Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167066/15/Bi/Th

Linz, 01.10.2012

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch Herrn RA Mag. X, vom 4. Juli 2012 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Wels-Land vom 21. Juni 2012, VerkR96-998-2012, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 20. September 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­ent­scheidung) zu Recht erkannt:

 

I.  Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 40 Euro, ds 20 % der verhängten Strafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 19 VStG

zu II.: § 64 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 200 Euro (96 Stunden EFS) verhängt, weil er am 6. September 2011, 19.45 Uhr, in X, Straße, Parkfläche der Fa. X GmbH, mit dem Sattelzugfahrzeug X mit dem Sattel­anhänger X mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienstsstelle verständigt habe, obwohl er beim Versuch, an der genannten Stelle einzuparken, eine Werbetafel beschädigt habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 20 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäfts­verteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 20. September 2012 wurde am Unfallort eine öffentliche mündliche Berufungs­verhandlung in Anwesenheit des Bw, seines Rechtsvertreters Herrn RA Mag. X, des Zeugen X (E) und des kfztechnischen Amts­sach­­verstän­digen Dipl.HTL-Ing. X (SV) durchgeführt. Der Vertreter der Erst­instanz war entschuldigt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet. 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, der Zeuge sei nicht dazu befragt worden, dass er ihn fotografiert habe. Unverständlich sei, dass der Zeuge vorerst nur das Kennzeichen des Aufliegers notiert haben wolle, obwohl er während seines Aufenthalts in der Tankstelle genug Zeit gehabt hätte, auch die Zug­maschine anzusehen und überhaupt ihn darauf anzusprechen. Dann sei er ihm noch nachgefahren, habe ihn aber wiederum nicht angesprochen. Er habe aufgepasst, beim Einparken den abgestellten Pkw nicht zu beschädigen mit dem Auflieger; da sei es auch glaubwürdig, dass er gegebenenfalls einen geringen Anstoß nicht bemerkt habe. Zum nicht geringen Niveauunterschied, der sich aus den Licht­bildern ergebe, sei keine Feststellung getroffen worden. Der vom Zeugen geschil­derte Unfallhergang sei nicht möglich. Wenn das rechte obere Eck des Aufliegers eine Beschädigung verursache und das Sattelzugfahrzeug weiter rechts stehe, hätte er bereits an das Metallgestänge angefahren sein müssen, das den Gebraucht­wagenplatz abriegle. Dazu wird die Einholung eines SV-Gutachtens beantragt samt Besichtigung des Unfallortes und einer Stellprobe. Bei der Fa X sei nicht nachgefragt worden nach dem Baujahr des Sattelzugfahrzeuges in Bezug auf "Lärmarmheit" und ob sich die Fahrer wirklich untereinander helfen und auf ev. Fehler aufmerksam machen und ob in der Zwischenzeit Schäden vorhanden gewesen seien – dies zum Nachweis dafür, dass nur ein geringfügiger Anstoß, den er fahrlässig nicht bemerken habe können, gegeben gewesen sei. Gerade beim Zurückfahren habe er die Tafel unter dem Auflieger nicht bemerken können. Auch sei nicht klar, warum 6 Tage danach noch die beschädigten Teile auf den Gehsteig gelegen und von der Fa noch nicht weggeräumt worden seien. Gerade die Lage dieser Teile auf dem gesamten Gehsteig zeige, dass er mit seinem Fahrzeug nicht auf dem Gehsteig gefahren oder gestanden sein könne, wie der Zeuge dies behaupte. Beantragt wird Verfahrenseinstellung nach einer Berufungsverhandlung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung in X, bei der unter genauer Besichtigung der Örtlichkeit der Bw und sein Rechtsvertreter gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Strafer­kennt­nisses berücksichtigt, der Zeuge E unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen und nach Besichtigung der Örtlichkeit und des vom Bw gelenkten baugleichen Sattelzuges vom SV ein kfztechnisches Gutachten dazu, ob der Bw den Anstoß an der Werbetafel bei entsprechender Aufmerk­samkeit bemerken hätte müssen, eingeholt wurde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bw ist Berufskraftfahrer bei der X KG und befuhr am 6. September 2011 gegen 19.45 Uhr als Lenker eines Sattelzuges in X von der L537 aus Richtung L kommend die rechts die Kreuzung L537 – B138 umgehende Sportplatzstraße, um bei der direkt an der Kreuzung gelegenen Tankstelle eine Go-Box zu besorgen. Bei der Einmündung von der L537 beschreibt die Sport­platz­straße einen breiten Trichter und führt dann (in Fahrtrichtung des Bw gesehen)nach links. Rechts befindet sich die Zufahrt zu einem Gebrauchtwagen­parkplatz der Fa X, geradeaus ist das Firmengebäude mit einem Firmenparkplatz davor und am Straßenrand markierte Pkw-Parkplätze parallel zum Gehsteigrand. Die Sportplatzstraße führt links weiter, hinter der Tankstelle vorbei und mündet vorne nach dem Tankstellenareal in die B138. Linksseitig neben dem Firmengebäude X befindet sich eine private Hauszufahrt und links davon sind wieder markierte Pkw-Parkplätze. Fest steht, dass zur Vorfallszeit auf dem ganz rechten Parkplatz vor dem Gebäude der Fa X ein Pkw (Sportwagen) abgestellt war und nach der Hauszufahrt der erste Parkplatz frei und danach ein Sattelzug geparkt war, beides in Fahrtrichtung des Bw gesehen. Dieser suchte einen Abstellplatz für den Sattelzug und entschloss sich, nach dem abgestellten Sportwagen rechts einzuparken, um dort vor der Zufahrt den langen Sattelzug unterzubringen.

