Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730664/3/SR/MZ/JO

Linz, 01.10.2012

                                                                                                                                                        

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, unbekannten Aufenthalts, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 16. August 2012, Zahl: 1-1026626/FP/12, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt eines auf die Dauer von zehn Jahren befristeten Einreiseverbots, zu Recht erkannt:

 

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 52 f iVm § 61 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2012/87

§ 66 Abs. 4 iVm § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 16. August 2012, Zahl: 1-1026626/FP/12, zugestellt am 21. August 2012, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf der Grundlage der §§ 52 Abs. 1 und 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (im Folgenden: FPG) in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Bescheiderlassung festgelegt.

 

Die Erstbehörde hat im angefochtenen Bescheid Folgendes ausgeführt:

 

Gemäß § 2 Abs. 4 Zi. 1 FPG sind Sie Fremder, da Sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen.

 

Gemäß § 52 Abs. 1 FPG ist gegen einen Fremden mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Der rechtmäßige Aufenthalt richtet sich nach den Bestimmungen des § 31 FPG.

 

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG ist mit der Rückkehrentscheidung zwingend ein Einreiseverbot zu verbinden. Das Einreiseverbot bedeutet, dass Sie für den festgesetzten Zeitraum nicht in den Schengenraum einreisen oder sich dort aufhalten dürfen.

 

Die Dauer des erlassenen Einreiseverbots beträgt mindestens 18 Monate und richtet sich nach ihrem bisherigen Verhalten (§ 53 Abs. 2 FPG).

 

Die Dauer des erlassenen Einreiseverbotes entspricht jenem Zeitraum, innerhalb dessen ein allfälliger positiver Gesinnungswandel Ihrer Einstellung zu den österreichischen Rechtsvorschriften erwartet werden kann.

 

Bei der Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist auf § 61 Abs. 1 FPG Bedacht zu nehmen. Gemäß § 61 FPG ist für den Fall, dass die Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingreifen würde, ein solches zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Artikel 8 Abs. 2 der EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß Artikel 8 Abs. 2 der EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und des Briefverkehrs nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Gemäß § 61 FPG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK auf Umständen beruht, die Ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches oder unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 61 Abs 2 FPG wurden bei der Beurteilung im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war; das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens; die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; der Grad der Integration; die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden; die strafrechtliche Unbescholtenheit; Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren; sowie die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist, berücksichtigt.

 

Dazu wird festgestellt:

Sie wurden am 16.08.2011 um 01:05 Uhr festgenommen und am 17.08.2011 in die Justizanstalt Linz eingeliefert.

 

Mit Urteil des LG Linz, GZ: 26 Hv 157/11z-23 vom 29.09.2011, r.k. mit 04.10.201115, wurden Sie wegen Verbrechens/Vergehens nach §§ 15, 127, 129 Z. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. Es wurde auf 2 Verurteilungen Bedacht genommen, weil sie wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlung ergangen sind. Vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht mit dem am 10.01.2007 gefällten Urteil des LG für Strafsachen Wien, 162 Hv 148/06g, r.k. 16.01.2007, und mit dem am 30.09.2008 gefassten Beschluss des LG Linz, 20 BE 647/08f, wurde abgesehen. Die bereits bestimmte Probezeit wurde auf insgesamt 5 Jahre verlängert.

 

Dem Schuldspruch zufolge haben Sie am 16.08.2011 in N im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten X Verfügungsberechtigte des Lokals „X" Bargeld in unbekanntem Wert durch Einbruch mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich oder einen Dritten durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Sie ein Fenster des Lokales mit zwei Schraubendrehern aufzwängten und ins Innere des Lokales einstiegen, wobei Sie von Beamten der PI X auf frischer Tat betreten wurden.

 

Am 13.04.2012 wurden Sie aus der Strafhaft bedingt entlassen.

Am 25.06.2012 wurden Sie von der Fremdenpolizei wegen der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot einvernommen.

Es wurde festgehalten, dass Sie am 02.08.2011 bei der Fremdenpolizei zuletzt einvernommen worden waren, um Ihre Aufenthaltsgrundlage zu prüfen. Es wurde damals vereinbart, auf den Akt der BH Kirchdorf zu warten, um über eine eventuelle Unzulässigkeit der Ausweisung zu entscheiden. Bereits am 16.08.2011, also 14 Tage nach diesem Gespräch, wurden Sie - wie oben angeführt - wieder festgenommen und am 29.09.2011 verurteilt.

Sie gaben an, dass Sie eine Einstellungszusage einer Elektrofirma hätten, falls Sie einen Aufenthaltstitel mit Arbeitsbewilligung erlangen können. Sie leben bei Ihrer Mutter und Ihrem Bruder und würden von der Mutter finanziell unterstützt.

 

Am 24.07.2012 wurde Ihnen eine Aufforderung zur Stellungnahme betreffend der Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot an Ihre Meldeadresse X (X) übermittelt.

