Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401205/5/WEI/Th

Linz, 27.08.2012

 

 

 

ERKENNTNIS

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des C Ö, geb. X, türkischer Staatsangehöriger, dzt Polizeiliches Anhaltezentrum Steyr, Berggasse 2, 4400 Steyr, vom 16. August 2012 wegen Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft durch die Bundespolizeidirektion Steyr zu Recht erkannt:

 

 

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bundespolizeidirektion Steyr) den notwendigen Verfahrensaufwand in der Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 38/2011) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS Oberösterreich) geht vom nachstehenden Gang des Verfahrens und Sachverhalt aus:

 

1.1. Dem Beschwerdeführer (im Folgenden nur Bf), einem türkischen Staatsangehörigen, wurde vom Bürgermeister der Stadt Steyr am 10. Dezember 1998 eine unbefristete Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck ausgestellt. In der Zeit von 1991 bis 2001 hielt sich der Bf rechtmäßig in Österreich auf, war in dieser Zeit unselbständig beschäftigt und seit dem
29. November 1996 mit seiner Familie in S, R, wohnhaft (vgl Meldebestätigung des Bürgermeisters der Stadt S vom 11. November 2008).

 

1.2. Aus Anlass einer Anzeige der Gattin des Bf vom 16. Februar 2009 wegen häuslicher Gewalt durch den Bf (Verdacht der Körperverletzung und gefährlichen Drohung) wurde im Schengener Informationssystem (SIS) eine den Bf betreffende Ausschreibung gemäß Art 96 SDÜ der Bundesrepublik Deutschland bekannt. SIRENE Deutschland teilte auf Anfrage des österreichischen Bundeskriminalamts vom 17. Februar 2009 mit, dass der Bf in der Bundesrepublik erstmals am 26. Oktober 2001 melderechtlich registriert wurde und dass eine unbefristete Ausweisungsverfügung am 18. Februar 2003 (unanfechtbar seit 21.03.2003) erlassen wurde.

 

Die Abschiebung in die Türkei sei am 24. November 2008 (nach Entlassung aus der Strafhaft) vollzogen und die schengenweite Ausschreibung zur Einreiseverweigerung am 2. Dezember 2012 durch die Ausländerbehörde R veranlasst worden. Als besondere Information zur Ausschreibung wird weiter mitgeteilt, dass sich der Bf wegen Mordes, versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung in der Zeit vom 26. Oktober 2001 bis zum 24. November 2008 in Haft befand.

 

Neben der Bekanntgabe der Gründe für die "SIS Ausschreibung gemäß Art 96 SDÜ" wurden der belangten Behörde auch ein Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg i. Br. (Baden-Württemberg) über die Ausweisung und Abschiebung und das Urteil des Landgerichtes R per Fax übermittelt.

 

Aus dem weiter unten dargestellten Urteil des Landgerichts R geht hervor, dass der Bf am 26. Oktober 2001 auf Grund des Haftbefehls des Amtsgerichts R vom 26. Oktober 2001, Zl. 3 Gs 608/01, festgenommen wurde und bis zur Verurteilung in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt R war.

 

Nach Angabe der Ehegattin (vgl Zeugenvernehmung vom 16.02.2009) kam der Bf nach Verbüßung von sieben Jahren Haft in Deutschland und seiner anschließenden Abschiebung in die Türkei bereits am 10. Dezember 2008 zu ihr und den Kindern nach S und zog wieder in die Wohnung ein.

 

1.3. Aus den aus der Bundesrepublik beigeschafften Urkunden in den fremdenpolizeilichen Akten geht hervor:

 

1.3.1. Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 18. Februar 2003, AZ. 17-03237401/Wai, rechtskräftig seit dem 21. März 2003, wurde der Bf aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, ihm die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe, angedroht und die Abschiebung aus der Haft angeordnet.

 

Begründend wird auf die seit 28. November 2002 rechtskräftige Verurteilung des Landgerichts R vom 30. April 2002 wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Totschlag und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren hingewiesen. Die Voraussetzungen des § 47 Abs 1 Nr. 1 Ausländergesetz (eine oder mehrere Freiheitsstrafen wegen Vorsatztaten von mindestens drei Jahren) seien beim Bf erfüllt, der ausschließlich wegen vorsätzlicher Straftaten verurteilt wurde. Die Ausweisung sei zwingend vorgeschrieben ohne dass der Ausländerbehörde ein Ermessensspielraum zustünde. Abschiebungshindernisse in Bezug auf die Türkei lägen nicht vor.

 

Im Hinblick auf den gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich wurde in der Begründung ausgeführt, dass zwar eine Abschiebung in der Herkunftsstaat anzudrohen war, der Bf jedoch auch in einen aufnahmebereiten oder zur Rücknahme verpflichteten Staat abgeschoben werden könne. Zur Zeit (abstellend auf den Bescheiderlassungszeitpunkt) verfüge der Bf über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in Österreich. Sollte er diese auch zum Zeitpunkt seiner frühest möglichen Abschiebung am 25. Oktober 2008 noch besitzen und die österreichischen Behörden einer Übernahme zustimmen, dann "werde ihm vorsorglich bereits jetzt die Abschiebung nach Österreich angekündigt." In der Folge wurde der Bf auf die Wirkungen der Ausweisung/Abschiebung hingewiesen.

 

Zu den Wirkungen der Ausweisung wurde mitgeteilt, dass der Bf nicht mehr einreisen und ihm keine Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden dürfe. Wenn er durch längeren Aufenthalt außerhalb Deutschlands bewiesen habe, sich künftig rechtstreu zu verhalten, könne er einen Antrag auf nachträgliche Befristung der Wirkung der Ausweisung stellen.

 

1.3.2. Mit Urteil der 1. Schwurgerichtskammer des Landgerichts R vom 30. April 2002 (Urteilsausfertigung vom 7.06.2002), Zl. 1 Ks 22 Js 11655/01-1 AK 5/02, wurde der Bf wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Totschlag und mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt.

