Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252991/7/Py/Hu

Linz, 29.08.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x,  gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 6. Oktober 2011, GZ: SV96-31-2011, wegen Übertretungen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) zu Recht erkannt:

 

 

I.         Der Berufung wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.        Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  § 66 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 6. Oktober 2011, GZ: SV96-31-2011, wurden über den Berufungswerber (in der Folge: Bw)  wegen Verwaltungsübertretungen nach § 111 Abs.1 Z1 iVm § 33 Abs.1 und 1a Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl.Nr. 189/1955 idgF zwei  Geldstrafen in Höhe von je 1.200 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen in Höhe von je 185 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 240 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben als Gewerbeinhaber und –betreiber des Gewerbes 'Hafner, Platten- und Fliesenleger' im Standort x, und somit als Dienstgeber iSd § 35 Abs.1 ASVG zu verantworten, dass die deutschen StAen, x, geb. x, und x, geb. x, am 23.5.2011 von 11.00 – 16.00 Uhr, am 24.5.2011 von 7.00 – 18.00 Uhr und am 25.5.2011 ab 7.00 Uhr bis zur Kontrolle um 11.00 Uhr mit Fliesenlegerarbeiten auf der betrieblichen Baustelle in x, als Dienstnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen ein nach Anzahl der verlegten Quadratmeter vereinbartes Höchstpauschalenentgelt von 6.000 Euro in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt wurden.

Obwohl diese Dienstnehmer nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen und daher in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung vollversichert sind, wurde hierüber eine zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete Meldung bei der Oö. Gebietskrankenkasse mit Sitz in Linz, Gruberstraße 77, als zuständigem Sozialversicherungsträger nicht vor Arbeitsbeginn erstattet und haben Sie somit gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht des § 33 Abs.1 ASVG verstoßen.

 

Für die Behörde war im vorliegenden Fall von einem Arbeitsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit auszugehen, da die beschäftigten Personen nach den Feststellungen des Finanzamtes nicht als selbständige Subunternehmer auf Werkvertragsbasis sondern wie unselbständige Dienstnehmer tätig wurden, welche die Fliesenlegerarbeiten unter Anweisung und Kontrolle Ihres Bauleiters durchführten und wofür sie keine Mängelhaftung übernehmen mussten. Sämtliches Material wie Fliesen, Kleber etc. wurde von Ihrem Betrieb bereitgestellt.

Die in Rede stehenden Beschäftigten waren Ihrem Unternehmen somit organisatorisch sowie hinsichtlich Arbeitsort und einzuhaltender Arbeitszeiten maßgeblich unterworfen und in den betrieblichen Arbeitsablauf eingebunden. Es bestand auch eine persönliche Arbeitsverpflichtung und Weisungsgebundenheit.

Eine Beschäftigung gegen Entgelt liegt schon deshalb vor, weil Unentgeltlichkeit nicht ausdrücklich vereinbart war und somit ein dem Kollektivvertrag für das Hafner-, Platten- und Fliesenlegergewerbe für das Jahr 2011 entsprechendes Entgelt von zumindest 11 Euro brutto/Std. für Facharbeiter bzw. 9 Euro brutto/Std. für Helfer gem. § 1152 ABGB als bedungen gilt."

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen aus, dass aufgrund der Feststellungen anlässlich der Kontrolle von der Erbringung einer Werkleistung nicht ausgegangen werden kann und die somit unselbstständig beschäftigten Dienstnehmer nach den ASVG Vorschriften vor Beginn der Arbeit zur Krankenversicherung hätten gemeldet werden müssen.

 

Des weiteren legt die Erstbehörde ihre für die Strafbemessung wesentlichen Gründe dar.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Berufung vom 20. Oktober 2011. Darin bringt der Bw vor, dass die beiden im Straferkenntnis angeführten deutschen Staatsangehörigen nicht als Dienstnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Bw beschäftigt wurden. Vielmehr handelt es sich um deutsche Gewerbetreibende, die als selbstständige EU-Einzelunternehmer grenzüberschreitend im Rahmen einer gewährleistungsfähigen, werkvertraglichen Verpflichtung tätig wurden. Des weiteren werden von den beiden deutschen Staatsangehörigen A1-Bescheinigungen vorgelegt, denen ebenfalls zu entnehmen ist, dass diese in einem anderen Staat keine Beiträge zu zahlen haben. Ergänzend dazu wird die E-Mail-Nachricht der zuständigen Bearbeiterin bei der Oö. GKK vorgelegt, die ebenfalls mitteilte, dass weitere Veranlassungen seitens der Oö. GKK aufgrund der Anzeige der Finanzpolizei wegen der vorgelegten Unterlagen nicht erfolgen werden.