Dazu wollte er nach eigenen Angaben zuerst im Bereich der Hauszufahrt vorwärts einparken, habe aber dann gesehen, dass der Platz zu kurz war. Er sei rechts zugefahren und wollte zurückschieben, sei aber zu nahe am abgestellten Sportwagen gewesen. Er sei dann nach links hinaus und habe rückwärts ein­geparkt, sodass er genau vor der Einfahrt gestanden sei, wobei hinter ihm der erste Pkw-Parkplatz frei gewesen sei. Bei Zurückfahren habe er gespürt, dass er über den Gehsteigrand gekommen sei. Hätte er dabei das Schild berührt, hätte er es mit der rechten hinteren Ecke des Aufliegers berühren müssen; er habe aber so etwas nicht bemerkt. Anschließend ging er in die Tankstelle, wo er aber keine Go-Box bekam, sodass er nach ca 10 Minuten seine Fahrt zur nächsten Tankstelle nach der Autobahnauffahrt fortsetzte. Dort bekam er dann die Go-Box. Ihm fiel nach seinen Angaben außerdem, als er die erste Tankstelle verließ und zu seinem Sattelzug ging, auf, dass auf der gegenüber­liegenden Straßenseite der Sportplatzstraße ein Mann stand und offenbar den Sattelzug fotografierte.

 

Nach der Schilderung des Zeugen E fuhr der Bw zunächst mit der rechten vorderen Ecke des Zugfahrzeuges auf den Gehsteig hinauf und anschließend rückwärts, um eine gehsteig-parallele Parkposition zu erreichen. Im Bereich des markierten Pkw-Parkplatzes direkt vor der Hauszufahrt befinden sich auf einem Metall­masten mehrere Firmenschilder, davon ist das unterste ein blaues Plexiglas-Werbeschild mit der Aufschrift "Subaru" – laut Anzeige mit dem unteren Rand in einer Höhe von 3,80 m vom Boden. Dieses Schild ragt quer bis etwa zur Hälfte in den Luftraum über dem Gehsteig. Nach den Aussagen des Zeuge E schob der Bw beim Hinauffahren auf den Gehsteig dieses Schild in seiner Fahrtrichtung etwas nach vorne rechts, wobei die Berührung mit der rechten vorderen Ecke des Aufliegers erfolgte. Beim Rückwärtsfahren wurde das Schild wieder etwas zurückgeschoben. Dabei brach in der Mitte ein Teil des Plexiglases heraus und fiel nach unten auf den Gehsteig. Der Zeuge beobachtete das nach seinen Schilderungen von einem Standort etwa beim Gebrauchtwagenparkplatz, blieb aber dort und sprach den Bw, der sein Einparkmanöver fortsetzte, nicht an. Er betonte, der Lenker habe sofort gebremst und mit der Rückwärtsfahrt begonnen, woraus er schloss, dass dieser die Berührung bemerkt haben musste. Als der Lenker in die Tankstelle ging, notierte der Zeuge das von seinem Standort aus lesbare Aufliegerkennzeichen. Der Zeuge E stritt ab, den Lkw fotografiert zu haben. Als der Bw nach einigen Minuten aus der Tankstelle zurückkam und seine Fahrt in Richtung B138 fortsetzte, fuhr ihm der Zeuge nach, wobei er in der Verhandlung ausführte, das habe er deshalb gemacht, um das Kennzeichen des Sattelzugfahrzeuges ablesen zu können. Er habe nicht gewusst, dass der Bw nur bis zur nächsten Tankstelle fahren würde, "irgendwann hätte er das Kennzeichen schon ablesen können." Als der Bw bei der nächsten Tankstelle stehenblieb, schrieb sich der Zeuge das vordere Kennzeichen  auf und versuchte nach eigenen Worten, die PI S telefonisch zu erreichen, die aber nicht besetzt war.

