Art. 90 Abs.2 B-VG (z.B. VfGH 29.09.1988, G72/88).

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) entschied in seinem Urteil vom 29. Juni 2007 in den Fällen O. und F. gegen das Vereinigte Königreich (Beschwerdenummer 15809/02 und 25624/02) zur (vergleichbaren) britischen Rechtslage betreffend die Lenkerauskunft, dass das System der Lenkerauskunft im englischen Recht keine Verletzung des Art. 6 Abs.1 und Abs.2 EMRK bedeutet und stellte im Ergebnis fest, dass die Verpflichtung zur Angabe, wer das Fahrzeug gelenkt habe, keine Selbstbezichtigung darstellt. Dies trotz der Tatsache, dass beide Beschwerdeführer auf Grund der polizeilichen Benachrichtigung über die beabsichtigte Strafverfolgung des Lenkers als sie zur Lenkerauskunft aufgefordert wurden, als "angeklagt" im Sinne von Art. 6 Abs.1 EMRK anzusehen waren. Der EGMR betonte, dass das Recht zu schweigen kein absolutes Recht darstellt, sondern die Beurteilung der Frage, ob ein faires Verfahren im Sinne des Art. 6 Abs.1 EMRK vorliegt oder nicht, von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Dabei berücksichtigte er den Umstand, dass Art und Ausmaß des Zwanges zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers nicht besonders schwer waren und den Beschwerdeführern als Zulassungsbesitzer die Verpflichtung zur Lenkerbekanntgabe von vornherein bekannt war. Der Zwang zur Lenkerbekanntgabe sei zwar straf­recht­­licher Natur, er ergibt sich aber aus der Tatsache, dass sich jeder Besitzer eines Kraftfahrzeuges (freiwillig) jenen Regeln unterwirft, die in einer Gesellschaft mit dem Besitz eines Kraftfahrzeuges verbunden sind. Niemand ist verpflichtet, Zulassungsbesitzer eines Kraftfahrzeuges zu werden; wer aber ein Kraftfahrzeug hält (und mit diesem am Verkehr teilnimmt), akzeptiert damit auch bestimmte Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen, zu welchen es auch gehört, die Behörden im konkreten Fall über die Identität des Lenkers zu einem bestimmten Zeitpunkt aufzuklären. 

Weiters führte der EGMR in dieser Entscheidung aus, dass die Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers eine bloße Tatsache darstellt und das Lenken eines Fahrzeuges an sich nichts Strafbares ist. Auch befand er, dass die angedrohte sowie verhängte Strafe moderat war.

 

In den Beschwerdefällen L. und S. gegen Österreich (Urteil vom 10. Jänner 2008, Beschwerdenummern 58452/00 und 61920/00) bestätigte der EGMR im Grunde nach diese Rechtsprechung und stellte ausdrücklich zur österreichischen Rechtslage fest, dass auch die Verpflichtung zur Lenkerauskunft nach § 103 Abs.2 KFG nicht gegen Art. 6 Abs.1 der EMRK verstößt. Dabei nahm er auch zu dem in Österreich bestehenden System der Ersatzfreiheitsstrafe Stellung, kam jedoch zu keinem anderen Ergebnis. Vor allem der Sachverhalt im Fall des Zweitbeschwerdeführers Spanner ist mit dem vorliegenden insofern vergleichbar, als auch der damalige Beschwerdeführer einer Straftat "angeklagt" war, da infolge einer vorangegangen Strafverfügung ein Verwaltungsstrafverfahren wegen eines Parkvergehens gegen ihn anhängig war, als er aufgefordert wurde, die Identität des Lenkers offenzulegen. Nachdem er den Namen und die Adresse des Lenkers nicht bekanntgab, wurde er wegen Verletzung der Auskunftspflicht verurteilt. Der EGMR erblickte in diesem Vorgehen keinen Verstoß gegen Art. 6 EMRK.

