Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101258/4/Bi/Fb

Linz, 27.07.1993

VwSen - 101258/4/Bi/Fb Linz, am 27. Juli 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des G B, vertreten durch RA Dr. E A, vom 5. April 1993 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 23. März 1993, VerkR96/16789/1991, zu Recht:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 1.500 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 36 Stunden herabgesetzt wird. Im Spruch des Straferkenntnisses hat die Wortfolge "um 80 km/h" zu entfallen.

II. Der Kostenersatz für das erstinstanzliche Verfahren ermäßigt sich auf 150 S. Ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51, 44a Z1 und 19 VStG, § 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960. zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.: 1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit Straferkenntnis vom 23. März 1993, VerkR96/16789/1991, über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 6.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 132 Stunden verhängt, weil er am 9. September 1991 gegen 19.03 Uhr das Motorrad auf der S Bezirksstraße von R kommend in Richtung S gelenkt hat, wobei er etwa bei km 8,8 die für Freilandstraßen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 80 km/h überschritten hat. Gleichzeitig wurde ihm ein Kostenersatz zum erstinstanzlichen Verfahren von 600 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber rechtzeitig Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ausgelöst, der, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war nicht erforderlich, weil der vom Rechtsmittelwerber geschilderte Sachverhalt als gegeben angenommen wird, sich die Berufung sohin nur gegen die Höhe der Strafe richtet und eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde (§ 51e Abs.2 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, im Straferkenntnis werde nur die Aussage des Meldungslegers und der beiden anderen Gendarmeriebeamten wiederholt, jedoch werde seine Aussage, wonach er eine Geschwindigkeitsüberschreitung von lediglich 40 km/h begangen habe, ohne hinreichende Begründung abgetan. Entgegen dem von der Behörde angenommenen Sachverhalt habe er zum damaligen Zeitpunkt sein Motorrad mit einer Geschwindigkeit von 140 km/h gelenkt, wobei er sich im Bereich des Strkm 8,8 bei der Kreuzung der S Bezirksstraße mit der Zufahrt nach Aurach einer Personengruppe genähert habe, die sich einige Meter innerhalb der Wiese und nicht am Fahrbahnrand befunden habe. Eine Person aus dieser Gruppe sei zum Fahrbahnrand hingegangen und habe ein Handzeichen gegeben, wobei es für ihn nicht erkennbar gewesen sei, daß es sich bei dieser Person um einen Gendarmeriebeamten handelte, da dieser lediglich mit einer grauen Hose und einem hellen Hemd bekleidet war. Erst im Vorbeifahren habe er gesehen, daß sich bei den am Straßenrand geparkten Fahrzeugen auch ein Gendarmeriefahrzeug befand, und er habe dann seine Geschwindigkeit kontinuierlich verringert, sein Fahrzeug gewendet und sei zurückgefahren. Die von den Meldungslegern angegebenen Entfernungen (Handzeichen und Anhalteweg) seien nicht richtig. Er habe dem Meldungsleger auf seine Frage, wie schnell er denn gefahren sei, geantwortet, er sei mit 140 km/h gefahren, wobei dieser eine Organstrafe von 500 S einkassieren wollte. Da er jedoch kein Bargeld bei sich gehabt habe, habe der Beamte erklärt, daß die Sache nunmehr über die Bezirkshauptmannschaft gehen müsse. Die Beamten Sonnleitner und Froschauer seien während der Amtshandlung in der Wiese gestanden und hätten sich weiter unterhalten, sodaß sie überhaupt keine Angaben machen könnten. Die Schätzung der Geschwindigkeit aufgrund des langen Anhalteweges sei keine taugliche Grundlage, weil er nach dem Passieren des Meldungslegers Englbrecht nicht sofort eine Bremsung eingeleitet habe, sondern das Motorrad erst später verlangsamte. Seine Darstellung, er sei mit einer Geschwindigkeit von 140 km/h unterwegs gewesen, sei weder aus technischer Sicht noch aufgrund der Beweisergebnisse zu widerlegen. Der Tatvorwurf einer Geschwindigkeit von 180 km/h entbehre jeder Grundlage. Aus diesem Grund sei die über ihn verhängte Verwaltungsstrafe von 6.000 S bei weitem überhöht, und er beantrage, unter Zugrundelegung einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 40 km/h eine Geldstrafe von höchstens 1.500 S über ihn zu verhängen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie durch Einholung eines Gutachtens des verkehrstechnischen Amtssachverständigen Ing. S H. Dieser führt im wesentlichen aus, für das Schätzen der Fahrgeschwindigkeit sei eine Reihe von Komponenten erforderlich. So genüge es nicht, wenn sich das Fahrzeug, dessen Geschwindigkeit geschätzt werden soll, lediglich nähert, es müsse vorbeifahren. Außerdem müsse sich aus den Aussagen des Meldungslegers ergeben, daß bereits Vergleichsschätzungen durchgeführt wurden. Im gegenständlichen Fall seien die Voraussetzungen für das Schätzen von Fahrgeschwindigkeiten nicht vollkommen erfüllt, sodaß die technische Nachvollziehbarkeit des Tatvorwurfs des Einhaltens einer Fahrgeschwindigkeit von 180 km/h bis 200 km/h (wie vom Meldungsleger in der Anzeige angeführt) nicht gegeben sei.

Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, daß im gegenständlichen Fall - unter Zugrundelegung der Ausführungen im technischen Gutachten - eine Geschwindigkeitsschätzung schon deshalb nicht möglich war, weil sich aus dem Verfahrensakt ergibt, daß der Melungsleger die Annahme der Geschwindigkeit mit 180 km/h bis 200 km/h auf das "Aufdrehen" nach jedem Schaltvorgang und das Aufheulen des Motors stützt, sowie auf den über 300 m betragenden Anhalteweg - der Beschuldigte hätte das Anhaltezeichen aus einer Entfernung von ca. 150 m von ihrem Standort bekommen und habe erst mindestens 150 m nach ihrem Standort angehalten. Der Schilderung des Sachverhalts durch den Rechtsmittelwerber, die durchaus den Erfahrungen des täglichen Lebens entspricht, ist nichts entgegenzusetzen, wobei er seine Verantwortung, er sei 140 km/h gefahren, von der Anhaltung an während des gesamten Verfahrens vor der Erstinstanz und auch im Rechtsmittelvorbringen in keiner Weise abgeändert hat. Die von ihm angegebene Geschwindigkeit von 140 km/h wird daher der Berufungsentscheidung zugrundegelegt. Da das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht Tatbestandsmerkmal des § 20 Abs.2 StVO 1960 ist, war der Spruch des Straferkenntnisses entsprechend den Bestimmungen des § 44a Z1 VStG abzuändern.

Hinsichtlich der Strafbemessung ist auszuführen, daß der Rechtsmittelwerber keinerlei Vormerkungen aufweist, sodaß von seiner verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit auszugehen und diese als Milderungsgrund zu werten ist. Schon aus diesem Grund war die verhängte Strafe herabzusetzen, wobei sich aus dem Verfahrensakt keine erschwerenden Umstände ergeben (andere Verkehrsteilnehmer waren offensichtlich nicht betroffen). Die nunmehr verhängte Strafe entspricht nicht nur dem Berufungsantrag sondern auch dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung, wobei die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Rechtsmittelwerbers berücksichtigt wurden (14.000 S netto monatlich, keine Sorgepflichten, Vermögen: Rohbau). Beim vorgegebenen Strafrahmen (§ 99 Abs.3 StVO 1960 sieht Geldstrafen bis 10.000 S (zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe) vor), entspricht die nunmehr in dieser Höhe verhängte Strafe auch general- sowie vor allem spezialpräventiven Überlegungen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Kostenausspruch ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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