Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400978/14/Fi/MZ/CG

Linz, 17.08.2012

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Johannes Fischer über die Be­schwerde des x, vertreten durch x, betreffend die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides vom 9. Mai 2008, Sich41-193-2007, der Rechtswidrigkeit der Festnahme am 13. Mai 2008 und der Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft vom 13. Mai 2008 bis 27. Oktober 2008 im Polizeianhaltezentrum der Bundespolizeidirektion Wels jeweils durch den Bezirkshauptmann des Bezirkes Ried im Innkreis, zu Recht erkannt:

I.                  Die Beschwerde wird, soweit sie die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides vom 9. Mai 2008, die Rechtswidrigkeit der Festnahme am 13. Mai 2008 und die Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 13. Mai 2008 bis 26. Oktober 2008 betrifft, als unbegründet abgewiesen.

II.              Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann des Bezirkes Ried im Innkreis) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

§ 82 Abs. 1 und § 83 Abs. 1, 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008) iVm den §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.


 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Ried im Innkreis vom 9. Mai 2008, Sich41-193-2007, wurde gemäß § 76 Abs. 1 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) mit Beendigung seiner gerichtlichen Anhaltung verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum Wels am 13. Mai 2008 vollzogen.

Begründend führt die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtsgrundlagen im Wesentlichen aus:

Der Bf besitze nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, sei nigerianischer Staatsangehöriger und somit Fremder iSd § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Nach der Aktenlage sei der Bf am 15. Dezember 2002 unbekannten Ortes unter Umgehung der Grenzkontrolle illegal mit dem Zug nach Österreich eingereist und habe am 17. Dezember 2002 einen Asylantrag gestellt. Dieser Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Eisenstadt, vom 21. April 2004, 02 39.669-BAE, gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen und unter einem gemäß § 8 Asylgesetz 1997 die Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria festgestellt worden. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung sei mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. Jänner 2007, UBAS-249.575/0/12E-IV/12/04, rechtskräftig mit 6. Februar 2007, abgewiesen worden. Der gegen diesen Bescheid wiederum eingebrachten Beschwerde habe der Verwaltungsgerichtshof zunächst die aufschiebende Wirkung zuerkannt, ehe er die Behandlung der Beschwerde am 18. März 2008 abgelehnt habe. Damit sei das Asylverfahren endgültig rechtskräftig abgeschlossen und der Aufenthalt des Bf in Österreich als nicht rechtmäßig einzustufen. Der Bf besitze außerdem keinen Reisepass und keine sonstigen Identitätsnachweise.

Zuletzt sei der Bf am 13. Mai 2007 in Wien festgenommen worden. Gegen den Bf würden in Österreich folgende rechtskräftige Verurteilungen aufscheinen:

"1. Landesgericht für Strafsachen Wien vom 10.03.2004, Zahl 152 Hv 39/04a, wegen § 27 Abs. 2 SMG zu 7 Monaten Freiheitsstrafe, davon 6 Monate bedingt nachgesehen (rechtskräftig seit 10.03.2004).

2. Landesgericht für Strafsachen Wien vom 10.08.2005, Zahl 063 Hv 108/05w, wegen § 28 Abs. 2 und Abs. 3 1. Fall SMG und § 27 Abs. 1 SMG: 1 Jahr Freiheitsstrafe (rechtskräftig seit 13.08.2005), sowie Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu 1.

3. Landesgericht für Strafsachen Wien vom 13.09.2007, Zahl 044 Hv 115/06m, wegen § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2, 1. Fall SMG: 8 Monate Freiheitsstrafe.

4. Landesgericht für Strafsachen Wien vom 28.09.2007, Zahl 044 Hv 43/07z, wegen § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 1. Fall SMG, § 269 Abs. 1 und § 15 StGB: 12 Monate Freiheitsstrafe (rechtskräftig seit 16.11.2007)".

Mit dem zuletzt genannten Urteil sei der Bf für schuldig befunden worden, im Zeitraum von ca. einer Woche bis vor dem 13. Mai 2007 in zumindest drei "Angriffen" den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgift einem Dritten überlassen zu haben, indem er insgesamt zumindest drei Gramm Heroin um zumindest 150,- Euro verkauft habe. Weiters habe der Bf am 23. Juli 2007 einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versucht, indem er bei seiner Vorführung zum Anstaltsarzt der Justizanstalt Wien-Simmering während der Visitierung eine ruckartige Drehbewegung nach links gemacht und gezielt in Richtung eines Justizwachebeamten geschlagen habe. Als erschwerend habe das Gericht das Zusammentreffen von zwei Vergehen, die einschlägigen Vorstrafen und den besonders raschen Rückfall gewertet.

Der Bf sei am 18. Dezember 2007 im Stand der Strafhaft von der Justizanstalt Wien-Simmering in die Justizanstalt Ried im Innkreis verlegt worden, wobei das Strafende mit 13. Mai 2008 errechnet worden sei. Weiters habe die Bundespolizeidirektion Wien gegen den Bf mit Bescheid vom 7. Februar 2007,
III-1157583/FrB/07, ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen. Die Berufung dagegen sei mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. März 2007, E1/98143/2007, mit der Maßgabe bestätigt worden, dass ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erlassen werde (rechtskräftig seit 29. März 2007). Bemerkt sei, dass der Bf bislang von der Bundespolizeidirektion Wien im Zeitraum vom 11. März 2004 bis 15. März 2004 fünf Tage lang in Schubhaft angehalten worden sei. Vor seiner Verhaftung habe der Bf an der Adresse x, x, in einer Unterkunft der Caritas gewohnt.

