Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522897/43/Bi/Eg

Linz, 13.09.2012

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn RA Dr. X, vom 27. Juni 2011 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 16. Juni 2011, VerkR21-110-2011, wegen der Aufforderung zur Beibringung der zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde (Gutachten) – verkehrs­psychologische Untersuchung, aufgrund des Ergebnisses der am 6. September 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung) zu Recht erkannt:

 

1. Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid    bestätigt.

 

2. Der Spruchpunkt 1. wird insofern (auch gegenüber der mündlichen Verkündung) abgeändert, als von der verkehrspsychologischen Untersuchung nur der Teil betreffend die Beurteilung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung zu ergänzen ist.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 24 Abs.4 und 8 Abs.2 FSG aufgefordert, der Erstinstanz innerhalb von einem Monat nach Rechtskraft des Bescheides die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde (Gutachten) beizubringen: verkehrspsycho­logische Untersuchung.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 22. Juni 2011.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Am 6. September 2012 wurde eine öffentliche mündliche Berufungs­verhandlung in Anwesenheit des Bw, seines Rechtsvertreters Herrn RA Dr. X, der Vertreterin der Erstinstanz Frau X sowie der Amtsärztin der Erstinstanz Frau Dr. X durchgeführt. Die Berufungs­entscheidung wurde, wie im Spruchpunkt 1. dargelegt, mündlich verkündet.

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die "Auferlegung der Beibringung einer verkehrspsychologischen Untersuchung" werde damit begründet, dass ein amtsärztliches Gutachten zur Feststellung der Lenkeignung in Auftrag gegeben worden sei wegen Verdachtes des Suchtgiftmissbrauchs und das Gutachten nicht fertig gestellt werden könne, da der Bw die (formlos) verlangte verkehrspsycho­lo­­gischen Untersuchung nicht beigebracht habe. Dieser Sachverhalt rechtfertige nicht die Auferlegung der Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellung­nahme. Es liege kein Sachverhalt vor, welcher Zweifel an der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung oder den Verdacht auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit begründen würde. Dr. X, FA für Psychiatrie und Neurologie in Wien, verneine in seiner Stellungnahme vom 16. Mai 2011 aufgrund des klinischen Eindrucks vom Bw die Notwendigkeit einer Testung der kraftfahrspezifischen Leistungs­fähigkeit. Im Gegenstand liege die Beurteilung ausschließlich beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie dem Amtsarzt.

Beantragt wird die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung sowie ersatzlose Bescheidbehebung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz, Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, in dem der Bw außer der in der Berufung angesprochenen FA-Stellungnahme Dris X vom 16. Mai 2011 eine diese näher ausführende vom 28. Juli 2011 sowie die Stellungnahme zur Anfrage des Rechtsvertreters zur Fahrtaug­lich­keit nach Konsum von natürlichem Cannabis aus medizinischen Gründen vom 26. Februar 2012 Dris X, Medizinische Universität Wien – Klinisches Institut für Labormedizin, vorgelegt hat. Weiters wurden Amtsarzt-Stellung­nahmen Dris. X vom 22. August 2011, San20-21993-2011, und vom 6. Oktober 2011, San20-21993-2011, sowie Dris. X, Abteilung Gesundheit beim Amt der Oö. Landesregierung, vom 29. Dezember 201, Ges-310801/2-2011-Wim/Kir, und vom 26. März 2012, Ges-310801/4-2012-Wim/Pö, eingeholt. Der Bw hat dazu Äußerungen vom 3. November 2011, 6. Februar 2012, 1. März 2012 und 27. Juni 2012 eingebracht.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bw, der seit dem Jahr 1995 im Besitz einer Lenkberechtigung für die Klassen A und B ist, nimmt wegen der seit einem Verkehrsunfall 1996 (Läsion der Brustwirbelsäule) bestehenden Querschnittslähmung mit Paraspastik und Blasen- und Mastdarm­lähmung wegen urologischer Probleme und spastischer Krämpfe seit 1999 Cannabis als Schmerz­mittel. Nachdem die Therapie mit einem THC-hältigen Medikament wegen ungenügender Wirkung beendet wurde, konsumierte er Cannabis aus Eigenanbau und nach einer Anzeige wegen § 27 SMG  wurde er zur amtsärztlichen Untersuchung geladen, die am 28. Februar 2012 stattfand. In der psychiatrischen Stellungnahme Dris X vom 4. März 2011 wird dem Bw wegen der langjährigen Konsumation von Cannabis eine "gering ausgeprägte Abhängigkeit" attestiert, wobei unregelmäßiger Konsum mit unterschiedlicher Wirkstärke mit ca 3 bis 4 Stunden danach Fahruntauglichkeit bestätigt wird. Laut Facharzt besteht Fahrtauglichkeit nur bei konstantem Wirkspiegel unter der Voraus­setzung medizinischer Indikation mit ärztlicher Verordnung eines Cannabinoid-Präparates (Nabilone, Marinol); da es bei diesen Präparaten aber kaum Daten zur Fahrtauglichkeit gebe, "wäre eine VPU empfehlenswert".

