Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401201/5/AB/HK

Linz, 08.08.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Astrid Lukas über die Beschwerde des I alias I L alias R, geb. X, StA von Marokko, derzeit angehalten im PAZ Wien, R L, im fremdenpolizeilichen Verfahren vertreten durch die D F gem. GmbH, c/o A R – D V, K, W, wegen Anhaltung in Schubhaft seit 27. Juli 2012 durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin bestehen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456.


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 27. Juli 2012, Z  Sich40-2391-2012, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf der Basis des § 76 Abs. 2 Z 2 iVm § 80 Abs. 5 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG iVm § 57 AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (§ 10 AsylG) sowie zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) die Schubhaft angeordnet und durch Überstellung in das PAZ Wien, R L vollzogen.

 

Begründend wird im Bescheid Folgendes ausgeführt:

 

"Begründung

 

Gemäß § 76 Abs, 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

Gemäß § 27 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005 gilt ein Ausweisungsverfahren als eingeleitet, wenn

X  im Zulassungsverfahren eine Bekanntgabe nach § 29 Abs. 3 Z 4 oder 5 erfolgt

O das Verfahren vor dem Asylgerichtshof einzustellen (§ 24 Abs. 2) war und die Entscheidung des Bundesasylamtes in diesem Verfahren mit einer Ausweisung (§ 10) verbunden war.

 

Gemäß § 80 Abs. 5 FPG 2005 kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 oder 2a verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge auch ein Fall des Abs. 4 Z 1 bis 3 vor. Wird der Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrecht erhalten werden, wenn der Asylgerichtshof eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt. Die Schubhaftdauer darf in diesen Fallen die Dauer von zehn Monaten innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monaten nicht überschreiten.

 

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Sie erschienen am 01.07.2012 um 21:00 Uhr bei der PI Innsbruck Kaiserjägerstraße AGM und stellten unter den obgenannten Personalien einen Antrag auf Internationalen Schutz (Asyl) in Österreich. im Zuge der Asylantragstellung waren Sie nicht in der Lage den Beamten ein gültiges Reisedokument oder ein anderes Identitätsdokument in Vorlage zu bringen.

Am 02.07.2012 um 09:45 Uhr wurden Sie durch Beamte der Polizeiinspektion Innsbruck Kaiserjägerstraße AGM unter Beizug eines Dolmetschers der Sprache Arabisch niederschriftlich erstbefragt. Nach erfolgter Belehrung führten Sie an, dass es Ihnen bewusst sei, dass dies die Erstbefragung im Asylverfahren sei und die Grundlage Ihres Verfahrens hinsichtlich der Gewährung internationalen Schutzes sei. Sie wurden daher mittels Dolmetscher in Ihrer Heimatsprache aufgefordert, durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken. Darüber hinaus wurde Ihnen bekannt gegeben, dass unwahre Aussagen nachteilige Folgen für Sie haben können.

Laut Ihren Angaben reisten Sie aus Ihrem Herkunftsstaat MAROKKO im Februar 2008 mit dem Flugzeug nach LIBYEN aus. Von dort seien Sie dann mit dem Schiff illegal und schlepperunterstützt nach Lampedusa, ITALIEN ausgereist. Sie seien von den italienischen Behörden aufgegriffen und untergebracht worden. Nach Ihrer Freilassung hätten Sie sich dann ca, 1,5 Jahre in ITALIEN (Mailand, Brato) aufgehalten. Sie seien dann illegal mit dem Zug nach Chiasso (SCHWEIZ) gefahren und hätten einen Asylantrag gestellt. Dieser sei negativ abgeschlossen worden und Sie seien anschließend wieder nach ITALIEN abgeschoben worden. Nach neuerlicher illegaler Einreise und Asylantragsstellung in der SCHWEIZ seien Sie abermals nach ITALIEN rücküberstellt worden. Am 01.07.2012 seien Sie dann mit dem Zug und Bus nach Innsbruck gefahren und hätten hier Ihren Asylantrag gestellt.

Für die Schleppung hätten Sie € 2000,- aufgebracht bzw. an Schlepper bezahlt. Sie verfügten abgesehen von einem Geldbetrag von € 20,- über keine Barmittel oder andere Unterstützung und sind völlig mittellos. Bezugspersonen in Österreich hätten Sie nicht. In Europa seien Ihr Cousin T und Ihre Cousinen N und N aufhältig. Näheres, auch Ihre Familiennamen sei Ihnen nicht bekannt.

Befragt nach einer Asylantragstellung in einem anderen Land gaben Sie an, dass Sie zweimal in der SCHWEIZ einen Asylantrag gestellt hätten. In ITALIEN seien Sie von den Behörden angehalten und untergebracht worden. Sie hätten dort große Probleme mit einer pakistanischen Familie gehabt, seien geschlagen worden und könnten deshalb dort nicht mehr zurück. Weiters gaben Sie wörtlich an: 'Wenn ich nach ITALIEN zurück müsste, dann müsste ich dort 1,5 Jahre ins Gefängnis!" Als Grund für Ihre Flucht gaben Sie an, dass Sie in Ihrem Herkunftsstaat keine Arbeit gefunden hatten und dass Sie von Suchtgifthändlern verfolgt wurden.

 

Entsprechend Ihrem Begehren wurde Ihnen zunächst - wenn auch nur vorübergehend -eine betreute Unterkunft in der Erstaufnahmesteile West zugewiesen. Über einen anderwärtigen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet der Republik Osterreich verfügen Sie nicht.

 

Im Zuge der geführten weiteren Erhebungen wurde mittels Abgleich Ihrer Fingerabdrucke in Erfahrung gebracht, dass - ehe Sie illegal ins Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist sind - bereits folgende erkennungsdienstliche Behandlung im Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu Ihrer Person vorliegt:

 

1.       11.07.2011 Asylantragstellung                     Altstätten (Schweiz)

2.       24.11.2011 Asylantragstellung                     Chiasso (Schweiz)

 

 

Mit Schriftsatz des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle West, vom 05.07.2012, ZI. 12.08.079, wurde Ihnen in weiterer Folge gemäß § 29 Abs. 3 Ziffer 4 AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, Ihren Asylantrag vom 01.07.2012 gemäß § 5 AsylG zurückzuweisen. Gleich gehend wurde Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass Konsultationen gemäß dem Dubliner Abkommen mit ITALIEN seit dem 03.07.2012 geführt werden und gleichzeitig das Ausweisungsverfahren aus dem österr. Bundesgebiet über Sie eröffnet worden ist.

 

Die BH Vöcklabruck, als örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde, wurde gleich gehend gemäß § 27 Abs. 7 AsylG 2005 vom Bundesasylamt, EAST-West, in Kenntnis gesetzt, dass gegen Sie ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG eingeleitet worden ist.

Seitens der BH Vöcklabruck wird festgehalten, dass Sie sich gegenwärtig - aufgrund der Tatsache, dass Sie nicht im Besitz eines Aufenthaltsrechtes für Österreich sind -unberechtigt im Bundesgebiet aufhalten. Zudem können Sie auch nicht den Besitz eines Nationalreisedokumentes nachweisen - = = > Ihre Identität gilt als nicht gesichert!

 

Am 26.07.2012 wurden Sie im Rahmen des Parteiengehörs durch das BAA EAST-West niederschriftlich einvernommen. Sie bestätigten im Wesentlichen Ihre Angaben aus der Erstbefragung und gaben weiters an, Sie würden sich körperlich und geistig in der Lage fühlen die Einvernahme durchzuführen. Sie hätten zwar Beruhigungstabletten genommen, dennoch aber schlecht geschlafen. Sie hätten Ihre Dokumente in ITALIEN verloren, hätten aber Kopien der Dokumente zuhause in MAROKKO.

