Linz, 08.08.2012
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, Staatsangehöriger von Afghanistan, X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Steyr vom 16. Juli 2012, Zahl: 1-1014043/FP/12, betreffend die Erlassung eines auf sieben Jahre befristeten Rückkehrverbots nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs. 1a, 54 und 53 Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 50/2012).
Entscheidungsgründe:
1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Steyr vom 16. Juli 2012, Zahl: 1-1014043/FP/12, zugestellt am 19. Juli 2012, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf der Grundlage des § 54 Abs. 1 und 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (im Folgenden: FPG), in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf sieben Jahre befristetes Rückkehrverbot erlassen.
Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde Folgendes aus:
2. Gegen den Bescheid der belangten Behörde, zugestellt am 19. Juli 2012, hat der Bw mit Telefax vom 26. Juli 2012 rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung erhoben.
In der Berufung stellt der Bw einleitend die Anträge, die Rechtsmittelbehörde möge
Seine Berufung begründet der Bw wie folgt:
3.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vor.
3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, durch Kontaktaufnahme mit der belangten Behörde hinsichtlich der Verwaltungsvorstrafen des Bw sowie durch Einholung eines aktuellen Auszuges aus dem Zentralen Melderegister.
Von der belangten Behörde wurde in ihrem Vorlageschreiben vom 27. Juli 2012 ausdrücklich auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Berufungsverhandlung verzichtet. Auch der vom Verein X im Sinne des § 84 FPG rechtsberatene Bw hat die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt. Von der Durchführung einer solchen konnte jedoch vor allem abgesehen werden, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).
Ausdrücklich wird in diesem Zusammenhang festgehalten, dass sämtliche Vorbringen des Bw, die seine Integration betreffen, nicht in Zweifel gezogen werden. Durch die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung, welche die gemachten Angaben bestenfalls bestätigen könnte, vermag der Bw daher nicht besser gestellt zu werden als ohne Durchführung der Verhandlung.
3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1. dieses Erkenntnisses dargestellten und im Wesentlichen unbestrittenen Sachverhalt aus.
Ergänzend ist darüber hinaus festzuhalten:
· Der Bw wurde mit Urteil des LG Steyr als Jugendschöffengericht vom 4. Mai 2010, 10 Hv 19/10g-23, bestätigt durch OLG Linz 13.9.2010, 10 Bs 223/10f, wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen verurteilt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten, sechs Monate davon bedingt, verurteilt.
Der Urteilsbegründung ist zu entnehmen, dass der Bw zumindest von 6. Dezember 2009 bis zum 14. Dezember 2009 wiederholt Geschlechtsverkehr mit einem 13-jährigen Mädchen unterhalten hat, obwohl er sich deren minderjährigen Alters bewusst war.
· Hinsichtlich der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ins Treffen geführten "ständigen Verwaltungsübertretungen" durch den Bw ergab eine diesbezügliche Nachfrage, dass der Bw vier Mal wegen einer Übertretung des Art. III Abs. 1 Z 2 EGVG bestraft wurde.
3.4. Der Oö. Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:
4.1. Gemäß § 54 Abs. 1 FPG ist unter bestimmten Voraussetzungen gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot zu erlassen.
Asylwerber sind § 2 Abs. 1 Z 14 des Asylgesetzes 2005 zufolge Fremde ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.
Dass der Bw, welcher nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, Fremder gemäß der Legaldefinition des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG ist, steht außer Zweifel.
Das Asylverfahren des Bw wurde zwar zwischenzeitig rechtskräftig beendet und ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Der Bw ist daher nicht mehr als Asylwerber anzusehen, weshalb prima vista ein Rückkehrverbot – welches dem Wortlaut des § 54 Abs. 1 FPG zufolge nur "[g]egen einen Asylwerber" zu erlassen ist – nicht möglich ist.
In diesem Zusammenhang ist jedoch auf die speziellere Norm des § 1 Abs. 2 FPG zu verweisen, dessen letztem Satz zufolge "[e]in Rückkehrverbot […] gegen einen Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, erlassen werden" kann.
Dass dem Bw, dessen Verfahren bezüglich die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, dem Anwendungsbereich der letztzitierten Norm unterfällt, steht außer Zweifel.
