Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-401209/4/BP/WU

Linz, 04.09.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde der X, StA von Afghanistan, derzeit aufhältig in der X, wegen Anhaltung in Schubhaft seit 27. August 2012 durch den Polizeidirektor von Wels, zu Recht erkannt:

 

 

I.            Der Beschwerde wird stattgegeben und der Schubhaftbescheid, die Festnahme sowie die Anhaltung der Beschwerdeführerin in Schubhaft von 27. August 2012 bis 31. August 2012 für rechtswidrig erklärt.

 

II.        Der Bund (Verfahrenspartei: Landespolizeidirektor für Oberösterreich) hat der Beschwerdeführerin den Verfahrensaufwand in Höhe von 751,90 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Polizeidirektors von Wels vom 27. august 2012, AZ.: 1-1038064/FRP/12, wurde über die Beschwerdeführerin  (im Folgenden: Bf) auf Basis des § 76 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idgFiVm. § 57 AVG zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG), die Schubhaft angeordnet und im PAZ X vollzogen.

 

Die Behörde führte im Schubhaftbescheid wie folgt aus:

 

"Sie sind Fremder gemäß § 2 Abs. 4 Zi. 1 FPG, da Sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

Gemäß § 76 Abs. 3 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 des AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

Für die Anordnung der Schubhaft war folgender Sachverhalt maßgebend:

Sie wurden am 25.08.2012, um 08:20  Uhr, in X, Zug X von Linz Richtung X von Beamten einer AGM Streife betreten. Sie wiesen sich mit einem gefälschten rumänischen Reisepass, ausgestellt auf den Namen: „X, X geb.“ aus. Der Reisepass wurde sichergestellt und dem LKA zur weiteren Überprüfung übergeben.

Sie sind demnach illegal in das Bundesgebiet eingereist und haben sich illegal bis zur Ihrer Festnahme aufgehalten. Sie wurden gemäß § 74/2 FPG festgenommen und in das PAZ X eingeliefert.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (das hier zu beachtende grundlegende Erkenntnis: VwGH vom 08.09.2005, 2005/21/0301) ist nun zu prüfen, ob im konkreten Fall ein Sicherungsbedürfnis besteht.

Wie der VwGH in einem anderen Erkenntnis vom 25.03.2010, Zl. 2009/21/0276, ausgesprochen hat, verlangt die Zulässigkeit der Schubhaft über die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 76 FPG) hinaus ihre Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit, zu deren Beurteilung eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Außerlandesschaffung (Aufenthaltsbeendigung) und dem privaten Interesse an einer Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen ist. Bei dieser Prüfung ist unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses vor allem der Frage nachzugehen, ob im jeweils vorliegenden Einzelfall ein Sicherungsbedürfnis gegeben ist. Das setzt die gerechtfertigte Annahme voraus, der Fremde werde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bzw. nach deren Vorliegen der Abschiebung (insbesondere) durch Untertauchen entziehen oder sie zumindest wesentlich erschweren. Neben der Ausreiseunwilligkeit muss der Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein. Für die Bejahung des Sicherungsbedarfes kommen im Anwendungsbereich des § 76 Abs. 1 FPG insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens des Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes freilich auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen.

 

Das Sicherungserfordernis des § 76 Abs. 1 FPG muss daher in konkreten Umständen begründet sein, wofür etwa mangelnde berufliche oder soziale Verankerung im Inland in Betracht kommen, und vor allem Ihr bisheriges Verhalten in Österreich.

Nur bei einer derartigen Konstellation kann die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig angesehen werden.

 

Genau diese Konstellation liegt bei Ihnen im konkreten Fall vor.

 

Das Sicherungserfordernis des § 76 FPG 2005 ist – wie zuvor dargelegt – somit im Wesentlichen in den Umständen begründet, dass Sie in Österreich über keinen Wohnsitz verfügen und eine soziale Verankerung Ihrer Person im Inland nicht vorhanden ist.

Weiters ist bei Ihnen keine berufliche Verankerung, welcher Art auch immer, im Inland erkennbar und auch nicht vorhanden. Sie sind illegal in das Bundesgebiet eingereist und waren auf dem Weg  nach Deutschland.

 

Aufgrund der vorgenannten Umstände kann die Behörde mit Recht davon ausgehen, dass Sie sich für die Durchführung der Abschiebung nicht freiwillig zur Verfügung der Behörde halten werden.