Ihnen wurde mitgeteilt, dass ITALIEN dem Aufnahmeersuchen der Republik Österreich entsprochen hat und dass daher beabsichtigt ist Ihren Antrag auf internationalen Schutz in Österreich als unzulässig zurückzuweisen und Ihre Ausweisung nach ITALIEN zu veranlassen. Auf diesen Vorhalt reagierten Sie im Wesentlichen wie folgt: 'lch will nicht nach ITALIEN zurück, weil ich dort mit dem Tod bedroht wurde, ich wurde geschlagen und verletzt, ich habe dort auf der Straße gelebt und bekam auch keine Unterstützung und hatte keine Unterkunft.' Befragt, warum Sie in ITALIEN keinen Asylantrag gestellt hätten, antworteten Sie, dass jeder Ihnen gesagt habe, dass das in ITALIEN nicht gehen würde. Es sei dort nicht wie in Österreich oder in der SCHWEIZ.

 

Am selben Tag wurde gegen Sie von der PI St. Georgen im Attergau ein Ladendiebstahl (Tatort S, S, Tatzeit: 17:30 Uhr) zur Anzeige gebracht.

 

Nachdem Sie bereits am 05.07.2012 von dem über Sie eingeleiteten Ausweisungsverfahren nach dem AsylG eingeleitet worden ist, wurden Sie am 27.07.2012 um 10.40 Uhr im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck durch die PI St Georgen EAST West gemäß § 74 Abs. 2 Z 2 FPG zur Erlassung der Schubhaft nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 festgenommen. Eine dabei durchgeführte Durchsuchung brachte zum Ergebnis, dass Sie abgesehen eines Bargeldbetrages in der Höhe von 26,10 Euro völlig mittellos sind.

Sie haben bereits in der Vergangenheit durch ihre mehrfachen illegalen Grenzübertritte in und innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der SCHWEIZ, der wiederholten Asylantragstellung in der SCHWEIZ unter gleichgehender Unterlassung eines Asylbegehrens im für Sie offensichtlich zuständigen EU Mitgliedsstaat ITALIEN und des angezeigten Ladendiebstahles vom 27.07.2012 haben Sie in einer unmissverständlichen Art und Weise zu erkennen gegeben, dass Sie in gar keiner Weise gewillt sind die Rechtsordnung ihres Gastlandes Österreich bzw. die jeweiligen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Bereich des Fremdenrechtes zu respektieren.

 

Sie bringen als passpflichtiger Fremder nicht einen Ausweis zur Vorlage, der zumindest Ihre Identität belegen oder glaubhaft darlegen würde. Die Handelsweise der illegalen Reise ohne jeglicher Papiere und Ihren illegalen Aufenthalt rechtfertigen Sie in Österreich mit einer internationalen Schutzsuche. Die Schutzsuche vor Verfolgung im Herkunftsstaat MAROKKO deklarierten Sie mitten in der europäischen Union in Österreich, nachdem Sie bereits zahlreiche sichere Länder und Staaten illegal durchreist haben. Statt ihre Identität zu belegen und ihrer Ausweispflicht nachzukommen, bringen Sie im Ersuchen um Hilfe, Schutzgewährung und Unterstützung bewusst falsche Angaben vor (Angabe von abweichenden Personalien anlässlich der Asylantragstellung in der SCHWEIZ). Um sich fortlaufend im zentralen Wirtschaftraum der europäischen Union aufhalten zu können, schrecken Sie auch nicht davor zurück, Ihre eigenen Dokumente zu unterdrücken und zu verschleiern, falsche Angaben zu tätigen, sich illegal in der Anonymität aufzuhalten und weitere Grenzübertritte innerhalb der europäischen Union illegal zu tätigen.

Darüber hinaus zeigen Sie durch das von Ihnen zum wiederholten Male an den Tag gelegte Verhalten, dass Sie nicht das geringst Interesse an der in Österreich geltenden Rechtsordnung haben. Sie geben damit unmissverständlich zu erkennen, dass Sie sich bewusst illegal und unstet in Mitgliedstaaten der europäischen Union aufhalten, weitere illegale Grenzübertritte jederzeit tätigen um sich letztlich einen Mitgliedstaat Ihrer Wahl für das Begehren eines internationalen Schutzes aussuchen zu können. Ob Österreich dahingehend Ihr Zielland ist, in welchem Sie tatsächlich ein Durchlaufen eines Asylbegehrens anstreben würden, muss stark in Frage gestellt werden. Zumal Österreich ein Mitgliedsstaat ist, in dem Sie sich noch nicht zuvor aufgehalten haben, bzw zumindest nicht behördlich bekannt sind. Und in dem Sie als mittelloser Fremder ohne Unterkunft und Barmittel offensichtlich Ihre weitere Antragstellung dazu benutzen um sich zumindest für wenige Tage ausrasten, neu formieren und Ihre Weiterreise neu organisieren zu können. Zudem führten Sie im Rahmen der Befragung vom 26.07.2012 an, Sie hatten kein Reiseziel, es wäre Ihnen egal wo Sie später leben wollten.

Aus diesen Gründen ist im Besonderen davon auszugehen, dass Sie an einem dauerhaften Aufenthalt in Österreich ebenso wenig bestrebt sind als an Ihren Aufenthalten in den bisherigen durchreisten Mitgliedstaaten. Demzufolge ist es nicht nur naheliegend, sondern davon auszugehen, dass Sie sich ebenso in Österreich innerhalb weniger Tage dem Verfahren entziehen, in die Anonymität abtauchen und weiterhin weitere illegale Grenzübertritte begehen werden.

 

Die von Ihnen praktizierte Verhaltensweise ist nach Ansicht der bescheiderlassenden Behörde als klassischer "Asylantragstourismus (Wortformulierung Asylantragstourismus siehe Erkenntnis VwGH 2007/13/0730 vom 16.04.2009" zu betrachten, welcher völlig abseits den Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention steht und welchem mit aller Entschiedenheit entgegen zu treten ist um für ein geordnetes Fremdenwesen zu sorgen.

 

Nachdem aufgrund der Gesamtheit des geschilderten Sachverhaltes sowie infolge dessen, dass Ihnen auch das Bundesasylamt Ihre Hoffnung auf eine Legalisierung Ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet der Republik Österreich nicht erfüllen konnte, und gegen Sie bereits ein Ausweisungsverfahren gemäß § 10 AsylG eingeleitet wurde, ist zu befürchten, dass Sie sich - auf freiem Fuß befassen - dem weiteren Zugriff der Behörde unverzüglich - und ohne eine drohende Überstellung nach ITALIEN zuzuwarten - entziehen werden. Demzufolge ist zur Sicherung der Ausweisung nach den Bestimmungen des AsylG sowie zur Sicherung Ihrer Abschiebung Ihre Anhaltung in der Schubhaft unbedingt erforderlich.

 

Sowohl Ihre ständige Verhaltensweise entgegen sämtlicher Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen im Bereich der Mitgliedstaaten der Europäischen Union als auch Ihr besonderes geschildertes Verhalten während des Asylverfahrens zeigt unmissverständlich auf, dass Sie nicht das geringste Interesse an der Gewährung des Asylstatus im Österreich an den Tag legen, da Sie sich vollkommen entgegen jeglichen gesetzlichen Bestimmungen verhalten. Von der bescheiderlassenden Behörde ist - in Anbetracht der Tatsache, dass Ihnen mit Verfahrensanordnung gem. § 29 AsylG durch das Bundesasylamt zur Kenntnis gebracht worden ist, dass Ihre Außerlandesbringung nach ITALIEN in Kürze angestrebt wird - unter Zugrundelegung der Gesamtheit des Sachverhaltes daher zu Recht von der Anwendung gelinderer Mittel Abstand zu nehmen und ein konkreter und vor allem sehr akuter Sicherungsbedarf zu Ihrer Person zu bejahen.