In Österreich lebten keine Angehörigen des Bf und er sei zudem völlig mittellos sowie ledig und habe keine Sorgepflichten. Seinen Lebensunterhalt habe der Bf bislang durch Hilfsdienste für die Caritas und vereinzelt durch Handel mit gebrauchten Waren bestritten. Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 10. April 2008 sei der Bf darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass geplant sei, über ihn die Schubhaft zu verhängen, ein Heimreisezertifikat einzuholen und ihn auf dem Luftweg abzuschieben. Der Bf erklärte, er wolle keinesfalls nach Nigeria oder Benin abgeschoben werden, da er sich ein Leben nur in Südafrika vorstellen könne; sollte er nicht in Österreich bleiben dürfen, werde er innerhalb von drei Wochen das Land selbstständig verlassen. Der Bf sei weiters aufgefordert worden, Beweismittel zu seiner Person (Dokumente jeglicher Art, insbesondere Reisepass) beizuschaffen. Die belangte Behörde habe zur Feststellung seiner Identität am 23. April 2008 um die Ausstellung eines nigerianischen Heimreisezertifikates angesucht. Die Vorführung zur Botschaft sei am 8. Mai 2008 erfolgt.

Es bestehe daher bei Gesamtbetrachtung des vorliegenden Sachverhalts ernsthaft die Gefahr, dass sich der Bf mit Beendigung der gerichtlichen Anhaltung bei einer Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft dem Zugriff der Behörde entziehe und dadurch seine Abschiebung vereitle oder wesentlich erschwere. Die Befürchtung, der Bf könne untertauchen, erscheine im Hinblick auf die ungeklärte Identität und wegen seiner mangelnden beruflichen, familiären und sozialen Verankerung im Inland schlüssig. Der Bf sei an keinem Wohnsitz aufrecht polizeilich gemeldet und besitze nur Barmittel im Ausmaß von 90,55 Euro. Längere Zeit habe der Bf lediglich über eine "Obdachlosenmeldung" verfügt. Auch habe das Asylverfahren des Bf wegen unbekannten Aufenthaltes vorübergehend eingestellt werden müssen. Der Bf wirke zudem nicht ausreichend an der Feststellung seiner Identität mit, zumal er beispielsweise am 11. April 2008 die Abnahme von Fingerabdrücken zur Beschaffung eines Heimreisezertifikates abgelehnt habe. In seiner letzten Befragung habe er nicht einmal mehr seinen Geburtsort und seine Staatsangehörigkeit nennen wollen oder können. Letztlich sei gerade bei Straftätern aus dem Suchtgiftmilieu die Gefahr des Untertauchens als überdurchschnittlich hoch zu bewerten. Nach erfolgter Ablehnung der Beschwerdebehandlung durch den Verwaltungsgerichtshof habe sich die Fluchtgefahr besonders verdichtet, da nun grundsätzlich die Abschiebung bevorstehe. Es sei daher einzelfallbezogen von einem konkreten Sicherungsbedarf auszugehen.

Der Zweck der Schubhaft könne durch Anwendung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG nicht erreicht werden, weil aufgrund des dargestellten Sachverhaltes zu befürchten sei, dass der Bf untertauchen und sich der Abschiebung in sein Heimatland entziehen werde. Bei der Nichtanwendung des gelinderen Mittels sei vor allem auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen gewesen:

-         illegale Einreise nach Österreich

-         kein fester Wohnsitz

-         nicht rechtmäßiger Aufenthalt

-         fehlende Identitätsnachweise

-         sehr geringe finanzielle Mittel

-         fehlende soziale, berufliche und familiäre Anküpfungspunkte in Österreich

Im Übrigen ließen die vom Bf begangenen Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz und der Umstand, dass der Bf jeweils bereits kurze Zeit nach seiner Verurteilung rückfällig geworden sei, die Anwendung eines gelinderen Mittels keinesfalls geboten erscheinen. Von einem rechtskonformen Verhalten könne also keine Rede sein. Es bestünden daher massive Befürchtungen, dass der Bf untertauchen werde. Der beschriebenen Fluchtgefahr könne realistisch nur mit Schubhaft begegnet werden.

Die belangte Behörde habe sich im konkreten Fall mit der Frage der Verhältnismäßigkeit auseinandergesetzt und sei zum Ergebnis gelangt, dass der mit der Schubhaftverhängung verbundene Eingriff in die persönliche Freiheit des Bf im Hinblick auf das besondere öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens und der Bekämpfung der Suchgiftkriminalität nicht außer Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehe. Die Abschiebung des Bf sei somit aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 FPG dringend geboten. Da die Identität des Bf ungeklärt sei und er über kein Reisedokument verfüge, sei zu befürchten, dass der Bf seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen werde (§ 46 Abs. 1 Z 3 FPG). Von einer Rückkehrwilligkeit in den Heimatstaat könne ohnedies keine Rede sein.