 

Aus all diesen Überlegungen gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat zum Ergebnis, dass die Verpflichtung zur Lenkerbekanntgabe gemäß § 103 Abs.2 KFG nicht gegen Art. 6 EMRK verstößt, das Nichterteilen der Auskunft strafbar ist und eine erteilte Auskunft kein rechtswidrig erlangtes Beweismittel darstellt und keinem Beweisverwertungsverbot unterliegt, sondern im Verwaltungsstrafverfahren auch als Beweismittel verwertet werden darf, selbst wenn der Zulassungsbesitzer zum Zeitpunkt der Lenkeranfrage bereits Beschuldigter war, d.h. ein Verwaltungsstrafverfahren wegen des Grunddeliktes bereits gegen ihn anhängig war.

 

Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben, dass es sich bei der Rechtsvorschrift des § 103 Abs.2 KFG um ein unentbehrliches Instrument zur Kontrolle und Überwachung des Verkehrs handelt, ohne das eine effektive Verkehrsüberwachung zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Verkehrssicherheit nicht ausreichend gewährleistet wäre.

 

Es steht im konkreten Fall die Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 103 Abs.2 KFG unzweifelhaft fest. Es sind keine Umstände hervorgekommen, welche den Berufungswerber entlasten hätten können, sodass auch die subjektive Tatseite der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung als erfüllt zu bewerten ist.

 

5.3. Zur Straffestsetzung ist festzustellen, dass gemäß § 19 Abs.1 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen ist, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Nach der anzuwendenden Verwaltungsstrafbestimmung des § 134 Abs.1 erster Satz KFG begeht, wer unter anderem diesem Bundesgesetz zuwiderhandelt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5.000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, zu bestrafen.

 

Im angefochtenen Straferkenntnis wurde für das gegenständliche Delikt eine Geldstrafe in der Höhe von 218 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen, festgesetzt. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land ging bei der Strafbemessung davon aus, dass der Berufungswerber vermögenslos ist, keine Sorgepflichten hat und ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 2.500 Euro bezieht. Diesen Annahmen hat der Berufungswerber nicht widersprochen, weshalb auch der Unabhängige Verwaltungssenat von diesen Grundlagen ausgeht.

 

Strafmildernd wurde die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Berufungswerbers gewertet, straferschwerende Umstände wurden nicht festgestellt.

§ 103 Abs 2 KFG schützt das Interesse an einer jederzeit und ohne unnötige Verzögerungen möglichen Ermittlung von Personen, die in Verdacht stehen, eine straßenpolizeiliche oder kraftfahrrechtliche Übertretung begangen zu haben, mithin das Interesse an einer raschen und lückenlosen Strafverfolgung (VwGH 22. März 2000, 99/03/0434). Dieses normgeschützte Interesse wurde durch das Nichterteilen der Lenkerauskunft verletzt, da eine Ahndung des den Anlass für die Lenkeranfrage bildenden Grunddeliktes nicht möglich war und der Lenker verwaltungsstrafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden konnte. Es bedarf sowohl aus spezial- als auch generalpräventiven Überlegungen einer spürbaren Strafe, um den Berufungswerber als auch die Allgemeinheit darauf hinzuweisen, dass die Einhaltung der kraftfahrrechtlichen Verpflichtung nach § 103 Abs.2 KFG von wesentlicher Bedeutung ist.  

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat gelangt daher zur Überzeugung, dass die von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land verhängte Geldstrafe in der Höhe von 218 Euro tat- und schuldangemessen und auch erforderlich ist, um den Berufungswerber auf den Unrechtsgehalt der von ihm begangenen Verwaltungsübertretung hinzuweisen und ihn in Zukunft von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten. Die Geldstrafe (218 Euro) liegt an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens und beträgt lediglich 4,36 % der möglichen Höchststrafe (5.000 Euro - § 134 Abs.1 KFG). Eine Herabsetzung der Geldstrafe konnte deshalb aus den genannten Gründen nicht in Erwägung gezogen werden, jedoch war eine Anpassung der Ersatzfreiheitsstrafe im Sinne einer Herabsetzung auf 44 Stunden erforderlich.

Es war somit spruchgemäß (Spruchpunkt I.) zu entscheiden.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch (Spruchpunkt II.) angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr.  Michael  K e i n b e r g e r  

 

 

 

 

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