Linz, 19.09.2012
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, geb. X, X, X, vertreten durch die Rechtsanwälte X X X X, X, X, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Steyr (nunmehr Landespolizeidirektion Oö. – Polizeikommissariat Steyr), vom 03.09.2012, Zl.: FE 931-2012, nach der am 18.09.2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, als ein Entzug der Lenkberechtigung im Ausmaß von
einem Monat
ausgesprochen wird;
binnen drei Monaten hat der Berufungswerber ein sogenanntes Verkehrscoaching zu absolvieren.
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG, § 7 Abs.1 u. 3, § 24 Abs.3 und § 26 Abs.1 Führerscheingesetz – FSG, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 50/2012;
Entscheidungsgründe:
1. Die Bundespolizeidirektion Steyr hat mit dem obigen Bescheid dem Berufungswerber
Ø die Lenkberechtigung für die Klasse B für einen Zeitraum von sechs Monaten, gerechnet ab der vorläufiger Abnahme des Führerscheins - das war der 09.06.2012 – entzogen;
Ø als begleitende Maßnahme eine erfolgreich zu absolvierende Nachschulung bei einer hiezu ermächtigten Stelle, vor Ablauf der Entzugsdauer, angeordnet;
Ø ihn aufgefordert, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, einschließlich einer verkehrspsychologischen Stellungnahme, durchgeführt von einer hiezu ermächtigen Stelle, vor Ablauf des Zeitraumes der prognostizierten Verkehrsunzuverlässigkeit beizubringen;
Ø ihm ausdrücklich das Lenken eines Motorfahrrades, eines vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges sowie eines Invalidenkraftfahrzeuges für die Dauer des Entzuges der Lenkberechtigung, gerechnet ab der Verkündung des Bescheides verboten;
Ø ihm das Recht aberkannt von einem im Ausland ausgestellten Führerschein, umfassend alle Klassen, für die Dauer des ausgesprochenen Entzuges in Österreich Gebrauch zu machen und zuletzt;
Ø der Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt.
1.1. Gestützt wurde die Entscheidung auf § 3, § 7 iVm § 24 Abs.1 u. 3, § 25 Abs.1, § 26, §§ 27 bis 30 Abs.1 und § 32 FSG, sowie § 2 Führerscheingesetz-Nachschulungsverordnung, FSG-NV und § 64 Abs. 2AVG 1991.
1.2. Die Behörde erster Instanz führte begründend aus:
2.1. Dieses Vorbringen erweist sich im Ergebnis als zutreffend.
3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Berufungsverhandlung war mit dem die Vorfrage indizierenden Verwaltungsstrafverfahren betreffend die später erhobene Berufung gegen das die Vorfrage indizierende Straferkenntnis der Behörde erster Instanz v. 16.7.2012, AZ: VerkR96-3284-2012/Ah, h. GZ: VwSen-167180 in einer Berufungsverhandlung zu verbinden (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG).
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Verlesung der erstinstanzlichen Aktenlage zu beiden Verfahren. Eingeholt wurde ein Auszug aus dem Führerscheinregister. Die einschreitenden Polizeibeamten BezInsp X, GrInsp. X und RevInspin. X wurden als Zeugen einvernommen. Der an der Berufungsverhandlung persönlich teilnehmende Berufungswerber wurde als Verfahrenspartei gehört. Ebenfalls nahm eine Vertreterin der Behörde erster Instanz an der Berufungsverhandlung teil.
4. Sachverhaltslage:
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Berufungswerber am 9.6.2012 um 03:56 Uhr in X in der X, kurz nach der Inbetriebnahme seines Kraftfahrzeuges angehalten und vorerst zu einem Vortest der Atemluft aufgefordert wurde. Durch vier offenkundige Fehlbeatmungen kam dabei kein Ergebnis zu Stande, sodass er in der Folge ob der bestehenden Symptome einer Alkoholisierung zur Polizeiinspektion Stadtplatz zu einer Atemluftuntersuchung mittels Alkomat gebracht wurde. Auch dort kam es vorerst wieder zu einigen Fehlversuchen (zu kurze Blaszeit, zu geringes Luftvolumen) ehe der Berufungswerber nach eindringlicher Belehrung über die Folgen einer Verweigerung, schließlich um 04.18 Uhr und 04:20 Uhr ein Messepaar mit 0,53 u. 0,59 mg/l zustande brachte. Dieses wiederum war jedoch wegen der zu großen Probedifferenz auch nicht verwertbar, sodass schließlich vom Berufungswerber neuerlich die Beatmung des Atemluftmessgerätes eingefordert wurde.
