Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281404/22/Py/Hu

Linz, 26.07.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 8. März 2012, GZ: Ge96-2515-2009, wegen Übertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 4. Mai und 13. Juni 2012 zu Recht erkannt:

 

 

I.         Der Berufung wird hinsichtlich der Fakten 1 und 4 Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Hinsichtlich der Fakten 2, 3 und 5 wird der Berufung insofern Folge gegeben, als die verhängten Geldstrafen auf je 500 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf je 24 Stunden herabgesetzt werden.

 

 

II.        Hinsichtlich der Fakten 1 und 4 entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Kostenbeiträgen zum Verwaltungsstrafverfahren. Die Kostenbeiträge des Berufungswerbers zum Verfahren vor der belangten Behörde hinsichtlich der Fakten 2, 3 und 5 verringern sich auf je 50 Euro (insgesamt somit 150 Euro), das sind 10 % der nunmehr verhängten Geldstrafen. Zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 5, 19, 24, 45 Abs.1 (Faktum 1 und 4) und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  §§ 64ff VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 8. März 2012, GZ: Ge96-2515-2009, wurden über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG iVm § 55 Abs.2 BauV (Faktum 1), § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG iVm § 69 Abs.1 BauV (Faktum 2), § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG iVm § 69 Abs.2 BauV (Faktum 3), § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG iVm § 61 Abs.1 BauV (Faktum 4) und § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG iVm § 61 Abs.2 BauV (Faktum 5) fünf Geldstrafen in Höhe von je 1.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen in Höhe von je 48 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 500 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gem. § 9 Abs.1 VStG. 1991 zur Vertretung nach außen berufene verwaltungsstrafrechtliche Organ der x mit Sitz in x, nicht dafür Sorge getragen, dass die Vorschriften des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) in Verbindung mit der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) eingehalten wurden.

 

Bei einer Unfallerhebung am 17.08.2009 auf der Baustelle x, wurde vom Arbeitsinspektor x Folgendes festgestellt:

 

1)        Für die Herstellung des Gerüstes wurde ein nicht einwandfreier, nicht ausreichend tragfähiger H20 Träger verwendet, obwohl für Gerüste nur einwandfreie, ausreichend tragfähige Gerüstbauteile verwendet werden dürfen. Gerüstbauteile aus Holz müssen aus gesundem, vollkommen entrindetem, im erforderlichen Mindestquerschnitt nicht geschwächtem Holz bestehen. Gerüstbauteile aus Metall dürfen keine Mängel aufweisen, durch die ihre Festigkeit beeinträchtigt wird. Sie müssen einen entsprechenden Korrosionsschutz haben. Gerüstbauteile, einschließlich der Verankerungsmittel, Kupplungen, Natur-, Kunstfaser- und Drahtseile, Rüstdrähte, Ketten oder Schraubverbindungen, müssen vor schädigenden Einwirkungen wie Fäulnis oder Rost, derart geschützt sein, dass ihre Festigkeit nicht beeinträchtigt wird.

2)        Die Befestigung des Auslegers des Ausschussgerüstes bei dem ca. 1,30 m auskragenden Gerüst wurde nur 0,50 m von der Bauwerkskante angeordnet, obwohl die Ausleger von Ausschussgerüsten (Auslegergerüsten) im Bauwerksinneren an tragfähigen Bauteilen derart befestigt sein müssen, dass sie nicht kippen und sich weder abheben noch verschieben können. Eine Befestigung nur durch Verkeilen an der Wand oder der Decke ist unzulässig. Jeder Ausleger muss durch mindestens zwei Befestigungen mit dem Bauwerk verankert sein, wobei eine Befestigung in einem Abstand von der Bauwerkskante angeordnet sein muss, der der Kraglänge des Auslegers entspricht, mindestens jedoch 1,50 m beträgt. Bei Verankerung in Betondecken dürfen Ausleger erst belastet werden, wenn der Beton der Deckenkonstruktion ausreichend erhärtet ist.

3)        Die Abstände der Ausleger des Ausschussgerüstes wurden zu groß gewählt (2,08 m, 1,67 m, 1,87 m (Unfallgerüstplatte), 1,93 m), obwohl der waagrechte Abstand der Ausleger bei Verwendung als Arbeits- oder Fanggerüst maximal 1,50 m, bei Verwendung als Schutzdach maximal 3,00 m betragen darf.

