Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720325/2/BP/WU

Linz, 03.09.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, geb. X, StA von Polen, wh. X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Perg vom 18. Juli 2012, GZ.: Sich40-9263-2004, mit dem über den Berufungswerber ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot verhängt wurde, zu Recht erkannt:

 

 

         Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der        angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Perg vom 18. Juli 2012, GZ.: Sich40-9263-2004, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) auf Basis des § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot verhängt. Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde dem Bw von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt.

 

In der Begründung führt die belangte Behörde nach Ausführung der §§ 67 Abs. 1, 2, 4 und 70 Abs. 3 an, dass der Bw Staatsbürger von Polen und demnach EWR-Bürger im Sinne des Fremdenpolizeigesetzes sei. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet von Österreich richte sich daher nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes. Die derzeitige Haftunterbringung in der Justizanstalt entspreche keiner Unterkunft im Sinne der melderechtlichen Bestimmungen. Seine letzte ordnungsgemäße melderechtliche Meldung sei in X, also im Verwaltungsbereich der Bezirkshauptmannschaft Perg, gewesen. Auch das erste fremdenpolizeiliche Einschreiten sei bei der Bezirkshauptmannschaft Perg zu einem Zeitpunkt gegeben gewesen, zu dem der Bw in diesem Verwaltungsbereich seinen Aufenthalt gehabt habe. Es ergebe sich daher die örtliche Zuständigkeit für die gegenständliche Maßnahme im Sinne des § 6 Abs. 2 FPG für die Bezirkshauptmannschaft Perg.

 

Der Bw sei am 23. März 2012 vom Landesgericht Linz unter der GZ.: 37 Hv 20/12k-34 wegen Vergewaltigung von Minderjährigen (§ 206/1 StGB), wegen sexuellen Übergriffs gegen Minderjährige gemäß § 207/1 StGB und wegen sexuellen Übergriffs gegen Minderjährige gemäß § 212/1 Z 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten und einer bedingten Freiheitsstrafe von 16 Monaten mit einer gesamt Probezeit von 3 Jahren verurteilt worden. Im Wesentlichen werde dem Bw dabei vorgehalten, in der Nacht zum 1. Jänner 2012 in X

 

Textteile wurden in der Online verfügbaren Entscheidung aufgrund der Inhalte anonymisiert.

 

Mit Einladung zur Stellungnahme am 17. April 2012 sei das fremdenpolizeiliche Aufenthaltsverbotsverfahren gegen den Bw eingeleitet worden.

 

In den beiden Stellungnahmen des Bw, jeweils datiert mit 3. Mai 2012, führe dieser sinngemäß und im Wesentlichen aus, dass er mit seiner Frau und seinem 13-jährigen Sohn seit mittlerweile 8 Jahren in x wohnen würde. Sein Sohn spreche kein polnisch und besuche derzeit die 4. Klasse Hauptschule in x. Seine Frau gehe 40 Stunden putzen; die Miete betrage 650 Euro. Der Bw habe bis zu seiner Haft immer gearbeitet, zuletzt als Stein- und Fliesenleger. Er habe seinen Lebensmittelpunkt in Österreich. In Polen sei es schwer, für ihn und seine Familie eine Wohnung und eine Arbeit zu finden. Aus all diesen Gründen solle von einer Abschiebung abgesehen werden.

 

Ähnliches werde auch von seiner Gattin in einer niederschriftlichen Vernehmung vom 14. Juni 2012 festgehalten. Die Gattin weise darüber hinaus auch noch auf die besonders gute Beziehung zwischen dem Bw und seinem Sohn hin. Sie führe auch an, dass eine Mitreise von ihr und dem Sohn nach Polen aufgrund der geschilderten Situation nicht möglich sei.

 

Es könne aufgrund dieses festgestellten Sachverhaltes nun eindeutig festgehalten werden, dass aufgrund des gezeigten persönlichen Verhaltens des Bw die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet sei. Sein persönliches Verhalten sei insofern eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, das ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, weil dieses Verhalten eine sehr verwerfliche Handlung darstelle. Die Gesellschaft habe natürlich ein Grundinteresse daran, dass Kinder keinesfalls solchen Handlungen ausgesetzt würden. Das Schutzinteresse der Kinder sei sehr hoch. Es sei keinesfalls zu erkennen, dass der Bw solche Handlungen nicht wieder setzen könnte. Es sei unvorhersehbar gewesen, wie der Bw diese Handlung gesetzt habe – es sei aber auch weiterhin nicht zu erkennen, dass der Bw eine solche nicht wieder setzen könnte.