 

Nach der Urteilsbegründung hatte der Bf vor dem Hintergrund eines schweren Familienstreits (Streit um die Vergewaltigung der Tochter G durch I A, den Neffen seiner Gattin) am 25. Oktober 2001 geplant, seinen Schwager M A in dessen Haus in O/Kreis R mit einer Pistole der Marke Browning, die er rechtswidrig in Bulgarien erworben hatte, zu töten, um die Schande zu rächen. Er machte sich gegen 19:00 Uhr mit seinem Pkw Audi 100 von S auf den 670 km langen Weg und kam am 26. Oktober 2001 gegen 02:30 Uhr beim Haus des Schwagers an, wo er dann gegen 03:00 Uhr mit der mit 8 Patronen geladenen Pistole über ein Badezimmerfenster eindrang und die Ehegatten A im Schlaf überraschte. Er wollte M A durch einen aufgesetzten Schuss in den Kopf töten, verwechselte aber in der Dunkelheit die Schlafpositionen und setzte die Pistole irrtümlich auf den Kopf der Frau S A und drückte ab. Der Schuss durchtrennte das verlängerte Rückenmark und tötete sie sofort. Als M A aufschreckte und sich gegen den Bf zu wehren begann, bemerkte dieser seinen Irrtum und versuchte weiterhin M A entsprechend seinem ursprünglichen Tatplan zu töten. Er gab Schüsse aus kürzester Entfernung auf ihn ab, traf ihn am rechten Halsbereich und am linken Oberschenkel und im Nacken, wobei das Projektil durch den Rachen wieder austrat und die Zähne im linken Oberkiefer zerstörte. Nachdem er das Magazin leer geschossen hatte und sich M A noch immer wehrte, sah der Bf keine weitere Möglichkeit, sein Vorhaben zu verwirklichen, zumal auch die im Haus befindlichen Söhne aufwachen und ihrem Vater zu Hilfe hätten eilen können. Er flüchtete und fuhr mit seinem Fahrzeug in westlicher Richtung Schwarzwald. Gegen 08:45 Uhr konnte er in W/S bei O festgenommen werden.

 

M A musste mehrfach operiert werden und trägt Zahnprothesen im linken Ober- und Unterkiefer. Neben einem Taubheitsgefühl der Zunge führte der Hals/Gesichtsschädeldurchschuss zum Verlust des Geschmackssinns. Er konnte seit Jänner 2002 wieder arbeiten, ist in seiner Erwerbsfähigkeit aber eingeschränkt.

 

Das Strafgericht nahm entsprechend der deutschen Rechtslage wegen Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit des schlafenden Opfers bei Tötung der S A das Mordmerkmal "Heimtücke" (vgl § 211 Abs 2 dStGB) und wegen der Personenverwechslung einen unbeachtlichen "error in persona" an. Die versuchte Tötung des M A wurde nicht als Mordversuch, sondern als versuchter Totschlag (Totschlag nach § 212 dStGB ist vorsätzliche Tötung ohne Mordmerkmale) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 dStGB) gewertet.

 

Die Schurgerichtskammer nahm im Rahmen der Strafbemessung beim Bf verminderte Schuldfähigkeit (Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei uneingeschränkter Einsichtsfähigkeit) an und betrachtete die schlechte psychische Verfassung, seine Unbescholtenheit und Reue bezüglich S A als mildernd. Besonders strafschärfend fiel ins Gewicht, dass er nach der Tötung des ersten Opfers noch einen zweiten Menschen töten wollte. Auch die schweren Verletzungen des M A und die lebensgefährliche Begehungsweise gingen zu Lasten des Bf. Schließlich hatte die Tat des Bf gravierend negative Folgen für die Familie A, zumal drei Kinder ihre Mutter verloren. Auch zeige die versuchte Tötung des M A, nachdem er S A erschossen hatte, dass es dem Bf völlig gleichgültig war, dass die Kinder dadurch beide Elternteile verlieren würden.

 

1.4. Bei der fremdenpolizeibehördlichen Einvernahme vom 20. Februar 2009 wurde dem Bf mitgeteilt, dass gegen ihn ein schengenweites Aufenthaltsverbot bestehe und seine Niederlassungsbewilligung wegen seiner siebenjährigen Abwesenheit aus dem Bundesgebiet erloschen sei. Er halte sich deshalb illegal im Bundesgebiet auf und müsse Österreich verlassen.

 

Der Bf führte dazu aus, dass ihm bei der Verhängung der Ausweisung in Deutschland gesagt worden sei, dass das Verbot nur für Deutschland gelte. Von einem Verbot für den Schengenraum sei ihm nichts gesagt worden. Er sei auch der Meinung, dass sein österreichischer Aufenthaltstitel gültig sei. Er sei auch mit der Niederlassungsbewilligung (gemeint: Eintrag im Reisepass) ohne Schwierigkeiten nach Österreich eingereist.

 

Dem Bf wurde auf Grund der gerichtlichen Verurteilung in Deutschland auch die Erlassung eines österreichischen Aufenthaltsverbotes in Aussicht gestellt.

 

Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab er an, dass sein Gattin und vier Kinder  österreichische Staatsbürgerschaft erlangt hätten. Er habe laut AMS keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, sondern könne nur mehr um Notstandshilfe ansuchen. Er wolle sich beim Magistrat S wegen eines neuen Aufenthaltstitels erkundigen und wenn notwendig beantragen.

 

In der Folge wurde dem Bf zur Kenntnis gebracht, dass er aufgrund seines illegalen Aufenthaltes in Schubhaft genommen und in nächster Zeit per Flugzeug in die Türkei abgeschoben werde. Dazu erklärte der Bf an, dass er freiwillig mit dem Pkw in die Türkei zurückfahren würde. Er benötige eine Woche Zeit, um seine persönlichen Angelegenheiten in S zu regeln. Abschließend betonte der Bf nochmals, dass er freiwillig ausreisen möchte. Die Unterfertigung der Niederschrift verweigerte der Bf mit der Begründung, dass er sich zuerst mit seinem Rechtsanwalt besprechen möchte.

 

Im Anschluss daran wurde dem Bf der Schubhaftbescheid des Polizeidirektors von Steyr vom 19. Februar 2009, ZL. 1-1007062/FP/09, um 10.00 Uhr ausgefolgt, mit dem gegen ihn die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs 1 iVm § 57 Abs 1 AVG angeordnet wurde. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Bf bis zum 23. Februar 2009, 16.30 Uhr, im PAZ Steyr in Schubhaft angehalten.

 

Am 23. Februar 2009 erkundigte sich G Ö, eine Tochter des Bf, mit ihrer Mutter und Geschwistern nach dem Stand des fremdenpolizeilichen Verfahrens und wurde in der Folge niederschriftlich einvernommen. Nach Ausführungen zum privaten Umfeld, der familiären Situation, dem massiven Eingriff in das Privatleben des Bf und seiner Familie im Falle einer Abschiebung, wurde die belangte Behörde informiert, dass der Reisepass des Bf nicht auffindbar sei. Aufgrund der geänderten Situation sei keine Scheidung mehr beabsichtigt und das weitere Zusammenleben der Familie geplant.