 

1.2. Gegen den Schubhaftbescheid, die Festnahme sowie gegen die darauf basierende Anhaltung in Schubhaft erhob die Bf per Telefax am 30. August  2012 Schubhaftbeschwerde an den UVS des Landes Oberösterreich.

 

In der Beschwerde wird ua. wie folgt ausgeführt:

 

"Die belangte Behörde stellt in dem oben bezeichneten Schubhaftbescheid vom 27.08.2012 als Sachverhalt fest dass ich am 25.08.2012 in X, Zug X von Linz Richtung X von Beamten einer AGM Streife betreten wurde und mich mit einem gefälschten rumänischen Reisepass, ausgestellt auf den Namen: "X, geb. X" auswies.

Es wurde festgestellt, dass ich illegal in Österreich eingereist bin und mich bis zu meiner Festnahme und Einlieferung in das PAZ X, in Österreich illegal aufgehalten habe.

Die belangte Behörde vertritt die Meinung, dass das Sicherungserfordernis des § 76 FPG 2005 im Wesentlichen in den Umständen begründet sei, dass ich in Österreich über keinen Wohnsitz verfüge und eine soziale und berufliche Verankerung meiner Person im Inland nicht vorhanden ist Außerdem stützt sich die Behörde bei der Begründung des Sicherungserfordernisses darauf, dass ich illegal in das Bundesgebiet eingereist bin und auf dem Weg nach Deutschland gewesen bin.

Aufgrund dieser Umstände geht die Behörde davon aus, dass ich mich bei ihr für die Durchführung der Abschiebung, nicht freiwillig zur Verfügung stellen würde.

 

Seit der Schubhaftverhängung befinde ich mich in Schubhaft.

 

Dem entgegne ich wie folgt:

Sowohl die Schubhaftverhängung als auch die Anhaltung in Schubhaft sind rechtswidrig.

Begründung:

 

Die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft zur hier allein gegenständlichen Sicherung meiner Abschiebung (§ 46 FPG), erweist sich als nicht rechtmäßig, da in meinem konkreten Fall kein Titel für eine allfällige Abschiebung vorhanden ist.

 

Aus dem § 46 Abs 1 FPG ist zu entnehmen, dass die Abschiebung lediglich aufgrund von folgenden Titeln erfolgen darf:

1.     einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung

2.     einer durchsetzbaren Ausweisung oder

3.     eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes

 

in meinem konkreten Fall wurde weder eine Rückkehrentscheidung noch eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot erlassen.

Aus diesem Grund mangelt es an einer gesetzlichen Grundlage für die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft und der Bescheid der Erstbehörde ist mit krasser Rechtswidrigkeit belastet.

 

In diesem Zusammenhang wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes v. 29.02.2012, GZ: 2009/21/0198 verwiesen.

 

Abgesehen von der oben angeführten Rechtswidrigkeit des gegenständlichen Bescheides der Erstbehörde, ist darauf hinzuweisen, dass die Anordnung der Schubhaft zwecks Sicherung der Abschiebung, ordnungsgemäßer Begründung entbehrt."

()

"Da der belangten Behörde gem. § 76 Abs 1 FPG ein Ermessen für ihre Entscheidung eingeräumt wurde („KANN" - Bestimmung), hat die Begründung besonders gründlich auszufallen, damit nachvollzogen werden kann, welche Erwägung die Behörde zu ihren Entscheidungen geführt hat (siehe Fremdenrecht Schumacher,Peyri, Neugschwendtner, 4.Auflage, S.439-440)

Es ist offensichtlich, dass die belangte Behörde ihrer Begründungspflicht nicht genügt hat,

 

In meinem konkreten Fall ist zweifelsfrei kein Sicherungsbedarf vorhanden und es durfte daher die Schubhaft überhaupt nicht verhängt werden!!!"

()

"Die belangte Behörde hat es in meinem Fall unterlassen - eine individuelle Prüfung im Bezug auf Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit, zu deren Beurteilung eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Außerlandesschaffung bzw. Aufenthaltsbeendigung und meinem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit vorzunehmen ist, durchzuführen.

Die Verhängung der Schubhaft ist unzulässig, weil keine Gründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, ich würde mich dem Verfahren entziehen.

Die Verhängung der Schubhaft erweist sich als nicht notwendig, da ich mich dem Zugriff der Behörden keinesfalls entziehen werde.