 

Aus diesem Grund sei die angeführte fremdenpolizeiliche Maßnahme gegen den Bw zu erlassen. Dieses Erfordernis dürfte auch der Bw selbst als solches erkannt haben, da er in seiner abschließenden Stellungnahme zum Ergebnis des Beweisverfahrens diese angekündigte Maßnahme akzeptiert habe und lediglich nur noch um einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat bzw. um einen persönlichen Vorsprachetermin ersucht habe.

 

Es werde natürlich ein hohes Maß an privatem und familiärem Interesse an seinem Verbleib im Bundesgebiet von der Behörde erkannt, diese seine persönliche familiäre bzw. private Situation sei jedoch um einiges geringwertiger einzuschätzen als jenes Interesse der Allgemeinheit, welches die Erlassung dieses Aufenthaltsverbotes notwendig mache.

 

Bei der Abwägung der Dauer dieses Aufenthaltsverbotes sei das Ausmaß der Integration und die Intensität der familiären und sonstigen Bindungen des Bw berücksichtigt worden. Es sei jedoch kein Hinweis zu erkennen, wann sich seinerseits eine Erkenntnis ergebe, welche Kinder vor einem weiteren solchen Missbrauch schützen werde, weshalb die Höchstdauer ausgesprochen worden sei. Es liege an dem Bw, sich zukünftig wohl zu verhalten und gegebenenfalls einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes zu stellen, sobald die Gründe, die zu diesem Verbot geführt haben, weggefallen seien.

 

Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden und das Aufenthaltsverbot zu erlassen gewesen.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw rechtzeitig Berufung mit Schreiben vom 6. August 2012.

 

Darin führt er aus, dass er vor der Verurteilung des Landesgerichts Linz unbescholten gewesen sei und 16 Monate bedingt ausgesprochen worden seien. Er habe 6 Monate und 30 Tage Haft abgebüßt und sei bedingt (1 Monat und 1 Tag) entlassen worden.

Dem Bw sei ein Bewährungshelfer beigestellt worden, weiters sei ihm eine Weisung zu einer Alkoholtherapie sowie eine Psychotherapie in X mit dem Beschluss über die bedingte Entlassung vom 6. Juni 2012 verordnet worden. Therapietermine seien vereinbart und zu seinem Bewährungshelfer stehe er schon in Kontakt. Mit diesen Maßnahmen zeige das Gericht Vertrauen in seine Person. Diese Maßnahmen würden maßgeblich dazu beitragen, dass der Bw seine Probleme, die mit zum Delikt geführt hätten, nachhaltig bearbeiten könne.

 

Sein Schreiben vom 12. Juli 2012 an die belangte Behörde sei zu wenig überlegt gewesen.

 

Seine Familie werde ohne ihn in ihrer Existenz gefährdet sein, seine Lebensgefährtin arbeite ca. 30 Stunden für 850 Euro als Reinigungskraft, nicht wie im Bescheid angeführt, 40 Stunden. Die familiäre Wohnung koste ca. 650 Euro inkl. Betriebskosten, Heizung und Strom. Seit 6. August 2012 sei er beim Arbeitsmarktservice arbeitslos gemeldet.

Das Strafverfahren und die Haft sei für seine Lebensgefährtin und seinen Sohn sehr belastend gewesen. Der Sohn besuche das Polytechnikum in X und habe eine Operation mit Hochrisiko in nächster Zeit, zu dieser sei eine Blutspende seitens des Bw wahrscheinlich nötig. Als Vater sei er für seinen Sohn eine wichtige Bezugsperson.

 

In Polen müsse der Bw auf der Straße beginnen. Zu seiner Herkunftsfamilie bestehe seit 15 Jahren kein Kontakt. Die Lebensgefährtin und der Sohn seien von seiner Herkunftsfamilie nicht akzeptiert worden.

 

Das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit sei, wie in dem Bescheid ausgeführt, zweifellos schutzwürdig. Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit erscheine unter Berücksichtigung der bedingten Entlassung mit den Weisungen nicht mehr gegeben. Die familiären Interessen in dem Fall des Bw erschienen aus den angeführten Gründen im Widerspruch zum Bescheid der BH Perg nicht als geringer einzuschätzen.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 13. August 2012 wurde der gegenständliche Verwaltungsakt dem UVS des Landes Oberösterreich von der belangten Behörde vorgelegt.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG). Nachdem die entscheidungsrelevanten Sachverhaltsangaben in der Berufung nicht angezweifelt werden, erübrigt sich auch aus diesem Grund eine weitere mündliche Erörterung. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Bw auch nicht beantragt.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.

