Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101252/10/Fra/Ka

Linz, 22.12.1993

VwSen - 101252/10/Fra/Ka Linz, am 22. Dezember 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des J G, Hstraße, E vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. J H, Dr. M K, Dr. F H, Mstraße, L gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 24. März 1993, VerkR-96/608/1993/Hä, betreffend Übertretungen der StVO 1960, nach der am 12. Oktober 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

I.: Der Berufung wird gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben.

II.: Gemäß § 66 Abs.1 VStG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit mündlich verkündetem Straferkenntnis vom 24. März 1993, VerkR-96/608/1993/Hä, über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen nach der StVO 1960 Geldstrafen und im Nichteinbringungsfalle Ersatzfreiheitsstrafen verhängt, weil er am 27. Jänner 1993 gegen 21.00 Uhr aus Richtung S kommend in Fahrtrichtung K auf der B den PKW, Kennzeichen O, gelenkt hat, wobei er 1.) in die Ortschaft P, Gemeinde K zwischen Strkm und nicht so weit rechts fuhr, wie ihm dies ohne Beschädigung von Sachen zumutbar und möglich gewesen wäre, 2.) nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden nicht sofort anhielt und 3.) nicht an der Feststellung des Sachverhaltes mitwirkte, 4.) nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Gendarmerie- oder Polizeidienststelle oder den Straßenerhalter verständigte, obwohl bei dem Verkehrsunfall Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs beschädigt worden sind, 5.) sich in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befand und entgegen der von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Straßenaufsichtsorgan an ihn gerichteten Aufforderung um 3.20 Uhr in K, B, nächst dem Haus Hstraße Nr.eine Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt verweigerte. Der Beschuldigte wurde auch zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Strafverfahren in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht bei der Erstbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Verfahrensakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor. Dieser entscheidet, weil jeweils 10.000 S übersteigende Geldstrafen nicht verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied (§ 51c VStG).

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 12. Oktober 1993 erwogen:

I.3.1. Der Berufungswerber bestreitet die ihm zur Last gelegten Tatbestände und behauptet, daß alle ihm zur Last gelegten Vorwürfe unrichtig seien. Er habe bei der Verkündung des Straferkenntnisses diese Gründe im einzelnen nicht bekanntgegeben erhalten, weshalb er nicht feststellen konnte, daß diese Gründe auf einem unrichtigen Anzeigensachverhalt basieren. Von der Erstbehörde wurde ihm nur bedeutet, daß er aufgrund dieses Anzeigensachverhaltes schuldig sei und es der schnellste Weg sei, den Vorfall zu erledigen, ein Anerkenntnis im Strafverfahren abzugeben und im Führerscheinentzugsverfahren eine Vorstellung einzubringen. Es sei ihm dabei die Information gegeben worden, er könne ev. Bedenken gegen den Sachverhalt etc im Führerscheinentzugsverfahren vorbringen. Nachdem ihm angedeutet worden sei, daß er eine Strafe von rund 19.000 S zu zahlen habe, bei sofortigem Anerkenntnis die Strafe aber auf 13.500 S ermäßigt werden könnte, habe er sich zu einem Anerkenntnis herbeigelassen. Dies sei jedoch, wenn es auf Irreführung beruhe, unwirksam.

I.3.2. Unstrittig ist, daß der Berufungswerber ausdrücklich auf das Rechtsmittel der Berufung verzichtete und diesen Verzicht durch seine Unterschrift auf der Niederschrift der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 24. März 1993, VerkR-96/608/1993/Hä, dokumentierte.