 

Am 23. Februar 2009 um 16.30 Uhr wurde der Bf aus der Schubhaft entlassen. Mit Bescheid vom 23. Februar 2009 ordnete die belangte Behörde das gelindere Mittel an, dass der Bf in S, R Unterkunft zu nehmen und sich jeden Montag bei der Polizeiinspektion E zu melden habe.

 

Mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenats vom 3. April 2009, Zl. 400989/2/SR/Sta, wurde die Anhaltung in Schubhaft vom 20. bis 23. Februar 2009 für rechtswidrig erklärt, weil ein konkreter Sicherungsbedarf von der belangten Behörde nicht dargelegt wurde und die allfällige Anordnung eines gelinderen Mittels genügt hätte.

 

1.5. Am 6. Mai 2009 teilte die Tochter G der belangten Behörde mit, dass ein deutscher Rechtsanwalt beauftragt worden wäre, die Aufhebung der deutschen Ausweisung des Bf zu erreichen, wobei die Erledigung einige Monate dauern könnte. Ihr Vater werde das Ergebnis in der Türkei abwarten und freiwillig aus dem Bundesgebiet mit dem Pkw ausreisen. Die Ausreise werde am 11. Mai 2009 erfolgen.

 

Mit Erhebungsbericht des SPK Steyr vom 2. Juni 2009 wurde über eine Kontrolle in der Wohnung berichtet, bei der die Tochter G angetroffen wurde und angab, ihr Vater sei im Mai in die Türkei ausgereist. In der Wohnung habe nichts auf eine Anwesenheit des Bf hingedeutet.

 

Aktenkundig ist weiter das Schreiben des Regierungspräsidiums Freiburg i.Br. (Baden-Württemberg) vom 15. Mai 2009, Zl. 15-292929-BF-AU/WAI, mit welchem dem deutschen Rechtsanwalt M G des Bf zur nachträglich angestrebten Befristung der deutschen Ausweisung mitgeteilt wurde, dass man sich derzeit nicht in der Lage sähe, die Ausweisung des Bf nachträglich zu befristen. Auf Grund des persönlichen Verhaltens des Bf gehe von ihm eine konkrete Wiederholungsgefahr aus, welche die Ausweisung nach § 47 Abs 1 Nr. 1 AuslG gerechtfertigt habe. Der Ausweisungszweck sei noch nicht erfüllt. Nach einer Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums betrage der Rahmen für die zeitliche Befristung zwei bis neun Jahre zuzüglich des Strafmaßes, wobei diese Frist im Regelfall sieben Jahre betragen solle. Zu berücksichtigen sei als Fristbeginn der Tag der Abschiebung (24.11.2008) und das Strafmaß von 14 Jahren. Dies ergebe eine Regelfrist bis zum 24. November 2029. Man könne sich vorstellen, die Wirkung der Ausweisung bis zum 31. Oktober 2029 zu befristen, sofern keine neuen Straftaten bekannt und die Kosten der Abschiebung bezahlt werden würden. Man empfehle zur gegebenen Zeit unter Vorlage aktueller Strafregisterauszüge und lückenloser Meldebestätigungen der Aufenthaltsstaaten des Bf neuerlich einen Antrag auf Befristung zustellen.

 

Zum Wunsch des Bf in Österreich zu leben teilte die Ausländerbehörde Freiburg mit, dass dem die SIS-Ausschreibung entgegenstehe und eine separate Löschung der Ausschreibung jedoch nicht zulässig sei. Eine vorzeitige Löschung der Ausschreibung im SIS sei nur möglich, falls ein anderer Schengen-Staat einem betroffenen Ausländer einen Aufenthaltstitel erteilen will und im sog. Konsultationsverfahren nach Art 25 SDÜ um die Löschung bittet. Ein solches Konsultationsverfahren sei von Österreich bisher nicht betrieben worden.

 

1.6. Der Bf versuchte in der Folge von der namens des Landeshauptmannes ermächtigten Aufenthaltsbehörde der Stadt Steyr (Bürgermeister) vergeblich einen neuen Aufenthaltstitel für Österreich zu erlangen.

 

Mit Bescheid des Bürgermeisters von Steyr vom 12. Jänner 2010, Zl. Frp/4264, wurde der im Wege der österreichischen Vertretungsbehörde in Istanbul gestellte Antrag des Bf vom 8. Oktober 2009 auf Erteilung einer Bewilligung nach den Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005 (NAG) mit dem Zweck "Familienangehöriger" auf der Grundlage des § 11 Abs 1 Z 2 iVm § 47 Abs 2 NAG abgewiesen. Begründend wird auf die Mitteilung des fremdenpolizeiliche Referats der belangten Behörde hingewiesen, dass gegen den Bf ein von der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochenes Einreise- und Aufenthaltsverbot im Schengener Gebiet bestehe. Gemäß § 11 Abs 1 Z 2 NAG dürfe einem Fremden keine Niederlassungsbewilligung erteilt werden, wenn gegen ihn ein Aufenthaltsverbot eines anderen EWR-Staates besteht.

 

Mit Bescheid des Bürgermeisters von Steyr vom 24. August 2010, Zl. Frp/4264, wurde der weitere, im Wege der österreichischen Vertretungsbehörde in Istanbul gestellte Antrag des Bf vom 2. Juli 2010 auf Erteilung einer Bewilligung nach den Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005 mit dem Zweck "Familienangehöriger" unter Hinweis auf die Rechtsgrundlagen mit gleicher Begründung abgewiesen.

 

1.7. In weiterer Folge gelang es dem Bf wegen eines Irrtums der Grenzpolizei über den Flughafen Wien (vgl E-Mail vom 27.6.2012) mit seinem türkischen Reisepass samt Eintrag des alten Aufenthaltstitels einzureisen, wobei er angab, zu seiner Wohnadresse in Freistadt heimzukehren. Tatsächlich hatte er sich mit 30. April 2012 unter der Adresse F, K, polizeilich angemeldet und konnte offenbar schon damals ohne Probleme einreisen.