 

3. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2011 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurden, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG). Da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid zu beheben ist, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG entfallen. Dem am Verfahren beteiligten Finanzamt Grieskirchen Wels wurde Gelegenheit gegeben, zum Berufungsvorbringen eine Stellungnahme abzugeben.

 

4. Anlässlich einer Kontrolle durch das Finanzamt Grieskirchen Wels am 25.5.2011 wurden die beiden deutschen Staatsangehörigen Herr x, geb. x, und Herr x, geb. x, bei Fliesenlegerarbeiten angetroffen. Für beide Staatsangehörige lag für den Kontrollzeitpunkt eine A1 Bescheinigung der deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland vor.

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und den mit der Berufung vorgelegten Unterlagen.

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 33 Abs.1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idgF, haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

 

Gemäß § 33 Abs.2 ASVG gilt Abs.1 für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z3 lit.a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

  1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
  2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
  3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
  4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

§ 111 Abs.2 ASVG besagt: Die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

5.2. Den im gegenständlichen Straferkenntnis angeführten deutschen Staatsangehörigen wurden vom deutschen Sozialversicherungsträger Bescheinigungen ausgestellt, wonach sie zum Tatzeitpunkt den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften dieses Mitgliedsstaates unterworfen waren. Im Erkenntnis vom 16. März 2011, Zl. 2010/08/0231, hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass für den Fall, dass in einem Mitgliedsstaat ein Formular E101 oder A1 ausgestellt wurde, wonach eine Person den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften dieses Mitgliedsstaates unterworfen ist, der zuständige Träger eines anderen Mitgliedsstaates an die Angaben in der Bescheinigung gebunden ist und den fraglichen Arbeitnehmer nicht seinem eigenen System der sozialen Sicherheit unterstellen kann, so lange die Bescheinigung nicht zurückgezogen oder für ungültig erklärt wird. Das entsprechende Formular ist ein die anderen Mitgliedsstaaten bindendes Instrument zur Feststellung der Anwendbarkeit der Rechtsvorschriften jenes Staates, der eine solche Bescheinigung ausgestellt hat. Bei Zweifel über die Richtigkeit der Anwendung der EG-Verordnungen durch den Entsendestaat kann die "Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer" um Vermittlung angerufen werden. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 26. Jänner 2006 in der Rechtssache C-2/05 (Herbosch Kiere NV) zur Vorlagefrage, ob und in wie weit eine Bescheinigung E101 die innerstaatliche Rechtsordnung des Gaststaates (auch) im Hinblick auf das Bestehen einer arbeitsrechtlichen Bindung zwischen entsendendem Unternehmen und entsandten Arbeitnehmer während der Dauer der Entsendung bindet, ausgeführt, dass es für die Anwendung von Art. 14 Abs.1 A der Verordnung Nr. 1408/71 erforderlich ist, dass zwischen dem Unternehmen mit einer Betriebsstätte in einem Mitgliedsstaat und den Arbeitnehmern, die dieses Unternehmen in das Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates entsandt hat, während der Dauer ihrer Entsendung weiterhin eine arbeitsrechtliche Bindung besteht. In der Bescheinigung erklärt der zuständige Träger des Mitgliedsstaates, dass sein eigenes System der sozialen Sicherheit auf die entsandten Arbeitnehmer während der Dauer der Entsendung anwendbar bleibt. Wegen des Grundsatzes, dass die Arbeitnehmer einem einzigen System der sozialen Sicherheit angeschlossen werden sollen, hat diese Bescheinigung damit notwendig zur Folge, dass das System der sozialen Sicherheit des anderen Mitgliedsstaates nicht angewandt werden kann.

 

§ 1 ASVG knüpft den Geltungsbereich des ASVG an sich bloß an den Beschäftigungsort im Inland an (vgl. VwGH vom 4. Juli 1989, VwSlG. 1294/A). Die vom zuständigen deutschen Sozialversicherungsträger für die zwei gegenständlichen deutschen Personen gültig ausgestellten Bescheinigungen stellen bindend fest, dass in den vorliegenden Fällen österreichisches Sozialversicherungsrecht nicht zur Anwendung gelangt.

 

Im Hinblick auf die vorliegenden Bescheinigungen der deutschen Staatsangehörigen kann daher dem Bw die Übertretung österreichischer sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften nicht zur Last gelegt werden.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

6. Bei diesem Verfahrensergebnis entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Kostenbeiträgen zum Verwaltungsstrafverfahren.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

 

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