Diese verweigerte er jedoch anschließend mit dem Hinweis bereits ein Ergebnis zustande gebracht zu haben, sodass es ihn jetzt nicht mehr interessieren würde.
Im Rahmen der Berufungsverhandlung blieb kein Zweifel daran offen, dass der Berufungswerber einerseits zu Recht zu einem Alkotest aufgefordert wurde und andererseits er nicht mehr bereit war das Atemluftmessgerät so lange zu beatmen bis ein gültiges (verwertbares) Ergebnis vorgelegen wäre.
Alle drei bei der Amtshandlung anwesenden Polizeibeamten schilderten den Verlauf der Amtshandlung in sich schlüssig, sodass letztlich an dem als Verweigerung zu wertenden Verlauf der Amtshandlung nicht zu zweifeln ist.
Der Berufungswerber bestreitet dies auch selbst nicht, vermeinte jedoch, dass ihm nach Vorliegen des Ergebnisses (zweier positiver Messergebnisse) gesagt worden wäre, es sei nun genug und er daher nicht gewillt wäre noch weiter zu beatmen, als er dazu nach vielleicht zwei Minuten wieder aufgefordert wurde.
Von der Zeugin X wurde diese vom Berufungswerber offenbar missverstandene Mitteilung dahingehend erklärt, dass dies auf den zuletzt durchgeführten Beatmungsvorgang bezogen war, der für sich gesehen ein Ergebnis erbrachte. Dabei sei dem Probanden gesagt worden er könne nun zum Blasen aufhören, weil ein Ergebnis bereits akustisch signalisiert war. Dies bezog sich lt. Zeugin X aber nicht auf die Atemluftmessung in ihrer Gesamtheit, sondern bloß auf den konkret getätigten Beatmungsvorgang.
Der Unabhängige Verwaltungssenat folgt daher den Angaben der Beamten, weil diese erst dann die Untersuchung beenden dürfen, wenn ein verwertbares, nämlich ein in einem Verwaltungs(straf)verfahren verwertbares Ergebnis vorliegt. Die Zeugenaussagen der Polizeibeamten waren in jeder Richtung überzeugend und lassen an der als Verweigerung zu wertenden Darstellung der Amtshandlung keinen Zweifel. Das Verhalten des Berufungswerbers führte letztlich dazu, dass ein Verwertbares Ergebnis nicht zu Stande gekommen ist.
Dennoch kann hier eine Alkoholisierung im Bereich von 0,8 bis 1,2 Promillen erwiesen gelten, jedoch dem Verwaltungsstrafverfahren eine Verweigerung zu Grunde liegt und nur dieser Tatbestand verwaltungsstrafrechtlich geahndet werden darf.
In weiterer Folge begab sich der Berufungswerber – offenbar im Wissen der Verweigerungsfolgen – in das Krankenhaus Steyr zwecks Bestimmung des Blutalkoholgehaltes. Laut vorliegendem Ambulanzbefund wurde dort um 05:15 Uhr ebenfalls eine Atemluftuntersuchung vorgenommen, welche ein Ergebnis von 0,9 Promillen (Anzeige des dort verwendeten Gerätes in Promillen). Von diesem Ergebnis wurde auch die Polizei in Steyr verständigt. Die ebenfalls bereits abgenommen gewesene Blutprobe wurde letztlich jedoch unter Hinweis auf die Übereinstimmung mit dem (wohl nicht verwertbaren) Ergebnis der Atemluftuntersuchung bei der Polizei, wohl aus Kostengründen dann nicht mehr ausgewertet.
Der Berufungswerber ist laut Aktenlage bislang im Straßenverkehr noch nie negativ in Erscheinung getreten.
Die Berufungsbehörde erblickt jedenfalls in diesen Ergebnissen keine sachliche Grundlage nicht dieses Ergebnis der Wertung im Sinne des § 7 Abs.3 FSG zu Grunde zu legen.
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
Gemäß § 7 Abs.1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
2. ich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
Als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 gilt gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG insbesondere, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen hat und hierbei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 StGB zu beurteilen ist.
Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei in den in Abs.3 Z14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen sind.