 

Im Zuge von fremdenpolizeilichen Erhebungen (Aktenvermerk der PI Freistadt vom 18.06.2012, Zl. E1/4078/2012-Pay) an dieser Adresse durch einen Beamten der Polizeiinspektion Freistadt am Abend des 14. Juni 2012 erklärte der Hauseigentümer H O in Anwesenheit seines Sohnes L als Übersetzer, dass er dem Bf am 30. April 2012 Unterkunft gewährte, weil dieser in einer Pizzeria einen Arbeitsplatz bekommen hätte. Er nächtigte drei Tage und beanspruchte die Unterkunft danach nicht mehr. Ob er tatsächlich gearbeitet habe, könnte er nicht sagen. Der Bf hätte keine persönlichen Sachen mehr in seinem Haus und wohne dort nicht mehr. Vor drei Wochen hätte ihm die Bezirkshauptmannschaft Freistadt einen Brief gesendet, den er nach telefonischer Verständigung abholte. Soweit er es mitbekommen hätte, sei er zur Ausreise aufgefordert worden. Vor einer Woche wäre er seines Wissens in die Türkei ausgereist. Er werde die Abmeldung des Bf veranlassen.

 

Nach dem Bericht der GPI Leopoldschlag vom 2. Juli 2012, Zl. E1/4540/2012, über fremdenpolizeiliche Erhebungen im Wohnhaus K, F, am 2. Juli 2012, gab Frau S Ö im Beisein ihres Sohnes als Übersetzer an, dass sich der Bf zuletzt im Juni 2012 an der oa. Adresse aufgehalten habe. Danach sei er in die Türkei ausgereist. Es befinde sich weder der Reisepass des Bf im Haus, noch habe er ihre Familie in der letzten Woche besucht. Mit einer freiwilligen Nachschau im Haus war sie in Abwesenheit ihres Gatten H Ö nicht einverstanden.

 

Tatsächlich scheint der Bf laut Personenabfrage im Zentralen Melderegister mit Wohnsitz unter der Adresse K, F, für die Zeit vom 30. April 2012 (Meldegrund Zuzug aus Nicht EU-Raum) bis 26. Juni 2012 (Meldegrund Verzug in Nicht EU-Raum) auf.

 

Laut handschriftlichem Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 28. Juni 2012 gab der Bf dort telefonisch bekannt, dass er in S bei seiner Familie aufhältig sei. Der Akt wurde daraufhin der belangten Behörde übersendet.

 

1.8. Am 30. Juni 2012 zwischen 10:00 und 11:00 Uhr konnte der Bf in der ehelichen Wohnung in S nicht angetroffen werden. Seine Gattin gab an, dass er gerade in L wäre. Er sollte sich am 2. Juli 2012 bei der Fremdenpolizei mit Ausweisdokument melden. Bei diesem Termin wurde er dann festgenommen und kam in Schubhaft. Nach Mitteilung der belangten Behörde in der Gegenschrift gab er an, seinen Reisepass versteckt zu haben.

 

Mit Bescheid vom 29. Juni 2012, Zl. 1-1007062/FP/12, ordnete die belangte Behörde gegen den Bf die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) an. Der Bescheid wurde dem Bf am 2. Juli 2012 um 13:20 Uhr übergeben und zugestellt. Er verweigerte allerdings die Empfangsbestätigung.

 

In der Begründung verwies die belangte Behörde auf ein rechtskräftiges unbefristetes Aufenthaltsverbot der Bundesrepublik Deutschland für das Schengengebiet, ausgenommen bei Besitz eines gültigen Einreise- oder Aufenthaltstitels eines Schengenstaates. Der österreichische Aufenthaltstitel des Bf sei ex lege erloschen. Er sei daher illegal eingereist und negiere das bestehende rechtskräftige Aufenthaltsverbot. Die belangte Behörde sei verpflichtet den unrechtmäßigen Aufenthalt zu beenden und habe sich um eine rasche Abschiebung zu kümmern. Das Verhalten des Bf lasse klar erkennen, dass er nicht gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Seinem Recht auf persönliche Freiheit stehe das überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und der Sicherung seiner Person auf Grund akuter Fluchtgefahr gegenüber. Die Anwendung gelinderer Mittel sei nicht in Betracht gekommen, weil damit der Zweck der Schubhaft nicht erreicht worden wäre.

 

Mit Schreiben vom 3. Juli 2012 ersuchte die belangte Behörde im Wege des Bundesministeriums für Inneres um Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Bf. Das Generalkonsulat der Türkei in Wien gab zwar als Vorsprachetermin den 31. Juli 2012 bekannt, führte dann aber das Interview nicht durch, weil es nach dem Wohnort des Bf nicht zuständig sei. Die belangte Behörde beantragte daraufhin mit Schreiben vom 3. August 2012 beim Generalkonsulat der Türkei in Salzburg unter Anschluss der notwendigen Unterlagen die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Bf. Eine Reaktion dieser türkischen Vertretungsbehörde ist noch nicht aktenkundig.

 

2.1. Mit Schreiben des Bf vom 16. August 2012, eingelangt per Post am
20. August 2012, erhob dieser Beschwerde an den UVS Oberösterreich wegen seiner Anhaltung in Schubhaft. Zum Sachverhalt gab er an, dass er am 8. Mai 2009 freiwillig in die Türkei gereist wäre, um ein neues Visum für Österreich abzuwarten, was zweimal abgelehnt worden wäre. Seine Familie besitze die österreichische Staatsbürgerschaft und er sei in Österreich außerdem nicht vorbestraft. Da er ohne seine Familie in der Türkei kein Leben führen könne, sei er am 30. April 2012 nach Österreich gereist und habe kurz danach zu arbeiten angefangen, wobei er vier Wochen vollversichert gewesen wäre. Er sei dann wieder kurz in die Türkei und am 27. Juni 2012 wieder mit seinen bestehenden Reisedokumenten über den Flughafen Wien gekommen. Er habe sich sofort bei der Fremdenpolizei Freistadt gemeldet. Telefonisch wäre für den 2. Juli 2012 ein Termin bei der Fremdenpolizei Steyr vereinbart worden. Seither sei er in Schubhaft.

 

Wenn er illegal in Österreich wäre, wie hätte er problemlos am Flughafen Wien einreisen und in Österreich arbeiten können. Wegen der Ablehnung seiner Niederlassungsanträge habe er Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof einbringen lassen, aber bisher keine Antwort erhalten. Auch auf seinen Antrag auf ein gelinderes Mittel habe er keine Antwort bekommen. Er wolle die Antwort in Freiheit bei seiner Familie abwarten.