2.1. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom 9. Dezember 2008, eingelangt beim Oö. Verwaltungssenat per Telefax am selben Tag, stellt der Bf die Anträge auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides sowie seiner Festnahme und seiner Anhaltung in Schubhaft "ab Beginn, in eventu ab 14.7. 2008 bis Ende". Unter Hinweis auf § 79a AVG beantragt der Bf weiters die Erstattung der Stempelgebühren und den pauschalierten Schriftsatzaufwand, gegebenenfalls auch den pauschalierten Verhandlungsaufwand.

Zur Rechtszeitigkeit seiner Beschwerde führt der Bf begründend aus, dass seine Anhaltung am 27. Oktober 2008 und daher die sechswöchige Beschwerdefrist gemäß § 33 Abs. 2 AVG am 9. Dezember 2008 geendet habe.

Als Beschwerdegründe führt der Bf nach seiner Darstellung des Sachverhalts an, dass die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien über die Berufung gegen ein Rückkehrverbot entschieden habe; die Zustellung dieses Bescheides sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als er als Asylwerber anzusehen gewesen sei. Daraus folge, dass materiell ein Rückkehrverbot erlassen worden sei. Folglich sei er nicht verpflichtet gewesen, Österreich zu verlassen, sondern es hätte zur Vornahme der Abschiebung der Erlassung einer Ausweisung bedurft (Hinweis auf VwGH 17. Juli 2008, 2008/21/0050), weshalb er zur Sicherung der Abschiebung nicht in Schubhaft hätte angehalten werden dürfen. Die Schubhaft sei aber auch deshalb rechtswidrig gewesen, weil die Behörde zu Unrecht angenommen habe, er werde sich einer allfälligen Abschiebung durch "Untertauchen" entziehen. Er sei vor der Gerichtshaft in der Grundversorgung des Landes Wien untergebracht gewesen und daher hätte die belangte Behörde auch davon ausgehen müssen, dass ich neuerlich in die Grundversorgung aufgenommen werde. Auch aufgrund der Unklarheit betreffend seine Staatsangehörigkeit (Benin oder Nigeria) hätte die belangte Behörde damit rechnen müssen, kein Heimreisezertifikat für den Bf zu erlangen. Die Schubhaft habe daher ihren Zweck nicht erreichen können. Auch sei es völlig unverständlich, dass sich die belangte Behörde nicht schon unmittelbar nach seiner Verlegung in die Justizanstalt Ried im Innkreis mit der Beschaffung des Heimreisezertifikats begonnen habe. Diesfalls wäre er früher der nigerianischen Botschaft vorgeführt worden und schon bei Inschubhaftnahme hätte die belangte Behörde über seine Unabschiebbarkeit Gewissheit gehabt. Zudem sei sein Wunsch, selbstständig aus Österreich auszureisen und sich in Südafrika niederzulassen, ignoriert worden. Jedenfalls sei die Schubhaft ab 14. Juli 2008 rechtswidrig, da die Mitteilung nach § 80 Abs. 7 FPG nicht in englischer Sprache, sondern in deutscher Sprache auszufertigen gewesen wäre. Die in englischer Sprache gehaltene Erklärung sei daher nichtig und die Haft somit ab 14. Juli 2008 mangels Rechtsgrundlage unrechtmäßig.

2.2. Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2008 übermittelte die belangte Behörde dem Oö. Verwaltungssenat den dort geführten Verwaltungsakt. In diesem Schriftsatz beantragt sie zudem die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Schubhaftbeschwerde und verweist im Wesentlichen darauf, dass die Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 7. Februar 2007 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot (richtig: ein unbefristetes Rückkehrverbot) gegen den Bf erlassen habe. Der dagegen erhobenen Berufung habe die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien mit Bescheid vom 8. März 2007 keine Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass gegen den Bf gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 FPG 2005 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen werde. Dieser Bescheid sei am 29. März 2007 in Rechtskraft erwachsen. Daran vermöge auch der Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof der "im Asylverfahren (§§ 7 und 8 Abs. 1 AsylG 1997)" eingebrachten Beschwerde mit Beschluss vom 16. März 2007 die aufschiebende Wirkung zuerkannt habe, nichts zu ändern. Der Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien sei unbekämpft geblieben und sei auch sonst nicht behoben worden. Im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung sei also ein durchsetzbares, rechtskräftiges Aufenthaltsverbot vorgelegen, sodass die Erlassung eines Ausweisungsbescheides nicht erforderlich gewesen sei. Aufgrund des rechtskräftig negativen Abschlusses seines Asylverfahrens habe die belangte Behörde davon ausgehen müssen, dass der Bf nach der Gerichtshaft keinen Rechtsanspruch mehr auf Grundversorgung habe. Die Behörde gehe aufgrund der bisherigen Angaben des Bf im Asylverfahren davon aus, dass er nigerianischer Staatsbürger sei. Die Asylbehörden hätten auch die Refoulementprüfung in Bezug auf Nigeria vorgenommen. Die belangte Behörde habe nach der Verlegung des Bf in die Justizanstalt Ried im Innkreis sofort die Akten aus Wien angefordert und den Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die dort anhängige Beschwerde nach dem AsylG verständigt. Für die Dauer des anhängigen höchstgerichtlichen Verfahrens sei keine Vorführung vor die nigerianische Botschaft vorgesehen gewesen. Es sei jedoch nach Ablehnung der Beschwerdebehandlung durch den Verwaltungsgerichtshof ohne unnötigen Aufschub die erforderlichen Vorbereitungshandlungen zur Beschaffung eines Heimreisezertifikates getroffen worden. Am 8. Mai 2008 – noch im Stand der Strafhaft – sei die Vorführung des Bf vor die nigerianische Botschaft erfolgt. Es sei auch während der Schubhaft entsprechend Kontakt gehalten und urgiert worden. Dem Einwand, die belangte Behörde habe den Wunsch des Bf nach selbstständiger Ausreise und Niederlassung in Südafrika ignoriert, sei entgegen zu stellen, dass diese Erklärung für sich allein nicht ausreiche. In diesem Zusammenhang sei auch auf das fehlende Reisedokument und die mangelnde Mitwirkung an der Identitätsfeststellung hinzuweisen. Die Belehrung nach § 80 Abs. 7 FPG 2005 sei deshalb in englischer Sprache verfasst worden, um den angehaltenen Fremden in einer ihm verständlichen Sprache zu informieren.