4)        Das Gerüst wurde nach Aufstellung nicht durch eine fachkundige Person des Gerüstaufstellers überprüft, obwohl Gerüste nach ihrer Fertigstellung einer Überprüfung durch eine fachkundige Person des Gerüstaufstellers zu unterziehen sind.

5)        Das Gerüst wurde nach Aufstellung nicht durch eine fachkundige Person des Gerüstbenützers überprüft, obwohl Gerüste vor ihrer erstmaligen Benützung von einer fachkundigen Person des Gerüstbenützers auf offensichtliche Mängel zu prüfen sind. Solche Prüfungen sind nach jeder längeren Arbeitsunterbrechung, nach Sturm, starkem Regen, Frost oder sonstigen Schlechtwetterperioden, bei Systemgerüsten mindestens einmal monatlich, bei sonstigen Gerüsten mindestens einmal wöchentlich, auf offensichtliche Mängel durchzuführen."

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen zusammengefasst aus, dass hinsichtlich Faktum 1 der verwendete H20-Träger offensichtlich nicht einwandfrei und ausreichend tragfähig war, da dieser ansonsten nicht gebrochen wäre. Hinsichtlich Faktum 2 und 3 gibt die belangte Behörde an, dass diese Übertretungen aufgrund der Angaben in der Anzeige als zweifelsfrei erwiesen anzusehen sind, betreffend Faktum 4 und 5 führt die Erstbehörde aus, dass die geforderten Überprüfungen offensichtlich nicht stattfanden, da entsprechende Vermerke nicht vorgelegt werden konnten. Es konnte daher auch auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet Bauwesen – Statik verzichtet werden und konnte auch auf die Einvernahme der beantragten Zeugen verzichtet werden.

 

Zur verhängten Strafhöhe wird ausgeführt, dass von einem geschätzten monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 3.500 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten ausgegangen wird und die festgesetzten Geldstrafen im Hinblick auf den Umstand, dass es durch die im Spruch angeführten Verwaltungsübertretungen zu einem schweren Arbeitsunfall gekommen ist, tat- und schuldangemessen erscheinen.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Berufung vom 27. März 2012. Darin bringt der Bw vor, dass grundsätzlich im Unternehmen ausschließlich einwandfreie und ausreichend tragfähige H20-Träger verwendet werden. Bei dem gegenständlichen H20-Träger, der unter der Belastung des Körpergewichts des Arbeitnehmers nachgegeben hat, war im Zeitpunkt der Verwendung als Gerüstbestandteil weder eine Querschnittsschwächung, noch eine sichtbare Beschädigung erkennbar. Der Gerüstbauteil aus Holz war aus äußerlich gesundem und, soweit von außen beurteilbar, im erforderlichen Mindestquerschnitt nicht geschwächtem Holz und war eine über die optische Prüfung hinausgehende Untersuchung des Trägers vor dessen Einbau nicht erforderlich.

 

Zwar treffe zu, dass die Befestigung des Auslegers, der im konkreten Fall tragischerweise nachgegeben hat, so angeordnet wurde, dass sie die Kraglänge des Auslegers und auch das Maß von 1,5 m unterschritten haben, jedoch war der Ausleger, wie vom Gesetz gefordert, mit zwei Befestigungen mit einem tragenden Bauteil des Bauwerks verankert. Er war derart befestigt, dass er nicht kippen und sich auch nicht abheben oder verschieben konnte. Die Ausführung des Gerüsts wies im konkreten Fall eine wesentlich höhere Tragfähigkeit auf, als vom Gesetz gefordert. Das Gerüst und insbesondere die Träger wurden im Nachhinein von einem Zivilingenieur statisch untersucht und es wurde bestätigt, dass den Anforderungen des Gesetzes bei weitem Genüge getan wurde. Der gegenständliche Arbeitsunfall ist einzig und allein darauf zurück zu führen, dass der H20-Träger, der letztlich brach, in seiner Qualität nicht mehr ausreichend tragfähig war, was aber nicht erkennbar war.