 

Sie sind im Bundesgebiet auch in keiner Art und Weise an eine Örtlichkeit gebunden. Sie sind - wie Sie während Ihrem Aufenthalt in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union eindrucksvoll unter Beweis stellten - äußerst flexibel in Ihrer Lebensgestaltung, und haben auch keine familiäre oder soziale Verpflichtung in Österreich zu erfüllen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof stellt in seiner ständigen Judikatur fest, dass die Einhaltung fremdenpolizeilicher Vorschriften für den österreichischen Staat, vor allem in Zeiten eines erhöhten Zuwanderungsdruckes, von eminentem Interesse ist.

 

Ein gelinderes Mittel würde zudem die Gefahr beinhalten, dass Sie - nach einem Abtauchen in der Anonymität - dem österreichischen Staat finanziell weiter zur Last fallen könnten. Da Sie Ihren Unterhalt im Bundesgebiet bestreiten müssen, ist die Gefahr sehr groß, dass Sie dies - zumindest zum Teil - auf illegale Art und Weise bewerkstelligen und straffällig werden.

 

Darüber ist im Besonderen die Gefahr nach Abtauchen in die Anonymität sehr groß, dass letztlich Österreich für die inhaltliche Prüfung gemäß Artikel 13 der Dublinverordnung zuständig werde, sofern den Erfordernissen des Abkommens - einer Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat nicht nachgekommen werde! Wessen Erzwingen durch einen Aufenthalt in der Anonymität jedenfalls nicht im öffentlichen Interesse stehen kann.

 

Die Anordnung der Schubhaft über Sie ist - nach genauester Abwägung im Rahmen einer Einzelfallprüfung - verhältnismäßig, denn dem Recht des Fremden auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. In diesem Einzelfall ist eine Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer durchführbaren Ausweisung sowie zur Sicherung Ihrer Außerlandesbringung durch die Anordnung eines Gelinderen Mittels in Anbetracht der geschilderten Tatsachen nicht ausreichend, da mit dieser Maßnahme dass der Sicherung zugrunde liegende Endziel -nämlich Ihre behördliche Abschiebung von Österreich in den für Sie zuständigen Mitgliedstaat ITALIEN - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werden kann. Um die im Interesse des Staates gebotenen Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in Ihr Recht auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig und demzufolge war von der Alternative der Anordnung eines Gelinderen Mittels zwingend Abstand zu nehmen und ein konkreter und akuter Sicherungsbedarf - welchem im gegenständlich vorliegenden Fall ausschließlich durch die Anordnung einer Schubhaft Folge getragen werden kann - zu bejahen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden."

 

 

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf durch seine Vertreterin mit Schreiben vom 3. August 2012 (eingelangt per Fax am 6. August 2012) Schubhaftbeschwerde an den Oö. Verwaltungssenat und beantragte die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaft per 27.7.2012 sowie der seither andauernden Schubhaft unter Kostenersatz.

 

Begründend wird – unter ausführlicher Darlegung, dass eine Abschiebung in den EU-Mitgliedstaat Italien wegen systemischer Verletzung der in Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte von vornherein unzulässig sei – wie Folgt ausgeführt:

 

"Sachverhalt:

 

Laut Dubliner Abkommen ist Italien zuständig für das Asylverfahren des BF. Der BF hat in Italien keinen Asylantrag gestellt, weil er gesehen hat, dass andere Asylwerber auf der Straße leben müssen und keine Unterstützung erhalten. Aus diesem Grund hat der BF zwei Mal einen Asylantrag in der Schweiz eingebracht und wurde jedes Mal gem. Dublin II VO nach Italien überstellt. Am 01.07.2012 stellte er schließlich, da er keinen anderen Ausweg sah, einen Asylantrag in Österreich.

 

Der BF führte im Rahmen des Parteiengehörs am 26.7.2012 durch das BAA EAST West aus, dass er in Italien keinen Asylantrag gestellt hat, weil er dort mit dem Tod bedroht und geschlagen und verletzt wurde. Er bekam keinerlei Unterstützung und keine Unterkunft. Der BF hatte sofort nach Einreise in Österreich sich an die Polizei gewandt und einen Asylantrag gestellt. Er wurde nach erfolgter Antragstellung in der Betreuungsstelle West untergebracht, wo er sich bis zum Tag der Inschubhaftnahme am 27.7.2012 aufhielt. Am 27.7.2012 wurde von der Erstbehörde mit Bescheid vom 27.07.2012, GZ: Sich40-2391-2012 gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FPG die Schubhaft verhängt. Der BF befindet sich seither in Schubhaft.

 

 

Dagegen richtet sich die eingebrachte Beschwerde.

Sowohl die Schubhaftverhängung als auch die Anhaltung in Schubhaft sind rechtswidrig.

 

 

Begründung:

1. Zur drohenden Verletzung von in Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechten in Italien

 

Eine Abschiebung nach Italien wäre wegen einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK nicht zulässig, und daher auch die Erlassung der Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung nach Italien rechtswidrig.

 

Spätestens seit dem Urteil des EUGH C-411/10 vom 21.12.2011 steht fest, dass alleine aufgrund der Tatsache, dass Italien ein EU-Mitgliedstaat ist, noch nicht auf die praktische Durchführung eines EU-Richtlinienkonformen Asylverfahrens geschlossen werden kann.

 

[...]

 

2. Unverhältnismäßigkeit der Haft

Art. 1 BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit lautet: '(1) Jedermann hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit).

(2)     Niemand darf aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden.

(3)     Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist; die persönliche Freiheit darf jeweils nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

(4)     Wer festgenommen oder angehalten wird, ist unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person zu behandeln und darf nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, die dem Zweck der Anhaltung angemessen oder zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung am Ort seiner Anhaltung notwendig sind.'

 

Art 1 Abs 3 BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit sieht demnach vor, dass jede Haftverhängung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu prüfen ist.

 

Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde (Z 1), gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde (Z 2), gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist (Z 3) oder auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird (Z 4). Im konkreten Fall stützt sich die Schubhaft auf § 76 Abs 2 Z 2 FPG.

 

Der BF stellte einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und somit ist auch davon auszugehen, dass er in seinem eigenen Interesse den Ausgang des Verfahrens in Österreich abwarten wird. Dies entspricht auch der ständigen Judikatur des VwGH:

„Es kann dem Gesetzgeber vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls nicht zugesonnen werden, er sei davon ausgegangen, alle potenziellen Dublin-Fälle seien statt in Grundversorgung in Schubhaft zu nehmen. Der Integration kommt primär Im Anwendungsbereich des §, 76 Abs. 1 FrPolG 2005 Bedeutung zu, Eine Schubhaftnahme kann sich vielmehr nur dann als gerechtfertigt erweisen, wenn weitere Umstände vorliegen, die den betreffenden 'Dublin-Fall' in einem besonderen Licht erscheinen und von daher 'in einem erhöhten Grad' ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen [Hinweis E 28, Juni 2007, 2006/21/0051].' (VwGH 19.062008, 2007/21/0070)

 

Für eine solche Befürchtung müssten im Einzelfall konkrete bzw. spezifische Hinweise bestehen, wobei auf die vom VfGH (VfSlg. 17.288) zum Ausdruck gebrachte Auffassung zu verweisen ist, der zufolge der Umstand, dass ein Asylwerber bereits in einem anderen Land die Gewährung von Asyl beantragt hat, für sich nicht den Schluss rechtfertigt, dass er unrechtmäßig in einen anderen Staat weiterziehen und sich so dem Verfahren entziehen werde. Dem hat sich der VwGH wiederholt angeschlossen und ergänzt, dass dies sinngemäß auch für die Annahme eines Untertauchens innerhalb Österreichs gelte.