 

2.2. Der Bezug habende Fremdenakt wurde dem UVS Oberösterreich am
23. August 2012 vorgelegt. Mit Gegenschrift vom 21. August 2008 wurde auf die bekannten Tatsachen und darauf verwiesen, dass der Bf angab, seinen Reisepass versteckt zu haben. Beim Interviewtermin des türkischen Konsulats in Wien sei die Zuständigkeit des Konsulats in Salzburg festgestellt worden, weshalb ein entsprechendes Ersuchen an diese Vertretungsbehörde erging. Ein Termin sei noch nicht bekannt gegeben worden. Abschließend wird die kostenpflichtige Abweisung der Schubhaftbeschwerde beantragt.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 Abs 2 Satz 2 FPG ist gegen die Anordnung der Schubhaft weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

 

Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung den unabhängigen Verwaltungssenat anzurufen,

 

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG (idF seit BGBl I Nr. 122/2009) ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs 1 Z 2 oder 3 der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs 1 Z 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.

 

Nach § 83 Abs 2 FPG gelten die §§ 67c bis 67g sowie 79a AVG mit der Maßgabe, dass

  1. eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, und
  2. die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates über die Fortsetzung der Schubhaft binnen einer Woche zu ergehen hat, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet.

 

Gemäß § 83 Abs 4 FPG hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Im vorliegenden Fall hat die Bundespolizeidirektion Steyr  den Schubhaftbescheid erlassen und die Anhaltung in Schubhaft angeordnet. Der Oö. Verwaltungssenat ist daher örtlich zuständig. Der Bf befindet sich noch in Schubhaft. Seine Beschwerde ist zulässig.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Nach § 76 Abs 1a FPG dürfen unmündige Minderjährige nicht in Schubhaft angehalten werden.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

 

4.3. Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Nach § 80 Abs 2 FPG darf die Schubhaftdauer grundsätzlich

 

  1. zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;
  2. vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall des Abs 3 und 4 vorliegt.

 

§ 80 Abs 3 FPG erlaubt die Aufrechterhaltung der Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden darf, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist.

 

§ 80 Abs 4 FPG enthält weitere Verlängerungsgründe. Kann oder darf der Fremde nur deshalb nicht abgeschoben werden,

 

  1. weil die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht möglich ist oder
  2. weil die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt oder
  3. weil er die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt,

 

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden, es sei denn, die Nichtvornahme der Abschiebung ist dem Verhalten des Fremden zuzurechnen. In diesen Fällen darf der Fremde wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraums von 18 Monaten nicht länger als 10 Monate in Schubhaft angehalten werden. Gleiches gilt, wenn die Abschiebung dadurch gefährdet erscheint, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen hat.

 

4.4. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs verlangt die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Schubhaft nach § 76 Abs 1 FPG eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Außerlandesschaffung und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen. Dabei ist der Frage nach dem Sicherungsbedürfnis nachzugehen, was die gerechtfertigte Annahme voraussetzt, der Fremde werde sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen oder diese Maßnahmen zumindest wesentlich erschweren.

 

In der neueren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vermag die fehlende Ausreisewilligkeit eines Fremden für sich allein die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht zu rechtfertigen. Deshalb kann auch die Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft noch nicht rechtfertigen. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen, der insbesondere im Fall mangelnder sozialer Verankerung im Inland in Betracht kommt. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon mehrfach betont, dass in Bezug auf die Annahme eines Sicherungsbedarfes aus Überlegungen zu einem strafgerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Fehlverhalten alleine nichts zu gewinnen sei (ständige Rspr; vgl ua. VwGH 8.9.2005, Zl. 2005/21/0301; VwGH 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081; VwGH 27.3.2007, Zl. 2005/21/0381; VwGH 28.6.2007, Zl. 2005/21/0288 und Zl. 2004/21/0003; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0107; VwGH 28.5.2008, Zl. 2007/21/0246).

 

Überdies ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs beim Sicherungserfordernis die konkrete Situation des Beschwerdeführers (Einzelfallprüfung) zu prüfen. Deswegen verbietet sich auch ein Abstellen auf allgemeine Erfahrungen im Umgang mit Asylwerbern oder aus anderen Fällen (vgl VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0051; VwGH 28.6.2007, Zl. 2006/21/0091).

 

4.5. In dem aus Anlass einer Amtsbeschwerde ergangenen Erkenntnis vom
17. März 2009, Zl. 2007/21/0542, hat der Verwaltungsgerichtshof zunächst wiederholt, dass die bloße Nichtbefolgung eines Ausreisebefehls die Schubhaft nicht zu rechtfertigen vermag, sondern der Sicherungsbedarf müsse in weiteren Umständen begründet sein, wofür etwa eine mangelnde soziale Verankerung in Österreich in Betracht komme (Hinweis auf VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Für die Bejahung des Sicherungsbedarfs im Anwendungsbereich des § 76 Abs 1 FPG komme daher insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, welche das befürchtete Risiko des Untertauchens rechtfertigen können (Hinweis auf VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0162). Abgesehen von der Integration des Fremden sei bei Prüfung des Sicherungsbedarfs auch das bisherige Verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen (Hinweis auf VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/0311; VwGH je vom 28.06.2007, Zl. 2006/21/0091 und Zl. 2006/21/0051). Auch wenn Gründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nach dem Gesetz keinen tauglichen Schubhaftzweck darstellen (vgl etwa VwGH 31.08.2006, Zl. 2006/21/0087; VwGH 27.02.2007, Zl. 2006/21/311) kann nach dem oben zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. März 2009 der Verurteilung eines Fremden im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Bedeutung zukommen. Eine erhebliche Delinquenz des Fremden kann das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität seiner baldigen Abschiebung – in Abhängigkeit von der Schwere der Straftaten - maßgeblich vergrößern.

 

4.6. Im gegenständlichen Fall konnte die belangte Behörde die Schubhaftverhängung zur Sicherung der Abschiebung des Bf auf den Tatbestand des § 76 Abs 1 FPG stützen.

