Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253198/3/Kü/Ba

Linz, 18.09.2012

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Mag. Thomas Kühberger, Beisitzer: Dr. Leopold Wimmer) über die Berufung von Frau M W, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J B, A, L, vom 28. Juni 2012 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 6. Juni 2012, SV96-101-2010, wegen Übertretungen des Ausländer­beschäftigungsgesetzes zu Recht erkannt:

 

 

I.        Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.    Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:        § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF        iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991     idgF.

zu II.:   § 66 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 6. Juni 2012, SV96-101-2010, wurden über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 3 Abs.1 iVm § 28 Abs.1 Z 1 lit.a Ausländerbe­schäftigungsgesetz (AuslBG) drei Geldstrafen in Höhe von jeweils 4.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit jeweils Ersatzfreiheitsstrafen von 72 Stunden verhängt.

 

Diesem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Sie haben es als Gewerbeinhaberin und Arbeitgeberin des Unternehmens R eU in T, L, strafrechtlich zu verantworten, dass Sie als Arbeitgeberin im dortigen Unternehmen zumindest am 22.10.2009

  1. den ungarischen Staatsangehörigen P L, geb. X,
  2. den ungarischen Staatsangehörigen A O, geb. X und
  3. den ungarischen Staatsangehörigen C S, geb. X,

als Arbeiter, indem diese ua. am 22.10.2009 gegen 9.05 Uhr auf der Baustelle des Einfamilienhauses in S, S, von Kontrollorganen bei Fassadearbeiten betreten wurden, jedenfalls im Sinne des § 1152 ABGB entgeltlich beschäftigten, obwohl für diese Ausländer weder eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebe­stätigung ausgestellt wurde, noch diese Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder eine 'Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt' oder einen Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt-EG' oder einen Nieder­lassungsnachweis besaßen."

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Rechtsvertreter der Bw eingebrachte Berufung, mit der die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt wird.

 

Begründend wurde festgehalten, dass die Erstbehörde den von Amts wegen zu ermittelnden Sachverhalt nicht hinreichend erhoben und festgestellt hätte, sonst wäre sie zu einem anderen Ergebnis gelangt. Bei Aufnahme und Würdigung der Beweise hätte die Erstbehörde zu einem anderen Ergebnis gelangen können, etwa, dass ein strafbares Verhalten der Beschuldigten nicht vorliege, da es sich bei den Ausländern um selbständige Gewerbetreibende handle, die auf Werk­vertragsbasis für die Firma R e.U. tätig gewesen seien. Weiters hätte sie feststellen müssen, dass alle Ungarn über entsprechende Gewerbescheine verfügt hätten und auch Beiträge nach dem GSVG gezahlt hätten.

 

Festgehalten würde, dass Herr S und Herr N, die damals bei der Firma R angestellt gewesen seien, sich vorher ausdrücklich bei der Wirtschaftskammer erkundigt hätten und ihnen dort mitgeteilt worden sei, dass die Ungarn als selbständig anzusehen wären, wenn sie einen Gewerbeschein hätten. Die Gewerbescheine und Einzahlungen an die SVA der Gewerblichen Wirtschaft seien überprüft und kopiert worden. Die der Beschuldigten zurechnen­den Leute hätten daher im Vertrauen auf die erhaltene Auskunft der Wirtschafts­kammer gehandelt, weshalb ihnen und der Beschuldigten kein strafbares Verhalten vorgeworfen werden könne.

 

Die Beschuldigte sei daher auch einem nicht vorwerfbaren Verbotsirrtum erlegen. Sie hätte daher davon ausgehen können, dass die gewählte Vorgangsweise in Einklang mit den Gesetzen stehe, wie es ihren Mitarbeitern zuvor auch von der Wirtschaftskammer mitgeteilt worden sei. Es fehle daher an der subjektiven Tatseite.