2.3. Am 27. Oktober 2008 wurde der Bf aus der Schubhaft entlassen.

2.4.1. In einem ersten Verfahrensgang hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Erkenntnis vom 24. März 2009 wie folgt über die in Rede stehende Beschwerde abgesprochen:

 

I.                   Die Beschwerde wird, soweit sie die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides vom 9. Mai 2008, die Rechtswidrigkeit der Festnahme am 13. Mai 2008 und die Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 13. Mai 2008 bis 26. Oktober 2008 betrifft, zurückgewiesen.

 

II.                Die Beschwerde wird, soweit sie die Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft am 27. Oktober 2008 betrifft, als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die Anhaltung in diesem Umfang nicht rechtswidrig war.

III.             Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann des Bezirkes Ried im Innkreis) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2.4.2. Gegen den in Punkt 2.4.1. angesprochenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich erhob der Bf das außerordentliche Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juli 2012, 2009/21/0113-6, wurden Spruchpunkt I. (Zurückweisung der Administrativbeschwerde) und Spruchpunkt III. (Kostenpunkt) des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. (Abweisung der Administrativbeschwerde) richtete, wurde deren Behandlung abgelehnt.

2.4.3. Hinsichtlich den vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Spruchpunkten I. und III. ist daher das Beschwerdeverfahren wieder offen und ist vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eine neuerliche Entscheidung zu treffen, wenngleich zu betonen ist, dass der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich bereits in seiner vom Verwaltungsgerichtshof am 5. Juli 2012, 2009/21/0113-6, teilweise aufgehobenen Entscheidung in seiner Begründung klar zum Ausdruck brachte, dass "[s]elbst wenn man die Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde – in dem in Spruchpunkt I skizzierten Umfang – bejahte, […] diese aus den unter Punkt 4 angeführten Gründen ebenso abzuweisen gewesen [wäre]".

In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

1. Rechtslage:

 

Die hier maßgebenden Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG in der Stammfassung BGBl. I Nr. 100/2005 (§ 80 Abs. 5 idF BGBl. I Nr. 4/2008) lauten wie folgt:

"Anwendungsbereich

 

            § 1. (1) ...

            (2) Auf Asylwerber (§ 2 Z 14 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100) sind die §§ 41 bis 43, 53, 58, 68, 69, 72 und 76 Abs. 1 nicht anzuwenden. Ein vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eingeleitetes Aufenthaltsverbotsverfahren ist nach Stellung eines solchen Antrages als Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes weiterzuführen. Es ist nur über das Rückkehrverbot abzusprechen. Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, sind darüber hinaus die §§ 39, 60 und 76 nicht anzuwenden. Die Durchsetzung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes gegen einen Asylwerber ist erst zulässig, wenn die Ausweisung nach § 10 AsylG 2005 durchgesetzt werden kann. Ein Rückkehrverbot kann gegen einen Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, erlassen werden.

           

 

Schubhaft

 

            § 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

            ...

            (3) Die Schubhaft ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

            ...

            (5) Wird ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

            ...

            (7) Die Anordnung der Schubhaft kann mit Beschwerde gemäß § 82 angefochten werden.

                       

Dauer der Schubhaft

 

            § 80. (1) Die Behörde ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

            (2) Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer in den Fällen des Abs. 3 und 4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern.

            ...

            (4) Kann oder darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden,

            1. weil die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht mög-   

             lich ist oder

            2. weil die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines ande-

                ren Staates nicht vorliegt oder

            3. weil er die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt

                (§ 13) widersetzt,

            kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden, es sei denn, die Nichtvornahme der Abschiebung ist dem Verhalten des Fremden zuzurechnen. In diesen Fällen darf der Fremde wegen desselben Sachverhalts innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren nicht länger als zehn Monate in Schubhaft angehalten werden. Ebenso kann die Schubhaft, die gemäß § 76 Abs. 2 verhängt wurde, länger als sechs Monate in zwei Jahren, aber nicht länger als zehn Monate in zwei Jahren aufrechterhalten werden.

            ...