 

Die in diesem Zusammenhang einschlägige Bestimmung betreffend die "Vollstreckung von Rückführungsentscheidungen von EWR-Staaten" findet sich seit 1. Juli 2011 im neuen § 46b FPG idF BGBl I Nr. 38/2011 (vgl § 126 Abs 9 FPG ) und war davor im § 71 FPG aF geregelt. Sie lautet:

 

     "§ 46b.  (1) Bei Drittstaatsangehörigen, die über keinen Aufenthaltstitel verfügen, entspricht die rechtskräftige, vollstreckbare Rückführungsentscheidung eines Mitgliedsstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung, wenn

 

1.  die Rückführungsentscheidung mit der schwerwiegenden und akuten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder die nationale Sicherheit begründet wird und

 

a)  auf der strafrechtlichen Verurteilung einer mit einer mindestens einjährigen Freiheitsstrafe bedrohten Straftat beruht oder

 

b)     erlassen wurde, weil begründeter Verdacht besteht, dass der Drittstaatsangehörige schwere Straftaten begangen hat oder konkrete Hinweise bestehen, dass er solche Taten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates plant, oder

 

2   die Rückführungsentscheidung erlassen wurde, weil der Drittstaatsangehörige gegen die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen des Entscheidungsstaates verstoßen hat.

 

                 (2) Bei Drittstaatsangehörigen, die über einen österreichischen Aufent-haltstitel verfügen und gegen die eine Rückführungsentscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 erlassen wurde, hat die Fremdenpolizeibehörde ein Verfahren zur Entziehung des Aufenthaltstitels einzuleiten. Entzieht die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde den Aufenthaltstitel nicht, wird die Rückführungsentscheidung nicht vollstreckt. § 50 gilt.

 

                 (3) Nationale Entscheidungen gemäß den §§ 53, 54, 60 und 62 gehen Abs. 1 und 2 vor."

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 7. Februar 2008, Zl. 2006/21/0389, zum vergleichbaren § 71 FPG aF darauf hingewiesen, dass damit die Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (RückführungsRL; ABl 2001 L 149,34) umgesetzt wurde. Diese Richtlinie knüpfe an den im Art 63 Z 3 lit b EG enthaltenen Begriff der "Rückführung" an und beinhalte sämtliche Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung (Hinweis auf Riel/Schrefler-König/Szymanski/Wollner; FPG, § 71 Anm 1). Auch die Begriffe Ausweisung oder Aufenthaltsverbot fallen unter den Begriff "Rückführungsentscheidung". Demnach kann auch eine in Deutschland erlassene Ausweisung verbunden mit der Einreiseverweigerung taugliche Grundlage für die Schubhaft sein (vgl VwGH 26.08.2010, Zl. 2007/21/0385 unter Verweis auf VwGH 7.02.2008, Zl. 2006/21/0389).

 

§ 46b Abs 1 FPG setzt nunmehr eine rechtkräftige und vollstreckbare Rückführungsentscheidung eines EWR-Mitgliedsstaates einer durchsetzbaren österreichischen Rückkehrentscheidung (vgl § 52 FPG) gegen einen Drittstaatsangehörigen, der über keinen Aufenthaltstitel verfügt und sich daher nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ausdrücklich gleich.

 

Gemäß § 10 Abs 3 Z 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz –NAG (StF BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 135/2009) wird ein Aufenthaltstitel oder eine Dokumentation des Aufenthalts- oder Niederlassungsrechts gegenstandslos, wenn der Fremde im Besitz eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EG" oder "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" ist und seit sechs Jahren nicht mehr in Österreich niedergelassen ist.

 

Gemäß § 11 Abs 3 iVm Abs 2 der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (BGBl II 2005/451 zuletzt geändert mit BGBl. II Nr. 97/2009) gilt die vor dem In-Kraft-Treten des NAG unbefristet erteilte Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck als "Daueraufenthalt –EG" weiter.

 

Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Bf in der Zeit vom 26. Oktober 2001 (Tag der Verhaftung in Deutschland) bis zum 10. Dezember 2008 (Rückkehr in die eheliche Wohnung in S aus der Türkei) und damit mehr als sieben Jahre nicht in Österreich wohnhaft und aufhältig war, weil er wegen seiner Gewaltverbrechen im Kreis R zunächst in Untersuchungshaft und später in Strafhaft kam und von der deutschen Ausländerbehörde am 24. November 2008 aus der Strafhaft in die Türkei abgeschoben wurde.

 

Der Bf war damit durchgehend länger als sechs Jahre nicht mehr in Österreich niedergelassen und ist sein Aufenthaltstitel, der nach der NAG-Durchführungsverordnung als "Daueraufenthalt - EG" zu werten war, im Grunde des § 10 Abs 3 Z 4 NAG gegenstandslos geworden.

 

In einem vergleichbaren Fall hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 24. Februar 2009, 2008/22/0087, ausgeführt, dass "infolge der durchgehenden etwa 9-jährigen Abwesenheit vom Bundesgebiet und dem damit letztlich auch -wenn auch nach dem Vorbringen nicht freiwillig - erfolgten Fehlen der Niederlassung" die unbefristet erteilte Niederlassungsbewilligung nicht mehr existent sei.

 

Die Versuche des Bf, von der Türkei aus einen neuen Aufenthaltstitel zu erlangen, scheiterten. Seine beiden Anträge auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck "Familienangehöriger" aus den Jahren 2009 und 2010 wurden jeweils abgewiesen (vgl dazu Punkt 1.6.). Da es keinen Hinweis auf eine sonstige Aufenthaltsberechtigung gibt, ist davon auszugehen, dass sich der Bf schon seit 10. Dezember 2008 wiederholt im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufgehalten hat und sich auch derzeit unrechtmäßig ohne Aufenthaltstitel aufhält.

 

Die unbefristete deutsche Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 18. Februar 2003, rechtskräftig seit 21. März 2003, hatte auch die Wirkung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots. Sie wurde gemäß Art 96 SDÜ zur Beachtung und Einreiseverweigerung - mit Ausnahme eines gültigen Einreise- oder Aufenthaltstitels eines Schengenstaates, den der Bf aber nicht besitzt - schengenweit ausgeschrieben.