 

Es ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, weshalb der BF, wäre er nicht in Schubhaft, sondern weiterhin in Grundversorgung diese Unterstützung aufgeben und in die Anonymität untertauchen hätte sollen (vgl. auch § 46 AsylG und § 2 Abs 1 und 2 Grundversorgungsgesetz - Bund 2005). Es erscheint weder verhältnismäßig noch zielführend, einen Asylwerber mit 'Dublin-Bezug' mit dem Hinweis auf fehlende Bindungen bzw. Integration in Österreich statt in Grundversorgung in Schubhaft zu nehmen. (vgl VwGH vom 30.8.2007, ZI. 2007/21/0043)

 

Vor diesem Hintergrund fehlten also konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Aufenthalt des BF in Österreich die öffentliche Ordnung und das wirtschaftliche Wohl des Landes gefährden würden.

Der BF wurde wegen eines Ladendiebstahls angezeigt. Der Verdacht der Begehung eines Ladendiebstahls rechtfertigt die Verhängung der Schubhaft.

 

Bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die gesamte Bestimmung des § 76 FPG im Lichte des aus dem Bundesverfassungsgesetz vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit erfließenden unmittelbar anwendbaren Gebots der Verhältnismäßigkeit auszulegen ist. Dies bedeutet, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FPG gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein darf (vgl das hg. Erkenntnis vom 30. August 2007, ZI. 2007/21/0043).

Von der Behörde ist daher auch bei der Anwendung des § 76 Abs 2 sowie des § 76 Abs 2a FPG zu prüfen, ob die Schubhaft notwendig ist, um eines der oben genannten Verfahren oder die Abschiebung, Zurückschiebung oder Durchbeförderung eines Fremden zu sichern.

 

'Die Verhängung der Schubhaft darf auch in 'Dublin-Fällen' nicht zu einer Standardmaßnahme gegen Asylwerber werden [Hinweis E 30. August 2007, 2007/21/0043; E 24. Oktober 2007, 2006/21/0239] (vgl. Vwgh 2007/21/0068 22 70.2009)

 

Über den Antrag des BF auf internationalen Schutz hat das Bundesasylamt noch nicht entschieden, es liegt somit auch keine durchsetzbare Ausweisung vor.

 

Auch ist nicht bei jeder Antragstellung eines Asylwerbers, der bereits einen Asylantrag in einem anderen Staat gestellt hat, von vornherein davon auszugehen, dass der Asylantrag missbräuchlich gestellt wurde bzw. sich der Asylwerber nicht rechtstreu verhalten wird (vgl nur VfGH 15.10.2004, G 237/03, VfGH 28.09.2004, B 292/04).

 

Zum Sicherungsbedürfnis stellte die belangte Behörde fest, dass der BF bereits in der Vergangenheit durch seine 'mehrfachen illegalen Grenzübertritte in und innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Schweiz, der wiederholten Asylantragstellung in der Schweiz unter gleichgehender Unterlassung eines Asylbegehrens im für Sie offensichtlich zuständigen EU Mitgliedstaat Italien und des angezeigten Ladendiebstahls vom 27.7.2012 haben Sie in einer unmißverständlichen Art und Weise zu erkennen gegeben, dass Sie in gar keiner Weise gewillt sind die Rechtsordnung ihres Gastlandes Österreich bzw. die jeweiligen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Bereich des Fremdenrechts zu respektieren.' (Bescheid, S. 4)

Dazu ist auszuführen:

Es gab nicht mehrfache illegale Grenzübertritte innerhalb der EU, sondern der BF ist nur zwei Mal in die Schweiz gefahren und hat dort einen Asylantrag gestellt. Er hat sich in der Schweiz nie dem Verfahren entzogen. In Italien hat er keinen Asylantrag  gestellt, weil er gesehen hat, dass Asylwerber ohne staatliche Unterstützung auf der Straße leben müssen. In Österreich ist er unmittelbar nach erfolgter Einreise zur Polizei gegangen, um einen Asylantrag zu stellen. Ein angezeigter Ladendiebstahl kann nicht die Verhängung der Schubhaft rechtfertigen.

 

'Wie auch in den Fällen mit 'Dublin-Bezug' kann die Verhängung der Schubhaft auch hier nur dann gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die schon in einem frühen Stadium des Asylverfahrens ein 'Untertauchen' des betreffenden Fremden befürchten lassen, was fallbezogen zwar nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, aber - wie bereits ausgeführt - einer den Umständen des Einzelfalles gerecht werdenden Prüfung bedarf." (VwGH 2006/21/0261, 18.02.2009)

 

Die Überlegungen der belangten Behörde sind im Zusammenhang mit der von Verfassungswegen gebotenen Einzelfallprüfung ungeeignet, im gegenständlichen Fall die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Anhaltung des BF in Schubhaft zur Sicherung des gegen ihn eingeleiteten Ausweisungsverfahrens darzulegen. Die Argumentation von der belangten Behörde bezieht sich im Wesentlichen auf allgemeine Annahmen und Erfahrungswerte, aber solche Argumente genügen nicht, um die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der hier gegenständlichen Freiheitsentziehung zu begründen (vgl. dazu das o.a. VfGH Erkenntnis vom 23. Juni 2007, ZI. 2006/21/0091).

 

Mit der konkreten Situation des BF hat sich die Erstbehörde im angefochtenen Bescheid nicht hinreichend auseinander gesetzt. Der BF hat keinerlei Zeichen gesetzt, dass er vorhabe unterzutauchen. Ganz im Gegenteil. Er hat von sich aus sich an die Behörden gewandt, um einen Asylantrag zu stellen. Auch in der Schweiz hat er immer den Ausgang seines Verfahrens abgewartet und war nicht untergetaucht bis er dann nach Italien überstellt wurde. Der angefochtene Bescheid lässt daher auch eine nachvollziehbare Begründung dahingehend vermissen, weshalb anzunehmen sei, dass die Schubhaft notwendig sei.

 

In der Beweiswürdigung wird nicht begründet warum es im Falle des BF notwendig ist die Schubhaft zu verhängen. Der BF war in einer bundesbetreuten Unterkunft untergebracht und hat großes Interesse am Ausgang seines Asylverfahrens, über das noch kein Bescheid erlassen wurde.

Die Behörde unterließ es sich mit dem Anliegen des BF auseinander zu setzen.

Die belangte Behörde hat nicht erschöpfend dargelegt warum die Verhängung der Schubhaft notwendig war und von der Verhängung eines gelinderen Mittels Abstand genommen wurde.

 

Der BF hat zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, dass er kein Interesse am Aufenthalt in Österreich hätte. Im Gegenteil, er möchte sein Asylverfahren - sollte er zugelassen werden - hier durchführen. Darüber gibt es noch keine Entscheidung des Bundesasylamtes.'

 

§ 76 Abs 2 FPG spricht von 'kann', dies bedeutet, dass nicht automatisch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 76 Abs 2 Z 2 FPG, Schubhaft zu verhängen ist, sondern eine individuelle Prüfung stattzufinden hat. Dies wurde im Fall des BF unterlassen.

 

Bloß allgemeine Annahmen oder Erfahrungswerte, wie die von der Erstbehörde herangezogenen, können nicht genügen, um die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit eines Freiheitsentzuges im Einzelfall zu begründen (VfGH 2S.09.2004, B 292/04 unter Hinweis auf VfSlg. 14.981/1997).

 

Der Verfassungsgerichtshof hat im genannten Erkenntnis B 292/04 vom 28.9.2004 einen Bescheid des UVS aufgehoben, in dem dieser in einem ähnlich gelagerten Fall der Schubhaftbeschwerde keine Folge gegeben hatte. Der Verfassungsgerichtshof entschied sogar, dass die dort bekämpfte Entscheidung des UVS mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen ist und führte in seinem Erkenntnis aus:

 

'Bloß allgemeine Annahmen oder 'Erfahrungswerte' genügen jedoch nicht, um die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung im Einzelfall zu begründen (vgl. bereits VfSlg. 14.081/1997). Der Umstand, dass ein Asylwerber bereits in einem anderen Land die Gewährung von Asyl beantragt hat (dem Akteninhalt zufolge hat der Beschwerdeführer den in Polen gestellten Asylantrag zurückgezogen), rechtfertigt für sich nicht den Schluss, dass er 'unrechtmäßig in einen anderen Schengenstaat weiterziehen' und sich so dem Verfahren entziehen werde. Mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers hat eich der UVS in seinem Bescheid aber nicht auseinandergesetzt. [...]