Am nächsten Tag, dem 7. September 2011, suchte der Zeuge die Fa X auf, wo die Beschädigung des Schildes bereits bemerkt worden war, und teilte mit, er habe den Vorfall beobachtet und das Kennzeichen notiert. Von der Fa X wurde bei der X KG der Lenker eruiert und mit dem Bw schließlich telefonisch Kontakt aufgenommen. Als dieser fragte, wie hoch der Schaden sei, wurde ihm nach eigenen Worten gesagt, das sei noch nicht bekannt, werde ihm aber mitgeteilt werden. Stattdessen habe er eine Anzeige erhalten. Der Bw betonte in der Verhandlung, er habe von einer Berührung des Schildes über dem Sattelzug nichts bemerkt und verstehe nicht, dass der Zeuge E, der nach eigenen Angaben vor der Pensionierung selbst Fernfahrer war, nichts zu ihm gesagt und ihn nicht darauf aufmerksam gemacht habe.

 

In der Berufungsverhandlung schildere der Bw den konkreten Vorfall so, dass er vor der Hauszufahrt eingeparkt habe und dann rückwärts gefahren sei. Dabei habe er schon gespürt, dass er auf den – links und rechts von der Einfahrt etwa um 10 cm erhöhten – Gehsteig hinaufgefahren sei. In dieser Position beim Rückwärtsfahren müsse er das Schild berührt haben, was so aber nur mit der rechten hinteren Ecke des Aufliegers möglich wäre. In der Parkposition habe er zum vor ihm abgestellten Auflieger ca 1,5 m Abstand gehabt und zum abgestellten Sport­wagen vielleicht 0,70 m. Er habe nicht vorgehabt, lange so stehen­zubleiben – hätte er die Go-Box dort bekommen, wären es höchstens 20 Minuten gewesen.

Der Zeuge E betonte, die Beschädigung des Schildes sei im Zuge des Vorwärts­fahrens erfolgt. Er habe den Sattelzug nicht fotografiert und sei ihm nur wegen des Kennzeichens nachgefahren. Er habe nicht vorgehabt, sich auffällig zu benehmen und sei deshalb in der Entfernung stehengeblieben.

 

Der SV hat den baugleichen Sattelzug von den möglichen Spiegeleinstellungen her besichtigt und im Gutachten ausgeführt, dass die Beschädigung des Werbeschildes, das bei der Verhandlung noch immer beschädigt und nach vorne gebogen war, wobei als Anstoßpunkt das linke untere Eck des Schildes klar erkennbar war, nicht im Rückwärtsfahren erfolgt sein kann. Der SV führte aus, die Anstoßrichtung sei zweifelsohne in der damaligen Fahrtrichtung des Bw erfolgt, nämlich in Richtung zur B138. Bei einer Verschiebung im Retourgang hätte das Schadensbild nicht so aussehen können, wie die Beschädigung vorgefunden wurde und wie sie auch auf den der Anzeige beigelegten Fotos zu sehen ist. Die Deformationsstellung des Schildes lasse sich mit der Fahrtrichtung zur B138 in Einklang bringen. Dazu müsse aber der Gehsteig befahren werden, weil das Schild nicht so breit ist wie der Gehsteig. Die Schilderung des Zeugen E von Unfallhergang war für den SV plausibel, die Schilderung des Bw war es hingegen in keiner Weise.  