Am 08.08.2012 langte eine Stellungnahme mit folgendem Inhalt, verfasst von Ihrer Bewährungshilfe, mit zusammengefasst folgendem Inhalt ein: Sie seien mit 2 Jahren nach Österreich eingereist und halten sich seit insgesamt 16 Jahren legal in Österreich auf (1991-1997 und 2002 bis dato).

Die vorangegangenen Delikte wären von Ihnen als Jugendlicher begangen worden. Sie hätten eine Elektroinstallationstechnikerlehre begonnen und aufgrund einer Nichtverlängerung Ihrer Niederlassungsbewilligung sei diese Möglichkeit zunichte gemacht worden.

Die gegenständliche Deliktsetzung sei wiederum in einer scheinbar ausweglosen Zeit erfolgt. Die angeordnete Bewährungshilfe würden Sie zuverlässig und aus eigenem Antrieb in Anspruch nehmen und Sie seien bemüht, Ihre Situation zu stabilisieren.

Sie könnten als Elektrikerhelfer arbeiten und in weiterer Folge die Lehre zum Elektriker außerordentlich abschließen.

Sie hätten keine Gewaltdelikte gesetzt und erscheinen in Ihrer Verantwortung gereift, sodass aus Sozialarbeiter/scher Sicht von Ihnen keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgehen würde.

Sämtliche Familienangehörige, zu denen eine Bindung besteht, würden in Österreich leben. Sie verfügen über ausgezeichnete Sprachkenntnisse, führen eine Beziehung zu einer Österreicherin, seien in Österreich hoch integriert und hätten keinerlei Bindungen zum Heimatstaat.

Auch der VwGH hätte mit Erkenntnis vom 12.04.2011 Ihren Aufenthalts als verfestigt angesehen und müsste Ihrer Meinung nach die Niederlassungsbewilligung wieder aufgelebt sein. Ihrer Meinung nach sei die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes unzulässig.

 

Zur Überprüfung der Zulässigkeit einer aufenthaltsbeenden Maßnahme wurde der Hausakt gesichtet und es wurde folgender Werdegang in Österreich festgestellt:

 

Sie wurden erstmals am 31.05.1991 im Bundesgebiet unter der Adresse X, angemeldet. Am 16.04.1997 wurden Sie mit dem Vermerk: „verzogen nach Bosnien" abgemeldet.

Laut ZMR wurden Sie am 24.06.2002 in X angemeldet. Ihr Aufenthalt in der Heimat betrug demnach mehr als fünf Jahre. Ihre Meldungen werden von Obdachlosenmeldungen unterbrochen und scheinen für die Zeit vom 27.06.2011 bis 27.07.2011 und 18.05.2012 bis 04.06.2012 keine Meldungen auf. Seit 04.06.2012 sind Sie OBDACHLOS gemeldet.

Am 20.08.2006 wurden Sie erstmals in die Justizanstalt X eingeliefert. Am 23.08.2006 fand eine niederschriftliche Einvernahme wegen der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bei der BPD Wien statt, wo Sie angaben, dass Ihre Eltern und Ihr Bruder in X leben. Sie hätten 2 Jahre Volksschule in Österreich besucht und weitere 2 Jahre Volksschule sowie drei Jahre Hauptschule in Bosnien besucht. Die 4. Klasse Hauptschule hätten Sie wieder in Österreich besucht. Vor Ihrer Verhaftung hätten Sie die 1. Klasse Handelsakademie in Wien besucht.

Mit Urteil des LG für Strafsachen Wien 162 HV 148/2006G vom 10.01.2007, r.k, 16.01.2007, wurden Sie wegen Verbrechens/Vergehens nach §§ 127, 128/2, 146, 147 Abs. 1/1, 147/3, 129/1 und 2, 229/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 15 Monate bedingt, verurteilt.

Zum damaligen Zeitpunkt scheinen im Versicherungsdatenauszug folgende Daten auf: 27.07.2004 bis 20.08.2004 Arbeiterlehrling

30.01.2007 bis 12.02.2007 Arbeiter

13.02.2007 bis 16.02.2007 Arbeiter

 