Hiezu ist rechtlich auszuführen: Gemäß § 63 Abs.4 AVG (diese Bestimmung ist gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden) ist eine Berufung nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Berufung verzichtet hat. Sollte anläßlich der Unterzeichnung eines Berufungsverzichtes ein Willensmangel vorgelegen sein, so wäre dies zugunsten des Beschuldigten zu beachten (vgl ua VwGH vom 16.1.1991, Zl.89/01/0399). Zu prüfen ist daher, ob der vom Berufungswerber behauptete Irrtum vorliegt und zur Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichtes führen konnte. Vorerst ist festzustellen, daß in der Anzeige des Gendarmeriepostens K vom 29. Jänner 1993 tatsächlich - wie vom Berufungswerber erwähnt - einige Unklarheiten enthalten sind. Die Zeugenaussage des Sachbearbeiters der Erstbehörde, Al H-A vor dem O.ö. Verwaltungssenat hat nun ergeben, daß der Beschuldigte schon Bedenken gegen den Sachverhalt äußerte, und zwar insofern, als er auf Unklarheiten, unter dem in Abschnitt "Darstellung der Tat" hingewiesen hat. Der Zeuge konnte sich bei dieser Einvernahme nicht mehr erinnern, ob er in dieser Anzeige Fehler gesehen habe. Dazu befragt, ob er dem Beschuldigten gesagt habe, daß einiges in der Anzeige nicht stimme, der Beschuldigte jedoch diese Fakten anerkennen und die Bedenken im Führerscheinentzugsverfahren vorbringen solle, gab der Zeuge an, sich nicht mehr erinnern zu können. Soweit er sich erinnern konnte, habe er jedoch dem Beschuldigten gesagt, wenn er einen Rechtsmittelverzicht unterschreibt, sei die Sache rechtlich abgeschlossen. Dazu befragt, ob der Beschuldigte die Unterschriften nacheinander geleistet hat, oder ob dazwischen die Rechtsbelehrung erfolgt ist, gab der Zeuge an, daß ihm das fremd vorkomme. Im Hinblick auf diese Vorgangsweise ist es nicht auszuschließen und wird im Zweifel für den Beschuldigten angenommen, daß der abgegebene Rechtsmittelverzicht unwirksam war. Dies insbesondere im Hinblick auf den Umstand, daß aufgrund der Ungereimtheiten in der Anzeige das Schuldbekenntnis, wie es im Formular der Niederschrift formuliert ist, zu relativieren ist. In diesem Formular heißt es:"Ich gebe zu, die in der Anzeige angelasteten Verwaltungsübertretungen begangen zu haben und bekenne mich schuldig." Aufgrund der Lebenserfahrung kann davon ausgegangen werden, daß, wenn einer Person die Angaben in der Anzeige tatsächlich unschlüssig vorkommen, diese diesbezüglich kein Schuldbekenntnis ablegt. Dazu kommt, daß die Unterschriftsleistung im konkreten Fall zeitlich nicht gestafelt wurde.

Die Berufung ist daher zulässig.

I.3.4. Gemäß § 58 Abs.2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird. Die Behörde hat in der Begründung die Gedankenvorgänge und Eindrücke darzustellen, die dafür maßgebend waren, warum sie einen Sachverhalt für wahr oder unwahr gehalten hat.

Fehlt einem Bescheid jegliche Begründung, so hindert dies die Berufungsbehörde, die inhaltliche Rechtmäßigkeit dieses Bescheides zu überprüfen, weil nicht bekannt ist, von welchem Sachverhalt die Erstbehörde ausgegangen ist. Im konkreten Fall kann nicht mehr beurteilt werden, ob die Erstbehörde den vom Beschuldigten aufgezeigten Ungereimtheiten in der Anzeige nachgegangen ist. Es kann dem Akt nicht entnommen werden, daß ein entsprechendes Ermittlungsverfahren durchgeführt wurde. Wie bereits oben erwähnt, ist das Geständnis des Beschuldigten unter den aufgezeigten Gesichtspunkten zur relativieren. Der Bescheid wurde - weil die Erstbehörde irrtümlich von der Rechtswirksamkeit des Berufungsverzichtes ausgegangen ist - entgegen der Vorschrift des § 58 Abs.2 AVG nicht begründet. Dies bedeutet im Ergebnis, daß der unabhängige Verwaltungssenat zur Gänze das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren nachzuholen hätte. Eine derartige Vorgangsweise würde der aufgrund des B-VG und aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgegebenen Aufgabenstellung und Funktion des unabhängigen Verwaltungssenates als eine Einrichtung der Rechtmäßigkeitskontrolle und ein Garant des fairen Verfahrens widersprechen. Es ist nicht Aufgabe des unabhängigen Verwaltungssenates, ein nicht stattgefundenes Ermittlungsverfahren der Strafbehörde zur Gänze zu substituieren, weil damit der Beschuldigte als Partei de facto einer Instanz Verluste gehen würde, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war. Diese Entscheidung hat die Wirkung einer Einstellung, (vgl VwGH vom 4.9.1992, 92/18/0353/3).