Es wird außerdem darauf hingewiesen, dass ich am 28.08.2012 einen Antrag auf Internationalen Schutz in Österreich gestellt. Somit ist davon auszugehen, dass ich in meinem eigenen Interesse den. Ausgang des Verfahrens in Österreich abwarten werde. Dies entspricht auch der ständigen Judikatur des VwGH:"

()

"Es ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, weshalb ich, wäre ich nicht in Schubhaft, sondern in Grundversorgung, diese Unterstützung aufgeben und in die Anonymität untertauchen hätte sollen (vgl, auch § 46 AsylG und § 2 Abs 1 und 2 Grundversorgungsgesetz - Bund 2005).

Vor diesem Hintergrund fehlen also konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass ich mich dem weiteren Asylverfahren entziehen und für die Behörde nicht erreichbar sein würde.

 

Im § 76 Abs 6 FPG wird Folgendes bestimmt

„Stellt ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden,"

Da in meinem konkreten Fall kein Sicherungsbedarf besteht und die Schubhaftanordnung auf eine rechtswidrige Weise erfolgt ist, darf die rechtswidrig angeordnete Schubhaft keinesfalls aufrechterhalten werden.

Die Anhaltung in der Schubhaft verstößt gegen die österreichische Rechtsordnung und ist daher unzulässig!!!

 

Die Verhängung der Schubhaft ist insbesondere dann rechtswidrig, wenn an deren Stelle seitens der Fremdenpolizeibehörde gelindere Mittel i.S.d. § 77 FPG hätten angewendet werden können."

()

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ich mich einem anfälligen fremdenrechtlichen Verfahren entziehen würde.

Zum Zweck der Sicherung eines allfälligen Verfahrens hätte, wenn doch ein Sicherungsbedürfnis als rechtmäßig erkannt werden sollte, auch ohne weiteres das gelindere Mittel angewandt werden können."

Eine Anhaltung in Schubhaft Ist In meinem Fall somit auch deswegen unzulässig, da gem. §77 Abs. 1 FPG das gelindere Mittel überhaupt nicht geprüft wurde!!!

in diesem Fall spricht für die Anwendung des gelinderen Mittels, dass ich bei meiner Entlassung aus der Schubhaft in die Grundversorgung aufgenommen werden kann und somit einen ordentlichen Wohnsitz begründen könnte.

 

Abschließend möchte ich noch wahrheitsgemäß angeben, dass ich im PAZ X in eine Einzelzelle (ohne meine Schwester» untergebracht wurde, wo Ich täglich eingesperrt werde und ernste Angstzustände erlabe. Ich habe oft das Gefühl -keine Luft in meine Lungen zu bekommen und zu ersticken.

Meine Minderjährigkeit wurde bei der Schubhaftverhängung und Anhaltung in der Schubhaft überhaupt nicht berücksichtigt!!!

 

Vor dem Hintergrund der oben genannten Argumente sind die Schubhaftverhängung und die Anhaltung in Schubhaft äußerst rechtswidrig.

 

Ich beantrage daher

 

den Schubhaftbescheid, die Festnahme und die Anhaltung für rechtswidrig zu erklären, sowie die Verfahrenskosten zu ersetzen

 

in eventu: die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG zu verfügen."

 

 

2.1.1. Mit Telefax vom 31. August 2012 übermittelte die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

2.1.2. In einer Gegenschrift vom selben Tag führt die belangte Behörde ua. aus:

 

"Am 25.08.2012 um 08:20 Uhr wurde die Fremde im Zug von Linz Richtung X, kurz vor X, von Beamten der X/AGM einer Personenkantroile unterzogen. Sie wies sich mit einem rumänischen Reisepass, lautend auf den Namen „X, geb. X, der sich bei genauerer Kontrolle als gefälscht erwies. Die Fremde wurde vom Landesjournalbeamten nach dem FPG um 08:25 Uhr festgenommen und nach Einvernahme in das PAZ X eingeliefert.

In der am 25.08.2012 in der PI X erfolgten Einvernahme stellte die Fremde keinen Asylantrag.

Am 27.08.2012 um 08:00 Uhr wurde von der BPD Wels, Fremdenpolizei, die Schubhaft nach § 7671 FPG verhängt Der Grund hierfür war, dass bis dato kein Asylantrag gestellt worden war und für den Nachmittag eine Einvernahme bei der Fremdenpolizei geplant war. Am 27.08.2012 um 16:32 Uhr wurde die Einvernahme mit einem Dolmetsch für die Sprache DARI durchgeführt, um die Fremde Ober die rechtlichen Möglichkeiten und weiteren Vorgehensweisen zu informieren.