            (6) Soll der Fremde länger als sechs Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das sechste Monat überschritten wurde, und danach alle acht Wochen vom örtlich zuständigen unabhängigen Verwaltungssenat von Amts wegen zu überprüfen. Die Behörde hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass den unabhängigen Verwaltungssenaten eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Der unabhängige Verwaltungssenat hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

            (7) Die Behörde hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

 

2. Abweisung der Beschwerde, soweit sie die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides vom 9. Mai 2008, die Rechtswidrigkeit der Festnahme am 13. Mai 2008 und die Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 13. Mai 2008 bis 26. Oktober 2008 betrifft

2.1.1. "Asylwerber" ist nach § 2 Abs. 1 Z 14 AsylG 2005 ein Fremder ab Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

Mit dem am 6. Februar 2007 in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. Jänner 2007 wurde die Berufung des Bf gemäß § 7 und § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 abgewiesen. Damit war das Asylverfahren des Bf bereits seit 6. Februar 2007 rechtskräftig negativ abgeschlossen.

Gegen den Bf wurde am 7. Februar 2007 mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien ein unbefristetes Rückkehrverbot nach dem FPG erlassen. Einer dagegen erhobenen Berufung wurde am 8. März 2007 mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe bestätigt, dass gegen den Bf gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen werde. Dieser Berufungsbescheid ist unbekämpft in Rechtskraft erwachsen.

Einer gegen den abweisenden Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. Jänner 2007 erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 16. März 2007 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Am 18. März 2008 – also noch vor Erlassung des Schubhaftbescheides vom 9. Mai 2008 bzw. seiner Inschubhaftnahme am 13. Mai 2008 – lehnte der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde des Bf ab, sodass seit diesem Zeitpunkt der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 2007 über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine rechtliche Wirkung mehr entfalten konnte, zumal einer Beschwerde nur für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufschiebende Wirkung zuerkannt werden kann.

2.1.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Oö. Verwaltungssenat an die vollstreckbaren Entscheidungen der Fremdenpolizeibehörden – hier: an den genannten Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. März 2007, mit dem gegen den Bf ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 FPG erlassen worden war – gebunden.

Wenn der Bf in seiner Beschwerde erklärt, das Aufenthaltsverbot sei als Rückkehrverbot anzusehen, weil ihm der Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. März 2007 erst am 29. März 2007 zugestellt worden sei – also zu einem Zeitpunkt, in dem der Bf (wieder) Asylwerber gewesen sei – ist ihm die Rechtskraft des genannten Bescheides entgegen zu halten. Schließlich verbietet es schon alleine die Verbindlichkeit dieses Bescheides als Ausfluss seiner Rechtskraft, das Aufenthaltsverbot "als Rückkehrverbot anzusehen". Da sich der Bf mit seinem Vorbringen auch gegen die Rechtsrichtigkeit des genannten Bescheides wendet, ist ihm zu erwidern, dass selbst allfällige Rechtswidrigkeiten aufgrund seiner Rechtskraft im gegenständlichen Verfahren nicht aufgriffen werden können.

Sachverhaltsbezogen liegen auch die Voraussetzungen des § 65 Abs. 3 und des § 125 Abs. 3 FPG nicht vor.

Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass dem Bf bereits vor Erlassung des Schubhaftbescheides vom 9. Mai 2008 bzw. vor seiner Inschubhaftnahme am 13. Mai 2008 der Status eines "Asylwerbers" iSd § 2 Abs. 1 Z 14 AsylG 2005 nicht mehr zukam. Weiters steht fest, dass ein an den Bf adressiertes und vollstreckbares, unbefristetes Aufenthaltsverbot nach § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 FPG dem Rechtsbestand angehört.

 

2.2. Bei der Verhängung der Schubhaft zog die belangte Behörde die Gesetzesbestimmung des § 76 Abs. 1 FPG heran, die voraussetzt, dass Fremde festgenommen und angehalten werden können (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

Dazu führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. Oktober 2007, 2006/21/0239, aus, dass sämtliche Schubhafttatbestände final determiniert sind und diese nur aus den in § 76 Abs. 1 und 2 FPG genannten Gründen verhängt werden darf (vgl. auch VwGH 20. Dezember 2007, 2006/21/0359, und VwGH 24. Oktober 2007, 2006/21/0067).

Im Erkenntnis vom 29. Februar 2008, VwSen-400936/4/GF/Mu/Se, nahm der Oö. Verwaltungssenat Bezug auf die geänderte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und sprach Folgendes aus:

"Der Verwaltungsgerichtshof hat z.B. in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 2007,        Zl. 2004/21/0003, einer Schubhaftbeschwerde unter Hinweis auf seine mit der dg. Entscheidung vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/21/0081, geänderte Rechtsprechung, wonach allein das Vorliegen einer vollstreckbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie von strafgerichtlichen Verurteilungen (weil die Inschubhaftnahme nicht der Aufdeckung, Verhinderung oder Sanktionierung von Straftaten dienen darf; vg. VfSlg 13715/1994 und VwGH vom 22. November 2007, Zl. 2006/21/0189) und einer fehlenden Ausreisewilligkeit (insbesondere, solange noch nicht feststeht, ob die Abschiebung zulässig und die Ausreise zu überwachen ist sowie ein konkreter Sicherungsbedarf besteht) für die Tragfähigkeit der Prognose, dass sich der Asylwerber dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen werde, nicht mehr hinreichen, stattgegeben." 