 

Aus der Aktenlage ergibt sich zudem, dass der Bw seit dem Jahr 2004 gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn in Österreich aufhältig ist.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 67 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens 10 Jahren erlassen werden.

 

Gemäß § 67 Abs. 3 FPG kann ein Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.      der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige        von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf        Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.      aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige      einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen         Vereinigung          (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische     Straftaten begeht           oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus          finanziert oder finanziert hat (§        278d StGB) oder eine Person für          terroristische Zwecke     ausbildet oder sich         ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.      aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige      durch          sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an         Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch   hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit    gefährdet oder

4.      ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter    Drittstaatsangehöriger   öffentlich in einer Versammlung oder durch      Verbreitung von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein          Kriegsverbrechen, ein Verbrechen     gegen die Menschlichkeit oder          terroristische Taten von vergleichbarem      Gewicht billigt oder dafür         wirbt.

 

3.1.2. Beim Bw handelt es sich um einen polnischen Staatsangehörigen, der von seiner Freizügigkeit Gebrauch machte, indem er sich in Österreich niederließ, also grundsätzlich um eine Person des in § 67 Abs. 1 FPG erster Satz angesprochenen Adressatenkreises. Nachdem sich der Bw – nach Aktenlage - nicht schon seit 10 Jahren im Bundesgebiet aufhält, zumal er erst vor gut 8 Jahren in Österreich seinen Aufenthalt nahm, kommt § 67 Abs. 1 vorletzter Satz FPG nicht zur Anwendung.

 

3.2.1. Es ist – im Hinblick auf die oa Bestimmung - nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit tatsächlich, gegenwärtig und erheblich zu gefährden.

 

Bei Interpretation des unbestimmten Gesetzesbegriffs "tatsächlich" ist festzuhalten, dass darunter sowohl eine nach Intensität als auch Konkretheit vorliegende Wirksamkeit angesprochen wird. Als Synonym bzw. Deskription von tatsächlich könnte demnach auch "wirksam feststellbar", im Umkehrschluss: nicht fiktiv, verstanden werden.

 

Zum Vorliegen des Tatbestandselements der Gegenwärtigkeit bedarf es eines Sachverhalts, dessen Wirkungen nicht schon in der Vergangenheit erschöpft, sondern auch zumindest in die Gegenwart reichend anzusehen sind. Dies impliziert jedoch auch die Beurteilung einer aus Sicht des gegenwärtigen Augenblicks erstellten Zukunftsprognose.

 

"Erheblich" wiederum bedeutet in etymologischer Herleitung: "Schwer genug, um die Waagschale zu heben". Ursprünglich aus dem Rechtsbegriff Relevanz abgeleitet, übersteigt "erheblich" in der Gemeinsprache den Ursprungsbegriff der Intensität nach.

 

Die eben dargestellten Tatbestandselemente müssen zur Rechtfertigung eines Aufenthaltsverbotes kumulativ gegeben sein.

 

3.2.2. Im vorliegenden Fall wurde der Bw mit dem Urteil des LG Linz vom 23. März 2012, zu GZ.: 37 Hv 20/12k-34, wegen Vergewaltigung von Minderjährigen (§ 206/1 StGB), wegen sexuellen Übergriffs gegen Minderjährige gemäß § 207/1 StGB und wegen sexuellen Übergriffs gegen Minderjährige gemäß § 212/1 Z 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten und einer bedingten Freiheitsstrafe von 16 Monaten mit einer gesamt Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Bw in der Nacht zum 1. Jänner 2012 in X

 

Textteile wurden in der Online verfügbaren Entscheidung aufgrund der Inhalte anonymisiert.

 

3.2.3. Angesichts der eben dargestellten Straftaten kann es absolut keinen Zweifel daran geben, dass durch derartige Verbrechen die öffentliche Ordnung und Sicherheit eines Staates massiv in den Schmutz getreten werden.

 

Maßgeblich ist dabei aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob die oben beschriebenen Tatbestandselemente im Sinne des § 67 Abs. 1 FPG vorliegen und ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird.