Sie gab an, dass der Vater verstorben sei und sie nach Deutschland wolle, weil Ihre Mutter dort sei. Sie wolle mit Ihrer Schwester X, die sich ebenfalls im Paz X befand, zu ihr fahren und wolle nicht in Österreich leben.

Da die Tatsache, dass die Mutter in Deutschtand lebt und vermutlich auch um Asyl angesucht hat, bzw. ansuchen wird, nur im Wege eines Asylverfahrens geklärt werden kann und auch nur so eine Familienzusammenführung stattfinden kann, wurde auf die Rechtsberatung bzw. Schubhaftbetreuung abgewartet. Die Fremde wollte bei der Einvernahme nichts mehr sagen. Am 28,08.2012 stellte sie nach dem Gespräch mit der Schubhaftbetreuung durch die Caritas einen Asylantrag und wurde dieser am selben Tag von Beamten des PAZ aufgenommen. Aufgrund des Umstandes, dass es sich um ein Dublinverfahren handelt (Mutter in Deutschtand), wurde die Schubhaft nach § 76 Abs. 2 FPG aufrechterhalten und dies mit Aktenvermerk festgehalten.

Am 30.08.2012 langte ein Ersuchen um Vorführung zur EASt X betreffend eine Einvernahme ein. Termin: 31.08.2012 08.00 Uhr.

Am 30.08.2012 wurde mit der Sachbearbeiterin Frau X Rücksprache gehalten, ob eine Zulassung erfolgen wird und ob die Fremde nach der Einvernahme in der EASt X untergebracht werden kann. Dies wurde verneint.

Am 31.08.2012 wurde mit der Journalbeamtin des BAA Kontakt aufgenommen und wurde sie ersucht, die Fremde und ihre Schwester X in der EASt X (wegen Minderjährigkeit) unterzubringen, bis die relevanten Fakten mit Deutschland geklärt sind. Die Journalbeamtin sagte eine Unterbringung zu und das Paz X wurde daraufhin angewiesen, nach Rückkehr aus der EASt X die Schwestern zur EASt X zu verbringen und aus der Schubhaft zu entlassen.

 

Zur Feststellung und „wahrheitsgemäßen" Angabe der Fremden, dass sie im Paz X in einer Einzelzelle (ohne ihre Schwester) untergebracht sei, wo sie täglich eingesperrt wurde, wurde mit dem Paz X Rücksprache gehalten. Diese Behauptung entspricht nach Auskunft des Beamten X nicht den Tatsachen, da beide von Anfang an in der Zeile 6 gemeinsam untergebracht waren und auch bezüglich des Verlassens der Zelle bzw. des Einsperrens wie die anderen Schubhäftlinge behandelt wurden. Weiters hatte sie täglich die Möglichkeit, eine Untersuchung durch den Amtsarzt in Anspruch zu nehmen.

 

Zusammengefasst wurde die Schubhaft gegen die Minderjährige zur „Sicherung einer legalen Schiene im Wege des Asylverfahrens" verhängt. Aufgrund des Umstandes, dass sie trotz zweimaliger Einvernahme kein Asylansuchen stellte, und dass es in X keine Möglichkeit der Unterbringung im gelinderen Mittel gibt, musste die Schubhaft bis zum Interview bei der EASt X aufrechterhalten werden."

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem – im Übrigen unwidersprochenen - unter den Punkten 1.1. und 2.1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1.1.  Gemäß § 83 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. Nr. 87/2012, ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z. 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs. 1 Z. 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.  

 

Gemäß § 82 Abs. 1 FPG hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.1.2. Es ist unbestritten, dass die Bf aufgrund des in Rede stehenden Bescheides der belangten Behörde vom 27. August 2012 bis zum 31. August 2012 in Schubhaft angehalten wurde, weshalb der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich die Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates nicht mehr in Schubhaft befindet, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine Prüfung im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdegründe vorzunehmen. Eine Feststellung über die Zulässigkeit der weiteren Anhaltung kann überdies unterbleiben.  

 

3.2.1. Gemäß § 76 Abs. 1 können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Der Bescheid hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Fremden verständlichen Sprache zu enthalten oder in einer Sprache, bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass er sie versteht. Eine unrichtige Übersetzung begründet lediglich das Recht, unter den Voraussetzungen des § 71 AVG wiedereingesetzt zu werden.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z. 1.

 

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung,

1.      in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2.      sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden      oder

3.      eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.

 

3.2.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst die Verhängung der Schubhaft in dem Stadium zu überprüfen, als die Bf noch keinen Asylantrag im Bundesgebiet gestellt hatte, also von 27. bis 28. August 2012.