I.4. Darüber hinaus wird folgendes bemerkt:

Soweit die Anzeige auch eine materiell-rechtliche Prüfung des vorliegenden Sachverhaltes erlaubt, ist folgendes festzustellen:

Zum Faktum 1 (§ 7 Abs.1 StVO 1960):

In der Angabe "daß der Beschuldigte nicht so weit rechts fuhr, wie ihm dies möglich und zumutbar gewesen wäre" liegt nicht die nach § 44a VStG notwendige Bezeichnung der als erwiesen angenommenen Tat, sondern bereits ihre rechtliche Würdigung (vgl.VwGH 9.4.1980, 2697/79). Da keine rechtzeitige taugliche Verfolgungshandlung vorliegt, wäre dieses Faktum nach § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen gewesen.

Zu den Fakten 2, 3 und 4:

Der Vorwurf des "nicht sofortigen Anhaltens" ist durch die Aktenlage nicht gedeckt. Das Fahrzeug des Beschuldigten überschlug sich und kam am Dach liegend zum Stillstand.

Zum Vorwurf der "Nichtmitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes" ist festzustellen, daß mit der im Ladungsbescheid als auch im angefochtenen Schuldspruch getroffenen Umschreibung im Sinne des § 44a VStG das Auslangen nicht gefunden werden kann. Dem Spruch muß zu entnehmen sein, durch welche konkrete Tathandlung (oder Unterlassung) es der Beschuldigte unterlassen hat, "an der Feststellung des Sachverhaltes dadurch konkret mitzuwirken, daß ein Sicherheitswacheorgan in die Lage versetzt worden wäre, ohne weitere Erhebungen Anzeige zu erstatten" (vgl VwGH 12.4.1985, 85/18/0205).

Zum Vorwurf der Unterlassung der Meldung des Verkehrsunfalles ohne unnötigen Aufschub ist festzustellen, daß der Beschuldigte laut Anzeige nach dem Unfall dem Gendarmerieposten T den Unfall per Notruf von zu Hause angezeigt hat. Der rechtliche Schluß einer Übertretung im Sinne des § 31 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.e StVO 1960 ist somit aufgrund der Anzeige nicht zwingend und hätte einer eingehenden Beweiswürdigung basierend auf entsprechenden Ermittlungsergebnissen bedurft.

Zum Faktum 4 (§ 5 Abs.2 iVm § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960):

Die Erstbehörde wirft laut Ladungsbescheid sowie laut angefochtenem Straferkenntnis dem Beschuldigten vor, den Alkotest um 3.20 Uhr des Tattages verweigert zu haben. Die Annahme dieser Tatzeit stützt sich offenbar auf Seite 2 der Anzeige des Gendarmeriepostens K vom 29. Jänner 1993. Demgegenüber ist auf Seite 3 dieser Anzeige angeführt, daß der Beschuldigte um 2.20 Uhr des Tattages den Alkotest verweigert hat. Eine ausreichende schlüssige Grundlage, welche die Annahme der Tatzeit 3.20 Uhr zwingend nahelegt, wäre somit aufgrund der Anzeige nicht gegeben gewesen.

Es ist daher zusammenfassend festzustellen, daß, falls der O.ö. Verwaltungssenat sämtliche erforderlichen Beweismittel in einem de facto erstinstanzlich durchzuführenden Verfahren nachgeholt hätte, mit an ziemlicher Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch nach materiell-rechtlicher Prüfung der einzelnen Tatbestände inhaltlich ein gleichlautendes Ergebnis zustandegekommen wäre.

zu II. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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