Linz, 03.08.2012
Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in: Zimmer, Rückfragen:
Mag. Dr. Bernhard Pree 5A02, Tel. Kl. 18060
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, geboren am X, Staatsangehöriger von Kroatien, vertreten durch RA X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 4. Juli 2012, Zahl: 1-1007390/FP/12, betreffend die Erlassung eines auf die Dauer von zehn Jahren befristeten Aufenthaltsverbots nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Rechtsgrundlagen:
§ 63, 64 iVm § 61 iVm § 53 Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2012/50
§ 66 Abs. 4 iVm § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 4. Juli 2012, Zahl: 1-1007390/FP/12, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 63 Abs. 1 iVm Abs. 2 iVm 53 Abs. 3 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde wie folgt aus:
Hinsichtlich der Bemessung der Aufenthaltsverbotsdauer finden sich im angefochtenen Bescheid keinerlei Ausführungen.
1.2. Gegen diesen – am 9. Juli 2012 dem Bw persönlich in der JA X zugestellten – Bescheid erhob der Bw durch seine rechtsfreundliche Vertretung mit Telefax vom 20. Juli 2012 rechtzeitig Berufung.
Einleitend stellt der Bw die Anträge
2.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 23. Juli 2012 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor.
2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.
Ein Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom rechtsfreundlich vertretenen Bw nicht gestellt. Von der belangten Behörde wurde ausdrücklich auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Berufungsverhandlung verzichtet. Von einer solchen konnte vor allem aber deshalb abgesehen werden, als sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).
Zudem wird angemerkt, dass vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich die seine Integration betreffenden Vorbringen des Bw in keinster Art und Weise relativiert werden bzw. diesen volle Glaubwürdigkeit zugemessen wird. Der Bw könnte daher durch die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, durch welche seine Angaben bestenfalls bestätigt werden könnten, nicht besser gestellt werden als ohne die Abhaltung einer solchen.
2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten, unbestrittenen Sachverhalt aus.
2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).
3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
3.1. Gemäß § 63 Abs. 1 FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2012 kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt
1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
2. anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.
Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des
§ 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
3.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass der Bw über einen Aufenthaltstitel verfügt und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Daher sind grundsätzlich die oben genannten Bestimmungen zur Prüfung des Aufenthaltsverbotes heranzuziehen.
Allerdings ist davor noch auf die besonderen Ausschließungsgründe des § 64 FPG einzugehen. Einschlägig ist hier § 64 Abs. 3 FPG, da der Bw, welcher im Alter von fünf Jahren nach Österreich gekommen ist, im Sinne der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung weder von klein auf im Inland aufhältig ist (vgl. § 64 Abs. 2 FPG) noch – aufgrund der ersten Verurteilung (vom 10. Juni 2002 für zuvor begangene Taten) innerhalb von zehn Jahren nach der Einreise (19. Juni 1992) – die Voraussetzungen für die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft (vgl. § 64 Abs. 1 FPG) erfüllt(e). Da der Bw einen Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot-Karte PLUS und keinen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EG" oder "Daueraufenthalt – Familienangehöriger" besitzt, gelangt § 64 Abs. 4 FPG nicht zur Anwendung.
3.3.1. Gemäß § 64 Abs. 3 FPG dürfen Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen waren, nur mehr ausgewiesen werden, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde. § 73 StGB gilt.
Wenn die zitierte Bestimmung auch lediglich vom Verbot der Ausweisung gegen den von ihr umfassten Adressatenkreis spricht, muss sie dennoch aufgrund eines Größenschlusses (argumentum a minori ad maius) auch für Aufenthaltsverbote gelten. Ein solches besteht nämlich aus zwei Komponenten: erstens aus der Anordnung, ein bestimmtes Gebiet zu verlassen (Ausweisung), und zweitens aus dem – befristeten oder unbefristeten – Verbot der Wiedereinreise in dieses Gebiet. Wenn also § 64 Abs. 3 FPG vor Ausweisungen schützt, muss dieser Schutz umso mehr auch für die schwerwiegendere Maßnahme des Aufenthaltsverbotes gelten.
3.3.2. Dass der drittstaatsangehörige Bw vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war und (mehrfach) von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurde, steht unzweifelhaft fest.
Im vorliegenden Fall ist daher die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig, wenn der weitere Aufenthalt des Bw im Inland eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen würde.