5.1. Gemäß § 26 Abs.1 FSG – Sonderfälle der Entziehung - ist beim erstmaliger Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 betreffend Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges, wenn es sich nicht um einen Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klasse C oder D handelt und zuvor keine andere der in § 7 Abs.3 Z1 und 2 genannten Übertretungen begangen wurde, die Lenkberechtigung für die Dauer von einem Monat zu entziehen. …..
Obwohl grundsätzlich bereits bei erstmaliger eines Deliktes § 99 Abs.1 StVO 1960 – darunter fällt auch eine Verweigerung der Atemluftuntersuchung - die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens sechs Monaten zu entziehen ist, bleibt es der Behörde nicht verwehrt, in schlüssiger Beweiswürdigung vom Zustandekommen einer gültigen Messung etwa dann auszugehen, wenn die gültigen Messungen nicht unmittelbar aufeinander folgen, sondern dazwischen etwa ungültige Messversuche liegen. Dies insbesondere dann wenn die Betriebsanleitung des Gerätes eingehalten wurde (vgl. VwGH 28.7.2010, 2009/02/0379).
Vom Vorliegen eines grundsätzlich beweistauglichen Ergebnisses ist auch hier auszugehen, zumal durch zwei unabhängige Messungen (Polizei u. Krankenhaus) ein Alkoholisierungsgrad zwischen 0,4 bis 0,6 mg/l erwiesen gilt.
Es wäre daher unsachlich den Berufungswerber wegen der formalen Verweigerung ein Ergebnis des höchsten Grades einer Alkoholbeeinträchtigung zu unterstellen (eine Beweisführung wird üblicher Weise durch eine Verweigerung verunmöglicht) und darauf stellt letztlich auch der spezifische Entzugstabestand ab.
Es ist jedoch ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass im Falle einer Verweigerung der Atemluftuntersuchung, ein danach erbrachter einwandfreier Nachweis, nicht – oder, wie hier, nur im geringerem Umfang - durch Alkohol beeinträchtigt gewesen zu sein, im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung erbracht wird, zu berücksichtigen ist.
Eine allein auf die formale Verweigerung der Atemluftuntersuchung gestützte Entziehung der Lenkberechtigung wäre im Fall einer erwiesenen geringergradigen Alkoholisierung rechtswidrig (vgl. VwGH v. 24.6.2003, 2003/11/0140 mit Hinweis auf VwGH 14.3.2000, 99/11/0075 und VwGH 99/11/0207, sowie VwGH 20.9.2001, Zl. 2001/11/0197).
Nicht nur in den hier vorliegenden - jedoch wegen der zu großen Probendifferenz nicht verwertbaren - Messergebnissen von 0,59 mg/l und 0,53 mg/l gründet bereits ein Beweis, dass keine zu einer sechsmonatigen Mindestentzugsdauer führende Wertungstatsache iSd § 26 Abs.2 Z1 FSG verwirklicht wurde, sondern darüber hinaus auch noch in der etwa eine Stunde später vorgenommen Messung des Krankenhauses mit umgerechnet 0,45 mg/l (so auch im h. Erk. v. 28.3.2012, VwSen-523103/7/Br/REI mit Hinweis auf obige Judikatur).
Dem hier vorliegenden Beweisergebnis zur Folge liegt vielmehr nur eine nach § 26 Abs.1 FSG und nach § 7 Abs.3 Z1 FSG zu qualifizierende Alkofahrt zu Grunde.
Daraus folgt mangels zusätzlicher Wertungsfaktoren lediglich ein Entzug der Lenkberechtigung von einem Monat.
Gemäß § 24 Abs.3 FSG hat die Behörde jedoch bei der erstmaligen Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 ein Verkehrscoaching zur Bewusstmachung der besonderen Gefahren des Lenkens von Kraftfahrzeugen unter Alkoholeinfluss und dessen Folgen anzuordnen. Hierfür ist eine angemessene Frist zu setzen.
Hinzuweisen ist an dieser Stelle, dass im Falle der Nichtbefolgung die Lenkberechtigung bis zur Befolgung dieser Anordnung zu entziehen wäre (§ 24 Abs.3 FSG letzter Satz).
Dem Berufungswerber ist daher der Führerschein mit dem Datum der Erlassung dieses Bescheides wieder auszufolgen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220,00 Euro zu entrichten.
Im gegenständlichen Verfahren ist eine Gebühr in Höhe von 14,30 Euro angefallen.
Dr. B l e i e r