Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167248/2/Ki/Bb

Linz, 16.10.2012

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des x, geb. x, wohnhaft x, vertreten durch x, Rechtsabteilung x, xstraße x, x, vom 24. September 2012, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 11. September 2012, GZ VerkR96-7652-2012, betreffend eine  Verwaltungsübertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), zu Recht erkannt:

 

 

 

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

 

II.              Für den Berufungswerber entfällt die Verpflichtung zur Leistung von jeglichen Verfahrenskostenbeiträgen.

 

 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 - AVG iVm

§§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

zu II.: §§ 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Zu I.:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 11. September 2012, GZ VerkR96-7652-2012, wurde über x (den nunmehrigen Berufungswerber) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 52 lit.a Z10a StVO gemäß § 99 Abs.2e StVO eine Geldstrafe in der Höhe von 335 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 141 Stunden, verhängt. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages erster Instanz in der Höhe von insgesamt 33,50 Euro verpflichtet.

 

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde (auszugsweise Wiedergabe):

 

"Sie haben im angeführten Bereich, welcher außerhalb eines Ortsgebietes liegt, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 66 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

Tatort: Gemeindegebiet x, Bezirk x, Innkreisautobahn A 8, Höhe Strkm 24,790, Fahrtrichtung Linz

Tatzeit: 12. Juni 2012, um 09.55 Uhr

Fahrzeug: PKW, Marke Mercedes Benz, Type 280 CDI, behördliches Kennzeichen x"

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 18. September 2012, richtet sich die rechtzeitig von der ausgewiesenen Rechtsvertreterin des Berufungswerbers – mit Schriftsatz vom 24. September 2012 – eingebrachte Berufung, mit der beantragt wird, das eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Begründend wurde festgehalten, dass die vor dem gegenständlichen Tatort angebrachte Beschilderung verwirrend sei. Gerade eine Beschränkung auf der Autobahn müsse im Sinne der raschen Wahrnehmbarkeit eindeutig und absolut zweifelsfrei sei.

 

Bei der gegenständlichen Beschilderung sei der Berufungswerber verständlicher- und nachvollziehbarer Weise davon ausgegangen, dass die 60 km/h-Beschränkung auf Grund des bildlichen Konnexes nur für Busse und Lkw ab 2,5 t gelte.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Grieskirchen hat die Berufungsschrift unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes mit Vorlageschreiben vom 27. September 2012, GZ VerkR96-7652-2012, ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates zur Entscheidungsfindung (§ 51 Abs.1 VStG). Gemäß § 51c VStG entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte mangels gesonderten Antrages und der Tatsache, dass bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, unterbleiben  (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

 

4.1. Es ergibt sich folgender rechtlich relevanter Sachverhalt:

 

Der Berufungswerber lenkte am 12. Juni 2012 um 09.55 Uhr den – auf ihn zugelassenen – Pkw mit dem nationalen Kennzeichen x, in x, auf der Autobahn A 8 (Innkreisautobahn), in Fahrtrichtung Linz. In diesem Straßenabschnitt der A 8 ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit mit 60 km/h begrenzt. Die Geschwindigkeitsbeschränkung beginnt bei Strkm 25,173 und endet bei km 24,550.

 

Der Beginn der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h bei km 25,173 ist nach der sich darstellenden Aktenlage wie folgt beschildert:

 

 

 

Eine Geschwindigkeitsmessung im Bereich dieser 60 km/h-Beschränkung, bei Strkm 24,790, mittels Stand-Radarmessgerät, Type MUVR 6FM 697, Messgerät Nr. 03 ergab – abzüglich der in Betracht kommenden Messtoleranz – eine tatsächliche Fahrgeschwindigkeit des vom Berufungswerber gelenkten Pkw von 126 km/h (gemessene Geschwindigkeit 133 km/h). Dies entspricht einer Überschreitung der erlaubten zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 66 km/h.

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat darüber in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 52 lit.a Z10a StVO zeigt das Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (Erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

 

Der Berufungswerber lenkte zum gegenständlichen Vorfallszeitpunkt den Pkw mit dem Kennzeichen x auf der A 8 in Fahrtrichtung Linz, wobei er bei Strkm 24,790 eine Geschwindigkeit von 126 km/h einhielt und damit die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 66 km/h überschritt. Diese Geschwindigkeitsüberschreitung wurde mit einem Radarmessgerät festgestellt und vom Berufungswerber nicht bestritten. Er hat die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nach § 52 lit.a Z10a StVO damit – zumindest - in objektiver Hinsicht zu verantworten.