 

Das gegenständliche Gerüst wurde von der x errichtet und nach dessen Errichtung vom Polier dieses Unternehmens, Herrn x, überprüft und für "in Ordnung" befunden. Es gab keine sichtbaren Schadstellen am H20-Träger. Im Zusammenhalt mit der nun vorliegenden statischen Berechnung ergab sich für den Polier kein Handlungsbedarf im Hinblick auf den im Einzelfall zu groß gewählten Abstand und die Anordnung der Befestigungen, weil eben die geringere Tiefe der Befestigung und die größeren Abstände durch die Verwendung von viel tragfähigeren H20-Trägern mehr als wettgemacht wurde.

 

Das Gerüst wurde nach der Aufstellung auch durch eine fachkundige Person des Gerüstbenützers überprüft. Es wurde von den Mitarbeitern der Firma x benützt. Da der Gerüsteaufsteller gleichzeitig auch Gerüstebenützer war, erübrigte sich eine weitere Überprüfung. Unabhängig davon handelt es sich bei dem Teil des Gerüsts, das einstürzte, um ein Schutzgerüst und nicht um ein Arbeitsgerüst, sodass es nicht zu einer "Benützung" im engeren Sinn gekommen ist. Der Arbeitnehmer betrat den eingestürzten Teil nur um aufzuräumen, andere Arbeiten wurden von diesem Teil des Gerüsts aus nicht ausgeführt.

 

Alle Mitarbeiter im Unternehmen erhielten vor Ort eine allgemeine Unterweisung über Gefahrenmomente und wurden über die Benützung der Gerüste belehrt, was von den Mitarbeitern mit ihrer Unterschrift bestätigt wurde. Dem Bw trifft kein schuldhaftes Verhalten. Das von ihm geführte Unternehmen ist SCC-zertifiziert und die verantwortlichen Mitarbeiter werden laufend geschult und zur Einhaltung der Dienstnehmervorschriften massiv angehalten. Zudem wird darauf hingewiesen, dass das gegenständliche Gerüst auch vom Baustellenkoordinator überprüft wurde und auch dieser am gegenständlichen Träger keine Beeinträchtigung der Qualität feststellen konnte. Grund des Arbeitsunfalls war einzig und allein der verwendete H20-Träger, der – für Außenstehende nicht erkennbar – nicht mehr die volle Tragfähigkeit aufwies. Allfällige andere Verstöße gegen Vorschriften, die die Aufstellung von Gerüsten regeln, waren für den Unfall nicht kausal und vor dem Hintergrund der errechneten Statik auch unwesentlich.

 

3. Mit Schreiben vom 30. März 2012 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 4. Mai und 13. Juni 2012. An dieser nahmen der Bw mit seinem Rechtsvertreter sowie ein Vertreter der am Verfahren beteiligten Organpartei teil. Als Zeugen wurde Herr x vom Arbeitsinspektorat Vöcklabruck, der für das gegenständliche Bauvorhaben zuständige Polier Herr x, der Bauleiter Herr x sowie der für das gegenständliche Bauvorhaben bestellte Baustellenkoordinator, Herr x, einvernommen. Die Einholung des vom Bw beantragten Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet Bauwesen – Statik konnte entfallen, da der Tatvorwurf zu Faktum 1 in der nunmehrigen Entscheidung nicht weiter aufrecht erhalten wird und daher eine Sachverhaltsfeststellung hinsichtlich der Frage, ob bzw. inwieweit allfällige Mängel des verwendeten H20 Trägers zum Unfallzeitpunkt erkennbar waren, nicht erforderlich ist. Das weitere Beweisvorbringen, wonach das gegenständliche Gerüst aus statischer und arbeitssicherheitstechnischer Sicht viel besser ausgelegt war als vom Gesetz gefordert, ist für die rechtliche Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes nicht maßgeblich, weshalb auch diesbezüglich die Einholung eines Sachverständigengutachtens als entbehrlich betrachtet werden kann.

 

4.1. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma x mit Sitz in x (in der Folge: Firma x).

 

Am 17. August 2009 brach bei einem Ausschussgerüst auf der Baustelle x in x der Firma x ein als Auflager für die Belagsplatten verwendeter H20-Schallungsträger, wodurch ein auf dem Gerüst tätiger Zimmererlehrling der Firma x in die Tiefe stürzte und schwer verletzt wurde. Ob Schadstellen am H20 Träger bei seiner Verwendung erkennbar waren, kann nicht festgestellt werden. Die Befestigung des Auslegers des Ausschussgerüstes bei dem ca. 1,30 m auskragenden Gerüst wurde nur 0,50 m von der Bauwerkskante angeordnet. Die Abstände der Ausleger des Ausschussgerüstes betrugen 2,08 m, 1,67 m, 1,87 m und 1,93 m.