Am 20.03.2007 wurde von der BPD Wien ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. In der Begründung wird angeführt, dass Sie im Mai 1991 gemeinsam mit Ihrer Mutter im Zuge der Familienzusammenführung nach Österreich kamen, da ihr Vater bereits seit 1990 einer Arbeit in OÖ. nachging. Vom 31.05.1991 bis 16.04.1997 waren Sie gemeinsam mit der Familie in X aufrecht gemeldet und wohnhaft. In dieser Zeit wurde Ihr Bruder, X, geboren (X) und Sie besuchten den Kindergarten und zwei Jahre Volksschule in X. Ende April 1997 reisten Sie mit Ihrer Mutter und Ihrem Bruder nach Bosnien und wohnten dort in der Gemeinde X. Sie besuchten wieder 2 Jahre Volksschule und drei Jahre Hauptschule. Als 13-jähriger reisten Sie im Juni 2001 wieder nach Österreich zu Ihrem Vater ein und lebten dann an der Adresse in X gemeinsam mit Ihrem Vater, Die Scheidung Ihrer Eltern lief bereits. Sie besuchten die 4. Klasse Hautschule und den Polytechnischen Lehrgang, den Sie jedoch abgebrochen haben. Im Schuljahr 2005/2006 besuchten Sie die Handelsschule. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gingen Sie keiner Beschäftigung nach. Sie lebten mit Ihrem Vater getrennt von der Mutter und dem Bruder, die in X lebten. Ihre Mutter verfügte über eine Niederlassungsbewilligung. Intensive Beziehungen zu Mutter, Bruder und drei von Ihnen in X lebenden Onkeln, bestanden laut Ansicht der BPD Wien nicht. Ihr legaler Aufenthalt begründete sich erst am 13.10.2003.

Eine Berufung gegen den Bescheid (Aufenthaltsverbot) der BPD Wien vom 12.04.2007 wurde am 16.04.2007 der Sicherheitsdirektion Wien vorgelegt.

Mit Bescheid vom 25.09.2007 der SID Wien wurde der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Am 28.09.2007 wurde ihnen eine Aufforderung zur Ausreise übermittelt.

Da Sie mittlerweile nach X übersiedelt waren und noch nicht ausgereist waren, wurden Sie von der BH Kirchdorf für den 11.10.2007 vorgeladen. Sie meldeten sich telefonisch am 16.10.2007 und gaben an, in X zu sein und freiwillig ausreisen zu wollen. Da Sie sich am 17.10.2007 nach Linz abgemeldet hatten, wurde am 23.10.2007 von der BPD Linz das gelindere Mittel verhängt Sie sollten sich täglich bei der PI X melden. Laut einem Aktenvermerk des SPK Linz vom 15.11.2007 konnten Sie lediglich telefonisch erreicht werden und Sie gaben an, sich den Brief nicht zu holen, da Sie von der Polizei gesucht werden.

 

Zum damaligen Zeitpunkt scheinen folgende weitere Versicherungszeiten auf:

19.03.2007 bis 02.04.2007 Arbeiter

04.04.2007 bis 05.06.2007 Arbeiter

06.06.2007 bis 20.06.2007 Arbeiter

21.06.2007 bis 12.10.2007 Arbeiter

15.10.2007 bis 09.11.2007 Arbeiter

13.11.2007 bis 09.12.2007 Arbeiter

10.12.2007 bis 11.12.2007 Arbeiter.

 

Am 13.12.2007 wurde ein neuer Bescheid bezüglich der Verhängung des gelinderen Mittels erlassen und an Ihren Rechtsvertreter X übermittelt.

Vom 18.12.2007 bis 06.01.2008 meldeten Sie sich täglich in der PI X.

Die BPD Linz buchte eine bewachte Abschiebung in Ihre Heimat für den 10.01.2008.

 

Am 08.01.2008 wurden Sie wegen des Verdachtes auf Einbruchdiebstahl festgenommen und am 10.01.2008 in die JA X überstellt. Die Abschiebung konnte demnach nicht stattfinden. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 08.01.2008 wurde einer Beschwerde wegen der Erlassung des o.a. Aufenthaltsverbotes die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Sie wurden der Staatsanwaltschaft Steyr wegen des Verdachtes auf gewerbsmäßigen Diebstahl und Diebstahles im Rahmen einer kriminellen Vereinigung im Zeitraum von November 2007 bis 06.01.2008 zur Anzeige gebracht.

 

Mit Urteil des LG Steyr, GZ: 499 010 Hv 23/08t vom 10.07.2008, r.k. mit 15.07.2008 wurden Sie wegen Verbrechens/Vergehens nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1, 130 vierter Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Da die Beschwerde über die Verhängung des Aufenthaltsverbotes durch die BPD Wien noch beim VwGH anhängig war, wurde von der zuständigen Behörde, der BPD Steyr, die Strafkarte an die SID Wien übermittelt. Am 08.10.2008 wurden Sie bedingt aus der Strafhaft entlassen. Zu diesem Zeitpunkt war die VwGH Beschwerde noch offen.

 

Zu Ihren Aufenthaltsbewilligungen ist anzuführen, dass Sie einen bis 09.10.2010 gültigen Aufenthaltstitel der Steiermärkischen Landesregierung hatten. Am 25.02.2010 wurde vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung dieser Aufenthaltstitel widerrufen, da ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestand.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12.04.2011 wurde der angefochtene Bescheid aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof war damals in seinen Erwägungen von nur einer rechtskräftigen Verurteilung, nämlich der Verurteilung des LG für Strafsachen Wien 162 HV 148/2006G vom 10.01.2007, r.k. 16.01.2007, wegen Verbrechens/Vergehens nach §§ 127, 128/2, 146, 147 Abs. 1/1, 147/3, 129/1 und 2, 229/1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 15 Monate bedingt, ausgegangen.