Die Erlassung eines Rückkehrverbotes gegen den (derzeit) subsidiär Schutzberechtigten Bw kommt daher abstrakt in Betracht.
4.2.1. Im Rahmen der Prüfung des angefochtenen Rückkehrverbots gilt es zunächst, die Zulässigkeit der Erlassung eines Rückkehrverbotes sowie des Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Bw dem Grunde nach zu prüfen.
4.2.2. Gemäß § 54 Abs. 1 FPG ist ein Rückkehrverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Aufenthalt des Asylwerbers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 54 Abs. 2 leg cit zufolge gelten als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3.
§ 53 Abs. 2 FPG stellt im Wesentlichen auf den hier nicht primär relevanten Bereich der Verwaltungsdelikte ab. § 53 Abs. 3 leg cit beschäftigt sich hingegen mit Delikten im Bereich des Kernstrafrechts.
§ 53 Abs. 3 Z 1 FPG beinhaltet Fälle, in welchen ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
4.2.3. Maßgeblich ist aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung bzw. mehrere Verurteilungen ausgesprochen wurde(n), sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird.
Es zeugt fraglos von enormer krimineller Energie, (insbesondere) in einem fremden Staat, von welchem man sich Aufnahme und Integration erhofft, binnen kürzester Zeit zwei schwere Sittlichkeitsdelikte zu verwirklichen.
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass im Allgemeinen die Wiederholungsgefahr bei Sexualdelikten – und hier wiederum bei Wiederholungstätern wie dem Bw – besonders groß ist.
Bei dem konkret vom Bw (zumindest) im Zeitraum von 6. Dezember 2009 bis 14. Dezember 2009 verübten Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs Minderjähriger hat der Bw das geringe Alter und die damit einhergehende noch nicht ausgereifte Reflexionsfähigkeit seines Opfers schamlos zur Befriedigung seines Sexualtriebes ausgenutzt. Ihm war das Alter seines Opfers auch bewusst, was ihn dennoch nicht von der – auch vom Strafgericht erschwerend gewerteten – wiederholten Tatbegehung abhielt.
Weder die gerichtliche Verurteilung wegen dieses Delikts an sich noch das durch die Verurteilung zu einer unbedingten Haftstrafe von zwei Monaten erfahrene Haftübel vermochte den Bw bereits am 7. August 2010, und damit nur wenige Monate nach der Ersttat bzw. nach der ersten Verurteilung und Verbüßung des unbedingten Teils der Freiheitsstrafe, davon abzuhalten, wiederum ein Sittlichkeitsdelikt zu verwirklichen. Während der wiederholte Beischlaf mit der Minderjährigen immerhin noch konsensual erfolgte, legte der Bw bei seiner zweiten Tat ein deutlich gesteigertes Gewaltpotential an den Tag.
Besonders ist hinsichtlich der versuchten Vergewaltigung hervorzuheben, dass sich der Bw nicht mit bloßem körperlichem Einschreiten begnügte, sondern darüber hinaus auch noch weiter auf die Psyche seines Opfers negativ einwirkte, in dem er während der Vornahme der Tathandlung den Satz "Jetzt bekommst du was du verdienst!" äußerte, und so unzweifelhaft die Angst und Verzweiflung des Opfers noch weiter schürte.
Bei der Ersttat des Bw kann daher, wie die Wiederholungstat beweist, keinesfalls von einem "Ausrutscher" ausgegangen werden. Vielmehr hat der Bw seine verbrecherische Tatkraft noch weiter gesteigert und in Folge einen gewaltsamen Weg zur Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse beschritten. Er hat spätestens damit klar zu erkennen gegeben, dass er nicht in der Lage oder zumindest nicht gewillt ist, seinen Sexualtrieb in rechtskonformer Art und Weise auszuleben. Zur Triebbefriedigung hat der Bw (zumindest bei seiner Folgetat) neben physischen Schäden vor allem auch langfristige schwere psychische Probleme bei seinem Opfer in Kauf genommen und dadurch nachhaltig seine enorme Unverbundenheit mit den hier geltenden gesellschaftlichen Werten dokumentiert.
Das bislang gezeichnete Persönlichkeitsbild wird dadurch abgerundet, als der Bw mehrfach wegen Verwaltungsübertretungen nach Art. III Abs. 1 Z 2 EGVG rechtskräftig belangt wurde.