Auf dieser Grundlage erging der angefochtene Bescheid.

 

In der vom Bw vorgelegten FA-Stellungnahme Dris X, Wien, vom 16. Mai 2011 bestätigt dieser den Konsum von Cannabis aus Eigenanbau und hebt die gute Beeinflussbarkeit der Paraspastik dadurch gegenüber den bisher verfügbaren Medikamenten hervor. Eine Abhängigkeit wird ebenso verneint wie Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit. Die kraftfahr­spezifische Leistungsfähigkeit sei nicht getestet worden, was aber aufgrund des klinischen Eindrucks nicht nötig erscheine. Aus FA-Sicht bestünden "keine Bedenken gegen die Belassung des Führerscheins, Kontrollen sollten in 2 Jahren erfolgen."

 

Der Bw hat nach den oben angeführten amtsärztlichen und FA-Stellungnahmen mit Schriftsatz vom 27. Juni 2012 die "Begutachtung der kraft­fahr­spezifischen Leistungsfunktionen" durch das Institut "Fair Partner" vom 22. Mai 2012 samt einem vom Hausarzt Dr. X, am 25. Juni 2012 ausgestellten Rezept über 10 ml Dronabinol-Tropfen (250 mg) vorgelegt. Die Vorlage der Begutachtung der kraftfahrspezifischen Leistungs­funktionen als wesentlichen Teil der VPU wurde zunächst vom UVS als schlüssige Zurückziehung der Berufung gewertet und vom Bw unter der Voraussetzung der ebensolchen Akzeptanz durch die Erstinstanz angenommen.

Allerdings teilte der Bw mit Schriftsatz vom 9. August 2012 unter Beantragung der Fortsetzung des Verfahrens mit, die Erstinstanz verlange nun von ihm eine neue verkehrspsychologische Stellungnahme beizubringen bzw die vom oben genannten Institut ergänzte Beurteilung seiner Bereitschaft zur Verkehrs­anpassung (2.Teil der VPU) nachzureichen.  

 

Daraufhin wurde erneut seitens des UVS ein Ermittlungsverfahren dahingehend durchgeführt, dass zunächst von der Erstinstanz die Richtigkeit der Mitteilung des Bw erhoben wurde, wobei festgestellt wurde, dass die Amtsärztin dem Bw eine neue Zuweisung zur VPU vom August 2012 übergeben hat mit der Begründung: "keine Unterscheidungsmöglichkeit des Cannabinol, das als Entspannungs- und Schlafmittel konsumiert wird gegenüber sonst konsu­miertem."

 