 

Dabei ist festzuhalten, dass die völlig mittel- und wohnsitzlose Bf ohne jeglichen Aufenthaltstitel und ohne entsprechende Reisedokumente (aber mit einem gefälschten rumänischen Reisepass) aufgegriffen wurde, also fraglos nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war. Einen Asylantrag hatte sie nicht gestellt. In diesem Sinn war die belangte Behörde auch grundsätzlich angehalten, die ggst. Schubhaft auf § 76 Abs. 1 FPG zu stützen.

 

3.2.3. In der Beschwerde wird nun ausgeführt, dass die Rechtswidrigkeit der in Rede stehenden fremdenpolizeilichen Maßnahmen alleine schon daraus resultiere, dass im angefochtenen Schubhaftbescheid als alleiniger Zweck der Schubhaft die Sicherung der Abschiebung genannt wird. Die fremdenpolizeiliche Maßnahme der Abschiebung ist in § 46 FPG geregelt.

 

3.2.4. Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine ausweisung (§§ 61, 66 § 10 AsylG 2005) oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1.      die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der   öffentlichen Ordnung oder sicherheit notwendig scheint,

2.      sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3.      aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer          Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4.      sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das       Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

 

3.2.5. Grundlage und Voraussetzung für die Abschiebung ist nach dem wortlaut dieser Bestimmung also ein die Aufenthaltsbeendigung anordnender Rechtstitel, wie Rückkehrentscheidung, Ausweisung oder Aufenthaltsverbot. In Ermangelung eines solchen Titels kann die Abschiebung nicht durchgeführt werden.

 

Wenn ein Schubhaftbescheid als Grund der Maßnahme die intendierte Abschiebung anführt, obwohl kein aufenthaltsbeendender Titel vorliegt, ist er a priori mit Rechtswidrigkeit behaftet, die sich in der Folge auch auf die Festnahme und Anhaltung erstreckt, deren Grundlage der Bescheid bildet.

 

In diesem Sinn gelten die Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 FPG im vorliegenden Fall als nicht erfüllt.

 

3.3.1. Am 28. August 2012 stellte die Bf einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Gemäß § 76 Abs. 6 FPG kann die Anhaltung in Schubhaft aufrecht erhalten werden, wenn ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz stellt. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 oder 2a vor, gilt die Schubhaft als nach Abs. 2 oder 2a verhängt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft gemäß Abs. 2 oder 2a ist mit Aktenvermerk festzuhalten.

 

Es ist nun zu überprüfen, ob die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 oder 2a FPG gegeben sind, da bejahendenfalls die ggst. Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG als nach dieser Bestimmung erlassen gilt.

 

3.3.2. Gemäß § 76 Abs. 2 kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

3.3.3. Die belangte Behörde ging in Anbetracht dessen, dass die Bf Verwandte (Mutter) in Deutschland hat, die sie mit ihrer Flucht offenbar erreichen wollte, davon aus, dass Deutschland zur Überprüfung des Asylantrags gemäß den Schengener Abkommen zuständig sein werde und stützte die Schubhaft folglich auf § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG.

 

Auch, wenn diese Annahme grundsätzlich nicht unwahrscheinlich scheint, ist dennoch festzuhalten, dass betreffend den Sicherungsbedarf ab Asylantragstellung im konkreten Fall keinerlei besonderes Bedürfnis mehr bestand, da nicht anzunehmen war (und im Übrigen auch von der belangten Behörde nicht angenommen wurde), dass sich die Bf diesem Verfahren entziehen würde.

 

3.3.4. Daraus folgt aber, dass die in Rede stehende Anhaltung auch nach der Asylantragstellung durch die Bf jedenfalls nicht rechtmäßig erfolgte. Wenn die belangte Behörde anführt, für derartige Fälle nicht die faktische Möglichkeit einer Unterkunft bzw. zur Verhängung des gelinderen Mittels zu haben, ist dies aber dennoch nicht geeignet, Eingriffe in das Recht auf persönliche Freiheit damit zu rechtfertigen.

 

3.4. Es war daher, ohne auf die weiteren Vorbringen näher einzugehen, der in Rede stehenden Beschwerde stattzugeben und sowohl der Schubhaftbescheid, die Festnahme als auch die folgende Anhaltung in Schubhaft von 27. August 2012 bis 31. August 2012 für rechtswidrig zu erklären und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) zu einem Aufwandersatz in Höhe von 737,60 Euro zuzüglich der Eingabegebühren in Höhe von 14,30 Euro zu verpflichten.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum