Linz, 17.09.2012
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der X, geboren X, StA von Aserbaidschan, vertreten durch X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 20. Juli 2012, AZ: 1074417/FRB, betreffend eine Ausweisung der Berufungswerberin nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:
I. Dem Berufungsantrag, den angefochtenen Bescheid zu beheben, wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.
II. Der Berufungsantrag auf Feststellung, dass eine Ausweisung dauerhaft unzulässig ist, wird als unbegründet abgewiesen.
I. Barəsində iddia qaldırılmış qətnamə ilə bağlı appelyasiya ərizəsi təmin edilir və barəsində iddia qaldırılmış qərar tamamilə ləğv olunur.
II. Ölkədən çıxarılmanın davamlı olaraq qəbuledilməzliyinin müəyyənləşdirilməsinə dair appelyasiya ərizəsi əsaslandırılmadığına görə rədd edilir.
Rechtsgrundlage / hüquqi əsas:
§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG
§ 65b iVm. § 66 (Spruchpunkt I) sowie § 61 Abs. 3 (Spruchpunkt II.) Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG
Entscheidungsgründe:
1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 20. Juli 2012, AZ: 1074417/FRB, wurde gegen die Berufungswerberin (im Folgenden Bw) auf Basis des § 66 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung die Ausweisung angeordnet und gemäß § 70 Abs. 3 FPG von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt.
Den angefochtenen Bescheid begründend führt die belangte Behörde wie folgt aus:
2. Gegen den angefochtenen Bescheid, der am 24. Juli 2012 an die rechtsfreundliche Vertretung der Bw zugestellt wurde, erhob die Bw mit Schriftsatz vom 2. August 2012, zur Post gegeben am 3. August 2012, rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.
Einleitend stellt die Bw im Rechtsmittel die Anträge, die Berufungsbehörde möge
3.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 7. August 2012 zur Berufungsentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor.
3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt.
Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von der Bw zwar beantragt. Hievon konnte jedoch abgesehen werden, da im Sinne des § 67d Abs. 2 Z 1 AVG bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid zu beheben ist.
3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten, an sich völlig unbestrittenem Sachverhalt aus.
3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).
4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
4.1. § 2 Abs. 4 Z 1 FPG zufolge ist Fremder bzw. Fremde im Sinn dieses Bundesgesetzes, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. Als Staatsangehörige von Aserbaidschan ist die Bw somit Fremde gemäß der zitierten Bestimmung. Die Verehelichung mit ihrem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Gatten hat daran nichts geändert. Jedoch ist sie aufgrund dieser Ehe im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 12 FPG auch als Familienangehörige zu betrachten. Demzufolge ist im gegenständlichen Verfahren – wie von der belangten Behörde zu Recht erfolgt – der 4. Abschnitt des 8. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes anzuwenden.
4.2. Unter der Überschrift "Familienangehörige von nicht unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und Österreichern" stehend normiert § 65b FPG, dass für Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 12 die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 41a, 65a Abs. 2, 66, 67 und 70 Abs. 3 gelten.
Im Ausweisungsverfahren gegen die Bw findet daher § 66 FPG Anwendung. Die Bestimmung lautet:
"Ausweisung
§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat die Behörde insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(4) § 59 Abs. 1 gilt sinngemäß."
4.2.1. § 66 Abs. 1 FPG lassen sich die Voraussetzungen für die Erlassung einer Ausweisung gegen begünstigte Drittstaatsangehörige und aufgrund des § 65b FPG auch gegen Familienangehörige von Österreichern entnehmen. Da die Bw an sich dem Adressatenkreis des § 66 FPG nicht angehört weil sie von vornherein keine unionsrechtliche Aufenthaltsberechtigung haben kann, lässt sich aus Abs. 1 leg cit für den konkreten Fall lediglich ableiten, dass eine Ausweisung der Bw dessen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich voraussetzt.