 

Ab 1.5.2011 gelte die Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für ungarische Staats­bürger und sehe § 1 Abs.2 lit.l AuslBG idF BGBl.I Nr. 25/2011 ausdrücklich vor, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht auf Ausländer anzuwenden seien, die aufgrund eines Rechtsaktes der Europäischen Union Arbeitnehmer­freizügigkeit genießen würden. Gemäß § 34 Abs.38 AuslBG sei diese Bestimmung mit 1.7.2011 in Kraft getreten. Eine Bestrafung der Beschuldigten wäre daher zum Zeitpunkt der Fällung des Straferkenntnisses am 6.6.2012 schon aus diesem Grunde unzulässig gewesen. Die Erstbehörde habe daher das bei Fällung des Straferkenntnisses in Geltung stehende AuslBG nicht angewendet.

 

Schließlich sei die über die Beschuldigte verhängte Strafe auch wesentlich überhöht und völlig unangemessen. Bedenke man, dass der Vorwurf sich auf die Beschäftigung von drei Ungarn an einem Tag erstrecke, sei die Geldstrafe von 12.000 Euro gleichfalls weder tat- noch schuldangemessen. Die Erstbehörde habe insoweit auch deutlich über das Ziel hinausgeschossen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit Schreiben vom 3. Juli 2012 die Berufung samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer, bestehend aus drei Mitgliedern, berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Zudem hat der Unabhängige Verwaltungssenat Einsicht in den h. Verfahrensakt VwSen-253208, in welchem die Berufung der Bw gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 6. Juni 2012, SV96-99-2010, verfahrensgegenständlich ist, genommen.

 

In letztgenannten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land wird der Bw folgende Verwaltungsübertretung zur Last gelegt:

"Sie haben es als Gewerbeinhaberin und Arbeitgeberin des Unternehmens R eU in T, L, strafrechtlich zu verantworten, dass Sie als Arbeitgeberin im dortigen Unternehmen zumindest von 14.10.2009 bis 21.10.2009

  1. den ungarischen Staatsangehörigen P L, geb. X,
  2. den ungarischen Staatsangehörigen A O, geb. X und
  3. den ungarischen Staatsangehörigen C S, geb. X,

als Arbeiter, indem diese ua. am 21.10.2009 gegen 9.20 Uhr auf der Baustelle in B, R, von Kontrollorganen bei Fassadenarbeiten betreten wurden, jedenfalls im Sinne des § 1152 ABGB entgeltlich beschäftigten, obwohl für diese Ausländer weder eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde, noch diese Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder eine 'Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt' oder einen Aufenthaltstitel 'Dauer­auf­enthalt-EG' oder einen Niederlassungs­nachweis besaßen."

 

Eine Entscheidung über die Berufung der Bw gegen dieses Straferkenntnis ist vom Unabhängigen Verwaltungssenat bislang nicht ergangen.

 

5. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

6. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Wie dem zitierten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 6. Juni 2012, SV96-99-2010, zu entnehmen ist, wurde darin der Bw ebenfalls die Beschäftigung der ungarischen Staatsangehörigen P L, A O und C S ohne arbeitsmarktrechtliche Papiere ab 14.10.2009 angelastet. Bei einer Kontrolle am 21.10.2009 sei dies von Organen des Finanzamtes Grieskirchen Wels festgestellt worden.

 

