Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252926/9/Lg/Ba

Linz, 26.09.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder über die Berufung des A A, H, , gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Urfahr-Umgebung vom 22. Juni 2011, Zl. SV96-3-2011-Bd/Ga, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) zu Recht erkannt:

 

 

I.         Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Strafer­kenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.        Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I: §§ 24, 45 Abs.1 Z 1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.  Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe von 730 Euro bzw. eine Ersatzfrei­heitsstrafen von 112 Stunden verhängt, weil ihm Folgendes vorgeworfen wurde:

 

"Sie haben als Verantwortlicher der Firma A Werbeservice GesmbH in H, R, zu verantworten, dass die genannte Firma als Dienstgeber nachstehende Person, bei welcher es sich um eine in der Krankenversicherung (vollversicherte) pflichtversicherte Person handelt, in wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit gegen Entgelt am 15.11.2010 um 14:41 Uhr beschäftigt hat, obwohl diese nicht vor Arbeitsantritt bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse zur Pflichtversicherung als vollversicherte Person angemeldet wurde.

Die genannte Firma wäre als Dienstgeber verpflichtet gewesen, den/die Beschäftigte(n) vor Arbeitsantritt anzumelden und würde die Meldung nicht erstattet.    

 

Name: J J geb. X

Arbeitsantritt: 02.11:2010 07:00

Beschäftigungsort: B127, KM14.0, Höhe Waldinger Kreuzung, 4111 Walding Tatort: Gemeinde Walding, Walding, B127, KM14,0, Höhe Waldinger Kreuzung. Tatzeit: 15.11.2010, 14:41 Uhr.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 111 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 33 Abs.1 Allgemeines Sozialver­sicherungsgesetz (ASVG)"

 

Begründend führt das angefochtene Straferkenntnis aus:

 

"Der Sachverhalt und das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten ist sowohl auf Grund der bei der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung eingegangenen Anzeige des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr als auch der Aktenlage erwiesen.

 

Schuldhaft handelt, wer fahrlässig, grobfahrlässig oder vorsätzlich eine Verwaltungsübertretung gemäß § 33 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz begeht. Diese Verwaltungsübertretung ist mit einer Geldstrafe von 730,00 Euro bis 2.180,00 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 2.180,00 Euro bis 5.000,00 Euro zu bestrafen.

 

Von der Behörde wird Fahrlässigkeit angenommen. Sie hätten bei sorgfältiger Überlegung die Rechtswidrigkeit Ihres Handelns erkennen müssen.

 

Die genannte Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar; es war daher an Ihnen gelegen, Ihre Schuldlosigkeit glaubhaft zu machen.

 

Im Zuge Ihrer Rechtfertigung gaben Sie an, dass Herr J in der Slowakei im Besitz einer Gewerbeberechtigung sei. Aufgrund dieser Tätigkeit unterliege er der Pflichtversicherung in der Slowakei. Das entsprechende Formular E 101 als Nachweis der Pflichtversicherung in der Slowakei wurde jedoch nicht im vorhinein ausgestellt, sondern von Herrn J jetzt rückwirkend ab Tätigkeitsbeginn in Österreich beantragt. Herr J war nicht durchgehend bei Ihnen beschäftigt, sondern erhielt - je nach Auftragslage - für einzelne Projekte einen Auftrag, welchen er dann nach Stunden abrechnete.

 

Da die Ausstellung des Formulars E 101 in der Slowakei ca. 1 Monat dauere, wurde von der Gebietskrankenkasse eine entsprechende Fristverlängerung zur Anmeldung bei der Sozialversicherung gewährt. Sobald das Formular vorliege, werde die Gebietskrankenkasse lt. Auskunft das Verfahren ohne weitere Prüfung einstellen.

 

Ihre Stellungnahme wurde dem Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr übermittelt, in welchen auf den Strafantrag verwiesen wurde.

 

Vorweg ist festzustellen, dass die Ihnen vorgeworfene Verwaltungsübertretung sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen ist.

 

Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem angeführten Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtver­sicherte Person (Vollversicherte oder Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Kranken­versicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensions­versicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

 

Der Dienstgeber kann gemäß § 33 Abs.1 ASVG die Anmeldeverpflichtung so erfüllen, dass er in zwei Schritten meldet, und zwar

 

  1. vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummer, die Namen und Versicherungsnummern bzw. die Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben Anmeldung) und
  2. die noch fehlenden Angaben innerhalb von sieben Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung (vollständige Anmeldung).