Dass die Bw nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhältig ist, ist im gesamten Verfahren nicht als strittig angesehen bzw von der Bw sogar ausdrücklich zugestanden worden. Eine Ausweisung des Bw ist daher dem Grunde nach möglich.
4.2.2. Im Anschluss an § 66 Abs. 1 FPG trifft dessen Abs. 2 jedoch die Anordnung, dass nicht schon allein die Tatsache des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes des Familienangehörigen eines Österreichers dessen Ausweisung rechtfertigt, sondern dass die Behörde im Ausweisungsverfahren insbesondere auch die Dauer des Aufenthalts der Person im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung an den Herkunftsstaat zu berücksichtigen hat.
4.2.3. Dem Akt liegt ein mit 22. Juni 2012 datiertes Schreiben des Dr. X vor, wonach die Bw im siebten Monat schwanger sei und im Zuge der Schwangerschaft und einer Begleiterkrankung ein medizinisches Flugverbot bestünde.
Da dieses Vorbringen bzw. diese medizinische Stellungnahme von der belangten Behörde in keinster Weise angezweifelt wurde, geht der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich von der Richtigkeit desselben bzw. derselben aus. Die Bw ist daher zum jetzigen Zeitpunkt im neunten Monat schwanger und steht kurz vor der Entbindung. Unzweifelhaft ist dem Rechtsgut der körperlichen Integrität bzw. der Gesundheit ein enorm hoher Stellenwert beizumessen, dessen Aufrechterhaltung bzw. Gewährleistung im gegenständlichen Verfahren der Vorrang gegenüber den sonst in § 66 Abs. 2 FPG genannten Tatbeständen einzuräumen ist. Dies vor allem deshalb, als die gesundheitliche Beeinträchtigung der Bw (vermutlich) nur für einen sehr begrenzten Zeitraum gegeben sein wird und nach Wegfall dieser neuerlich geprüft werden kann, ob die Voraussetzungen für eine Ausweisung vorliegen.
4.3. Im Grunde des § 66 Abs. 2 FPG erweist sich damit die Ausweisung der Bw als nicht rechtmäßig. Es war daher mit Spruchpunkt I der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.
5. Dem Antrag festzustellen, dass eine Ausweisung der Bw auf Dauer unzulässig ist, konnte hingegen nicht gefolgt werden. Ein solcher Antrag setzt nämlich voraus, dass die Verfügung der Ausweisung dem Grunde nach zu bejahen ist, derselben jedoch das Privat- und Familienleben des bzw. der Fremden entgegensteht. Ob dies der Fall ist, ist insbesondere anhand von § 61 FPG, auf dessen Abs. 3 der in Rede stehende Antrag zu stützen ist, zu beurteilen.
Da im gegenständlichen Fall jedoch bereits die Voraussetzungen für die Erlassung einer Ausweisung nach § 66 Abs. 2 FPG (derzeit) nicht vorliegen, gelangt man in weiterer Folge auch nicht in den Anwendungsbereich des § 61 leg cit.
Der Antrag war daher als unbegründet abzuweisen (Spruchpunkt II.).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.
Hüquqi vasitələrin izahı:
Bu qətnaməyə qarşı heç bir nizami hüquqi vasitə tətbiq edilə bilməz.
Qeyd:
1. Bu qətnaməyə qarşı təqdim edildikdən sonra altı həftə ərzində Konstitusiya Məhkəməsi və/və ya İnzibati Məhkəməyə şikayətlə müraciət oluna bilər; Həmin şikayət ərizəsi – qanunla nəzərdə tutulmuş istisnalar xaric olmaqla – hər biri vəkalətnamə əsasında səlahiyyətə malik vəkil tərəfindən təqdim olunmalıdır. Bu şikayət ərziələrinin hər biri üçün 220 avro məbləğində icraat rüsumu ödənilməlidir.
2. Proseslə bağlı 14,30 avro məbləğində ştamp rüsumu ödənməlidir.
Mag. Stierschneider
Beschlagwortung:
Ausweisung, Schwangerschaft, §§ 65b, 66 (2) FPG;