 

Das Gerüst wurde ca. 6 Wochen vor dem Unfall von der Hochbauabteilung der Firma x errichtet, nachdem der Baustellenkoordinator ein Schutzgerüst für die bevorstehenden Zimmererarbeiten gefordert hatte. Der Polier der Bauabteilung, Herr x, der bereits seit rd. 33 Jahren im Bauwesen tätig ist, überprüfte das Gerüst nach Fertigstellung. Eine Überprüfung vor Benützung des Gerüstes auf offensichtliche Mängel durch die Zimmerer der Firma x fand nicht statt. Am 17. August 2009 stieg der Zimmererlehrling x der Firma x für Aufräumarbeiten vom 3. OG auf das Gerüst und stürzte ca. 9 m in die Tiefe.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und dem Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlung vom 4. Mai und 13. Juni 2012.

 

4.2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass es dem Unabhängigen Verwaltungssenat im gegenständlichen Verfahren nicht möglich war zweifelsfrei festzustellen, ob beim Einbau des gegenständlichen H20-Trägers erkennbar war, dass dieser Gerüstbauteil Mängel aufweist. Zwar ist aus den im Akt einliegenden Fotoaufnahmen ersichtlich, dass der gebrochene Träger zum Unfallzeitpunkt bereits im Inneren Verwitterungsspuren aufwies, was auf einen Riss im Holz hinweist, jedoch verbleiben Zweifel hinsichtlich der Frage, ob Schadstellen am Träger bei seiner Verwendung als Auflager für die Belagsplatten tatsächlich bereits von außen ersichtlich und erkennbar waren, was im Rahmen des den Bw treffenden Verschuldens am Zustandekommen der zu Faktum 1 zur Last gelegten Verwaltungsübertretung zu bewerten sein wird.

 

4.2.2. Der Umstand, dass die Befestigung des ca. 1,30 m auskragenden Auslegers nur 0,50 m von der Bauwerkskante angeordnet war, wurde ebenso wenig bestritten wie die Feststellung, dass die Abstände der Ausleger des Ausschussgerüstes länger als 1,50 m waren (Faktum 2 und 3).

 

4.2.3. Hinsichtlich der Überprüfung des gegenständliche Gerüstes nach seiner Fertigstellung konnte der Bw keine schriftlichen Nachweise erbringen. Die in der Berufungsverhandlung vorgelegte "Baustellen-Checkliste" betreffend das Bauvorhaben x der Firma x vom 14. Mai 2009 betraf offenbar noch das damalige Baugerüst, da nach Aussage des Poliers der Firma x das gegenständliche Gerüst für die Zimmererarbeiten erst rd. 6 Wochen vor dem Unfall errichtet wurde. Das dort davor befindliche Gerüst der Bauarbeiter war inzwischen entfernt worden und drängte der Baustellenkoordinator auf die Errichtung eines Schutzgerüstes für die Zimmerer. Auch die in der mündlichen Bauverhandlung vorgelegten "Zwischenfall-Meldungen" betreffen den Zeitpunkt 11. bzw. 26. Mai sowie 9. Juni 2009 geben keine nachweisliche Auskunft darüber, dass das gegenständliche, offenbar nach diesem Zeitpunkt für die Zimmerer errichtete Gerüst nach Fertigstellung überprüft wurde. Der für den Gerüstaufbau verantwortliche Zeuge x versicherte jedoch in der Berufungsverhandlung unter Wahrheitspflicht, dass von ihm eine fachkundige Überprüfung nach Fertigstellung durchgeführt wurde (Faktum 4). Diese Aussage konnte daher dem gegenständlichen Sachverhalt zu Grunde gelegt werden. Der Zeuge x bestätigte bei seiner Einvernahme aber auch, dass eine Überprüfung vor der darauffolgenden erstmaligen Benützung durch die Zimmerer nicht stattgefunden hat (Faktum 5).