3.3.3. Bei der Beurteilung, ob der weitere Aufenthalt des Bw im Inland eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen würde, ist nicht primär maßgeblich, dass eine bzw. hier viele strafgerichtliche Verurteilungen ausgesprochen wurden, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte ihrer strafgerichtlichen Verurteilung(en) rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird. Daher ist – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit – vor Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu prüfen, ob das Verhalten des Bw aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, in Hinkunft die öffentliche Ordnung oder Sicherheit zu gefährden.
3.3.4. Zwar führt der Bw in seinem Rechtsmittel mehrfach sinngemäß aus, sich in Hinkunft rechtskonform verhalten zu wollen und daher keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit mehr darzustellen.
Dieser Zukunftsprognose kann vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich jedoch aufgrund folgender Überlegungen nicht beigetreten werden:
Im Laufe seines Aufenthaltes im Inland hat der Bw – wie rechtskräftig strafgerichtlich festgestellt wurde – das Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls, das Vergehen der dauernden Sachentziehung, das Vergehen der Urkundenunterdrückung, das Vergehen des Suchtmittelmissbrauchs, das Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls sowie das Verbrechen des Suchtgifthandels begangen, wobei die genannten Delikte großteils mehrfach verübt wurden und auch mehrfach Verurteilungen erfolgten.
Bei den konkret vom Bw verübten Verbrechen und Vergehen handelt es sich unzweifelhaft nicht um einen Fall von "Kleinkriminalität", wie schon die enorme Anzahl von 14 Verurteilungen, denen die verschiedenartigsten Delikte zugrunde liegen, zeigt. Hinzu tritt, dass nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich auch der nahezu unglaublichen Anzahl von 27 Anzeigen eine gewisse Indizwirkung bezüglich der kriminellen Energie des Bw zukommt, wenn diesen – mangels Verurteilung – auch kein allzu großer Beweiswert zugemessen ist.
Der Bw begann – auch hier wird wiederum nur auf die rechtskräftigen Verurteilungen abgestellt – seine kriminelle Karriere im Jahr 2002. Seither erfolgte bis dato alle paar Monate eine strafgerichtliche Verurteilung. Es zeugt fraglos von immenser krimineller Energie und eine Unbesonnenheit völlig ausschließendem Engagement, über lange Jahre auf verschiedenste Art und Weise die Rechtsordnung zu übertreten, und sich von zahlreichen Verurteilungen, oft auch zu unbedingten Haftstrafen, nicht von weiteren Vergehen / Verbrechen abhalten zu lassen. Insbesondere handelt es sich bei vielen der vom Bw verübten Delikte um massive Verletzungen der Rechtsordnung. Vor allem die in letzter Zeit erfolgten mehrfachen Verurteilungen wegen Suchtgifthandel wiegen besonders schwer. Zudem ist – wenn der Bw auch offensichtlich in den letzten Jahren seinen kriminellen Schwerpunkt von den Vermögensdelikten weg hin in Richtung Suchtgiftdelikte verlagert hat – das durch schweren gewerbsmäßigen Diebstahl und derartigen Einbruchsdiebstahl an den Tag gelegte verbrecherische Potential des Bw nicht zu vernachlässigen.
Wenn der Bw vorbringt, Grundlage seines kriminellen Handelns wäre seine Suchtmittelabhängigkeit gewesen, von welcher er sich zu befreien trachte, so ist ihm entgegen zu halten, dass es sich bei den von ihm zu Beginn seiner kriminellen Karriere verübten Delikten wohl nicht um einen Fall der Beschaffungskriminalität gehandelt hat. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der Bw – seinen eigenen Angaben in der Berufung zufolge – bereits mit Hilfe einer Therapie versucht hatte, von seiner Sucht loszukommen, was ihm nicht geglückt ist. Inwieweit ein neuer Versuch erfolgversprechender erscheinen sollte, ist für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht zwingend erkennbar. In diesem Zusammenhang ist auch auf die – auch verwaltungsgerichtlich mehrfach festgestellte – hohe Rückfallswahrscheinlichkeit bei Drogensucht und Drogendelikten zu verweisen.
Das Bild des – trotz sehr langer Aufenthaltsdauer – in keinster Art und Weise im Inland integrierten Drittstaatsangehörigen wird dadurch abgerundet, als der Bw sich auch an die verwaltungsrechtlichen Gebote nicht als gebunden erachtet. Ein achtmaliges Lenken eines Kfz ohne die hiefür notwendige Lenkberechtigung bezeugt die Unbelehrbarkeit des Bw in diesem Bereich eindrucksvoll.