Aufgrund dieses Erkenntnisses erließ die SID Wien am 29.04.2011 einen Berufungsbescheid, in dem der angefochtene Bescheid behoben wurde und die Angelegenheit an die Behörde erster Instanz, die BPD Wien, zurückverwiesen wurde. Im Akt und auch im Fremdeninformationssystem scheint keine weitere Vorgehensweise der BPD Wien auf.

 

Aufgrund Ihrer Anmeldung in X am 27.07.2011 wurden Sie für den 02.08.2011 zur Behörde vorgeladen. Sie wurden zu Ihrer Aufenthaltsgrundlage einvernommen und gaben an, dass Ihre Eltern seit 2001 geschieden seien und dass Ihre Mutter in X und Ihr Vater in X leben. Die Mutter sei erst 2004 wieder nach Österreich zurückgekehrt, nachdem Sie bereits 2002 zum Vater zogen. Sie seien aufgrund der Schwierigkeiten mit der Stiefmutter öfters im Heim gewesen. Sie hätten immer wieder gearbeitet und hätten erst im Oktober 2010 erfahren, dass Sie keine aktuelle Arbeitsbewilligung hätten. Sie hatten den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 20.09.2010 am 07.02.2011 beim Magistrat Wels zurückgezogen und deshalb konnte kein Aufenthaltstitel mehr erteilt werden.

Sie lebten damals von Unterstützungen Ihrer Mutter; der Vater unterstützte Sie nicht.

Sie gaben weiters an, dass in Bosnien noch Ihre Großeltern, 6 Tanten und 2 Onkel leben. In Österreich leben außer Ihrer Familie noch 3 Onkel - zu zweien hätten Sie Kontakt.

Damals wurde auf das Eintreffen des bereits angeforderten Aktes der BH Kirchdorf gewartet, um über eine eventuelle Unzulässigkeit einer Ausweisung zu entscheiden.

 

Ihre berufliche Integration wurde überprüft und festgestellt, dass Sie von 09.10.2008 bis 28.02.2011 (Ausdruck vom 02.08.2011) mit Unterbrechungen versichert waren und dass Sie im Zeitraum von knapp drei Jahren nur 337 Tage gearbeitet haben und die restliche Zeit von Arbeitslosen- und Notstandsunterstützung gelebt haben.

Man kann demnach nicht von einer gelungenen beruflichen Integration ausgehen. Auch eine anlässlich der Einvernahme vom 27.07.2011 von Ihnen beizubringende Einstellungszusage konnten Sie der Behörde nicht vorlegen.

Obwohl eine Entscheidung der Fremdenpolizei Wels abzuwarten war, verhielten Sie sich nicht wohl und wurden am 16.08.2011, also zwei Wochen nach der Einvernahme bei der Fremdenpolizei Wels, wieder straffällig und verurteilt- wie eingangs beschrieben.

Am 13.04.2012 wurden Sie aus der Strafhaft entlassen und baten die ho. Behörde um eine letzte Chance und um eine Feststellung der Unzulässigkeit einer Ausweisung.

Die Behörde kann Ihren Angaben in der Stellungnahme und anlässlich Ihrer Niederschriften, sich wohlverhalten zu wollen, nicht mehr folgen. Anlässlich eines neuerlichen Versicherungsdatenauszuges von heute wurde zudem festgestellt, dass Sie von

03.05.2012 bis 25.05.2012

22.06.2012 bis 30.06.2012 und

01.07.2012 bis 25.07.2012 als Arbeiter angemeldet waren, obwohl Sie wussten, dass Sie keine Arbeitsbewilligung haben. Dieser Umstand wird an die Finanzpolizei zur Überprüfung übermittelt und stellt einen weiteren Grund für die Verhängung einer Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot dar.

Aufgrund Ihrer Zurückziehung des Antrages beim Magistrat Wels am 07.02.2011 sind Sie nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels und somit nicht im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung.

Auch scheint Sie eine Anstellung als Arbeiter nicht davon abgehalten zu haben, strafbare Handlungen zu begehen, (siehe 2. Verurteilung LG Steyr Straftaten seit 08.12.2007 und damals noch als Arbeiter beschäftigt).

Zu Ihren familiären Verhältnissen wird festgestellt, dass Sie angeben, von Ihrer Mutter unterstützt zu werden. Eine Anmeldung an der Wohnanschrift der Mutter fand dennoch nicht statt, ansonsten wären Sie nicht als Obdachloser gemeldet sind.