 

Der als Zeuge einvernommene Baustellenkoordinator wiederum bestritt ausdrücklich, dass er bei seinen Baustellenbesichtigungen auch zur sicherheitstechnischen Ausführung des Gerüstes Stellung genommen hat.

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragenen Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortlich Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Seitens des Bw wurde nicht bestritten, dass er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma x für die Einhaltung der ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung trägt.

 

5.2. Gemäß § 55 Abs.2 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) dürfen für Gerüste nur einwandfreie, ausreichend tragfähige Gerüstbauteile verwendet werden. Gerüstbauteile aus Holz müssen aus gesundem, vollkommen entrindetem, im erforderlichen Mindestquerschnitt nicht geschwächtem Holz der entsprechenden Festigkeitsklasse bestehen. Gerüstbauteile aus Metall dürfen keine Mängel aufweisen, durch die ihre Festigkeit beeinträchtigt wird. Sie müssen einen entsprechenden Korrosionsschutz haben. Gerüstbauteile, einschließlich der Verankerungsmittel, Kupplungen, Natur-, Kunstfaser- und Drahtseile, Rüstdrähte, Ketten oder Schraubverbindungen, müssen vor schädigenden Einwirkungen, wie Fäulnis oder Rost, derart geschützt sein, dass ihre Festigkeit nicht beeinträchtigt wird.

 

Gemäß § 69 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) müssen Ausleger von Ausschussgerüsten (Auslegergerüsten) im Bauwerksinneren an tragfähigen Bauteilen derart befestigt sein, dass sie nicht kippen und sich weder abheben noch verschieben können. Eine Befestigung durch Verkeilen an der Wand oder der Decke ist unzulässig. Jeder Ausleger muss durch mindestens zwei Befestigungen mit dem Bauwerk verankert sein, wobei eine Befestigung in einem Abstand von der Bauwerkskante angeordnet sein muss, der der Kraglänge des Auslegers entspricht, mindestens jedoch 1,50 m beträgt. Bei Verankerung in Betondecken dürfen Ausleger erst belastet werden, wenn der Beton der Deckenkonstruktion ausreichend erhärtet ist.

 

Gemäß § 69 Abs.2 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) darf der waagrechte Abstand der Ausleger bei Verwendung als Arbeits- oder Fanggerüst maximal 1,5 m, bei Verwendung als Schutzdach maximal 3,0 m betragen.

 

Gemäß § 61 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) sind Gerüste nach ihrer Fertigstellung einer Überprüfung durch eine fachkundige Person des Gerüstaufstellers zu unterziehen.

 

Gemäß § 61 Abs.2 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) sind Gerüste vor ihrer erstmaligen Benützung von einer fachkundigen Person des Gerüstbenützers auf offensichtliche Mängel zu prüfen. Solche Prüfungen sind nach jeder längeren Arbeitsunterbrechung, nach Sturm, starkem Regen, Frost oder sonstigen Schlechtwetterperioden, bei Systemgerüsten mindestens einmal monatlich, bei sonstigen Gerüsten mindestens einmal wöchentlich, auf offensichtliche Mängel durchzuführen.

 

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwider handelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 erster Satz ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) gilt die Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl.Nr. 340/1994 (BauV) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

5.2.1. Wie sich herausstellte, wurde von dem vom Bw vertretenen Unternehmen bei der Baustelle x, am nordseitigen Ausschussgerüst ein nicht ausreichend tragfähiger H20-Schallungsträger verwendet, der beim Überschreiten der darauf gelagerten Belagsplatten durch einen Zimmererlehrling des Unternehmens brach.

 

Der objektive Sachverhalt der in § 55 Abs.2 BauV angeordneten und gemäß § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG unter Strafe gestellten Verwaltungsübertretung (Faktum 1) ist daher als erfüllt zu betrachten.

 

5.2.2. Vom Bw wurde nicht bestritten, dass die Befestigung des Auslegers des ca. 1,30 m auskragenden Ausschussgerüstes nur 0,50 m von der Bauwerkskante angeordnet wurde und die Abstände der Ausleger des Ausschussgerüstes zu groß gewählt wurden, womit der objektive Sachverhalt der in § 69 Abs.1 und 2 BauV festgelegten und gemäß § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG unter Strafe gestellte Verwaltungsübertretung als erfüllt zu werten ist (Faktum 2 und 3).