Schließlich ist dem Bw auch eine berufliche Integration nie gelungen. Eine Berufsausbildung wurde abgebrochen und selbst Tätigkeiten, für die eine solche nicht erforderlich ist, nicht ausgeübt. Die Wahrscheinlichkeit, ohne Ausbildung, ohne Berufspraxis, mit einer Unzahl an Vorstrafen und nach einer langjährigen Drogenabhängigkeit am Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können, ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht allzu hoch. Auch wenn der Bw es schaffen sollte, von seiner Drogensucht loszukommen, wird er daher vermutlich auch weiterhin seinen finanziellen Bedarf nicht auf legalem Wege decken können bzw. ist die Begehung weiterer Vergehen / Verbrechen zu erwarten.
Somit liegt es auf der Hand, dass der Bw in Hinkunft eine – sogar schwerwiegende – Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Bundesgebiet darstellt und es eines längeren Zeitraumes bedarf, bis von durch seinen Aufenthalt resultierenden Gefahr nicht mehr ausgegangen werden kann.
3.3.5. Nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich kann angesichts der im vorigen Punkt angestellten Erwägungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht geschlossen werden, dass das oben beschriebene Gefährdungspotential vom Bw aktuell nicht mehr ausgeht und die unbestritten in hohem Maße vorhandene kriminelle Energie nicht mehr vorliegt.
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgt daher der Ansicht der belangten Behörde, dass sich aus dem Verhalten des Bw auch zum jetzigen bzw. zukünftigen Zeitpunkt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ergibt.
In diesem Sinn ist die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw fraglos gerechtfertigt. Allerdings ist bei der Beurteilung des Falls auch auf § 61 FPG bzw. Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen.
3.4.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
3.4.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.
3.5.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.
Es ist eingangs festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um Straftaten durch Fremde dauerhaft im Bundesgebiet zu unterbinden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung und Sicherheit eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen und zu erhalten. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind. Eine diesbezügliche Verhältnismäßigkeitsprüfung anhand der Kriterien des § 61 FPG führt dennoch nicht zum Ergebnis, dass der Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben des Bw unrechtmäßig wäre.
3.5.2.1. Der Bw ist seit 19. Juni 1992 polizeilich mit Hauptwohnsitz gemeldet. Dass dieser Aufenthalt nicht rechtmäßig gewesen wäre, ist im Verfahren nicht hervorgekommen.
3.5.2.2. Der Bw ist unverheiratet und kinderlos. Es steht jedoch völlig außer Zweifel, dass der Bw durch seinen Aufenthalt in Österreich seit dem Jahr 1992, die hier genossene Schulausbildung und durch seine familiären Bande ein gewisses Interesse am Weiterverbleib im Inland gelten machen kann sowie gewisse formale Elemente einer sozialen Integration vorliegen und ein Aufenthaltsverbot in das Recht des Bw auf Privat- und Familienleben eingreift.
3.5.2.3. Einen wesentlichen Punkt bei der vorzunehmenden Rechtsgüterabwägung stellt die Schutzwürdigkeit des Privatlebens dar. Wie sich unter anderem aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0348, ergibt, kann unter gewissen Umständen das Privatleben eines Fremden alleine eine positive Gesamtbeurteilung nach sich ziehen.
Im diesem Sinne geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ab einer Aufenthaltsdauer von etwa zehn Jahren, fast durchgehender erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit sowie weiterer Integrationsschritte das persönliche Interesse eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht erlangt, dass eine aufenthaltsbeendende Maßnahme – auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl. etwa VwGH 20.1.2011, 2010/22/0158).
Prima vista scheint diese Rechtsprechung auf den Bw Anwendung zu finden – er überschreitet die vom Verwaltungsgerichtshof als Richtmaß herangezogene Aufenthaltsdauer bei weitem. Der Gerichtshof hat jedoch in seinem Urteil auch das Vorliegen weiterer, hier nicht erkennbarer, Integrationsschritte gefordert. Zudem ist – mangels gegenteiliger Hinweise in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur – davon auszugehen, dass die dargestellte Rechtsauffassung nur dann zur Anwendung gelangt, wenn der oder die betroffene Fremde neben den genannten Kriterien unbescholten ist. Dies ist jedoch aufgrund der zahlreichen Verurteilungen des Bw nicht der Fall.
3.5.2.4. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird hinsichtlich der kaum vorhandenen Integration des Bw nach oben verwiesen.
3.5.2.5. Bindungen an das Heimatland des Bw dürften nach der langen Aufenthaltsdauer in Österreich nur mehr in geringem Ausmaß gegeben sein.