 

2) Abs. 1 gilt für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit.a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach dem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

Entgegen den Bestimmungen des § 111 Abs. 1 ASVG handelt, wer als Dienstgeber, der für die Erfüllung der Meldepflicht keinen Bevollmächtigten bestellt hat (§ 35 Abs. 1 und 3 ASVG), einen Dienstnehmer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 (und 4) ASVG gegen Entgelt (§ 49 ASVG) beschäftigt hat, der in der Krankenversicherung pflichtversichert, nämlich

 

a)      vollversichert (§ 4 Abs. 1 ASVG) oder

b)      (insbesondere infolge des Nichterreichens der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG) zumindest teilversichert (vgl. § 7 Z. 1 und § 8 Abs. 1 Z. 1 ASVG) und nicht gemäß § 5 ASVG von der Versicherungspflicht ausgenommen ist und hierüber entweder eine Meldung oder eine Anzeige - entweder in einem oder in zwei Schritten (§ 33 Abs. 1a ASVG) - entweder

c)      nicht erstattet oder

d)      falsch erstattet oder

e)      nicht rechtzeitig erstattet hat (vgl. § 33 Abs. 1 ASVG).

 

Es ist somit der Tatbestand der Ihnen angelasteten Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht erfüllt.

 

Hinsichtlich Ihrer Aussage, dass das E 101 Formular innerhalb eines Monates nachgereicht werde, wird mitgeteilt, dass nach Rücksprache mit der OÖ. Gebietskrankenkasse am 5.4.2011 dieses Formular von Ihnen noch nicht vorgelegt wurde.

Nach einem neuerlichen Gespräch am 3.6.2011 wurde von der OÖ. Gebietskrankenkasse wiederum mitgeteilt, dass das E 101 Formular immer noch fehle.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.

Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verhaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Bei dieser Übertretung handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs.1 VStG. Bei dieser Verwaltungsübertretung wird von Gesetzes wegen vermutet, dass der Täter fahrlässig gehandelt hat. Der Täter hat aber die Möglichkeit, diese Vermutung zu widerlegen. Dazu muss er glaubhaft machen, dass er schuldlos gehandelt hat. Dies ist Ihnen nicht gelungen. Die Behörde geht daher von Fahrlässigkeit aus.

 

Sie haben im Zuge des Verfahrens keine Gründe genannt, die Sie von der Ihnen vorgeworfenen Übertretung entlasten hätten können.

 

Ein Schuldausschließungsgrund oder sonstige Entlastungsgründe konnten nicht gefunden werden. Mildernd wurde Ihre bisherige Unbescholtenheit gewertet. Erschwerungsgründe wurden nicht gewertet. Die verhängte Geldstrafe, die die vom Gesetz vorgesehene Mindeststrafe darstellt sowie die festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe erscheinen angemessen und sind nach Meinung der Behörde geeignet, Sie von weiteren Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurden im Zuge des Verfahrens wie folgt angegeben: 2.000,00 Euro Einkommen, keine Sorgepflicht, kein Vermögen. Diese Angaben wurden der Strafbemessung zugrunde gelegt.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden. Die Vorschreibung der Verfahrens­kosten ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet."

 

 

2. In der Berufung wird dagegen vorgebracht:

 

"Herr J unterliegt der Pflichtversicherung in der Slowakei. Das entsprechende Formular E101 als Nachweis der Pflichtversicherung in der Slowakei wurde von ihm umgehend angefordert. Normalerweise dauert eine Ausstellung ca. einen Monat. Die lokal zuständige Behörde stellte das Formular jedoch nach Prüfung des Falles nicht aus, sondern verwies Herrn J an das Ministerium in Bratislava. Nach mehreren Telefonaten stellte sich heraus, dass eine Ausstellung des Formulars E101 durch die slowakischen Behörden nicht möglich ist, da die Entsendefrist von insgesamt 2 Jahren bereits überschritten wurde. Herr J musste einen Ausnahmeantrag beim zuständigen slowakischen Sozialministerium (Fr. Pekárová) stellen. Dieser Antrag wird nach Österreich mit der Bitte um Zustimmung weitergeleitet. Auf eine Anfrage an das slowakische Ministerium, wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei, erhielten wir am 21. Juni 2011 per mail die Auskunft, dass normalerweise innerhalb von 2 bis 3 Wochen damit zu rechnen sei, es aber auch länger dauern kann. Die Gebietskrankenkasse wurde über diesen Sachverhalt umgehend in Kenntnis gesetzt. Dort wird der Fall bis zu einer Entscheidung über das E101 aufgeschoben.