 

5.2.3. Wie im gegenständlichen Sachverhalt festgestellt, konnte der Bw im Berufungsverfahren glaubhaft machen, dass eine Überprüfung des gegenständlichen Gerüstes nach seiner Fertigstellung durch den fachkundigen Polier Herrn x erfolgte, weshalb der in § 61 Abs.1 BauV normierte und gemäß § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG unter Strafe gestellte objektive Tatbestand nicht erfüllt ist (Faktum 4).

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen. Hinsichtlich des in Faktum 4 dem Bw vorgeworfenen Tatverhaltens war daher das gegenständliche Straferkenntnis gemäß § 45 Abs.1 Z2 zu beheben.

 

5.2.4. Den Bauarbeiter der Firma x oblag die Aufstellung des gegenständlichen Gerüstes, das nach seiner Fertigstellung auch vom Polier überprüft wurde. Dieses sollte als Schutzgerüst für die Arbeiten der Zimmerer der Firma x dienen, wobei zugestanden wurde, dass das Gerüst zumindest zum Unfallszeitpunkt vom Zimmererlehrling betreten und für Aufräumarbeiten verwendet wurde. Eine Überprüfung des Gerüstes vor der erstmaligen Benützung durch die Zimmerer hatte jedoch nicht stattgefunden, weshalb der objektive Sachverhalt der in § 61 Abs.2 BauV normierten und gemäß § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG unter Strafe gestellten Verwaltungsübertretung als erfüllt zu werten ist.

 

6. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretungen stellen Ungehorsamsdelikte dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

Es ist daher zu prüfen, ob sich der Bw entsprechend sorgfältig verhalten hat, um glaubhaft machen zu können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft.

 

6.1. Diese Glaubhaftmachung ist dem Bw allerdings nur hinsichtlich des unter Pkt. 5.2.1. angeführten Tatvorwurfs der Verwendung eines nicht einwandfreien Gerüstbauteiles (Faktum 1) gelungen. Im Berufungsverfahren konnte nicht zweifelsfrei erwiesen werden, dass es dem Bw auch bei Einhaltung der ihn treffenden Sorgfaltspflicht möglich gewesen wäre, die Schadhaftigkeit des verwendeten H20-Trägers vor dessen Benützung zu erkennen. Der zu Faktum 1 im Spruch der belangten Behörde angeführte Tatvorwurf war mangels subjektiver Vorwerfbarkeit zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

6.2. Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbst verantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Bw nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Personen Vorsorge getroffen worden ist, wobei stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen eines wirksamen Kontrollsystems genügen (vgl. VwGH vom 13.12.1990, 90/09/0141, vom 23.5.2006, 2005/02/0248).

 

Auch im gegenständlichen Fall handelte es sich um sogenannte Ungehorsamsdelikte, da zum Tatbestand der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Im Fall eines Ungehorsamsdeliktes tritt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insofern eine Umkehr der Beweislast ein, als die Behörde lediglich die Beweislast hinsichtlich der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes trifft, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (VwGH vom 14. September 2001, Zl. 2000/02/0181).

 

Im gegenständlichen Verfahren konnte der Bw nicht darlegen, dass ihn an der Übertretung der im Spruch in den Faktum 2, 3 und 5 des gegenständlichen Straferkenntnisses angeführten Verwaltungsübertretungen kein Verschulden traf. Allein der Umstand, dass die vom Bw eingestandenen Verwaltungsübertretungen nicht zwingend für den schweren Arbeitsunfall des Arbeitnehmers ausschlaggebend waren, befreit ihn nicht von seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung für die objektiv vorliegenden Übertretungen, da im Sinn des § 5 Abs.1 VStG der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr bei Ungehorsamsdelikten nicht erforderlich ist. An der rechtlichen Bewertung dieses Tatverhaltens ändert daher auch ein – nach dem Unfall erhobener - positiver Statikbefund der Gerüstes nichts, vielmehr kann dies nur im Rahmen der Strafbemessung Berücksichtigung finden. Da vom Bw hinsichtlich dieser Fakten ein mangelndes Verschulden nicht dargelegt werden konnte, sind ihm daher die zu Faktum 2, 3 und 5 vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen.

 

7. Zur Strafbemessung wird Nachstehendes bemerkt:

 

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Nach § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs.1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs.2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.