Auch erscheint dadurch Ihre Bindung zu zweien Ihrer Onkel nicht nachvollziehbar.

In Ihrer Heimat leben noch die Großeltern und weitere Verwandte und ist es Ihnen daher zuzumuten, dort wieder Fuß zu fassen.

Als einziges Integrationsmerkmal muss man Ihnen zugestehen, dass Sie die deutsche Sprache gut beherrschen, wodurch allerdings keine „hohe Integration", wie Sie sie in Ihrer Stellungnahme anführen, begründet wird.

 

Die geradezu beharrliche Begehung von Straftaten trotz Ihrer Verurteilungen lässt auf Ihre völlig uneinsichtige Haltung schließen und stellt ein besonders starkes Indiz der Beeinträchtigung öffentlicher Interessen dar.

 

Nach Abwägung der angeführten Umstände ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt, dass unter Berücksichtigung von Art.8 EMRK Ihre Rückkehrentscheidung zulässig ist.

 

Bei der Entscheidungsfindung wurde sowohl auf die Dauer Ihres Aufenthaltes und Ihrer Integration als auch auf Ihre familiären und sonstigen Bindungen zum Bundesgebiet bedacht genommen. Die öffentlichen Interessen an der Erlassung der gegenständlichen Rückkehrentscheidung und die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung dieser Rückkehrentscheidung wiegen jedoch unverhältnismäßig schwerer als die Auswirkungen auf Ihre Lebenssituation, was bereits eingangs ausführlich beschrieben wurde.

 

Überdies besteht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Fremdenwesens ein eminent hohes öffentliches Interesse.

 

Mit Durchsetzbarkeit dieses Bescheides sind Sie verpflichtet aus dem Schengenraum in ihr Herkunftsland oder einen anderen Drittstaat auszureisen. Gemäß § 55 FPG ist dazu in dieser Entscheidung über eine Frist für die freiwillige Ausreise zu entscheiden.

 

Gemäß § 55 Abs 2 FPG wird eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt.

 

Wenn sie nicht freiwillig ausreisen, werden sie abgeschoben werden und können später die Verkürzung ihres Einreiseverbots nicht beantragen. Die Rückkehrentscheidung wird spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar. Sie haben dann unverzüglich bzw. nach Ablauf einer allenfalls zuerkannten Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 FPG auszureisen.

 

2. Gegen den Bescheid der belangten Behörde, dem Bw im Wege des Vereins X Oberösterreich (X) zugestellt am 21. August 2012, erhob der Bw mit Telefax vom 31. August 2012 rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.

 

Einleitend stellt der Bw die Anträge, die Berufungsbehörde möge

 

 

1.                 den angefochtenen Bescheid zur Gänze ersatzlos beheben und damit die gegen mich erlassene Rückkehrentscheidung und das auf 10 Jahre befristete Einreiseverbot aufheben;

 

2.                 in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückverweisen;

 

3.                in eventu die Befristung des Einreiseverbotes von 10 Jahren herabsetzen.

 

 

 

Das Rechtsmittel begründend führt der Bw wie folgt aus:

 

 

Zunächst verweise ich auf die Ausführungen meiner Stellungnahme hin. Bei richtiger rechtlicher Würdigung hätte eine Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot nicht erlassen werden dürfen. Es ist richtig, dass ich wiederholt strafgerichtlich verurteilt worden bin. Allerdings bedauere ich mein Fehlverhalten zutiefst. Die Delikte habe ich in einer mir sehr schwierigen und ausweglosen Zeit begangen. Aufgrund meines Aufenthaltsstatus konnte ich keine Beschäftigung aufnehmen, um mir meinen Lebensunterhalt zu sichern. Zu der Zeit sah ich einfach keinen anderen Ausweg und beging in meiner Leichtsinnigkeit und Hilfslosigkeit die Delikte. Ich bin einsichtig und würde keinesfalls mehr gegen gesetzliche Bestimmungen in Österreich verstoßen.

 

An dieser Stelle möchte ich aber auch darauf hinweisen, dass - wie die Behörde festgestellt hat -mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12.04.2011 der Bescheid mit dem das Aufenthaltsverbot im Jahr 2007 verhängt wurde, aufgehoben wurde. Die Angelegenheit wurde an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen, allerdings unterblieben weitere Vorgehensweisen der BPD. Aufgrund dieser Geschehnisse war nun auch meine Aufenthaltsgrundlage unklar. Keiner konnte mir nun konkret sagen, welchen Status ich inne hatte noch wie es nun weitergehen sollte.

 

Meiner Meinung nach kann mir diese unklare rechtliche Situation nicht vorgeworfen werden.

 

Es stimmt auch nicht, dass ich am 07.02.2011 beim Magistrat Wels den Antrag auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückgezogen habe.

 

 

 

Ich bin bemüht meine Situation zu stabilisieren und habe ich auch nach meiner Entlassung aus der Strafhaft die Behörde gebeten, die Unzulässigkeit der Ausweisung festzustellen, um für Klarheit zu sorgen, meinen Status endgültig zu definieren und mir eine Möglichkeit auf ein normales, legales Leben zu ermöglichen.

 

 

 

Zu meiner privaten Situation möchte ich angeben, dass ich bereits seit 2 Jahren mit X eine Beziehung führe und zu meinem Bruder X ein sehr gutes Verhältnis habe. Auch habe ich mir einen weiten Freundeskreis aufgebaut. Auf ein soziales Netzwerk in Bosnien kann ich hingegen nicht zurückgreifen.

 

 

 

Ich bin fest entschlossen, mein Leben zu ändern. Es wurde mir auch ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt, sodass Gewähr geleistet ist, dass ich keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde.

 

 

 

Ich ersuche die Rechtsmittelbehörde aus den genannten Gründen, mir eine zweite Chance zu geben und antragsgemäß zu entscheiden

 

3.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vor.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem sowie durch Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister.

 

Ein Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde weder vom Bw noch von der belangten Behörde gestellt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte vor allem aber deshalb abgesehen werden, als sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

Zudem wird angemerkt, dass vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich die seine Integration betreffenden Vorbringen des Bw in keinster Art und Weise relativiert werden bzw. diesen volle Glaubwürdigkeit zugemessen wird. Der Bw könnte daher durch die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, durch welche seine Angaben bestenfalls bestätigt werden könnten, nicht besser gestellt werden als ohne die Abhaltung einer solchen.

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1. dieses Erkenntnisses dargestellten und vom Bw im Wesentlichen nicht bestrittenen Sachverhalt aus.

 

Hinsichtlich des Verlängerungsantrages im NAG-Verfahren geht der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nach Kontaktaufnahme mit dem Magistrat der Stadt Wels als zuständige NAG-Behörde von einer erfolgten Zurückziehung aus (siehe Aktenvermerk vom 1. Oktober 2012).

 

Weiters wird festgehalten, dass der Bw seit 27. September 2012 nicht mehr amtlich gemeldet ist. Eine Nachfrage bei seinem bisherigen Unterkunftgeber, dem Verein X, vermochte zur Klärung des Aufenthaltes des Bw nichts beizutragen (siehe Aktenvermerk vom 1. Oktober 2012).

 

3.4. Der Oö. Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 112/2011, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

4.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst zwar vom Bw selbst bestritten, dass er als Drittstaatsangehöriger unrechtmäßig aufhältig ist. Dies deshalb, weil er im Berufungsantrag vorbringt, den von ihm gestellten Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels vom 20. September 2010 nicht zurückgezogen zu haben. Käme diesem Vorbringen Berechtigung zu, würde dies bedeuten, dass der Antrag nach wie vor offen und der Bw daher vorerst rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig ist.

 

Aufgrund der Kontaktaufnahme mit der zuständigen Bearbeiterin des Magistrats Wels als im Falle des Bw örtlich und sachlich zuständige NAG-Behörde ist entgegen dem Vorbringen des Bw von einer erfolgten Zurückziehung des Verlängerungsantrages durch diesen auszugehen (siehe Aktenvermerk vom 1. Oktober 2012). Diese hat zur Folge, dass der Bw sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung erscheint daher vor dem Wortlaut des § 52 Abs. 1 FPG prima vista zulässig.

 

Es gilt jedoch bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung dem Grunde nach, auf Art. 8 EMRK sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen.

 

4.2.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

4.2.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

4.3.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und eine Rückkehrentscheidung grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

4.3.2. Zur Aufenthaltsdauer des Bw im Bundesgebiet ist zunächst festzuhalten, dass diese – zumindest bis 27. September 2012 – seit dem Jahr 2002 (mit Ausnahme von Lücken für wenige Tage) durchgehend gegeben ist. In diesem Zeitraum befand sich der Bw für etwa 14 Monate in Strafhaft. Der Aufenthalt war bis zur Zurückziehung des Antrages auf Verlängerung des Aufenthaltstitels überwiegend rechtmäßig.

 

4.3.3. Weiters hat das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens in die Beurteilung einzufließen.

 

Der Bw führt seit zwei Jahren eine Beziehung mit X und hat ein sehr gutes Verhältnis zum ebenfalls im Bundesgebiet aufhältigen Bruder. Er wird – nach seinen Angaben vor der ersten Instanz, welche hier nicht angezweifelt werden – von seiner Mutter unterstützt und pflegt einen guten Kontakt mit zwei im Inland lebenden Onkeln.

 

Der Bw ist jedoch unverheiratet und kinderlos. Laut Auszug aus dem Zentralen Melderegister war der Bw bis 27. September 2012 als Obdachlos gemeldet, seither ist er amtlich nicht gemeldet. Eine Lebensgemeinschaft an einem gemeinsamen Wohnsitz mit X ist daher ebenso wie ein durch einen gemeinsamen Wohnsitz gekennzeichnetes Familienleben mit der Kernfamilie nicht gegeben.