Im nunmehr bekämpften Straferkenntnis wird der Bw wiederum die Beschäftigung der drei genannten ungarischen Staatsangehörigen mit Arbeitsan­tritt 22.10.2009 ohne Beschäftigungsbewilligung vorgeworfen. Eine gemeinsame Betrachtung dieser Tatvorwürfe zeigt, dass dem Grunde nach nur ein Arbeitsantritt am 14.10.2009 erfolgt ist und nicht ein neuerlicher Arbeitsantritt am 22.10.2009 anzunehmen ist, zumal auch am 21.10.2009 die drei ungarischen Staatsangehörigen arbeitend auf einer Baustelle der R e.U. in B angetroffen worden sind.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat erkennt daher in Gesamtbetrachtung dieser Tatvorwürfe, dass im gegenständlichen Straferkenntnis ein sich offen­sichtlich wiederholender Angriff auf ein identes (aber nicht höchstpersönliches) Rechtsgut im Rahmen eines Gesamtkonzeptes (Einsatz der ungarischen Staats­angehörigen im Rahmen des von der Bw vertretenen Einzelunternehmens) zu Last gelegt wird, weshalb der gegenständliche Tatvorwurf als fortgesetztes Delikt zu werten ist.

 

Wenn von einem fortgesetzten Delikat auszugehen ist, erfasst die Bestrafung wegen eines derartigen Deliktes alle bis zur Erlassung (Zustellung) des Straferkenntnisses erster Instanz in Betracht kommenden gleichartigen Tathandlungen. Es handelt sich hierbei um die sogenannte "Erfassungswirkung" eines Straferkenntnisses, also den Effekt, dass das Straferkenntnis bei Beschäftigung desselben Ausländers (als fortgesetztem Delikt) alle bis zur Erlassung des Straferkenntnisses in Betracht kommenden Tathandlungen erfasst, d.h., dass ein Arbeitgeber wegen Beschäftigung desselben Ausländers bis zum Erlass des Straferkenntnisses nur einmal bestraft werden darf bzw. eine neuerliche Bestrafung nur wegen nach der Bestrafung gesetzter Tathandlungen zulässig ist (vgl. VwGH vom 20.3.2002, Zl. 2000/09/0150, 15.3.2000, Zl. 99/09/0219).

 

Diese einer Doppelbestrafung entgegenstehende Erfassungswirkung findet ihre Begrenzung somit erst durch die Erlassung eines erstbehördlichen Strafer­kenntnisses, sodass ein Täter nur hinsichtlich der seit seiner letzten Bestrafung gesetzten Tathandlungen abermals bestraft werden kann. Für den Unabhängigen Verwaltungssenat ergibt sich daher aufgrund der oben dargestellten Sachlage, dass die ungarischen Staatsangehörigen P L, A O und C S beginnend mit 14.10.2009 auf diversen Baustellen des Einzel­unternehmens der Bw, so auch am 21.10.2009 und am 22.10.2009, eingesetzt worden sind. Die zeitliche Abfolge zeigt, dass die drei ungarischen Staatsange­hörigen offensichtlich im Rahmen eines auf fortlaufenden Arbeitseinsatz gerichteten Konzepts je nach Bedarf eingesetzt worden sind.

 

Indem die Erstinstanz der Bw mit dem gegenständlichen Straferkenntnis ebenfalls die Beschäftigung der drei genannten ungarischen Staats­angehörigen ohne Beschäftigungsbewilligung am 22.10.2009 zur Last gelegt hat, sind im Hinblick auf die bereits mit Straferkenntnis vom 6. Juni 2012, SV96-99-2010, ebenfalls in gleicher Weise erfolgte Tatanlastung im Sinne der Judikatur zum fortgesetzten Delikt alle ohne arbeitsmarktrechtliche Papiere erbrachte Arbeitsleistungen der ungarischen Staatsangehörigen Ungarn und somit alle bis dahin erfolgten Einzelakte als abgegolten zu bewerten. Eine neuerliche Bestrafung der Bw wegen einer zeitlich unmittelbar abfolgenden Beschäftigung (22.10.2009) der drei ungarischen Staatsangehörigen ist aber bereits – wie erwähnt – vom Straferkenntnis 6. Juni 2012, SV96-99-2010, umfasst und würde eine weitere Bestrafung der Bw wegen der gleichen Tathandlung gegen das Verbot der Doppelbestrafung verstoßen. Somit war das gegenständliche Straferkenntnis ersatzlos zu beheben.

 

7. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

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