Wenn der Bw in der Berufungsschrift vorbringt, er sei hinsichtlich seiner Taten einsichtig und werde keinesfalls mehr gegen gesetzliche Bestimmungen in Österreich verstoßen, ist dem Vorbringen entgegen zu halten, dass keine Anhaltspunkte existieren, dass das Gefahrenpotential des Bw durch die Strafhaft maßgeblich verringert wurde. Die Inanspruchnahme einer – aus Sicht der erkennenden Behörde in vorliegendem Fall naheliegenden – psychotherapeutischen Behandlung wurde vom Bw nicht einmal geltend gemacht.
Auch das Vorbringen, seit der letzten Verurteilung am 30. November 2010 nicht mehr straffällig geworden zu sein, vermag dem Anliegen des Bw nicht zum Durchbruch zu verhelfen: Einen Gutteil des seither vergangenen Zeitraums verbrachte der Bw nämlich in Strafhaft, weshalb ein Wohlverhalten im verbleibenden, selbst ohne Haft sehr kurzen Zeitraum, nicht erkennen lässt, dass vom Bw keine Gefahr mehr ausginge.
Die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit sowie die Unterkunftnahme in einer betreuten Wohnung sind zweifellos geeignet, eine Integration in der Gesellschaft zu erlangen. Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwiefern ein eigenes Einkommen bzw. eine eigene Wohnung Einfluss auf das sexuelle Verhalten bzw. die Auslebung des Sexualtriebs des Bw haben sollte.
Eine Zusammenschau der dargelegten Überlegungen führt somit zum Ergebnis, dass der weitere Aufenthalt des Bw im Inland eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.
4.2.4. Bei der Klärung der Zulässigkeit der Erlassung eines Rückkehrverbots dem Grunde nach ist jedoch noch auf die von Art. 8 EMRK geschützten Interessen des Bw sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung der Rechte gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. § 54 Abs. 2 letzter Satz FPG erweitet den Anwendungsbereich explizit auch für – von § 61 leg cit an sich nicht erfasste – Rückkehrverbote.
§ 61 Abs. 2 FPG zufolge sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.
4.3.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine den konkret den Bw betreffende Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.
Vorweg ist festzuhalten, dass es nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und die Verbringung einer Person außer Landes grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.
4.3.2. Es ist der belangten Behörde folgend festzustellen, dass eine Subsumtion des gegenständlichen Sachverhalts unter die Tatbestandselemente des § 61 Abs. 2 FPG nicht zu einem unzulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Bw führt.
4.3.3.1. Hinsichtlich der Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und der Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war, ist festzuhalten, dass der Bw am 3. Oktober 2005 illegal in das Bundesgebiet eingereist ist. Die Aufenthaltsdauer des Bw in Österreich beträgt daher knapp sieben Jahre. Legitimiert wurde der Aufenthalt des Bw anfänglich durch die Stellung eines Asylantrags, in Folge wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
4.3.3.2. Weiters hat das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens in die Beurteilung einzufließen.
Der Asylwerberinformationsdatei und den Angaben des Bw im fremdenpolizeilichen Verfahren zufolge hat der ledige Bw keine Angehörigen in Österreich. Die Mutter sowie seine Geschwister sind in der Heimat aufhältig, Kontakte zu diesen Personen bestehen jedoch laut den Angaben des Bw nicht.
Der Bw gibt an, eine Freundin zu haben; das Bestehen einer Lebensgemeinschaft in Österreich wurde vom Bw nicht geltend gemacht. Auch ist der Bw kinderlos.
Von einem tatsächlich bestehenden Familienleben in Österreich kann daher nicht ausgegangen werden.
4.3.3.3. Einen wesentlichen Punkt bei der vorzunehmenden Rechtsgüterabwägung stellt die Schutzwürdigkeit des Privatlebens dar. Wie sich unter anderem aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0348, ergibt, kann unter gewissen Umständen das Privatleben eines Bw alleine eine positive Gesamtbeurteilung nach sich ziehen.
Im Sinne dieser Ausführungen geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ab einer Aufenthaltsdauer von etwa zehn Jahren das persönliche Interesse eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht erlangt, dass eine Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG – auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl etwa VwGH 20.1.2011, 2010/22/0158).