 

3.2.4. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Kindesmissbrauch an sich schon eine der verwerflichsten und verabscheuungswürdigsten Verletzungen der Rechtsordnung darstellt. Der Schutz von Minderjährigen, die Sexualstraftätern völlig wehrlos gegenüberstehen und regelmäßig im Vorneherein nicht abschätzbaren psychischen Folgen ausgesetzt sind, zählt zu einem der höchsten Rechtsgüter.    

 

Hält man sich vor Augen, dass der Bw kaltblütig die Situation ausnutzend, dass ihm die Nachbarskinder anvertraut waren und er gleich an zwei Mädchen – gegen deren Willen – seine sexuellen Triebe auslebte, so zeugt dies fraglos von einem großen Maß an perverser krimineller Energie. Vergewaltigung von Minderjährigen oder dem gleichkommende Misshandlungen, das X seien hier exemplarisch erwähnt. Dass darin eine tatsächliche und erhebliche Gefährdung von den oa. Rechtsgütern zu erkennen ist, wird wohl von niemandem ernsthaft bezweifelt werden können.

 

Der Bw wendet nun ein, dass die Gegenwärtigkeit der Gefährdung nicht mehr gegeben sei, da er vor dieser Straftat unbescholten, vorzeitig aus der Strafhaft entlassen, ihm Bewährungshilfe beigestellt worden sei und er eine psychologische Aufarbeitung anstrebe.

 

Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die verwerfliche Disposition nicht, sondern nur deren konkreter Ausbruch als punktuell qualifiziert werden kann. Der belangten Behörde folgend ist aus derzeitiger Sicht nicht abzuschätzen, wann und ob überhaupt diese Disposition erfolgreich bekämpft werden kann. Ein einmonatiger Erlass des Strafvollzugs, die Beigabe eines Bewährungshelfers oder die In-Anspruchnahme psychologischer Betreuung bieten keine ausreichende Gewähr, vom Wegfall der kriminellen Energie auch nur ansatzweise ausgehen zu können.

 

Besonders ist zu bemerken und zu betonen, dass der Bw – laut Urteil – jedenfalls nicht geständig war und vor allem etwa in der Berufung mit keinem Wort seine Opfer erwähnte oder gar Reue in gebührendem Maß zu vermitteln suchte. Somit ist zweifelsfrei jedenfalls auch von der Gegenwärtigkeit der Gefährdung auszugehen.

 

3.2.5. Sowohl die tatsächliche, die gegenwärtige als auch die erhebliche vom Verbleib des Bw im Bundesgebiet für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehende Gefahr, im Sinn des § 67 Abs. 1 FPG ist also im Ergebnis klar zu bejahen.

 

Es ist demnach zu konstatieren, dass durch das vom Bw gezeigte Verhalten das öffentliche Interesse der Gesellschaft an der Verhinderung von strafbaren Handlungen generell, die Verhinderung von Sexualverbrechen gegen Minderjährige speziell, gegenwärtig, tatsächlich und erheblich gefährdet ist und ihm keinesfalls eine günstige Zukunftsprognose auszustellen ist.

 

Grundsätzlich liegt somit der Tatbestand des § 67 Abs. 1 vor, weshalb die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw zulässig erscheint.

 

Allerdings ist im in Rede stehenden Fall auch besonders auf das Privat- und Familienleben des Bw im Sinne einer Interessensabwägung Bedacht zu nehmen.

 

3.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige          Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

3.3.2. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich effektiv zu begegnen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse äußerst hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

3.3.3. Es steht außer Frage, dass das in Rede stehende Aufenthaltsverbot massiv sowohl in das Privat- als auch Familienleben des Bw eingreift. Er ist mit einer polnischen Staatsangehörigen über lange Zeit hinweg liiert und lebt mit ihr im selben Haushalt im Bundesgebiet. Zusätzlich hat er gemeinsam mit dieser einen mittlerweile 14-jährigen Sohn, deren Interessen bei der Beurteilung per se zu berücksichtigen sein werden.

 

3.3.4.1. Der Bw ist laut Aktenlage seit dem Jahr 2004 im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig.

 

3.3.4.2. Es kann dem Bw – folgend den Feststellungen im angefochtenen Bescheid – ein positives Maß an beruflicher Integration zugestanden werden, wenn auch keine aktuelle Erwerbstätigkeit vorliegt und er – nach eigenen Angaben – zur Zeit als arbeitslos gemeldet ist.