 

Da mir das Delikt der verspäteten Anmeldung gem. § 33 Abs 1 ASVG zur Last gelegt wird, die zuständige Vollzugsbehörde (GKK) jedoch noch zuwartet und das Verfahren bei Vorliegen des Formulars E101 (wovon auszugehen ist) zur Gänze einstellen wird, ersuche ich, auch das gegenständliche Straferkenntnis bis zur Entscheidung der GKK aufzuschieben. Da die Verletzung der Meldeverpflichtung gem. § 33 Abs 1 ASVG ist eine Vorfrage zu gegenständlichem Straferkenntnis ist, kann solange keine Strafe verhängt werden, solange nicht auch die GKK ein strafbares Handeln unterstellt.

Ich beantrage daher, die Straferkenntnis aufzuheben, da mit sehr großer Wahrscheinlichkeit das Formular E101 im Juli oder August 2011 ausgestellt wird."

 

 

3. Der Akt enthält die im angefochtenen Straferkenntnis bezogenen Aktenstücke.

 

 

4. Mit Email vom 7.8.2012 teilte die Oö. GKK dem Unabhängigen Verwaltungs­senat mit, dass hinsichtlich des J J von einer Versicherungspflicht in Österreich Abstand genommen wurde, da eine Bestätigung der slowakischen Sozialversicherung über eine aufrechte Versicherung vorgelegt worden sei.

 

Mit Schreiben vom 8.8.2012 wurde dem Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr (dort übernommen am 13.8.2012) die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen zur Mitteilung der Oö. GKK Stellung zu nehmen. Diese Schreiben blieb bis dato unbeantwortet.

 

Mit ergänzendem Email vom 11.9.2012 teilte die Oö. GKK dem Unabhängigen Verwaltungssenat mit:

 

"In Bezug auf Ihre Anfrage teilen wir Ihnen mit, dass der Europäische Gerichtshof die Rechtsauffassung vertritt, dass eine Entsendebescheinigung über eine Bindungswirkung verfügt. Er hat dies in seinem Grundsatzerkenntnis vom 10.2.2000, Rs 202/97, Fitzwilliam Technical Service, wie folgt festgehalten (insbes. Randziffern 49, 52): 'Wegen des Grundsatzes, dass die Arbeitnehmer einem einzigen System der sozialen Sicherheit angeschlossen sein sollen, hat diese Bescheinigung damit notwendig zur Folge, dass das System der sozialen Sicherheit des anderen Mitgliedstaates nicht angewandt werden kann. … Die zuständigen Träger des Mitgliedstaates, in den die Arbeitnehmer entsandt werden, würden ihre Verpflichtungen zur Zusammenarbeit nach Artikel 5 EG-Vertrag verletzen - … - wenn sie sich nicht an die Angaben in der Bescheinigung gebunden sähen und die Arbeitnehmer zusätzlich ihrem eigenen System der sozialen Sicherheit unterstellten.' Von dieser Rechtsprechung ist der EuGH bislang auch nicht abgegangen."

 

Weiters wird angeführt, dass von der steuerlichen Vertretung der Firma A GmbH eine Bestätigung der slowakischen Versicherung vorgelegt worden sei, dass Herr J seit 2006 als Privatunternehmer kranken- und rentenver­sichert sei.

 

 

5. Mit Email vom 24.9.2012 teilte das Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr dem Unabhängigen Verwaltungssenat mit, dass aufgrund vorliegender Unterlagen der Strafantrag nicht aufrecht erhalten wird. Unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.3.2011, Zl. 2010/08/0231, und des Unab­hängigen Verwaltungssenates vom 2.5.2012, Zl. VwSen-253036/3/Py/Hu, war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ewald Langeder

 

 

 

 

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