Weiters wurde Herr Dr. X, Institut "X", am 5. September telefonisch befragt, wie es zur vorgelegten Begutachtung vom 22. Mai 2012 gekommen sei, worauf dieser mitteilte, der Rechtsvertreter des Bw habe ihn telefonisch ersucht, "privat" bloß die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen des Bw zu testen, wobei auch die gesundheitliche Vorgeschichte des Bw erörtert wurde. Ihm war somit bekannt, dass der Bw cannabishältige Medikamente nimmt. Bei der Befundung am 21. Mai 2012 wurde der Bw, wie vor der VPU üblich, einem Alkotest – mit negativem Ergebnis – unterzogen und das Testverfahren war laut Aussage Dris X unter Berück­sichtigung der funktionalen Einschränkungen des Bw – er ist Rollstuhl­fahrer – ein solches wie es bei einer VPU üblicherweise verwendet wird. Dr. X fielen beim Bw keine offensichtlichen Drogensymptome auf, allerdings habe er nach eigener Aussage auch keine nähere Möglichkeit eines Drogentests. Laut schriftlicher Begutachtung "lassen die kraftfahr­spezifischen Leistungsfunktionen zwar mäßige Schwächen im Bereich des logischen Denkens erkennen, entsprechen jedoch zusammen­fassend den Anforderungen im Sinne der Fragestellung zum Lenken von Kraft­fahrzeugen der Klasse B. Offensichtliche funktionale Einschränkungen, die gegen eine Verkehrs­teilnahme mit Kraftfahr­zeugen der Klassen A und B sprechen, sind nicht abgrenzbar. Aus fachlicher Sicht ist eine fortgesetzte Verkehrs­teilnahme zu befürworten."

Das Telefonat mit Dr. X hat weiters ergeben, dass dieser vonseiten der Erstinstanz um Ergänzung hinsichtlich der Bereitschaft des Bw zur Verkehrs­anpassung ersucht wurde, eine solche "Persönlichkeitsbegutachtung" aber als vom Bw nicht gewünscht ablehnte und sich für die Zukunft auf den Bw bezogen für befangen erklärt.

 

In der daraufhin am 6. September 2012 durchgeführten mündlichen Berufungs­verhandlung führte der Bw aus, er nehme Dronabinol nicht als Tropfen sondern als Kapseln, eine morgens und eine abends, seit April oder Mai 2012 und habe sie auch zur Zeit der VPU schon genommen.

 

Die Amtsärztin verwies auf das Gutachten Dris X vom 4.3.2011, der eine VPU bei Marinol – Handelsname für Dronabinol in den USA – für empfehlens­wert befand. Sie verwies aber darauf, dass laut der vom Hersteller "THC-Pharm" erstellten Produkt­be­schreibung des Medikaments Dronabinol unter "Toxikologie" zu lesen ist: "Auch bei bestimmungs­gemäßem Gebrauch kann Dronabinol das Reaktionsvermögen so weit verändern, dass die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen beeinträchtigt werden kann."

Die Amtsärztin führte dazu aus, dieses Risiko sei für sie unannehmbar. Die Vorschreibung – und damit Grundlage für den angefochtenen Bescheid der Erstinstanz vom 16. Juni 2011 – basiere darauf, dass der Bw früher Cannabis geraucht habe, allerdings wurden die von ihm zu Hause gezogenen Pflanzen entfernt, die aber wegen des unterschiedlichen THC-Gehalts hinsichtlich Wirkspiegel nicht geeignet waren. Nunmehr beruft sich die Amtsärztin in ihrer Aussage darauf, dass Cannabis aus dem Medikament im Blut nicht von sonst konsumiertem Cannabis zu unterscheiden ist. Das sei auch der Unterschied zu Methadon-Patienten, bei denen die gesundheitliche Eignung unter Auflagen bestehe; hier seien aber die Wirkstoffe unterscheidbar. Beim Bw könne konkret suchtbegründet gerauchtes oder aus Überdosierung stammendes Cannabis nicht von medizinisch in einer gewissen Dosis indiziertem Cannabis unterschieden werden. Außerdem wirke das Medikament laut Produktbeschreibung bis zu 6 Stunden und der Bw nehme je eine Kapsel am Morgen und am Abend.     

Im Übrigen bestehe eine verkehrspsychologische Untersuchung aus zwei Teilen und beim Bw sei seine Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nicht beurteilt worden; dies sei aber nach wie vor erforderlich, sodass sie ihm eine nochmalige Zuweisung übergeben habe. 