 

Diese Ausweisung wurde mit der Verurteilung des Bf wegen vollendeten Mordes, versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren begründet. Dabei wurde betont, dass bei dieser Verurteilung wegen ausschließlich vorsätzlichen Straftaten die Ausweisung zwingend vorgeschrieben sei und der Ausländerbehörde kein Ermessensspielraum zustünde. Auch im Schreiben der deutschen Ausländerbehörde vom 15. Mai 2009 betreffend die Ablehnung der vom Bf nachträglich angestrebten Befristung der Ausweisung wird unmissverständlich auf vom Bf ausgehende konkrete Wiederholungsgefahr auf Grund des persönlichen Verhaltens des Bf hingewiesen. Wie aus dem Urteil des Landgerichts R hervorgeht (dazu Punkt 1.3.2.), handelt es sich um sehr schwerwiegende Gewaltverbrechen des Bf. Die Schwurgerichtskammer hat wegen der verminderten Steuerungsfähigkeit des Bf die Freiheitsstrafe von 14 Jahren unter weitgehender Ausschöpfung des im Vergleich zum Mord, der mit lebenslanger Strafe bedroht ist, gemilderten Strafrahmens in Höhe von 3 bis 15 Jahren festgesetzt. Dabei handle es sich, abgesehen von Mord, um den schwersten Strafrahmen des deutschen Strafgesetzesbuches (vgl das Urteil des LG R, Seite 47).

 

Im Sinne der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 Z 1 lit b) FPG kann es daher nicht zweifelhaft sein, dass die deutsche Rückführungsentscheidung auf der nach dem massiven Fehlverhalten vom Bf ausgehenden schwerwiegenden und akuten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung auf Grund seiner strafrechtlichen Verurteilung beruht. Sie entspricht deshalb ex lege einer gegen einen Drittstaatsangehörigen erlassenen österreichischen Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot nach §§ 52 f FPG und ist damit taugliche Grundlage für den gegenständlich anwendbaren Schubhafttatbestand des § 76 Abs 1 FPG.

 

Die lange Strafhaft des Bf stellt auch eine verschuldete Arbeitslosigkeit dar, die die Rechte des Bf im Rahmen des Assoziationsabkommens EWG -Türkei nach dem Art 6 Abs 1 ARB 1/80 vernichtet (vgl EuGH 10.02.2000, C-340/97 in der Rechtssache Nazli und weiter Metin Akyurek, Das Assoziationsabkommen EWG-Türkei, 88 f).

 

4.7. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Schubhaft kann der UVS Oberösterreich der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn sie den Sicherungsbedarf beim Bf sinngemäß damit bejaht, dass der Bf das ihm schon längst mitgeteilte Erlöschen seines österreichischen Aufenthaltstitels gemäß § 10 Abs 3 Z 4 NAG nach wie vor missachtet und das gegen ihn im Schengenraum bestehende Einreiseverbot auf Grund der unbefristeten deutschen Ausweisungsverfügung beharrlich negiert hat.

 

Bereits bei der fremdenpolizeilichen Einvernahme vom 20. Februar 2009 wurde dem Bf mitgeteilt, dass er sich illegal in Österreich aufhalte und das Bundesgebiet verlassen müsse, weil die österreichische Niederlassungsbewilligung wegen seiner siebenjährigen Abwesenheit erloschen und schengenweit ein deutsches Aufenthaltsverbot (Ausweisungsverfügung mit dieser Wirkung) ausgeschrieben ist. Da er mit seinem türkischen Reisepass und dem dort noch eingetragenen Aufenthaltstitel einreisen konnte, glaubte er den gemachten Vorhalt nicht, wollte aber freiwillig mit dem Pkw in die Türkei nach rund einer Woche ausreisen. Aus der Schubhaft wurde er am 23. Februar 2009 unter Verweis auf ein gelinderes Mittel entlassen. Nach Mitteilung seiner Tochter G vom 6. Mai 2009 wollte er schließlich mit Hilfe eines deutschen Rechtsanwalts die Aufhebung der deutsche Ausweisung betreiben und am
11. Mai 2009 freiwillig ausreisen, was dann laut polizeilichem Erhebungsbericht vom 2. Juni 2009 auch geschehen sein dürfte.

 

Bereits mit Schreiben vom 15. Mai 2009 erteilte die deutsche Ausländerbehörde dem Bemühen seines deutschen Rechtsanwalts, eine baldige Befristung der Ausweisungsverfügung zu erreichen, unter Hinweis auf die beim Bf anzunehmende Wiederholungsgefahr eine klare Absage. Zu dem dahinter stehenden Wunsch des Bf, in Österreich zu leben, belehrte ihn auch die Ausländerbehörde in Freiburg i.Br., dass dem die schengenweite Ausschreibung im SIS entgegenstehe, die vorzeitig nur auf Ersuchen eines Schengenstaates, der dem Bf einen Aufenthaltstitel verleihen möchte, in einem Konsultationsverfahren gelöscht werden könne. Dem Bf musste damit die Wirkung der unbefristeten deutschen Ausweisungsverfügung klar geworden sein. Er bemühte sich dann in der Folge um eine neue österreichische Niederlassungsbewilligung und stellte zwei entsprechende Anträge, die allerdings vom Bürgermeister von Steyr namens des Landeshauptmannes unter Hinweis auf das bestehende deutsche Einreise- und Aufenthaltsverbot abgewiesen wurden.

 

Obwohl der Bf mittlerweile um die Auswirkungen der unbefristeten deutschen Ausweisung und das Erlöschen seiner österreichischen Niederlassungsbewilligung genau Bescheid wusste, ignorierte er diese Tatsachen und kam abermals ab
30. April 2012 mit seinem türkischen Reisepass und dem noch eingetragenen ungültigen Aufenthaltstitel nach Österreich, wobei ihm die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens auf Grund der ihm mittlerweile bekannten Umstände bewusst sein musste. Wohl in diesem Bewusstsein und damit er nicht gleich der gut informierten Fremdenpolizei Steyr auffällt, meldete er sich nicht an der Adresse seiner Familie in S an, sondern im Sprengel der Fremdenpolizeibehörde Freistadt, wo er die wegen einer – im Übrigen mangels Aufenthaltstitels ebenfalls illegalen – Arbeitstätigkeit gewährte Unterkunft nach Angabe seines Verwandten H Ö aber nur kurz (drei Nächte) benutzt und dann nicht mehr beansprucht haben soll. Gemeldet unter K, F, war er allerdings bis 26. Juni 2012 (Meldegrund: Verzug in Nicht EU-Raum). Diese vom Bf zu verantwortenden Meldedaten können allerdings nicht richtig sein, weil dem Bf aktenkundig wegen eines Fehlers der Grenzpolizei bereits am 27. Juni 2012 neuerlich die illegale Einreise über den Flughafen Wien gelang. Dabei hatte er gegenüber der Grenzpolizei offenbar unzutreffend angegeben, an seine Wohnadresse in F heimzukehren. Laut Aktenvermerk der Fremdenpolizei Freistadt gab er dann am 28. Juni 2012 telefonisch bekannt, dass er sich bei seiner Familie in S aufhalte, wo er am 30. Juni 2012 allerdings nicht angetroffen werden konnte. Auch dieses zweifelhafte Meldeverhalten verbunden mit teilweise unrichtigen Angaben des Bf zeigt auf, dass er unaufrichtig vorgeht und deshalb nicht vertrauenswürdig ist.