Zur fehlenden Ausreisewilligkeit eines Fremden vertritt der Verwaltungsgerichtshof nunmehr in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass diese für sich allein nicht die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung rechtfertigt. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen (vgl. ua. VwGH 8. September 2005, 2005/21/0301; VwGH 22. Juni 2006,  2006/21/0081; VwGH 27. März 2007, 2005/21/0381; VwGH 28. Juni 2007, 2005/21/0288; VwGH 30. August 2007, 2006/21/0107). Ebenso darf die Schubhaft nicht als eine präventive Vorbereitungshandlung zu einer erfolgreichen Durchführung der Abschiebung (siehe VwGH 26. September 2007, 2004/21/0150) zum Einsatz gebracht werden. Darüber hinaus ist eine generalisierende Betrachtungsweise von vornherein unzulässig. Beispielsweise darf aus dem Nichtvorhandensein von Bargeld nicht schon "unter Zugrundelegung allgemeiner Erfahrungssätze" (siehe VwGH 24. Oktober 2007, 2006/21/0067) a priori darauf geschlossen werden, dass sich der Fremde, würde er in Freiheit belassen, die erforderlichen Mittel durch illegale Arbeit beschaffen wird.

Wie bereits oben unter Punkt 2.1.2. dargelegt gehört ein an den Bf adressiertes und vollstreckbares, unbefristetes Aufenthaltsverbot nach § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 FPG dem Rechtsbestand an, sodass der angefochtene Schubhaftbescheid rechtsrichtig auf § 76 Abs. 1 FPG gestützt werden konnte. Da der Bf auch nicht mehr "Asylwerber" iSd § 2 Abs. 1 Z 14 AsylG 2005 ist, hält er sich nach Ausweis der Verwaltungsakten zweifelsfrei unrechtmäßig im Bundesgebiet auf (vgl. § 76 Abs. 1 zweiter Satz FPG).

 

Vorliegend ist daher ausschließlich zu prüfen, ob der Bf zu Recht festgenommen und in Schubhaft angehalten wurde, um die Abschiebung, die Zurückschiebung

oder die Durchbeförderung iSd § 76 Abs. 1 erster Satz dritter Fall FPG zu sichern:

Die Ausreiseunwilligkeit des Bf ist evident und bedarf aufgrund der Aktenlage keiner näheren Erläuterung. Die lapidare Äußerung des Bf, sich ein Leben nur in Südafrika vorstellen zu können, vermag an dieser Einschätzung aufgrund seines bisherigen Gesamtverhaltens – wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat – nichts zu ändern.

Es bleibt daher der erforderliche Sicherungsbedarf im Zusammenhang mit dem genannten rechtskräftigen Aufenthaltsverbot zu prüfen. Ein solcher Sicherungsbedarf im Zusammenhang mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ist offenkundig umso größer, je weiter fortgeschritten dieses Verfahren bereits ist und dabei einem negativen Ausgang zustrebt. Abstellend auf die besonderen Umstände des Einzelfalles (Verhalten und Verantwortung des Bf in Österreich und vor seiner illegalen Einreise, Schlüssigkeit des Vorbringens) wird der Sicherungsbedarf daher regelmäßig - d.h. wenn keine konkreten Umstände vorliegen, die eine gegenteilige Annahme rechtfertigen, dann zu bejahen sein, wenn dem Fremden ein aufenthaltsbeendender Bescheid zugestellt wird, weil ihm dann klar sein muss, dass er regelmäßig in kurzer Zeit zwangsweise außer Landes geschafft wird, wenn er das Bundesgebiet nicht freiwillig verlässt (bzw. verlassen kann). Aus dieser Zwangslage könnte er sich i.d.R. eben nur dadurch befreien, dass sich der Fremde dem behördlichen Zugriff entzieht, was gerade durch die Verhängung der Schubhaft verhindert werden soll.

Umgekehrt ist ein derartiges Sicherungsbedürfnis beispielsweise regelmäßig dann nicht gegeben, wenn ein Aufenthaltsverbotsverfahren noch nicht über das Stadium der persönlichen Einvernahme eines Fremden, der sich beispielsweise bisher legal in Österreich aufgehalten und hier über einen Wohnsitz und ein regelmäßiges Einkommen verfügt hat, hinausgekommen ist. Bei einer im Lichte des Art. 5 MRK und des PersFrSchG gebotenen verfassungskonformen Interpretation kann daher ein Bedürfnis zu "Sicherung des Verfahrens" in § 76 Abs. 1 FPG nicht allein schon deshalb, weil ein solches Verfahren zumindest bereits formell eingeleitet worden ist, angenommen werden, sondern es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Notwendigkeit der Sicherung eines derartigen Verfahrens durch eine freiheitsentziehende Maßnahme umso größer ist, je näher sich dieses einem negativen Abschluss nähert bzw. umgekehrt aus grundrechtlicher Sicht umso weniger gerechtfertigt erscheint, je weiter es von einem derartigen Ergebnis noch entfernt bzw. dessen Ausgang überhaupt offen ist.