 

Von einem tatsächlich bestehenden Familienleben des Bw in Österreich kann daher allenfalls in sehr geringem Maße ausgegangen werden.

 

4.3.4. Einen wesentlichen Punkt bei der vorzunehmenden Rechtsgüterabwägung stellt die Schutzwürdigkeit des Privatlebens dar. Wie sich unter anderem aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0348, ergibt, kann unter gewissen Umständen das Privatleben eines Bw alleine eine positive Gesamtbeurteilung nach sich ziehen. Dem Höchstgericht zufolge hat der dem § 61 Abs. 2 FPG (neu) vergleichbare § 66 Abs. 2 FPG (alt) schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre und ein solcherart begründetes privates bzw familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte.

 

Im Sinne dieser Ausführungen geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ab einer Aufenthaltsdauer von etwa zehn Jahren das persönliche Interesse eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht erlangt, dass eine Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG – auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl etwa VwGH 20.1.2011, 2010/22/0158).

 

Im konkreten Fall ist der Bw zwar seit dem Jahr 2002 im Bundesgebiet aufhältig und die dargestellte höchstgerichtliche Rechtsprechung gelangt damit prima vista zur Anwendung.

 

Im vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall hat der Beschwerdeführer jedoch nahezu durchgehend eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt. Der Bw hingegen hat – wie im bekämpften Bescheid detailliert dargestellt – überwiegend nicht am Arbeitsleben teilgenommen.

Darüber hinaus ist – mangels gegenteiliger Hinweise im zitierten höchstgerichtlichen Erkenntnis – davon auszugehen, dass im verwaltungsgerichtlich entschiedenen – und damit entgegen dem hier zu beurteilenden – Fall eine strafrechtliche Bescholtenheit des Beschwerdeführers nicht vorlag.

 

4.3.5. Merkmale für eine weitere soziale Integration des Bw in Österreich sind im Verfahren kaum hervorgekommen. Der Bw kann lediglich gute Kenntnisse der deutschen Sprache ins Treffen führen. Jedoch vermag er eine entsprechende Beteiligung am gesellschaftlichen Leben (Vereinszugehörigkeit oä.), die Ausübung einer besonders der Integration dienenden (länger andauernden) erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit oä. nicht nachzuweisen. Gegen die soziale Integration des Bw sprechen hingegen insbesondere die von ihm wiederholt begangenen strafbaren Handlungen.

 

Bei einer Gesamtbetrachtung gelangt man daher zum Ergebnis, dass eine tiefgehende Integration des Bw ins Gesellschaftsgefüge der Republik Österreich nicht gegeben ist.

 

4.3.6. Festzustellen ist weiters, dass der heute 23-jährige Bw einen guten Teil seines Lebens in seinem Herkunftsstaat verbracht hat. Er hat dort einige Jahre die Schule besucht, wurde dementsprechend dort sozialisiert und beherrscht die Landessprache. Zudem leben nach wie vor Verwandte im Heimatland.

 

Bindungen an den Herkunftsstaat sind daher zu bejahen.

 

4.3.7. Unstrittig ist eine strafgerichtliche Unbescholtenheit aufgrund der in Punkt 1. dargestellten rechtskräftigen Verurteilungen nicht gegeben.

 

4.3.8. Ein Verstoß des Bw gegen die öffentliche Ordnung kam im Verfahren, abgesehen von dem bislang nicht weiter behördlich verfolgten illegalen Aufenthalt, nicht hervor.

 

4.3.9. Vor dem Hintergrund der in den Punkten 4.3.1. bis 4.3.8. getroffenen Feststellungen ist zusammenfassend hinsichtlich des Eingriffs in den geschützten Bereich des Privat- und Familienlebens des Bw festzuhalten, dass sich eine Eingriffsunzulässigkeit dem Grunde nach nicht ergibt.

 

Der Bw wurde mit Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 10. Jänner 2007 wegen Einbruchdiebstahl, schwerem Betrug sowie Urkundenunterdrückung zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, drei Monate davon unbedingt, verurteilt. Trotz dieser Verurteilung ließ sich der Bw nicht davon abhalten, weiterhin strafrechtlich in Erscheinung zu treten. Mit Urteil des LG Steyr vom 10. Juli 2008 erfolgte schon nach etwa eineinhalb Jahren die nächste Verurteilung wegen Einbruchsdiebstahls, diesmal im Rahmen einer kriminellen Vereinigung, zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von 18 Monaten. Auch die neuerliche Verurteilung sowie das mittlerweile erlittene Haftübel brachten den Bw nicht dazu, sich in Hinkunft rechtskonform zu verhalten. Wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt erfolgte mit Urteil des LG Linz vom 29. September 2011 eine Verurteilung wegen versuchten Einbruchsdiebstahls.