Im konkreten Fall ist der Bw seit knapp sieben Jahren in der Republik Österreich aufhältig. Die in die Rechtsgüterabwägung zugunsten des Bw einfließende Aufenthaltsdauer liegt damit noch deutlich unter der höchstgerichtlich judizierten Schwelle von etwa zehn Jahren.
Hinzu tritt, dass vom Beschwerdeführer im zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zudem neun Jahre lang ein Beruf in Österreich ausgeübt wurde und der Gerichtshof das Vorliegen weiterer Integrationsmerkmale fordert. Laut aktuellem Versicherungsdatenauszug wurde vom Bw eine (legale) berufliche Tätigkeit in Österreich kaum ausgeübt, wenn dieser auch aktuell einer Beschäftigung nachgeht. Es wird daher neben der unzureichenden Aufenthaltsdauer in Österreich auch das vom Verwaltungsgerichtshof als wesentlich angesehene Merkmal der Teilnahme am Erwerbsleben für eine alleinige positive Gesamtbeurteilung nicht erfüllt.
Schließlich ist – mangels gegenteiliger Hinweise im zitierten höchstgerichtlichen Erkenntnis – davon auszugehen, dass im verwaltungsgerichtlich entschiedenen – und damit entgegen dem hier zu beurteilenden – Fall eine strafrechtliche Bescholtenheit des Beschwerdeführers nicht vorlag.
4.3.3.4. Merkmale sozialer Integration sind dem Bw durch die sehr guten Kenntnisse der deutschen Sprache (siehe diesbezüglich die Ausführungen im Urteil des LG Steyr vom 4. Mai 2010, 10 Hv 19/10g) durchaus zuzubilligen. Dem Berufungsvorbringen nach – welches vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht angezweifelt wird – hat der Bw in Österreich eine Freundin und auch einen Freundeskreis aufgebaut. Eine der sozialen Integration besonders dienliche Erwerbstätigkeit wird vom Bw erst seit kurzem ausgeübt.
Aufgrund der begangenen strafbaren Handlungen, bei welchen der Bw innerhalb kürzester Zeit die sexuelle Integrität mehrerer Personen, darunter auch jene eines Kindes, verletzte, ist jedoch davon auszugehen, dass eine tiefgehende Integration ins Gesellschaftsgefüge der Republik Österreich nicht vorliegt. In diesem Zusammenhang ist auch auf die mehrfachen Verwaltungsübertretungen zu verweisen. Diese sind vom Unrechtsgehalt her zwar unzweifelhaft nicht schwer wiegend, verdeutlichen aber dennoch die Bereitschaft des Bw, sich über die in Österreich geltenden Gesetze hinwegzusetzen und belegen damit auch, wie weit der Bw von einer gesellschaftlichen Integration entfernt ist.
4.3.3.5. Festzustellen ist weiters, dass der heute 22-jährige Bw den überwiegenden Teil seines Lebens, nämlich etwa 15 Jahre, in seinem Herkunftsstaat verbracht hat. Er wurde dort sozialisiert, ist daher mit der Kultur und den Sitten des Landes vertraut und beherrscht unzweifelhaft die dortige Sprache.
Bezüglich der im Heimatstaat lebenden Verwandtschaft kann nach oben verwiesen werden.
4.3.3.6. Unstrittig ist eine strafgerichtliche Unbescholtenheit aufgrund der in Punkt 1. dargestellten rechtskräftigen Verurteilungen nicht gegeben.
4.3.3.7. Ein Verstoß des Bw gegen die öffentliche Ordnung kam im Verfahren insofern hervor, als dieser mehrfach gegen Art. III Abs. 1 Z 2 EGVG verstoßen hat.
4.3.3.8. Zur Frage, ob das Privatleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren, erübrigen sich vor dem Hintergrund der Punkte 4.3.3.1. und 4.3.3.3. weitere Ausführungen.
4.3.3.9. Die Dauer des bisherigen Aufenthaltes ist nicht in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet, da der Bw den Status des subsidiär Schutzberechtigen besitzt und das Asylverfahren relativ schnell abgeschlossen wurde.