2.3. Dadurch, dass der UVS die im Lichte des Art 2 Abs 1 Z 7 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit gebotene Verhältnismäßigkeitsprüfung unterlassen hat, hat er die Rechtslage grob verkannt und den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt.'

 

Zur Prüfung des Sicherungserfordernisses ist auf alle Umstände des konkreten Falls Bedacht zu nehmen, um die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig anzusehen. Dabei kommt dem bisherigen Verhalten des Fremden Bedeutung zu (VwGH 27.02.2007, 2006/21/0311), jedoch muss die konkrete Situation des Betroffenen geprüft werden - sogar wenn der Fremde vorher in einem sicheren Drittstaat einen Asylantrag gestellt hat (VfGH 29.09.2004, B 292/04). In einem solchen Fall ist auch der Grund für eine allfällige Weiterreise nach Österreich nach Stellung eines Asylantrags in einem anderen Staat und die dabei eingeschlagene Vorgangsweise zu berücksichtigen (VwGH 28.06.2007, 2006/21/0051).

 

Insbesondere kann die dem BF angelastete Ausreiseunwilligkeit alleine nicht das Sicherungserfordernis begründen (VwGH 27.02.2007, 2006/21/2011). Der VwGH hat in seiner ständigen Judikatur die Erforderlichkeit der Prüfung jedes individuellen Einzelfalles hervorgehoben (VwGH 24.10.2007, 2006/21/0045). In allen Fällen der Verhängung von Schubhaft besteht die Verpflichtung, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen an der Sicherung des Verfahrens und der Sicherung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen; Schubhaft kann immer nur als ultima ratio verstanden werden (VfGH 15.06.2007, B 1330/06). Schubhaft ist hingegen nicht als Standard-Maßnahme gegenüber Asylwerbern anzuwenden; weder eine illegale Einreise noch das Fehlen beruflicher Integration oder einer Krankenversicherung noch der Mangel finanzieller Mittel sind für sich genommen als Schubhaftgründe zu werten (VwGH 24.10.2007, 2006/21/0239).

Aus Gründen des Verhältnismäßigkeitsgebots und wegen der Formulierung des Art 2 Abs 1 Z 7 PersFrG ('um zu sichern') kann auch die Ausweisungsabsicht zur Rechtfertigung eines Freiheitsentzuges nur denn hinreichen, wenn die Verhängung der bzw. Anhaltung in Schubhaft tatsächlich notwendig ist, um die Außerlandesschaffung zu sichern.

 

Da es im Falle des BF offenkundig zu keiner alsbaldigen Abschiebung nach Italien kommt, ist seine Anhaltung in Schubhaft unzulässig.

 

Das erforderliche Sicherungsbedürfnis, welches die Anordnung von Schubhaft rechtfertigen könnte, liegt beim BF nicht vor.

 

Die Schubhaftverhängung und die weitere Anhaltung in Schubhaft sind daher rechtswidrig.

 

3. Nichtanwendung des gelinderen Mittels

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 18.05.2001, Zl. 2001/02/0048 ausgesprochen und in ständiger Judikatur bekräftig hat, hat die schubhaftverhängende Behörde die Anwendung des gelinderen Mittels zu prüfen. Dies wurde im konkreten Fall unterlassen.

 

Nunmehr wurde auch die Rechtslage an die Emscheidungspraxis des VwGH angepasst. Das gelindere Mittel hat nach der neuen Regelung des § 77 Abs 1 FPG an die Stelle der Schubhaft zu treten, wenn die Gründe des § 76 vorliegen.

 

Gemäß § 77 Abs 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 FPG genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Mangels ausreichender Auseinandersetzung mit der tatsächlichen Situation des BF hat die Erstbehörde auch nicht hinreichend begründet, weswegen in seinem Fall der nach Ansicht der Erstbehörde gegebene Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels nicht erreicht werden könnte.

 

 

Die Schubhaft ist daher rechtswidrig.

 

4. Widerspruch zur Verordnung (EG) Nr. 1560/2003

 

Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2, September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist lautet:

 

[...]

 

Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass es eine Rangordnung der Überstellungsmodalitäten gibt bzw. dass eine freiwillige Ausreise des Asylwerbers in den zuständigen Mitgliedsstaat prioritär ist. Auch die österreichische Rechtsordnung geht von der grundsätzlichen Annahme aus, dass Gesetze zwar mit Zwangsandrohung, aber zunächst ohne Zwangsausübung eingehalten werden. Zunächst ist davon auszugehen, dass ein Gesetz bzw. eine gesetzlich ergangene Entscheidung von den Rechtsunterworfenen grundsätzlich respektiert und eingehalten wird. Erst, wenn sich herausstellt, dass dies nicht der Fall ist, kann zu Zwangsmaßnahmen gegriffen werden. Eine automatische Schubhaftverhängung, d.h. die grundsätzliche Annahme ein Gesetz würde von den Rechtsunterworfenen generell nicht befolgt werden - wie sie derzeit in der Praxis stattfindet - findet keine Deckung in der österreichischen Verfassung.

 

Nach Abschluss des Verfahrens über die (Un-)Zuständigkeit Österreichs ist zunächst dem Asylwerber die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise zu geben. Erst wenn sich herausstellt, dass der Asylwerber nicht freiwillig ausreist bzw. zu verstehen gibt, dass er dies nicht tun wird, ist eine Haftverhängung zulässig.

 

Die Schubhaftverhängung des BF ohne Einhaltung dieser Abfolge steht daher sowohl in Widerspruch zur oben genannten Verordnung, als auch zur österreichischen Verfassung und ist daher inhaltlich rechtswidrig."

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 6. August 2012 (eingelangt beim Oö. UVS am selben Tag) übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt per E-Mail. In einer kurzen Gegenschrift legt die belangte Behörde erneut ihren Rechtsstandpunkt dar und beantragt die kostenpflichtige Ab- bzw. Zurückweisung der Beschwerde.

 

Mit E-Mail vom 7. August 2012 wurde dem zuständigen Mitglied des Oö. Verwaltungssenates die Entscheidung des BAA EAST WEST vom 6.8.2012 übermittelt, mit der der Asylantrag des Bf ohne in die Sache einzutreten gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen wurde und festgestellt wurde, dass für die Prüfung des Asylantrags Italien zuständig ist. Weiters wurde mit diesem Bescheid ausgesprochen, dass der Bf gem. § 10 AsylG nach Italien ausgewiesen wird und demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Italien gem. § 10 Abs. 4 AsylG zulässig ist. Es liegt somit eine durchsetzbare Ausweisungsentscheidung vor.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter Punkt 1.1. und 2.1. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus, der im Übrigen auch vom Bf nicht bestritten wird.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1.  Gemäß § 82 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, BGBl. I 100, zuletzt geändert durch BGBl. I 50/2012, hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 FPG ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z 2 oder Z 3 leg.cit. der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 leg.cit. hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Gemäß § 6 Abs. 4a FPG richtet sich die örtliche Zuständigkeit zur Verhängung der Schubhaft oder zur Anordnung gelinderer Mittel nach dem Aufenthalt.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des Bescheides des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 7. Juni 2011, Z Sich40-2741-2010, seit 7. Juni 2011 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, ist gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist;

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG hat die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1. gegen den Asylwerber eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2. eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005 mehr als einmal verletzt hat;

4. der Asylwerber, gegen den nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 15 Abs. 1 Z 4 vorletzter Satz AsylG 2005 nicht nachgekommen ist, oder