Der SV führte weiters aus, dass, wenn das Schild mit dem rechten vorderen Eck des Aufliegers in Berührung kam, dies für den Bw aufgrund der Massen­unter­schiede beider Teile nicht als Anfahrruck zu bemerken war. Ein Anstoßgeräusch schloss der SV ebenfalls aus, weil Plexiglas nicht splittert oder klirrt, sondern aufgrund der flächigen Ausprägung und des geringen spezifischen Gewichts eher nach unten "schwebt". In der Fahrerkabine musste der Lenker bei laufendem Motor dieses Geräusch nicht wahrnehmen. Bei der Prüfung der möglichen Spiegeleinstellungen beim Sattelzugfahrzeug ergab sich für den SV auch bei elektrischer Einstellbarkeit des rechten Außenspiegels keine Einstellung, die es dem Lenker ermöglicht hätte, bei üblicher Lenkerposition optisch das rechte obere Fahrzeugeck einzusehen; damit war auch eine optische Wahr­nehmbarkeit eines vom Zeugen beschriebenen Anstoßes auszuschließen.  

Als einzige Möglichkeit einer Wahrnehmung hat der SV ausgeführt, dass dem Bw beim Zufahren auf die Fa X auffallen musste, dass sich dort über den Gehsteig ragende Firmenschilder befinden, wobei der Bw selbst betont hat, er habe das Hinauffahren auf den Gehsteig bemerkt. Da nach dem Überfahren der Gehsteigkante ein Abschätzen des Abstandes zum Schild erforderlich ist, weil die optische Wahrnehmbarkeit über Spiegel fehlt, hätte sich der Bw durch konkretes Nachschauen davon überzeugen können, ob beim Hinauffahren auf den Gehsteig ein Abstand zu den Schildern eingehalten oder diese berührt bzw auch eventuell beschädigt wurden. Eine solche Vorgangsweise hat der SV als einzige Möglichkeit beschrieben, um sicher festzuhalten oder sicher auszuschließen, ob bzw dass es zu einer Berührung zwischen dem Auflieger und dem Schild gekommen ist.   

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist zum einen zu sagen, dass die Schilderung des Bw über den – von ihm offenbar unbemerkt erfolgten – Unfallhergang aufgrund des noch bei der Verhandlung vorgefundenen Schadens­bildes am Werbeschild, das mit dem auf den mit der Anzeige am 13. September 2011 von einem Beamten der PI S übersandten Fotos ersichtlichen übereinstimmte, nicht glaubwürdig ist. Da das nur auf einer Seite beschädigte Werbeschild in Richtung B138 verbogen war, war ein Anstoß nur in diese Stoßrichtung möglich; beim Rückwärtsfahren, wie vom Bw behauptet bzw vielmehr vermutet, kann ein derartiger Schaden aus logischen Überlegungen nicht entstanden sein.

Zu bemerken ist, dass der Zeuge E weder mit der X KG noch mit der Fa X im Zusammenhang steht und er dem Bw und ihm der Bw völlig unbekannt war. Ein wie immer geartetes persönliches bzw finanzielles Interesse in irgendeiner Richtung kann beim Zeugen daher nicht angenommen werden. Seine Wahrnehmungen sind offenbar zufällig erfolgt, wobei er in der Verhandlung betont hat, er habe den Bw nicht angesprochen, weil er dessen Reaktion sehen wollte. Er habe aus dem Bremsen offenbar unmittelbar nach dem Anstoß bei wegen der Wärme vermutlich offenem Fenster der Fahrerkabine den Eindruck gewonnen, dass der Lenker den Anstoß bemerkt habe und ihn nun ignorieren wolle. Das Geräusch sei aber deutlich gewesen und der Lenker sei ausgestiegen und habe unter dem Auflieger durchgesehen – das hat der Zeuge bei seiner Einvernahme am 22. März 2012 bei der Erstinstanz ausgesagt. In der Berufungs­v­erhandlung hat er sich zwar mit diesen Vermutungen zurückgehalten und nichts mehr von einem plötzlichen Bremsen oder Unter-dem-Auflieger-Durchsehen erwähnt, jedoch blieb er dabei, er habe nur geschaut, "was der tut" und sei ihm auch nur wegen des Kennzeichens des Zugfahrzeuges nachgefahren. Seine Schilderung vom tatsächlichen Anstoß ist laut SV glaubhaft, weil mit dem Schadensbild übereinstimmend – nach der an der Metallsäule des Werbeschildes erkennbaren Verdrehung und der am 20. September 2012 immer noch vorhandenen Beschädigung des Schildes kann der Anstoß – laienhaft erschließ­bar – auch nur so erfolgt sein, wie der Zeuge E ihn schildert. Auch wenn der Zeuge E, obwohl die Möglichkeit, den Bw mit dem eingetretenen Schaden zu konfrontieren, sogar zweimal, nämlich nach dem Verlassen der ersten Tankstelle unmittelbar am Unfallort und bei der zweiten Tankstelle, bestanden hätte, mit dem Bw nicht in Kontakt getreten ist – ein Zeuge ist nicht verpflichtet, sich dem Schadensverursacher als solcher bekanntzumachen – kann daraus für seine Glaubwürdigkeit kein nachteiliger Schluss gezogen werden.