 

Die Bestimmungen des ASchG bzw. der auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen haben den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer zum Ziel und sind daher entsprechende Verstöße mit einem besonderen Unrechtsgehalt der Tat behaftet, weil hiedurch genau jene Gefährdungen herbeigeführt werden, denen die genannten Bestimmungen entgegen wirken sollen.

 

Von der belangten Behörde wurden im angefochtenen Straferkenntnis über den Bw Geldstrafen von jeweils 1.000 Euro verhängt, wobei die belangte Behörde auf den schweren Arbeitsunfall hingewiesen hat. Als strafmildernd wurde die einschlägige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Bw gewertet.

 

Im gegenständlichen Berufungsverfahren stellte sich heraus, dass jene Verwaltungsübertretung, die zweifellos ursächlich für den schweren Arbeitsunfall gewesen ist, hinsichtlich des Verschuldens nicht ausreichend erwiesen werden konnte. Seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates erscheint es daher gerechtfertigt, hinsichtlich der verbleibenden Übertretungen deutlich niedrigere Strafen zu verhängen. Als Milderungsgrund ist neben der bereits von der Erstbehörde angeführten einschlägigen Unbescholtenheit auch die lange Dauer des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens zu werten. Diesbezüglich hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. Juni 2008, Zl. B304/07 ausgesprochen, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach der Rechtsprechung des EGMR nicht abstrakt, sondern im Lichte der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu beurteilen ist. Die besonderen Umstände des Einzelfalles ergeben sich aus dem Verhältnis und der Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Neben Faktoren, welche die Verfahrensdauer beeinflussen, nämlich die Schwierigkeit des Falles, das Verhalten des Beschwerdeführers und das Verhalten der staatlichen Behörden in dem bemängelten Verfahren, ist auch die Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer relevant (vgl. VfSlg. 17.307/2004; 17.582/2005, 17.644/2005). Nicht eine lange Verfahrensdauer schlechthin führt zu einer Verletzung, sondern nur eine Verzögerung, die auf Versäumnis der staatlichen Organe zurückzuführen ist. Der Rechtsprechung des EGMR ist daher keine fixe Obergrenze für die Angemessenheit der Verfahrensdauer zu entnehmen, ab deren Überschreitung jedenfalls eine Verletzung des Art.6 Abs.1 EMRK anzunehmen wäre (vgl. VfSlg. 16.385/2001 mH auf die Rechtsprechung des EGMR).

 

Im gegenständlichen Verfahren sind seit der Tatbegehung und der Erlassung des Erkenntnisses des Oö. Verwaltungssenates nahezu drei Jahre vergangen, sodass von keiner iSd Art.6 Abs.1 EMRK zu qualifizierenden noch gänzlich angemessenen Verfahrensdauer auszugehen war. Dieser Umstand war daher als Milderungsgrund iSd § 24 Abs.2 StGB bei der Strafbemessung entsprechend zu werten.

 

Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Unabhängigen Verwaltungssenates erscheint mit den nunmehr verhängten Strafhöhen eine ausreichende Sanktion gesetzt, um dem Bw die Unrechtmäßigkeit seines Verhaltens deutlich vor Augen zu führen und ihn künftig zu einem gesetzeskonformen Verhalten und einen höheren Sorgfaltsmaßstab hinsichtlich der Einhaltung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen anzuleiten. Eine Anwendung des § 20 VStG scheidet jedoch ebenso wie ein Vorgehen gemäß § 21 VStG aus, da die dafür erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen im gegenständlichen Fall nicht vorliegen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

8. Da die Berufung hinsichtlich der Fakten 1 und 4 Erfolg hatte, entfällt diesbezüglich die Verpflichtung zur Leistung von Kostenbeiträgen zum Verwaltungsstrafverfahren. Hinsichtlich der Fakten 2, 3 und 5 verringert sich der Kostenbeitrag für das Verfahren vor der belangten Behörde auf 10 % der nunmehr festgelegten Geldstrafen. Diesbezüglich entfällt gemäß § 65 VStG ebenfalls die Leistung eines Verfahrenskostenbeitrages zum Berufungsverfahren, da der Berufung zumindest teilweise, nämlich hinsichtlich der verhängten Strafhöhe, stattgegeben wurde.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

 

 

 

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