5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, oder

6. sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs. 4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs. 2 Z. 1 bis 4 vorliegt,

und die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstehen.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 76 Abs. 6 FPG kann die Schubhaft aufrecht erhalten werden, wenn ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz stellt. Liegen die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 FPG oder Abs. 2a FPG vor, gilt die Schubhaft als nach dieser Gesetzesstelle verhängt.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

 

Gemäß § 80 Abs. 1 bzw. 2 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert; sie darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

Gemäß § 80 Abs. 2 FPG darf die Schubhaftdauer nunmehr grundsätzlich

1.    zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;

2.     vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

 

3.4. Zu den Schubhaftgründen:

Im vorliegenden Fall steht unbestritten fest, dass der Bf im Februar 2008 schlepperunterstützt von Marokko nach Italien gereist ist; dort lebte er ca. 1,5 Jahre, ohne einen Asylantrag zu stellen und ohne staatliche Unterstützung. Schließlich reiste er in die Schweiz, wo er einen Asylantrag (11.7.2011) stellte, der negativ mit der Abschiebung nach Italien beendet wurde. Nach erfolgter Abschiebung nach Italien reiste der Bf sofort wieder in die Schweiz und stellte dort neuerlich einen Asylantrag (24.11.2011), der erneut negativ mit der Rücküberstellung nach Italien endete. Daraufhin reiste der Bf illegal nach Österreich, wo er am 1.7.2012 einen Asylantrag stellte; in der Folge wurde er vorübergehend in der Betreuungsstelle West untergebracht.

Mit Schreiben des BAA EAST WEST vom 3.7.2012 erfolgte dem Bf gegenüber die Mitteilung gem. § 29 Abs. 3 AsylG, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da Dublin Konsultationen mit Italien und der Schweiz geführt würden, und dass damit ein Ausweisungsverfahren eingeleitet ist.

Bei einer weiteren Einvernahme vor dem BAA EAST West am 26.7.2012 wurde dem Bf mitgeteilt, dass auf Grund der Dublin II Verordnung für die Bearbeitung seines Asylantrages Italien zuständig sei; durch die Zustimmung Italiens werde sein Asylantrag in Österreich als nicht zulässig zurückgewiesen und es werde beabsichtigt, den Bf aus Österreich auszuweisen.

Daraufhin wurde der Bf am 27.7.2012 in Schubhaft genommen.

In weiterer Folge wurde mit Bescheid des BAA EAST West vom 6.8.2012 der Asylantrag des Bf ohne in die Sache einzutreten gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Asylantrags Italien zuständig ist. Weiters wurde mit diesem Bescheid ausgesprochen, dass der Bf gem. § 10 AsylG nach Italien ausgewiesen wird und demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Italien gem. § 10 Abs. 4 AsylG zulässig ist. Es liegt somit nunmehr eine durchsetzbare Ausweisungsentscheidung vor.

 

3.4.1. Die belangte Behörde legte nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. UVS dem angefochtenen Schubhaftbescheid vom 27. Juli 2012 zu Recht § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zugrunde. Nach dieser Bestimmung kann die zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder zur Sicherung der Abschiebung Schubhaft anordnen, wenn gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde.

 

Im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung (27.7.2012) war aufgrund des Mitteilungsschreibens des BAA EAST West vom 3.7.2012 gem. § 29 Abs. 3 AsylG ein Ausweisungsverfahren bereits eingeleitet, weshalb der Schubhaftgrund des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zu diesem Zeitpunkt jedenfalls vorlag.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichthofs führt in einem Fall der "Verdichtung" der chronologisch fortschreitenden Schubhaftgründe nach dem § 76 Abs. 2 FPG der Wegfall des bisherigen Schubhafttatbestandes per se zu dessen Ersetzung durch einen auf höherer Ebene liegenden Schubhafttatbestand derselben Norm (vgl VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582 unter Hinweis auf Vorjudikatur).

Im vorliegenden Fall liegt seit der Erlassung des Bescheides des BAA EAST WEST vom 6.8.2012 und der damit ausgesprochenen Zurückweisung des Asylantrages des Bf sowie der Ausweisung nach Italien eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung gemäß § 10 AsylG vor. Es ist daher mit Erlassung des BAA-Bescheides und dem damit verbundenen naturgemäßen Wegfall des Schubhaftgrundes des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG ein Wechsel hin zu dem – chronologisch fortgeschrittenen – Schubhaftgrund des § 76 Abs. 2 Z 1 bzw. § 76 Abs. 2a Z 1 FPG erfolgt. Dies führt der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zufolge per se zu der Ersetzung des weggefallenen Schubhaftgrundes nach § 76 Abs. 2 Z 2 FPG durch den auf höherer Eben liegenden Schubhafttatbestand des § 76 Abs. 2 Z 1 bzw. § 76 Abs. 2a Z 1 FPG.

 

3.4.2. Aus fremdenrechtlicher Sicht durfte die belangte Behörde die am 27. Juli 2012 verhängte Schubhaft daher auf § 76 Abs. 2 Z 2 FPG stützen; mit der folgenden Ausweisungsentscheidung des BAA vom 6.8.2012 war ein Wechsel in den Schubhaftgrund des § 76 Abs. 2 Z 1 bzw. § 76 Abs. 2a Z 1 FPG verbunden.

 

Es liegen bzw. lagen somit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Z 2 bzw. § 76 Abs. 2 Z 1 iVm § 76 Abs. 2a Z 1 FPG vor.

 

3.5. Aus der "Kann-Bestimmung" sowohl des § 76 Abs. 1 als auch des Abs. 2 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass sich der Bf dem Verfahren bzw. der Abschiebung iSd § 76 Abs. 1 und Abs. 2 FPG entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

Vorweg ist anzumerken, dass die belangte Behörde eine hinreichend fundierte einzelfallbezogene Prüfung des Sicherungsbedarfes des Bf durchgeführt hat, der aus Sicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates durchaus zu folgen ist.

 

Der Bf, der am 1.7.2012 illegal ins Bundesgebiet eingereist ist, ist mittellos, verfügt in Österreich über keinen Wohnsitz (letzter Aufenthalt: Bundesbetreuungsstelle West) und ist in Österreich weder sozial noch sonstig in besonderem Maß integriert; dies geht nicht zuletzt auch aus seiner Einvernahme vom 26.7.2012 hervor (vgl. AZ 1208.079 im Verwaltungsakt), wo der Bf auf Frage angibt, keine Angehörigen oder sonstigen Verwandten in Österreich zu haben; diesbezüglich ist im bisherigen Verfahren auch nichts anderes hervorgekommen.

Besonders ist in diesem Zusammenhang vorweg zu würdigen, dass der Bf offensichtlich keinesfalls dazu bereit ist, nach Italien zurückzukehren.

Wie aus dem Akt ersichtlich ist und auch von der belangten Behörde zutreffend festgestellt wird, will der Bf unter keinen Umständen nach Italien zurück. So konkretisierte der Bf seine Ausführungen aus der Erstbefragung, dass er in Italien Probleme mit einer pakistanischen Familie gehabt hätte, geschlagen worden sei und deshalb dorthin nicht mehr zurückkönne, in der ergänzenden Befragung am 26.7.2012, dass er nicht nach Italien zurück möchte, weil er ein Problem mit einem pakistanischen Mann und einem rumänischen Mädchen hätte. "Diese beiden waren in Italien befreundet, sie waren auch meine Freunde, ich habe ihnen geholfen. Die Familie des Pakistani wollte jedoch nicht dieses rumänische Mädchen als Schwiegertochter haben. Sie wurde von ihm schwanger, seine Familie hat ihn verfolgt, ich habe ihm zur Flucht verholfen und zeigte ihm ein verlassenes Haus in Italien, wo er sich verstecken kann. Das Liebespaar hat bei mir in diesem Haus gewohnt, die Familie hat es erfahren. Seine Familie hat mich dann geschlagen und mich mit dem Tod bedroht. Sie haben mich mit dem Messer in der rechten Handfläche verletzt.