 

Die Ausführungen des SV von der für den Bw bestehenden Möglichkeit, die Verursachung des Schadens zu bemerken, sind insofern nachvollziehbar, als er die optische, akustische und die Wahrnehmbarkeit als Anstoßruck schlüssig begründet ausgeschlossen hat. Der Zeuge hat bei seiner Zeugenbefragung in der Verhandlung seine früheren Aussagen vom offenen Fenster der Fahrerkabine, die offenbar nur eine Vermutung darstellten, nicht wiederholt und auch nichts mehr vom Durchsehen unter dem Auflieger erwähnt. Ob der Bw wegen eines bemerkten Anstoßes bremste und anschließend rückwärts fuhr, oder ob er zufällig nach dem vom Zeugen beobachteten Anstoß aus Platzgründen bremste und rückwärts fuhr, kann nicht gesagt werden. Auch dabei handelt es sich offenbar um eine Vermutung des Zeugen.

Allerdings ist die Aussage des SV, der Bw hätte erkennen können, dass im ausgewählten Einparkbereich ein über fast die halbe Gehsteigbreite ragendes Werbeschild in einer mit der Höhe des Sattelzuges übereinstimmenden Höhe angebracht ist und er hätte sich im Zuge des Einparkens, bei dem er mit einem Teil des Sattelzuges für ihn auffällig über die Gehsteigkante fuhr, darüber klar sein müssen, dass er in Richtung des Werbeschildes mit den für ihn verfügbaren Spiegeleinstellungen keine Sichtmöglichkeit hat, um die Verursachung eines Schadens verlässlich auszuschließen, weshalb er sich durch Nachsehen vergewissern hätte können, ob er beim Einparken einen Schaden verursacht hat oder nicht, nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates schlüssig und nachvollziehbar.      

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 4 Abs.5 StVO haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, diese Personen die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen – das sind alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang steht – oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

Voraussetzung für die Meldepflicht des Abs.5 ist als objektives Tatbestandsmerk­mal der Eintritt eines Sachschadens und in objektiver Hinsicht das Wissen vom Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden zu erkennen vermocht hätte (vgl VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417, uva).

 

Zweck des § 4 ist es nicht, an Ort und Stelle festzustellen, ob ein Sachschaden von einem Unfall herrührt, ob die Angaben der am Unfall Beteiligten stimmen und das Verschulden an einem Unfall zu klären, sondern um den am Unfall beteiligten Fahrzeuglenkern die Möglichkeit zu geben, ohne unnötigen Aufwand und Schwierigkeiten klarstellen zu können, mit wem man sich hinsichtlich der Schadensregulierung in der Folge auseinanderzusetzen haben wird (vgl VwGH 26.1.2002, 2001/02/0240; uva). Sinn der Verständigungspflicht des Abs.5 ist es, gerade im Falle, dass ein gegenseitiger Identitätsnachweis zwischen den Beteilig­ten an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden – aus welchen Gründen immer – nicht zustande gekommen ist, die Unfallbeteiligten in die Lage zu versetzen, durch Nachfrage bei der Polizei die Daten des Unfallgegners für einen allfälligen Schadenersatz in Erfahrung zu bringen (vgl E 11.5.2004, 2004/02/0064).

Unter dem Begriff "ohne unnötigen Aufschub" kann nur verstanden werden, dass die Meldung über einen Verkehrsunfall, bei dem nur Sachschaden entstanden ist, nach Durchführung der am Unfallort notwendigen, durch das Gebot der Verkehrs­­­­sicher­heit erforderlich erscheinenden Maßnahmen bzw nach einem ver­geb­lichen Versuch eines Identitätsnachweises zu erfolgen hat (vgl E 12.11.1970, 1771/69).