 

5.2. Fraglich ist jedoch, ob die Beschilderung der 60 km/h-Beschränkung für den Berufungswerber bei Annäherung mit seinem Pkw leicht und rechtzeitig erkannt werden konnte oder – wie der Berufungswerber behauptet - für herannahende Pkw-Lenker tatsächlich irreführend ist.

 

Gemäß § 48 Abs.1 erster Satz StVO sind Straßenverkehrszeichen (§§ 50, 52 und 53) als Schilder aus festem Material unter Bedachtnahme auf die Art der Straße und unter Berücksichtigung der auf ihr üblichen Verkehrsverhältnisse, namentlich der darauf üblichen Geschwindigkeit von Fahrzeugen, in einer solchen Art und Größe anzubringen, dass sie von den Lenkern herannahender Fahrzeuge leicht und rechtzeitig erkannt werden können.

 

Sowohl nach der Bestimmung des § 48 Abs.1 StVO als auch nach der entsprechenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (z. B. VwGH 13. September 1985, 85/18/0278 ua.) muss ein Verkehrszeichen in seiner Gesamtheit (einschließlich Zusatztafeln) von einem herannahenden Fahrzeuglenker leicht und rechtzeitig erkannt werden können. Dies bedeutet, dass solche Lenker auf eine ihnen zumutbare Weise ohne Mühe und damit auch ohne Beeinträchtigung des Verkehrs imstande sein müssen, den Inhalt der betreffenden Anordnung vollständig zu erfassen und sich danach zu richten (VwGH 26. Februar 2004, 2003/07/0174 uvm.).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof verlangt von Normen ein unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten erforderliches Mindestmaß an Verständlichkeit.

Demnach muss der Gesetzgeber der breiten Öffentlichkeit den Inhalt seines Gesetzesbeschlusses in klarer und erschöpfender Weise zur Kenntnis bringen, da anderenfalls der Normunterworfene nicht die Möglichkeit hat, sich der Norm gemäß zu verhalten. Diesem Erfordernis entspricht jedoch weder eine Vorschrift, zu deren Sinnermittlung "subtile" Sachkenntnisse, qualifizierte juristische Befähigung und Erfahrung sowie geradezu archivarischer Fleiß vonnöten sind, noch eine solche, zu deren Verständnis außerordentliche methodische Fähigkeiten und eine gewisse Lust zum Lösen von Denksport-Aufgaben erforderlich sind (VfSlg. 12420/1990).

 

Es ist zunächst völlig unstrittig, dass die gegenständliche Geschwindigkeitsbeschränkung von 60 km/h für Lkw ab 2,5 t und für Busse gilt und von den Lenkern herannahender Fahrzeuge dieser Art bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit leicht und rechtzeitig im Sinne des § 48 Abs.1 StVO erkannt werden kann. Dies ist auf Grund der dargestellten Beschilderung eindeutig festgestellt. 

 

Für herannahende Pkw-Lenker hingegen ist - bei erlaubter Annäherungsgeschwindigkeit von 80 km/h - jedoch nicht sogleich mit hinreichender Bestimmtheit erkennbar, dass die 60 km/h-Beschränkung auch für sie gilt. Erst bei genauerer Betrachtung wird klar, dass von der Beschränkung auch Pkw umfasst sind.

 

Was damit die Frage des Verschuldens anlangt, so kann dem Berufungswerber ein Verschulden an der gegenständlichen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht zur Last gelegt werden, da für den Lenker eines herannahenden Pkw der beabsichtigte Inhalt der Beschilderung zunächst nicht so eindeutig und klar wahrnehmbar ist, um sich allenfalls rechtzeitig der Anordnung entsprechend zu verhalten.   

 

Es ist daher aus den angeführten Gründen der Berufung stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.  

 

 

Zu II.:

 

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

Mag.  Alfred  K i s c h

 

 

 

 

VwSen-167248/2/Ki/Bb vom 16. Oktober 2012

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

StVO 1960 §48 Abs1;

StVO 1960 §52 lita Z10a

 

Ein Verkehrszeichen muss in seiner Gesamtheit (einschließlich Zusatztafeln) von herannahenden Fahrzeuglenkern leicht und rechtzeitig erkannt werden können. Die Lenker müssen auf eine ihnen zumutbare Weise ohne Mühe und damit auch ohne Beeinträchtigung des Verkehrs imstande sein, den Inhalt der betreffenden Anordnung vollständig zu erfassen und sich danach zu richten.

Gegenständlich ist für herannahende PKW-Lenker (bei erlaubter Annäherungsgeschwindigkeit von 80 km/h) nicht sogleich mit hinreichender Bestimmung erkennbar, dass die 60 km/h-Beschränkung auch für sie gilt, sodass konkret ein Verschulden bei Nichtbeachtung nicht zur Last gelegt werden kann.

 

 

 

 

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