 

3.3.4.3. Hinsichtlich der sozialen Integration wird von einer der achtjährigen Dauer angemessenen Verfestigung auszugehen sein; der Bw verfügt offenbar auchh über sehr gute Deutschkenntnisse; allerdings wird diese Integration doch durch seine Verbrechen und die daran knüpfende Inhaftierung gemindert.

 

3.3.4.4. Eine Reintegration des Bw in Polen ist – entgegen seiner Annahme – per se nicht unzumutbar, da er dort sowohl kulturell als auch sprachlich sozialisiert ist.

 

3.3.4.5. Das Familien- und Privatleben erscheinen grundsätzlich auch als durchaus schützenswert, insbesondere, wenn man den negativen Gesundheitszustand seines Sohnes in Betracht zieht. Eine allfällig erforderliche Blutspende des Bw könnte aber auch vom Ausland aus erfolgen. Dennoch wird nicht verkannt, dass der Eingriff gerade für die Lebensgefährtin und den Sohn, die sich zur Begleitung des Bw nach Polen nicht in der Lage sehen, als besonders gravierend anerkannt werden müssen, da die Familie nicht nur in materieller Hinsicht beeinträchtigt wird. Hier sei noch auf die glaubhaft geschilderte ausgezeichnete Vater-Sohn-Beziehung hingewiesen. Die Auswirkungen auf die Familienangehörigen und deren Interessen im Sinne des § 61 Abs. 3 FPG sind gewichtig zu berücksichtigen.

 

Gleich hier muss aber auch angemerkt werden, dass ein besonders ausgeprägtes Familien- und Privatleben oder die Interessen nach § 61 Abs. 3 FPG nicht dazu benutzt werden können, jegliche fremdenpolizeiliche Maßnahme im Vorneherein zu verunmöglichen, sondern dass die öffentlichen und persönlichen Interessen eben gegeneinander abzuwägen sind.

3.3.4.7. Zu Letztgesagtem ist nunmehr auf die - unter Punkt 3.2. dieses Erkenntnisses näher ausgeführte - besondere Verwerflichkeit des Verhaltens des Bw im Zuge seiner Straftaten hinzuweisen und zu konstatieren, dass durch sein Verhalten bzw. seinen weiteren Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen aufs Massivste geschädigt sind. 

 

3.3.4.8. Das Privat- und Familienleben entstand nicht erst während eines aufenthaltsrechtlich unsicheren Status. Genau so wenig sind Verzögerungen in den behördlichen Verfahren festzustellen.

 

3.3.5. Aus all dem folgt, dass zwar ein massiver Eingriff in das Privat- und Familienleben des Bw und seiner Angehörigen durch die Maßnahme zu bejahen ist, dass dieser aber im Verhältnis zu dem unter dem Punkt 3.2. eingehend dargestellten öffentlichen Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in den Hintergrund tritt.

 

Auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und der schonenden Auslegung im Hinblick auf unionsrechtlich geschützte Werte kommt man zu den eben dargestellten Überlegungen, wodurch ebenfalls die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw gerechtfertigt ist.

 

3.4.1. Hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbotes sind als maximaler Rahmen nach § 67 Abs. 2 FPG 10 Jahre vorgesehen.

 

Gemäß § 67 Abs. 4 FPG ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

 

3.4.2. Aus immanent zu berücksichtigenden gemeinschaftsrechtlichen Überlegungen und der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ist eine Beschränkung der Grundfreiheiten von Unionsbürgern oder Begünstigten Drittstaatsangehörigen möglichst maß- und zurückhaltend vorzunehmen.

 

Dennoch erfordern die besonderen Umstände des Falls und insbesondere die Tatsache, dass ein Wegfall der kriminellen Energie nicht absehbar ist, - der belangten Behörde folgend – die Verhängung von 10 Jahren als Gültigkeitsdauer der in Rede stehenden fremdenpolizeilichen Maßnahme.

 

Auch in diesem Punkt war der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

 

3.5. Hinsichtlich des erteilten Durchsetzungsaufschubes bedarf es keiner weiteren Erörterungen, zumal sich dieser schon aus dem Gesetz ergibt und der Bw im Übrigen gegen diesen Punkt keinen gesonderten Einwand erhoben hat.

 

3.6.1. Es war daher im Ergebnis die Berufung als unbegründet abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

 

3.6.2. Nachdem sich aus der Aktenlage ergibt, dass der Bw der Deutschen Sprache mächtig ist, konnte gemäß § 67 Abs. 5 iVm. § 59 Abs. 1 FPG auf die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung dieses Erkenntnisses verzichtet werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

Bernhard Pree

 

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