Noch während der Strafhaft erwuchs das gegen den Bf erlassene Aufenthaltsverbot in Rechtskraft und der Verwaltungsgerichtshof lehnte in dieser Zeit die Behandlung seiner Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates ab. Der Bf musste daher – nach Klärung seiner Identität – jederzeit mit seiner faktischen und allenfalls auch zwangsweisen Außerlandesschaffung rechnen. Daher bestand aber aus dessen subjektiver Sicht sogar die dringende Veranlassung, sich dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Ein aktueller objektiver Sicherungsbedarf ergab sich für die belangte Behörde weiters aus der wiederholten Verurteilung des Bf wegen Suchtmitteldelikten; der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie bei der Annahme eines Sicherungsbedarfes davon ausging, dass gerade bei Straftätern aus dem Suchtgiftmilieu die Gefahr des Untertauchens als überdurchschnittlich hoch zu bewerten sei. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch der jeweils besonders rasche kriminelle Rückfall des Bf (zT unmittelbar nach seiner Haftentlassung – vgl. das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10. August 2005, 063 Hv 108/05 w), was auf ein gewisses Maß an Gleichgültigkeit des Bf gegenüber staatlichen Zwangsmaßnahmen schließen lässt. In dieses Bild fügt sich überdies die Verurteilung des Bf mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28. September 2007, 044 Hv 43/07z, wegen versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 15 und § 269 Abs. 1 StGB, wobei das Gericht in diesem Urteil zur "Persönlichkeitsstruktur des Täters" explizit feststellte, dass der Bf "dazu neigt, rasch rückfällig zu werden". Auch wenn sich aus den Verurteilungen des Bf alleine noch kein Sicherungsbedarf ergeben mag, kommt im vorliegenden Fall hinzu, dass – wie auch die belangte Behörde richtig ins Treffen führt – das Asylverfahren des Bf nach § 30 Asylgesetz 1997 vorübergehend eingestellt werden musste, weil eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wegen Abwesenheit des Bf nicht möglich war, was auch Rückschlüsse auf die Annahme eines Sicherungsbedarfes nach § 76 Abs. 1 FPG zulässt. Schließlich zeigt dieser Umstand doch deutlich, dass sich der Bf in der Vergangenheit selbst seinem Asylverfahren entzogen hat, obwohl dieses über seinen eigenen Antrag (der sich letztendlich als unbegründet erwiesen hat) eingeleitet wurde und er an einem positiven Verfahrensausgang großes Interesse haben musste. Überdies verfügt der Bf weder über einen Identitätsnachweis, noch über gültige Reisedokumente oder eine anderweitige Aufenthaltsberechtigung. Er weist keine familiären oder sonstigen sozialen Bindungen in Österreich auf; auch fehlt es ihm an den erforderlichen finanziellen Mitteln zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes. Dem Bf mangelte es bei Erlassung des angefochtenen Schubhaftbescheides zudem an der für die Gewährung der Grundversorgung erforderlichen "Schützbedürftigkeit", weil nicht gesagt werden kann, dass der Bf zum damaligen Zeitpunkt "aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abschiebbar" gewesen wäre (vgl. § 2 Abs. 4 Oö. Grundversorgungsgesetz 2006 iVm Art. 2 Abs. 1 Grundversorgungsvereinbarung oder § 1 Abs. 3 Wiener Grundversorgungsgesetz). Entgegen der Ansicht des Bf hätte die belangte Behörde daher nicht davon ausgehen müssen, dass er neuerlich in die Grundversorgung aufgenommen werde. Wie die belangte Behörde darüber hinaus richtig feststellte, verfügte der Bf längere Zeit lediglich über eine "Obdachlosenmeldung". Wenn der Bf in der Vergangenheit aufrecht an einem Hauptwohnsitz gemeldet war, dann in der Regel deswegen, weil er sich in dieser Zeit in einer Justizanstalt in Strafhaft befand.

Selbst wenn sich der Bf rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielte, wäre vorliegend sogar die Vorraussetzung des § 76 Abs. 1 zweiter Satz FPG erfüllt: Unter Berücksichtigung der Rechtsansicht der Verwaltungsgerichtshofes (siehe insbesondere VwGH 28. Juni 2007, 2004/21/0028) liegen nämlich im vorliegenden Fall konkrete und stichhaltige Gründe vor, welche die Prognose stützen, der Bf werde sich dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen.

Die belangte Behörde hat damit das Vorliegen der Voraussetzungen für die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen und den aktuellen Sicherungsbedarf ordnungsgemäß geprüft und konkret begründet, warum keine gelinderen Mittel in gleicher Weise zur Zielerreichung zum Tragen kommen können. Darüber hinaus ist aus dem behördlichen Handeln ableitbar, dass das gesamte Verhalten darauf gerichtet war, eine Anhaltung des Bf in Schubhaft so kurz wie möglich zu gestalten. Zeitlich lange vor der tatsächlichen Schubhaftverhängung hat die belangte Behörde mit der Führung eines umfassenden Ermittlungsverfahrens begonnen (vgl. zB das E-Mail der belangten Behörde vom 27. Dezember 2007, mit dem nach Überstellung des Bf in die Justizanstalt Ried im Innkreis am 18. Dezember 2007 – somit bereits ca. fünf Monate vor der Entlassung des Bf aus der Strafhaft – von der Bundespolizeidirektion Wien der Fremdenpolizeiakt angefordert worden war), die örtlich zuständigen Behörden auf erforderliche Verfahrensschritte hingewiesen, zahlreiche Versuche unternommen um eine Identitätsfeststellung des Bf zu ermöglichen und hinsichtlich des offenen Ersuchens um ein Heimreisezertifikat ständig mit der zuständigen Abteilung im Bundesministerium für Inneres Kontakt gehalten bzw. entsprechend urgiert.