 

Der Bw hat durch sein Verhalten nachhaltig zu erkennen gegeben, das äußerst schützenswerte Rechtsgut "Eigentum" nicht zu achten. Zwar mag dem Bw durch seinen relativ langen Aufenthalt im Inland ein nicht gänzlich untergeordnetes Maß an Integration bzw. aufgrund der dargelegten schwachen familiären Bindungen ein gewisses Interesse am Weiterverbleib im Bundesgebiet zuzubilligen sein. Die allenfalls vorhandene soziale Integration ist jedoch schon dadurch zu relativieren, als wesentliche Integrationsmerkmale wie die längerfristige Ausübung einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit, Engagement in Vereinen oä, fehlen. Wesentlich für eine Gesamtabwägung zulasten des Bw ist jedoch vor allem, dass er durch die von ihm mit beachtlicher krimineller Energie verwirklichten strafrechtlichen Delikte unter Beweis gestellt hat, von einer Integration in die Rechts- und Gesellschaftsordnung des Gastlandes weit entfernt zu sein. Darüber hinaus scheint eine Reintegration im Heimatland des Bw, in welchem er einen guten Teil seines Lebens verbracht hat, keineswegs unzumutbar. Die im Inland lebenden Verwandten sind zudem nicht gehindert, den Bw im Heimatland zu besuchen. Darüber hinaus erscheint die Aufrechterhaltung des Kontaktes mit modernen Kommunikationsmitteln (Skype uä.) durchaus zumutbar.

 

Insgesamt ist also der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang vor den privaten Interessen des Bw gegeben werden muss. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist daher dem Grunde nach zulässig und der Bw kann sich nicht durchschlagend auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.

 

4.4.1. Abschließend gilt es nunmehr, die Dauer des mit der Rückkehrentscheidung unter einem zu erlassenden Einreiseverbotes (vgl. § 53 Abs. 1 FPG) zu prüfen.

 

Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre zu erlassen. Gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren zu erlassen, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

 

4.4.2. Der dem Drittstaat Bosnien-Herzegowina Angehörige Bw wurde, wie unter Punkt 1. dargestellt, mit Urteil des LG Linz vom 29. September 2011 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. Hinzu kommen die Vorverurteilungen durch das LG für Strafsachen Wien zu Freiheitsstrafen von 18 Monaten, 15 Monate davon bedingt, bzw. durch das LG Steyr von 18 Monaten unbedingt.

 

 

Es erweist sich für die weitere rechtliche Beurteilung daher § 53 Abs. 3 Z 1 FPG als einschlägig. Vor diesem Hintergrund beträgt die maximale Dauer des zu erlassenden Einreiseverbots zehn Jahre. Zumindest hat das Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 2 FPG 18 Monate zu betragen.

 

Bei der konkreten Bemessung der Dauer des über den Bw zu erlassenden Einreiseverbots im genannten Zeitrahmen ist wiederum das bisherige Verhalten des Bw miteinzubeziehen und zu berücksichtigen, ob dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

4.4.3. Die Verhinderung von Straftaten gegen die höchsten Güter unserer Gesellschaft zählt unbestritten zum Grundinteresse der Gesellschaft, auf dem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit basiert.

 

Aufgrund der beharrlichen Missachtung der Strafrechtsordnung durch den Bw geht der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit der belangten Behörde davon aus, dass hier die vom Gesetzgeber vorgegebene Maximaldauer auszuschöpfen ist. Der Bw hat mehrfach in massiver Art und Weise zu erkennen gegeben, sich nicht an die im Gastland geltenden Normen halten zu wollen. Dies auch, obwohl ihm durch das bereits gegen ihn geführte Aufenthaltsverbotsverfahren bewusst sein musste, dass weitere Zuwiderhandlungen gegen die Rechtsordnung unweigerlich zu fremdenpolizeilichen Maßnahmen führen mussten. Es kann der belangten Behörde somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie die angefochtene Rückkehrentscheidung bzw. das damit einhergehende Einreiseverbot auf die Dauer von zehn Jahren befristet hat.

 

4.5. Bezüglich der Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen kann auf den diese als "Normalfrist" vorsehenden § 55 Abs. 2 FPG verwiesen werden.

 

4.6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

4.7. Auf eine Übersetzung in eine andere Sprache (vgl. § 59 Abs. 1 FPG) konnte aufgrund der geltend gemachten sehr guten Deutschkenntnisse abgesehen werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabegebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 


 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

Beschlagwortung:

Rückkehrentscheidung, Einbruch, §§ 52f, 61 FPG

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VfGH vom 12. Dezember 2012, Zl.: B 1407/12-3

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 19. März 2013, Zl.: 2012/21/0264-6 

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