 

Der Bw und sein Rechtsvertreter haben sich in der Berufungsverhandlung dagegen ausgesprochen. Abgesehen davon wäre aus der Sicht des UVS die Befangenheit des bisherigen Verkehrspsychologen zu bedenken.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstell­tes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkbe­rechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Nach ständiger Judikatur des VwGH (vgl E 22.6.2010, 2010/11/0067) ist ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs.4 FSG nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Fall einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) bei der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung umfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungs­voraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung de Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige Bedenken sind in einem Aufforderungs­bescheid nachvollziehbar darzulegen (vgl E 16.4.2009, 2009/11/0020;22.6.2010, 2010/11/0076; mit Hinweis auf Vorjudikatur 17.10.2006, 2003/11/0302)

Laut VwGH (vgl E 22.6.2010, 2010/11/0076, mit Hinweis auf E 13.8.2003, 2002/11/0103) ist ein Aufforderungsbescheid ist nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Falle einer Berufungs­entscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) von Seiten der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann.

 

Im ggst Fall erfolgte die Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung der gesundheitlichen Eignung durch die Erstinstanz auf der Grundlage einer Anzeige wegen § 27 SMG – das Verfahren wurde laut Bw wie bei seiner Lebensgefährtin eingestellt. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen Dris X in der psychiatrischen FA-Stellungnahme vom 4. März 2011, in der eine VPU empfohlen wurde wurde,  begründete die Amtsärztin die Zuweisung mit einer "Anzeige nach dem SMG wegen Anbau und Verkauf von Marihuana – Harn stark positiv, Verdacht auf Drogen­missbrauch". Diese VPU wurde dem Bw mit dem angefochtenen Bescheid der Erstinstanz vom 16. Juni 2011, VerkR21-110-2011, gemäß § 24 Abs.4 FSG vorgeschrieben. Die Amtsärztin lehnte im Ergebnis wegen der nicht beurteilbaren Stärke der THC-Konzentration aus den selbstgezogenen Pflanzen eine positive Begutachtung ab. Dazu wurden seitens des UVS auch die gutachterlichen Stellungnahmen Dris X – die mit der Amtsärztin Dr. X inhaltlich übereinstimmte – eingeholt.

 

Nunmehr hat sich die Grundlage für die neuerliche Erforderlichkeit einer verkehrspsychologischen Untersuchung zwar geändert, weil der Bw nicht mehr selbstgezogene Pflanzen (Marihuana) konsumiert, sondern ein THC-hältiges Medikament in Kapselform, das aber laut Produktbeschreibung eine nachteilige Veränderung des Reaktions­vermögens in für die Verkehrssicherheit bedenk­lichem Ausmaß nach sich ziehen kann, wobei die Wirksamkeit bis zu sechs Stunden anhält und der Bw je eine Kapsel morgens und abends einnimmt. Die Erforderlichkeit einer verkehrs­psychologischen Untersuchung besteht auf der inhaltlichen Grundlage der FA-Stellungnahme Dris X damit immer noch, wobei der Bw lediglich einen Teil der verkehrs­psychologischen Stellungnahme bisher vorgelegt hat, nämlich die – positive – Begutachtung der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen vom 22. Mai 2012.  

Der Rechtsvertreter wendet ein, für die weitere Einholung einer verkehrs­psychologischen Stellungnahme zur Bereitschaft zur Verkehrsanpassung finde sich im FSG bzw in der FSG-GV keine Grundlage.  

 

§ 14 Abs.5 FSG ist aufgrund der Widersprüche in den FA-Stellungnahmen Dris X vom 4. März 2011 (hier wurde dem Bw eine "gering ausgeprägte Abhängigkeit" attestiert) und Dris X vom 16. Mai 2011 (hier wird eine Abhängig­keit verneint) nicht anzuwenden. Dass der Bw von Suchtmitteln "abhängig war" oder damit gehäuften Missbrauch begangen hat, steht nicht fest.

 

Gemäß § 14 Abs.4 FSG-GV darf Personen, die aus medizinischen Gründen Sucht- oder Arzneimittel erhalten, die geeignet sind, die Fahrtauglichkeit zu beein­trächtigen, nach einer befür­worten­den fachärztlichen Stellungnahme eine Lenkberechtigung erteilt oder belassen werden.

Gemäß  § 17 Abs.1 FSG-GV ist die Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle gemäß § 8 Abs. 2 FSG ist im Hinblick auf ein verkehrs­psycho­logisch auffälliges Verhalten insbesondere dann zu verlangen, wenn der Bewerber um eine Lenkberechtigung oder der Besitzer einer Lenkberechtigung Verkehrsunfälle verursacht oder Verkehrsverstöße begangen hat, die den Verdacht 1. auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit oder 2. auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung erwecken.

