Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253119/12/Py/Hu

Linz, 26.07.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Finanzamtes Linz, Bahnhofplatz 7, 4020 Linz, gegen den Einstellungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 21. März 2012, GZ: SV96-234-2010/Gr, betreffend das gegen Frau x, eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 12. Juli 2012, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und folgender Spruch gefällt:

 

"Sie haben als Gewerbeinhaberin und Betreiberin der Firma x, verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass diese Firma als Arbeitgeber ihrer Verpflichtung, die von ihr am 8. Oktober 2010 beschäftigten Dienstnehmer

  1. Herrn x, geb. x, und
  2. Herrn x, geb. x

vor Arbeitsantritt beim  zuständigen Sozialversicherungsträger in der Vollversicherung anzumelden, nicht nachgekommen ist.

Dadurch haben Sie eine Übertretung der Bestimmungen des § 33 Abs.1 und 1a iVm § 111 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl.Nr. 189/1955 idgF zu verantworten.

 

Gemäß § 21 VStG wird von der Verhängung einer Strafe abgesehen und Ihnen eine Ermahnung erteilt."

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 19, 21 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991.

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid vom 21. März 2012, SV96-234-2010/Gr, wurde von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land von der Fortführung des gegen Frau x, wegen des Verdachts der Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren abgesehen und gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG die Einstellung verfügt.

 

In der Begründung führt die belangte Behörde aus, dass die beiden Arbeitnehmer bis zum 7.10.2009 bei der x und ab 8.10.2009 bei Frau x versichert waren, weshalb keine Verwaltungsübertretung vorliegt.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Finanzamt Linz als am Verfahren beteiligte Organpartei eingebrachte Berufung vom 4. April 2012. Darin wird vorgebracht, dass Herr x und Herr x im Personenblatt bei der Kontrolle als Beschäftigungsbeginn bei der Firma x den 5.10.2009, ab 5.00 Uhr, angegeben hat. Laut ELDA-Protokoll wurden beide Dienstnehmer am 8.10.2009, 13:13 Uhr durch die Einzelfirma x bei der OÖGKK angemeldet, weshalb sie zumindest am 8.10.2009 von 5.00 bis 13.13 Uhr bei der Beschuldigten ohne Anmeldung beschäftigt waren.

 

3. Mit Schreiben vom 26. April 2012 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da mit der erstbehördlichen Entscheidung keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 12. Juli 2012, an der die Beschuldigte sowie ein Vertreter des Finanzamtes Linz als Parteien teilgenommen haben.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Die Beschuldigte war zum Vorfallszeitpunkt Gewerbeinhaberin und Betreiberin der Einzelfirma x, einem Paketzustelldienst mit Sitz in x.

 

Ab 8. Oktober 2009, 05.00 Uhr, wurden Herr x, geb. x, und Herr x, geb. am x, von der Firma x als Paketzusteller gegen ein über der Geringfügigkeitsgrenze liegendes Entgelt als Dienstnehmer beschäftigt. Die beiden Dienstnehmer wurden erst um 13:13 Uhr des 8.10.2009 als Dienstnehmer der Einzelfirma x bei der OÖGKK zur Sozialversicherung angemeldet.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und der Aussage der Beschuldigten in der mündlichen Berufungsverhandlung, in der sie angab, dass die beiden Dienstnehmer zunächst in der x beschäftigt und angemeldet waren, jedoch ab 8. Oktober 2009, 5.00 Uhr, für ihr Einzelunternehmen Zustelldienste verrichteten. Unbestritten blieb, dass die Anmeldung der beidem Dienstnehmer zur Sozialversicherung bei der OÖGKK an diesem Tag erst um 13:13 Uhr einlangte.

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 33 Abs.1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idgF, haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

 

§ 33 Abs.1a ASVG lautet: Der Dienstgeber kann die Anmeldeverpflichtung so erfüllen, dass er in zwei Schritten meldet, und zwar

1.      vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. die Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben Anmeldung) und

2.      die noch fehlenden Angaben innerhalb von sieben Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung (vollständige Anmeldung).

 

Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

  1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
  2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
  3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
  4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

§ 111 Abs.2 ASVG besagt: Die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Herr x und Herr x wurden am 8. Oktober 2009 ab 05.00 Uhr von der Firma x als Paketzusteller in wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit im Rahmen eines Vollbeschäftigtenverhältnisses gegen Entgelt beschäftigt, obwohl die Anmeldung zur Sozialversicherung erst um 13:13 Uhr bei der OÖGKK einlangte.

 

Der objektive Tatbestand der gegenständlichen Verwaltungsübertretung ist daher als erfüllt zu werten.

 

5.2. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Beschuldigte initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

Es ist daher zu prüfen, ob sich der Beschuldigte entsprechend sorgfältig verhalten hat, um glaubhaft machen zu können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Eine solche Glaubhaftmachung ist der Beschuldigten jedoch mit ihrer Verantwortung, die Steuerberaterin habe die Anmeldungen nicht zeitgerecht durchgeführt, nicht gelungen. Für die Befreiung von der Verantwortlichkeit eines Unternehmers für die Einhaltung der Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes ist die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems entscheidend. Die Beschuldigte hat nicht dargelegt, durch welche Maßnahmen sie dafür Sorge getragen hat, dass die Einhaltung der Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes bei der Ausübung ihres Gewerbes sichergestellt sind. Sie hätte insbesondere darzulegen gehabt, welche Maßnahmen von ihr getroffen wurden und insbesondere wann, wie oft und auf welche Weise bzw. von wem Kontrollen vorgenommen wurden.

 

Die gegenständliche Verwaltungsübertretung ist der Beschuldigten daher auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen.

 

6. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Nach § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs.1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs.2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.

 

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

 

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes steht als erwiesen fest, dass die beiden Dienstnehmer der Beschuldigten am 8. Oktober 2009 bereits ab 5.00 Uhr beschäftigt waren, obwohl erst ab 13.13 Uhr eine Anmeldung zur Sozialversicherung vorlag.  Es ist jedoch auch festzuhalten, dass diese nachträgliche Anmeldung nicht erst anlässlich einer Kontrolle durchgeführt wurde. Im Hinblick auf den Umstand, dass die Dienstnehmer davor im vom Ehegatten der Beschuldigten geführten Unternehmen zur Sozialversicherung angemeldet waren und auch zum Zeitpunkt der Kontrolle eine Anmeldung vorlag und die Nichtanmeldung nur wenige Stunden andauerte, erscheint es aufgrund der Besonderheit der gegenständlichen Sachlage angemessen, von der Verhängung einer Strafe abzusehen und eine Ermahnung auszusprechen. Die Beschuldigte wird jedoch ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass bei künftigen Verstößen mit der Verhängung von entsprechenden Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen zu rechnen ist.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

 

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