Er hat jedoch die ersten fünf Lebensjahre in Kroatien verbracht, weshalb er mit der dortigen Kultur sozialisiert ist. Zudem ist festzuhalten, dass gegen den Bruder des Bw vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich unter der Zahl VwSen-730644 eine Rückkehrentscheidung sowie ein Einreiseverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen wurde. Der Bw hat daher eine Vertrauensperson vor Ort, welche ihm bei der Wiedereingliederung in die kroatische Gesellschaft zur Seite stehen kann.
3.5.2.6. Um Wiederholungen zu vermeiden wird hinsichtlich der strafrechtlichen und der verwaltungsgerichtlichen Verurteilungen nach oben verwiesen.
3.5.3. Aufgrund der getroffenen Feststellungen gilt es nunmehr, in einer Verhältnismäßigkeitsprüfung das Interesse des Bw am Verbleib im Inland mit dem öffentlichen Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abzuwägen.
Beim Bw handelt es sich um eine Person, die ihre – offensichtlich sehr starke – kriminelle Energie nicht zu kontrollieren vermag, was in Form von Seriendelikten zu Tage tritt. Integrationsschritte wurden von ihm keine nennenswerten gesetzt. Als Anknüpfungspunkt für einen weiteren Verbleib im Inland kann ausschließlich der im Inland lebende Familienstamm herangezogen werden, wobei eine Kernfamilie – dh. Ehegattin und / oder Kinder – nicht vorhanden sind.
Wenn auch nicht verkannt wird, dass ein Aufenthaltsverbot des Bw in Österreich einen massiven Einschnitt in dessen Leben bedeutet, scheint dessen Rückkehr in sein Heimatland (bzw. die Ausreise in ein anderes Land) bei einer Gesamtbetrachtung nicht unzumutbar. Der Bruder des Bw lebt in Kroatien bzw. wird nach der Haftentlassung – wie von ihm im fremdenpolizeilichen Verfahren zu VwSen-730644 vorgebracht – wieder dort leben. Eine Bezugsperson im Heimatland ist daher vorhanden. Den Kontakt zu den in Österreich lebenden übrigen Familienmitgliedern kann er – wenn auch eingeschränkt – für die Dauer des Aufenthaltsverbots durch die Inanspruchnahme von modernen Kommunikationsmitteln aufrecht erhalten. Es ist darüber hinaus der in Österreich aufhältigen Familie nicht verwehrt, den Bw regelmäßig im Ausland zu besuchen.
Bei einer Gesamtabwägung ist also der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie an der Verhinderung strafbarer Handlungen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang vor den privaten Interessen des Bw gegeben werden muss.
Der Bw kann sich somit nicht durchschlagend auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.
4.6. Hinsichtlich der Dauer des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes finden sich im angefochtenen Bescheid keinerlei Ausführungen. Es ist dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich daher nicht möglich, die Beweggründe der belangten Behörde nachzuvollziehen, wenn sie zur Auffassung gelangt ist, dass gegen den Bw ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen ist.
Der Gesetzgeber gibt diesbezüglich in § 63 Abs. 3 FPG eine Untergrenze von 18 Monaten vor. Da der Bw (mehrfach) im Sinne des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG verurteilt wurde, besteht eine gesetzliche Obergrenze für die Befristung des Aufenthaltsverbotes von zehn Jahren. Für Personen, welche zu einer mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt wurden, sieht der Gesetzgeber die Möglichkeit vor, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen.
Insbesondere aufgrund der Vielzahl der vom Bw verübten Vergehen / Verbrechen, die daraus hervorgehende fehlende Einsicht hinsichtlich seiner Fehltritte und aufgrund mangelnder Integrationsbemühungen in jede Richtung geht der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich – wie im Ergebnis auch schon die belangte Behörde – davon aus, dass die vom Gesetzgeber vorgesehene Höchstgrenze von zehn Jahren im gegenständlichen Fall auszuschöpfen ist.
4.8. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
5. Auf eine Übersetzung von Spruch und Rechtsmittelbelehrung (vgl. § 59 Abs. 1 FPG) konnte aufgrund der Deutschkenntnisse des Bw verzichtet werden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweise:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.
Bernhard Pree
Beschlagwortung:
Aufenthaltsverbot, Suchtgifthandel, langjähriger Aufenthalt, §§ 63f FPG;
Beachte: Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt. VwGH vom 25. Oktober 2012, Zl.: 2012/21/0213-3