 

Durch sein gesamtes Fehlverhalten hat der Bf deutlich erkennen lassen, dass er sich nicht mit den gegebenen Umständen und den für ihn daraus folgenden negativen rechtlichen Konsequenzen abfinden will. Er will trotz besseren Wissens nach wie vor nicht wahrhaben, dass seine Einreise nach Österreich illegal und sein Aufenthalt im Bundesgebiet wie überhaupt im gesamten Schengenraum ohne besonderen Aufenthaltstitel nicht zulässig ist. Er ist offensichtlich im Ergebnis nicht gewillt, sich an dieser Rechtslage zu orientieren und die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Wie er in der Schubhaftbeschwerde angibt, möchte er eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs betreffend die Ablehnung der von ihm neu beantragten Niederlassungsbewilligung bei seiner Familie abwarten. Dieses Recht kommt ihm allerdings mangels einer bestehenden Aufenthaltsberechtigung nicht zu. Er müsste die Entscheidung vielmehr in der Türkei abwarten, was ihm auch bewusst ist oder zumindest längst bewusst sein müsste.

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass beim Bf nicht bloß eine schlichte Ausreiseunwilligkeit vorliegt, die für sich alleine nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs noch keinen Sicherungsbedarf begründen könnte. Vielmehr findet die Ausreiseunwilligkeit des Bf zusätzlich in den oben aufgezeigten besonderen Umständen, aus denen ein Sicherungsbedürfnis abzuleiten ist, ihren Niederschlag. Dazu kommt, dass der erheblichen Delinquenz eines Fremden im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Schubhaft Bedeutung zukommt. Sie kann das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität seiner alsbaldigen Abschiebung in Abhängigkeit von der Schwere der Straftaten maßgeblich vergrößern (vgl VwGH 25.03.2010, Zl. 2009/21/0276 unter Hinweis auf 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542). Die massiven Gewaltstraftaten des Bf im Familienkreis aus dem mit demokratisch westlichen Wertvorstellungen unvereinbaren Motiv verletzter Ehre verbunden mit dem Rächen der Schande erhöhen nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des UVS Oberösterreich das öffentliche Interesse an einer möglichst raschen Außerlandesschaffung des Bf beträchtlich.

 

4.8. Gemäß § 77 Abs 1 FPG hat die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt gemäß § 77 Abs 3 FPG insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei einer bestimmten dem Fremden zuvor bekannt gegebenen Polizeiinspektion zu melden.

 

Entgegen der Ansicht des Bf kommt ein gelinderes Mittel iSd § 77 Abs 3 FPG nicht in Betracht, weil etwa auch die periodische Meldung bei einem Polizeikommando das Untertauchen des Bf in die Anonymität nicht verhindern könnte und die alsbald bevorstehende Abschiebung des Bf nach Vorliegen eines Heimreisezertifikates damit verhindert werden würde oder zumindest wesentlich erschwert wäre. Nach dem gesamten Verhalten des Bf ist nicht zu erwarten, dass er sich dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörde zur Verfügung halten würde. Wie die belangte Behörde mitteilte, hat er auch angegeben, seinen türkischen Reisepass versteckt zu haben, um offenbar nicht rasch abgeschoben werden zu können. Jedenfalls ist die Behörde ohne den Reisepass gezwungen, ein Heimreisezertifikat bei der türkischen Vertretungsbehörde zu erwirken. Der Bf ist offensichtlich nicht bereit, an den fremdenpolizeilichen Maßnahmen mitzuwirken.

 

Da unter den gegebenen Umständen eher noch von einem erhöhten Sicherungsbedarf auszugehen war, konnte die belangte Behörde ein gelinderes Mittel nicht in Betracht ziehen, zumal der Zweck der Schubhaft – die unverzügliche Abschiebung in die Türkei – nicht erreichbar wäre. Die Schubhaft war damit das einzig zuverlässige Mittel, um die fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu sichern.

 

Im Ergebnis war und ist die Schubhaft aus den dargelegten Gründen notwendig und verhältnismäßig, zumal sie dem das Recht des Bf auf persönliche Freiheit  überwiegenden öffentlichen Interesse eines geordneten Fremdenwesens diente. Die belangte Behörde hat nach Ausweis der Aktenlage bislang auch zügig alle erforderlichen Verfahrensschritte ergriffen, um die Schubhaft so kurz wie möglich zu halten.

 

Da die vorliegende Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des fremdenpolizeilichen Verhaltens aufzeigen konnte, war sie als unbegründet abzuweisen und im Sinne des § 83 Abs 4 FPG gleichzeitig auszusprechen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen derzeit vorliegen.

 

5. Gemäß § 79a Abs 1 AVG 1991 iVm § 83 Abs 2 FPG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG). Nach § 79a Abs 6 AVG 1991 ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Nach § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008) betragen die Pauschbeträge für die belangte Behörde als obsiegende Partei für den Vorlageaufwand 57,40 Euro und für den Schriftsatzaufwand 368,80 Euro.

 

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist der belangten Behörde Vorlage- und Schriftsatzaufwand entstanden, weshalb der Verfahrensaufwand der obsiegenden belangten Behörde antragsgemäß mit insgesamt 426,20 Euro festzusetzen und dem Bf der Kostenersatz zugunsten des Bundes aufzutragen war.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Bundestempelgebühren für die eingebrachte Beschwerde in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

D r. W e i ß

 

 

 


 

Ü b e r n a h m e b e s t ä t i g u n g

 

 

Die Übergabe des Erkenntnisses des UVS Oberösterreich vom 27.08.2012, Zl. VwSen-401205/5/WEI/Th, an den unten genannten Schubhäftling wird bestätigt:

 

Ort/Datum/Uhrzeit: PAZ Steyr, am  ......................................

 

 

Unterschriften:

 

 

C Ö, geb. X:         

 

 

Zusteller (ausfolgendes Organ):      

 

 

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