 

Auf den ggst Fall bezogen ist auszuführen, dass der Bw bei Aufwendung der in seiner Situation als Lenker eines Sattelzuges zu erwartenden Aufmerksamkeit und Sorgfalt beim Hinauffahren auf den Gehsteig bedenken hätte müssen, dass sich dort das vorher wahrgenommene blaue Werbeschild "Subaru" in einer mit dem oberen Bereich des Sattelaufliegers korrespondierenden Höhe befindet und ca bis zur Hälfte in den Luftraum über den Gehsteig hineinragt, sodass beim wegen der Uneinsehbarkeit vom Lenkerplatz aus schwer einzuschätzenden Abstand zwischen Schild und Fahrzeug objektive Umstände bestanden haben, die die Möglichkeit der Verursachung einer Berührung mit dem Plexiglas-Werbe­schild eröffneten. Dem Bw musste die Kubatur des von ihm gelenkten Sattelzuges bekannt sein und ihm musste auch bekannt sein, dass beim Einschlagen die Außen­­kanten des Aufliegers geringfügig von denen des Zugfahrzeuges abweichen. Die vom Zeugen beschriebene Anstoßstelle des Sattelzuges, nämlich die rechte vordere Ecke des Aufliegers, beschreibt beim geschilderten Einparkmanöver erforderlichen Einschlagen des Zugfahrzeuges einen Kreis, der von dem des Zugfahrzeuges geringfügig nach außen abweicht; deshalb ist auch ein Anstoß an das Metallgestänge des Firmenparkplatzes mit dem Zugfahrzeug nicht zwingend anzunehmen. Bei dieser Bewegung ist es jedoch zu einer Berührung und einem "Nach-Vorne-Schieben" des Werbeschildes gekommen, was am Schild bei der Verhand­lung noch in Form eines Anstoßpunktes am linken unteren Eck zu erschließen war. Das Überfahren der Gehsteigkante hat der Bw unbestritten bemerkt, dh ihm musste bewusst sein, dass er sich mit dem Zugfahrzeug so weit auf dem Gehsteig befand, dass beim für das beabsichtigte Einparken des Sattelzuges parallel zum Gehsteigrand erforderlichen Einschlagen der Auflieger so weit über den Gehsteig ragt, dass eine Berührung mit dem Schild nicht auszuschließen war. Er wäre schon aus diesen Überlegungen verpflichtet gewesen, es wegen der mangelnden Sichtmöglichkeiten nicht einfach dabei zu belassen, sondern er hätte sich überzeugen müssen, dass durch sein Fahrmanöver kein Schaden am dort bekannt vorhandenen Schild entstanden ist. Somit hätten dem Bw bei Aufwendung der beim Lenker eines Sattelzuges erforderlichen Aufmerksamkeit und Sorgfalt objektive Umstände zu Bewusstsein kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit des Zustandekommens eine Verkehrsunfalls mit Sachsschaden erkennen hätte müssen.  

Der Unabhängige Verwaltungssenat gelangt daher zur Überzeugung, dass der Bw sein fahrlässiges Nichtwissen vom Verkehrsunfall und damit die unterbliebene Unfall­meldung, zu der er ohne unnötigen Aufschub bei Unterbleiben eines Identitäts­nachweises mit dem Geschädigten verpflichtet war, als Verwaltungs­über­tretung zu verantworten hat. Eine Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens an der Nichtmeldung im Sinne des § 5 Abs.1 VStG ist ihm nicht gelungen.

Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG lagen nicht vor. 

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis 726 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Die Erstinstanz hat laut Begründung des angefochten Straferkenntnisses – zutreffend – die bisherige Unbescholtenheit des Bw als Milderungsgrund berück­sichtigt und nichts als erschwerend gewertet. Die Erstinstanz hat im Schreiben vom 22. März 2012 die finanziellen Verhältnisse des Bw – von diesem unbe­stritten – mit 1.500 Euro Netto-Monatseinkommen bei Fehlen von Vermögen und Sorgepflichten geschätzt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die Erstinstanz damit dem ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessensspielraum in irgend­einer Weise überschritten hätte. Die verhängte Strafe ist unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 19 VStG dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung angemessen, liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und hält general- sowie vor allem spezialpräventiven Überlegungen stand. Die Ersatzfrei­heits­­strafe ist im Verhältnis zur Geldstrafe bemessen, auch hier findet sich kein Ansatz für eine Strafherabsetzung. 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Streifung eines über den Gehsteig ragendes Verkehrsschild durch Aufliegen – Nichtmeldung eines VU Mit Sachschaden -> bestätigt.

 

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