4.3.3.10. Vor dem Hintergrund der in den Punkten 4.3.3.1. bis 4.3.3.9. getroffenen Feststellungen ist zusammenfassend hinsichtlich des Eingriffs in den geschützten Bereich des Privat- und Familienlebens des Bw festzuhalten, dass sich eine Eingriffsunzulässigkeit dem Grunde nach nicht ergibt.
Zwar ist dem Bw durch seine Aufenthaltsdauer von knapp sieben Jahren sowie durch seine Deutschkenntnisse ein nicht unerhebliches Maß an Integration bzw. ein gewisses Interesse am Weiterverbleib im Bundesgebiet zuzubilligen. Ein Familienleben besteht jedoch nicht, und auch das Privatleben des Bw bzw. die damit einhergehende Integration ist nicht sehr stark ausgeprägt. Diese ist zudem dadurch zu relativieren, als sie teilweise während eines anhängigen Asylverfahrens und damit während unsicheren Aufenthalts erworben wurde. Auch ist zulasten des Bw zu berücksichtigen, dass in den Aufenthaltszeitraum auch länger andauernde Haftzeiten fallen.
Eine Reintegration im Heimatland des Bw, in welchem er den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht hat, in dem er daher mit der Kultur und der Sprache vertraut ist und in dem nach wie vor Verwandte aufhältig sind, scheint nicht unzumutbar. Wesentlich für eine Gesamtabwägung zulasten des Bw ist jedoch, dass er durch die von ihm im Bundesgebiet getätigten, schweren strafrechtlichen Verbrechen eine enorme kriminelle Energie bewiesen hat und der weitere Verbleib im Inland eine massive Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt.
Insgesamt ist also der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang vor den privaten Interessen des Bw gegeben werden muss. Die Erlassung eines Rückkehrverbots ist daher dem Grunde nach zulässig und der Bw kann sich nicht durchschlagend auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.
4.4.1. Abschließend gilt es nunmehr, die Dauer des zu erlassenden Rückkehrverbotes zu prüfen.
Gemäß § 54 Abs. 3 FPG ist ein Rückkehrverbot in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Fremden.
Vor diesem Hintergrund beträgt die maximale Dauer des zu erlassenden Rückkehrverbots zehn Jahre. Zumindest hat das Rückkehrverbot gemäß § 53 Abs. 2 FPG 18 Monate zu betragen.
Bei der konkreten Bemessung der Dauer des über den Bw zu erlassenden Rückkehrverbotes im genannten Zeitrahmen ist wiederum das bisherige Verhalten des Bw miteinzubeziehen und zu berücksichtigen, ob dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
4.4.3. Die Verhinderung von Straftaten gegen die höchsten Güter unserer Gesellschaft – in concreto erfolgte durch den Bw ein Eingriff in die sexuelle Integrität mehrerer, zum Teil minderjähriger Personen – zählt unbestritten zum Grundinteresse der Gesellschaft, auf dem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit basiert.
Vor diesem Hintergrund vermag der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn diese aufgrund der Schwere der Taten zur Auffassung gelangt, dass das Gefährdungspotential des Bw ein Rückkehrverbot für die Dauer von sieben Jahren rechtfertigt. Bei dem gegebenen Rahmen von eineinhalb bis zu zehn Jahren ist das Rückkehrverbot damit zwar im oberen Bereich angesiedelt. Dass mit einer weniger langen Befristung nicht das Auslangen gefunden werden kann, geht jedoch schon aus der mehrfachen Delinquenz des Bw sowie insbesondere auch der bei der Wiederholungstat an den Tag gelegten gesteigerten kriminellen Energie hervor.
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erachtet daher mit der belangten Behörde einen Zeitraum von sieben Jahren als angemessen, um dem Bw die Möglichkeit zu geben, den von ihm beteuerten Gesinnungswandel entsprechend unter Beweis zu stellen.
5. Auf eine Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung in eine andere Sprache (vgl. § 59 Abs. 1 FPG) konnte aufgrund der guten Deutschkenntnisse des Bw verzichtet werden (siehe diesbezüglich insbesondere die Ausführungen im Urteil des LG Steyr vom 4. Mai 2010, 10 Hv 19/10g).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweise:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabegebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.
Mag. Christian Stierschneider
Beschlagwortung:
Rückkehrverbot, subsidiär Schutzberechtigte, Vergewaltigung, §§ 1 (2), 54 FPG