Gemäß § 18 Abs.3 FSG-GV ist für die Erfassung der Bereitschaft zur Verkehrs­anpassung ist insbesondere das soziale Verantwortungsbewusstsein, die Selbst­kontrolle, die psychische Stabilität und die Risikobereitschaft des zu Unter­suchenden zu untersuchen sowie zu prüfen, ob eine Tendenz zu aggressiver Interaktion im Straßenverkehr besteht und ob sein Bezug zum Autofahren kritisch von der Norm abweicht. Zur Überprüfung der Bereitschaft zur Verkehrs­anpassung ist neben einem verkehrsbezogenen Persönlichkeitstest auch ein ausführliches Explorationsgespräch durchzuführen.

 

Die Voraussetzungen für die Begründung der Erforderlichkeit der verkehrs­psycholo­gischen Untersuchung, wie in der FA-Stellungnahme Dris X angeführt, haben sich inhaltlich nicht geändert, weil der Bw nun ein in der FA-Stellungnahme genanntes Medikament einnimmt, das zwar vom Hausarzt des Bw verordnet wurde, von dem aber der THC-Gehalt und die Dosierung bekannt sind.

§ 17 Abs.1 FSG-GV regelt die zwingende Anordnung einer verkehrs­psycho­logischen Stellungnahme im Fall der Verursachung von Verkehrsunfällen oder von Verkehrsverstößen und ist damit auf den Bw nicht unmittelbar anzuwenden.

Allerdings vertritt der UVS die Auffassung, dass gerade beim Bw in seiner Situation – die Dronabinol-Kapseln sind in der genannten Dosierung als Schmerzmittel für ihn ohne jeden Zweifel unverzichtbar und selbst bei bestimmungs­gemäßer Einnahme besteht laut Hersteller bei einer Wirkdauer von bis zu sechs Stunden die Gefahr einer verkehrssicherheits­relevanten Veränderung des Reaktionsver­mögens – eine Überprüfung seiner Bereitschaft zur Verkehrsanpassung deshalb erforderlich ist, um beurteilen zu können, ob er willens und in der Lage ist, die Medikamenteneinnahme und das Lenken von Kraftfahrzeugen zeitlich so ausein­anderzuhalten, dass seine Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht beeinträchtigt wird.

    

Der Bw hat eine vollständige verkehrspsychologische Stellungnahme, die im Sinne des § 1 Z3 FSG-GV aus zwei Teilen besteht, bislang nicht vorgelegt. Da sich der Verkehrspsychologe Dr. X bezogen auf den Bw für befangen erklärt hat und die Nachholung des 2. Teiles durch sein Institut ablehnt, wird eine neuerliche verkehrspsychologische Untersuchung möglicherweise erforderlich sein. Deshalb wurde bei der mündlichen Verkündung der Berufungsentscheidung (Spruchpunkt 1.) die im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides angeordnete (vollständige) verkehrs­psychologischen Untersuchung bestätigt.

 

Allerdings ist für die Gutachtungs­erstellung gemäß § 8 FSG nur mehr der 2. Teil der VPU, der für die Beurteilung der Bereitschaft des Bw zur Verkehrsanpassung erforder­lich ist, notwendig und war deshalb die (mündlich verkündete) Anordnung gemäß Spruchpunkt 1. dahingehend abzuändern.

Die nunmehrige (gegenüber der mündlichen Verkündung eingeschränkte) Anordnung erfolgte damit auch aus heutiger Sicht des UVS unter Hinweis auf die Rechtsprechung des VwGH (E 23.5.2012, 2012/11/0092, betreffend die Lebens­gefährtin des Bw) zu Recht. 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 16,80 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

VPU teilweise vorgelegt – von Amtsärztin nicht akzeptiert und neu vorgeschrieben (Zuweisung) – mündlich verkündet  - Abweisung, im selben Bescheid Abänderung VPU mittels kraftfahrspezifischer Leistungsfunktionen

 

 

Beachte:

 

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

 

VwGH vom 18.12.2012, Zl.: 2012/11/0207-4

 

 

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