Die nach wie vor ungeklärte Identität ist auf das unkooperative Verhalten und die widersprüchlichen Angaben des Bf zurückzuführen. Wann immer es nur geht, versuchte er die entsprechenden behördlichen Bemühungen zu vereiteln. Beispielsweise wird auf die Verweigerung der erkennungsdienstlichen Behandlung zum Zwecke der Identitätsfeststellung (Fingerabdrücke) und die Verweigerung der Unterschriftsleistung hingewiesen. Damit verletzte der Bf seine Mitwirkungspflicht gröblich. Trotz all dieser Vereitelungs- bzw. Verschleierungsversuche des Bf bestand im Verfahren jederzeit die begründete Aussicht, dass die zutreffende Identität des Bf festgestellt und seine Staatsbürgerschaft in angemessener Zeit verifiziert werden kann, um ein Heimreisezertifikat für ihn zu erlangen. An dieser Einschätzung ändert auch die Rüge des Bf nichts, aufgrund der Unklarheit betreffend seine Staatsangehörigkeit (Benin oder Nigeria) hätte die belangte Behörde damit rechnen müssen, kein Heimreisezertifikat zu erlangen. Schließlich führte die belangte Behörde zu Recht ins Treffen, dass die Asylbehörden die Refoulementprüfung nach § 8 Asylgesetz 1997 in Bezug auf Nigeria vorgenommen hätten. Folglich konnte die belangte Behörde auch davon ausgehen, dass der Bf tatsächlich nigerianischer Staatsbürger ist.

Sobald jedoch für die belangte Behörde absehbar war, dass kein Heimreisezertifikat erlangt werden konnte (vgl. ihren Aktenvermerk vom 27. Oktober 2008), verfügte sie folgerichtig umgehend die Aufhebung der Schubhaft.

Es war für die belangte Behörde zu keiner Zeit zu erwarten, dass der Bf freiwillig das Land verlassen und sich den entsprechenden fremdenpolizeilichen Zwangsmaßnahmen ohne Weiteres fügen werde. Dies ergibt sich nämlich nicht nur aus der – für die Verhängung der Schubhaft für sich genommen unbedeutende – Ausreiseunwilligkeit des Bf, sondern insbesondere aus dem Bestehen eines erhöhten Sicherungsbedarfes (vgl. ua. VwGH 30. August 2007, 2006/21/0107). Die Inschubhaftnahme und die Anhaltung des Bf war somit nicht als bloß rein präventive Vorbereitungshandlung für die Abschiebung anzusehen, sondern diese war aufgrund des Verhaltens des Bf zu deren Sicherung dringend erforderlich.

Angesichts der Aktenlage hatte die belangte Behörde auch keinen Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung gelinderer Mittel – etwa durch Auferlegung der Verpflichtung zur periodischen Meldung bei einer Sicherheitsdienststelle (vgl. § 77 Abs. 3 FPG) – erreicht werden kann.  

2.3. Gemäß § 80 Abs. 7 FPG hat die Behörde einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

Vorliegend wurde der englischsprachige Bf von der belangten Behörde mit einem englischsprachigen Schreiben, also in einer ihm verständlichen Sprache, am 3. Juli 2008 schriftlich davon in Kenntnis gesetzt, dass er ausschließlich aufgrund des § 80 Abs. 4 Z 1 und 2 FPG in Schubhaft angehalten werde. Der Bf rügt, dass dies in der – für ihn unstrittig unverständlichen – deutschen Sprache hätte geschehen müssen. Weshalb der Bf dadurch in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sein sollte, ist jedoch nicht erfindlich. Mit der von ihr gewählten Vorgangsweise hat die belangte Behörde dem Erfordernis des § 80 Abs. 7 FPG jedenfalls Genüge getan, zumal auch Art. 4 Abs. 6 zweiter Satz des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988, vorsieht, dass jeder Festgenommene ehestens, womöglich bei seiner Festnahme, "in einer ihm verständlichen Sprache" über die Gründe seiner Festnahme und die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zu unterrichten ist.

3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Letztlich hat der Oö. Verwaltungssenat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt erscheint. Insbesondere war das Bestehen eines "Sicherungsbedarfes" iSd § 76 Abs. 1 erster Satz dritter Fall FPG schon aufgrund des feststehenden Sachverhaltes zu bejahen; somit wurden im Wesentlichen keine Rechts- oder Tatfragen aufgeworfen, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte, sodass von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte (vgl. dazu zB VwGH 04.03.2008, 2007/05/0020). Dazu kommt, dass weder Art. 6 EMRK, noch Art. 5 Abs. 4 EMRK iZm einer Schubhaftbeschwerde eine öffentliche Verhandlung fordern (VwGH 23.03.1999, 98/02/0409).

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde (Verfahrenspartei: Bezirkhauptmann des Bezirkes Ried im Innkreis) nach § 79a Abs. 1 und 4 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 sowie § 2 Abs. 2 der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008, antragsgemäß ein Aufwandsersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (57,40 Euro für den Vorlageaufwand und 368,80 Euro für den Schriftsatzaufwand) zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Johannes Fischer

 

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