Danach sind wir zu dritt nach Österreich geflüchtet und sind in Innsbruck zur Polizei gegangen."

 

Es trifft zwar – wie in der Beschwerde behauptet – durchaus zu, dass der Bf die Erledigung seiner Asylverfahren in der Schweiz jeweils ohne unterzutauchen abgewartet hat und auch jeweils nach Italien zurückgeführt werden konnte. Im Unterschied zu der damaligen Situation in der Schweiz hat sich die Einstellung des Bf zu Italien insofern aber noch verschlechtert, als er sich dort nun einerseits laut Auskunft der italienischen Polizei vor einer ihm drohenden 18-monatigen Schubhaft wegen illegalen Aufenthalts fürchtet (vgl. die Ausführungen in der Einvernahme vom 26.7.2012), andererseits aufgrund des Problems mit der pakistanischen Familie bemerkenswerte Angst hat. Dieses Problem hat sich erst nach seiner zweiten Rücküberführung von der Schweiz nach Italien entwickelt und hat im Ergebnis dazu geführt, dass der Bf nach Österreich geflüchtet ist. Allein diese Angst vor der Rückkehr nach Italien – in Zusammenschau mit der grundsätzlich bestehenden Abneigung gegenüber Italien aufgrund des dort herrschenden wirtschaftlichen Engpasses für den Bf – führt dazu, dass der Bf nunmehr unter keinen Umständen nach Italien zurück will.

Im Unterschied zur damaligen Situation in der Schweiz ist aus jetziger Sicht daher keineswegs davon auszugehen, dass der Bf trotz des Wissens um seine in naher Zukunft drohende Überstellung nach Italien die – im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung absehbar negative – Erledigung seines eingeleiteten Asylverfahrens und nunmehr seiner sogar bereits durchsetzbaren Ausweisungsentscheidung in Österreich abwarten und sich zur ständigen Verfügung der Behörden halten würde.

 

Mit der im Zuge der ergänzenden Einvernahme am 26.7.2012 erfolgten Mitteilung gegenüber dem Bf, dass Italien dem Aufnahmeersuchen entsprochen habe und daher beabsichtigt sei, den Asylantrag des Bf zurückzuweisen, wurde für den Bf unzweifelhaft klar, dass er mit einer in naher Zukunft drohenden Überstellung nach Italien rechnen muss. Aufgrund der durchsetzbaren Ausweisungsentscheidung des BAA EAST WEST vom 6.8.2012 wurde dem Bf die Tragweite der Gefahr einer Überstellung nach Italien mehr und mehr bewusst und die Unmittelbarkeit der drohenden Außerlandesbringung dadurch noch erheblich verdeutlicht. Es war daher zu jedem Zeitpunkt des Schubhaftverfahrens von der unmittelbar drohenden Gefahr des Untertauchens des Bf auszugehen.

Dass der Bf dabei die Rechtsordnungen der EU sowie Österreichs nicht entsprechend respektiert und behördlichen Anordnungen keine Folge leistet, zeigt sich dabei einerseits in der Tatsache, dass der Bf ca. 1,5 Jahre (!) ohne einen entsprechenden Asylantrag zu stellen illegal in Italien aufhältig war und dort auch illegalen Beschäftigungen (vgl. die Aussagen in der Erstbefragung) nachging; andererseits weist auch der Umstand, dass der Bf unmittelbar nach erfolgter erster Abschiebung von der Schweiz nach Italien (am 21.11.2011) nur zwei Tage (!) später (am 23.11.2011) wieder illegal in die Schweiz zurückgekehrt ist (vgl. die Aussagen in der Erstbefragung), auf die negative Einstellung des Bf gegenüber staatlicher Autorität hin. Dies ist auch als Beleg für die grundsätzliche Haltung des Bf zu werten, keine Mittel ungenützt zu lassen, um seine wirtschaftliche Lage zu verbessern und nicht nach Italien zurück zu müssen. Die vorliegende aktuelle Anzeige wegen Ladendiebstahls unterstreicht dabei dieses Bild der grundsätzlich negativen Haltung des Bf, wenngleich sie mangels rechtskräftiger Verurteilung keine tragende Rolle in der Gesamtbetrachtung einnehmen kann.

 

Aus dem Verhalten des Bf ist unzweifelhaft abzuleiten, dass er keinesfalls gewillt ist, sich den Rechtsvorschriften des jeweiligen Gastlandes unterzuordnen. So lebte er 1,5 Jahre (!) in Italien, ohne einen entsprechenden Asylantrag zu stellen, ging illegalen Beschäftigungen nach und vermied Behördenkontakte.

Nachdem die wirtschaftliche Lage für den Bf in Italien schließlich – nicht zuletzt auch aufgrund des Unterlassens einer Asylantragsstellung und der damit einhergehenden fehlenden staatlichen Unterstützung – unerträglich wurde (vgl. die Ausführungen in der Einvernahme vom 26.7.2012, dass er in Italien keine Unterstützung und Unterkunft bekommen habe, daher auf der Straße leben habe müssen, und arbeitslos sei), suchte er vorerst einen Ausweg in der Schweiz. Den Aufenthalt und die Asylverfahrensführung in Österreich hatte der Bf ursprünglich nicht angestrebt. Ohne sich hier in allgemeine Unterstellungen zu verlieren erweckt der Bf ganz konkret den Eindruck, dass es ihm jedenfalls auf die Erlangung des Verbleibs in einem für ihn wirtschaftlich interessanten Land der Europäischen Union – völlig losgelöst von einer allfälligen asylrelevanten Bedrohungssituation - ankommt. Dies indiziert auch die bereits dargestellte besonders straffe zeitliche Abfolge zwischen Rücküberstellung aus der Schweiz nach Italien und unmittelbarer Wiedereinreise in die Schweiz.

 

Wenn auch – wie in der Beschwerde zu Recht behauptet – eine fehlende Ausreisewilligkeit für sich allein nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht rechtfertigen kann, so ergibt sich im Rahmen einer Gesamtschau des konkreten Einzelfalles doch eindeutig, dass – der belangten Behörde folgend – im vorliegenden Fall von einem besonders hohen Sicherungsbedarf auszugehen ist. Der Bf hätte sich – auf freiem Fuß belassen – ab dem Zeitpunkt, in dem ihm die Entsprechung Italiens bezüglich des Aufnahmeersuchens nach der Dublin II-Verordnung und die damit unmittelbar drohende Überstellung des Bf nach Italien bewusst geworden ist, fraglos binnen Kurzem dem Zugriff der Behörde entzogen um gegebenenfalls - nicht zuletzt aufgrund seiner flexiblen Lebensgestaltung und dem nicht fixierten Reiseziel – in einen weiteren, für den Bf wirtschaftlich attraktiven Mitgliedstaat der EU abzutauchen.

Dabei ist besonders zu bemerken, dass je weiter dieses Verfahren fortschritt, desto höher war und ist auch die Fluchtgefahr anzusetzen; insbesondere ist auch die durchsetzbare Ausweisungsentscheidung des BAA EAST West vom 6.8.2012 von erheblicher Bedeutung für die Beurteilung des weiterhin bestehenden ausgeprägten Sicherungsbedarfes, der allerdings zweifellos auch schon zum Zeitpunkt der Verhängung der Maßnahme in entsprechendem Ausmaß bestand.

 

Der belangten Behörde folgend ist weiters festzuhalten, dass der mittellose Bf geradezu darauf angewiesen ist, der drohenden Abschiebung nach Italien, wo er bei unveränderter Sachlage mit hoher Wahrscheinlichkeit – gegebenenfalls unter Inschubhaftnahme durch die italienischen Behörden – in sein Heimatland abgeschoben werden wird, durch ein Untertauchen in die Illegalität zu entgehen. Dabei aber kann er seinen Lebensunterhalt – wie (zeitweise) bisher in Italien - nur entgegen den arbeitsmarktrechtlichen Bestimmungen bestreiten, weshalb die diesbezügliche Feststellung der belangten Behörde aufrecht erhalten werden kann.

 

In diesem Zusammenhang ist schließlich anzumerken, dass der Bf eigenen Angaben zufolge in Italien mit folgender Begründung nie einen Asylantrag gestellt hat: "Jeder sagte mir, dass das (gemeint: Anspruch auf Unterkunft und Versorgung) in Italien nicht geht, weil die Rechte der Flüchtlinge nicht mit Demokratie behandelt werden. Es ist nicht wie in Österreich oder in der Schweiz."

Eigene negative Erfahrungen des Bf mit den italienischen Behörde ergeben sich aus dieser allgemein gehaltenen Feststellung freilich – wie auch vom BAA in seinem Bescheid vom 6.8.2012 konstatiert (vgl. Seite 28) – nicht. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass der Oö. Verwaltungssenat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich an die diesbezüglichen Entscheidungen der Asylbehörden gebunden ist. Das BAA hat in der zitierten Entscheidung aber – unter nachvollziehbaren Ausführungen und belegt durch entsprechende Länderfeststellungen und Staatendokumentationen – ausgesprochen, dass im konkreten Fall (entgegen den Behauptungen in der Beschwerde) keine Bedenken in Hinsicht auf Art. 3 EMRK gegen eine Überstellung des Bf nach Italien bestünden und daher auch kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts Österreichs iSd Dublin-VO bestehe.

 

Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sämtlicher Besonderheiten des konkreten Einzelfalles war und ist daher auch nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates ein erheblicher Sicherungsbedarf seit Verhängung der Schubhaft am 27. Juli 2012 bis dato jedenfalls zu bejahen.

 

3.6. Damit scheidet auch im hier zu beurteilenden Zeitraum die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise grundsätzlich aus. Eine allfällige tägliche Meldepflicht würde das Ziel der Schubhaft aufgrund der erheblichen Gefahr, dass der Bf auf freiem Fuß belassen untertaucht um in weiterer Folge das Bundesgebiet zu verlassen, nicht gewährleisten können. Daran vermag auch die Behauptung in der Beschwerde, der Bf hätte sich den Schweizer Behörden in den damaligen Asylverfahren zur Verfügung gehalten, nichts zu ändern; wie bereits unter Punkt 3.5. ausgeführt, ist dem Bf die Tragweite seines Verfahrensstandes – nämlich die unmittelbar drohende Überstellung nach Italien – erst bei der ergänzenden Einvernahme durch das BAA und den dort erörterten Mitteilungen in vollem Ausmaß bewusst geworden und hat sich seine Einstellung zu Italien aufgrund der zwischenzeitigen Vorkommnisse (konkret: drohende Abschiebung und drohende langwierige Inschubhaftnahme in Italien; Problem mit pakistanischen Privatpersonen; erhebliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Bf) erheblich verschlechtert.

 

3.7. Die Verhängung der Schubhaft ist demnach zweifellos weiterhin verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

Auch geht aus dem vorliegenden Verwaltungsakt eindeutig hervor, dass die belangte Behörde regelmäßig bemüht war, das fremdenrechtliche Verfahren entsprechend zügig voranzutreiben.

 

Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls weiterhin nicht schlagend in Anwendung gebracht werden, zumal der Bf nicht zuletzt auch eigenen Angaben zufolge in Österreich keinerlei familiäre oder soziale Bezugspunkte hat.

 

3.8. § 80 Abs. 1 und Abs. 2 FPG normieren, dass die Schubhaft so lange aufrechterhalten werden kann, bis der Grund für ihre Anhaltung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Grundsätzlich wird hier nun seit 1. Juli 2011 (vgl. FrÄG 2011) eine viermonatige Höchstgrenze festgelegt. Der Bf wird gegenwärtig seit 27.7.2012 in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte viermonatige Frist noch nicht ausgeschöpft ist.

 

Auch ist das Ziel der Schubhaft zum Entscheidungszeitpunkt durchaus zeitnah erreichbar, da keine Umstände bekannt sind, die gegen die Durchführbarkeit der Überstellung des Bf nach Italien sprechen, und eine Abschiebung unmittelbar bevorsteht. So führt die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift aus, dass beabsichtigt sei, den Bf unmittelbar nach Eintreten der Durchführbarkeit einer Ausweisung gem. § 10 AsylG nach Italien abzuschieben; eben diese durchführbare Ausweisungsentscheidung wurde aber in Form des BAA-Bescheides vom 6.8.2012 bereits erlassen.

In diesem Zusammenhang ist schließlich noch darauf hinzuweisen, dass sich das BAA in der Begründung des zitierten Bescheides sowohl hinsichtlich der Frage, ob der italienische Staat entsprechenden Schutz für den Bf bei der von ihm behaupteten Verfolgung durch Privatpersonen bietet, als auch hinsichtlich der adäquat vorhandenen gesundheitlichen Versorgung des Bf in Italien nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates in dem hier einschlägigen Ausmaß nachvollziehbar auseinandergesetzt hat.

Der Bf hat zwar in der Beschwerdeschrift eine Abschiebung nach Italien wegen einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK für nicht zulässig erachtet, diesbezüglich zahlreiche Judikate zitiert, jedoch nicht dargelegt, inwieweit ihm eine derartige Rechtsverletzung in Italien tatsächlich drohe (vgl. dazu den BAA-Ausweisungsbescheid vom 6.8.2012, Seite 28). Wie der Bf selbst ausführt, sind die angeführten Entscheidungen einzelfallbezogen ergangen (ca. 50 % aller Ausweisungen in Deutschland werden ausgesetzt; etc.).

Im Übrigen ist auch an dieser Stelle nochmals zu bemerken, dass der Oö. Verwaltungssenat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich an die diesbezüglichen Entscheidungen der Asylbehörden gebunden ist. Das BAA hat in der zitierten Entscheidung aber – unter nachvollziehbaren Ausführungen und belegt durch entsprechende Länderfeststellungen und Staatendokumentationen – ausgesprochen, dass im konkreten Fall (entgegen den Behauptungen in der Beschwerde) keine Bedenken in Hinsicht auf Art. 3 EMRK gegen eine Überstellung des Bf nach Italien bestehen und daher auch kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts Österreichs iSd Dublin-VO bestehe.

 

3.9. Derzeit sind zudem keinerlei Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden. Daher war die Beschwerde vom 3.8.2012 (eingelangt beim Oö. UVS am 6.8.2012) als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft im Entscheidungszeitpunkt weiterhin vorliegen.

 

3.10. Der erkennende Verwaltungssenat sieht – entgegen den Ausführungen in der Beschwerde – auch keinen Widerspruch zu Art 7 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 betreffend die Modalitäten der Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat, da eine "freiwillige" Überstellung des Bf – wie in der Beschwerde gefordert – schon allein aufgrund der ausdrücklichen Aussagen des Bf, dass er unter keinen Umständen nach Italien zurückwolle, von vornherein ausgeschlossen schien. Weiters zeigt die unter Punkt 3. dargelegte, ausführliche Schubhaftprüfung (konkreter Sicherungsbedarf, Notwendigkeit der Schubhaft, Möglichkeit der Verhängung gelinderer Mittel, etc.), dass eine freiwillige Ausreise des Bf in der konkreten Situation im Rahmen einer Prognoseentscheidung jedenfalls ausgeschlossen war.

Im Übrigen kann dem (in der Beschwerde wiedergegebenen) Art 7 Abs. 1 der Verordnung auch dem Wortlaut nach keine Rangordnung entnommen werden (arg.: "Die Überstellung kann auf eine der folgenden Weisen erfolgen:").

Ein Widerspruch zur genannten Verordnung Nr. 1560/2003 liegt daher ebenfalls keineswegs vor.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Hinweis: Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Dr. L u k a s

 

 

 

 

 

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