Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101275/14/Bi/Fb

Linz, 26.08.1993

VwSen - 101275/14/Bi/Fb Linz, am 26. August 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine 3. Kammer (Vorsitzender: Dr. Fragner, Berichterin: Mag. Bissenberger, Beisitzer: Dr. Schieferer) über die Berufung der R A, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J L, vom 23. April 1993 (Datum des Poststempels) gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr vom 5. April 1993, St-6243/92, aufgrund des Ergebnisses der am 13. Juli 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht:

I. Die Berufung wird hinsichtlich des Schuldspruches, der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe sowie des Ausspruches über den Barauslagenersatz als unbegründet abgewiesen. Die verhängte Geldstrafe wird jedoch auf 10.000 S herabgesetzt.

II. Der Kostenbeitrag für das Verfahren ermäßigt sich daher auf 1.000 S. Ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 19 VStG, §§ 5 Abs.1 und 5 Abs.9 iVm 99 Abs.1 lit.a StVO 1960. zu II.: §§ 64 Abs.1 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.: 1. Die Bundespolizeidirektion Steyr hat mit Straferkenntnis vom 5. April 1993, St-6243/92, über die Beschuldigte wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs.1 iVm § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 14.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Woche verhängt, weil sie am 26. Dezember 1992 um 15.00 Uhr in S, den PKW mit dem behördlichen Kennzeichen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat. Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenersatz von 1.400 S sowie ein Barauslagenersatz von insgesamt 4.322,40 S auferlegt.

2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin rechtzeitig Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ohne Berufungsvorentscheidung vorgelegt wurde. Damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ausgelöst, der, da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eine aus drei Mitgliedern bestehende Kammer zu entscheiden hat (§ 51c VStG). Am 13. Juli 1993 fand eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des rechtsfreundlichen Vertreters RA Dr. L, des Vertreters der Erstinstanz Dr. W, des Zeugen Dr. S, sowie der medizinischen Amtssachverständigen Dr. Hasenöhrl statt.

3. Die Rechtsmittelwerberin macht im wesentlichen geltend, sie habe das Fahrzeug nicht in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand iSd § 5 Abs.1 StVO gelenkt. Das medizinische Gutachten, auf dem diese Beurteilung basiere, sei unrichtig und in sich widersprüchlich, zumal die Erstinstanz ausführe, die Fahruntüchtigkeit wäre auf Alkoholgenuß und Drogenmißbrauch zurückzuführen. Sie sei nicht drogenabhängig und es auch zum damaligen Zeitpunkt nicht gewesen. Die Beurteilung durch den Sachverständigen beruhe offenbar auf der "Ferndiagnose", daß er an ihren Armen Einstichstellen wahrgenommen habe. Eine Harnprobe sei aber nicht durchgeführt worden. Sie habe sich kurz vor dem damaligen Zeitpunkt in stationärer Krankenhausbehandlung befunden und dabei Infusionen erhalten, woraus die Einstichstellen in ihren Unterarmen resultierten. Sie habe zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der Aufregung zu weinen begonnen und deshalb gerötete Augenbindehäute gehabt. Die übrigen Merkmale berechtigten in keiner Weise die Annahme einer Fahruntüchtigkeit. Das ergebe sich auch aus dem Blutalkoholwert von 0,55 %o. Sie beantrage daher die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der die klinische Untersuchung und Blutabnahme durchführende Polizeiarzt Dr. S zeugenschaftlich einvernommen und ein medizinisches Sachverständigengutachten durch die Amtsärztin Dr. H erstattet wurde.

4.1. Demnach stellt sich der Vorfall so dar, daß die Rechtsmittelwerberin am 26. Dezember 1992, nachdem sie um 15.00 Uhr als Lenkerin des PKW in S auf der D auf Höhe des Hauses Nr. einen Verkehrsunfall verursacht hatte, aufgrund von Alkoholisierungssymptomen um 15.50 Uhr dem diensthabenden Polizeiarzt der Bundespolizeidirektion S, Dr. S, zur klinischen Untersuchung vorgeführt wurde. Dieser stellte laut Alkoholerhebungsbogen Alkoholisierungsmerkmale wie undeutliche Sprache, schwankenden Gang, Alkoholgeruch der Atemluft, Rötung der Augenbindehäute, unsichere Rombergprobe, träge Pupillenreaktion, unsichere Finger-Finger-Probe, einen grobschlägigen Nystagmus sowie eine verminderte Reaktionsfähigkeit fest. Aus klinischer Sicht wurde die Alkoholbeeinträchtigung der Rechtsmittelwerberin als stark bezeichnet. Im ärztlichen Gutachten wurde die Rechtsmittelwerberin als zur Tatzeit alkoholbeeinträchtigt und fahruntüchtig bezeichnet, wobei die Fahruntüchtigkeit durch verminderte Reaktionsfähigkeit, möglicherweise infolge Medikamenten- oder Drogeneinfluß verursacht worden sei. Im Gutachten ist weiters vermerkt, daß sich im Bereich des linken Armes der Rechtsmittelwerberin Einstichstellen befanden, die angeblich von Infusionen herrührten. Um 16.00 Uhr des 26. Dezember 1992 wurde der Rechtsmittelwerberin nach ihrer Zustimmung Blut abgenommen, das laut chemischem Befund der Bundesstaatlichen Bakteriologisch-Serologischen Untersuchungsanstalt Linz einen Mittelwert von 0,55 %o Blutalkoholgehalt aufwies. Rückgerechnet auf die Tatzeit 15.00 Uhr ergab sich somit laut Blutalkoholgutachten ein Wert von 0,65 %o.

Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung hat der bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme unter strafrechtlich sanktionierter Wahrheitspflicht stehende Polizeiarzt Dr. S ausgeführt, er könne sich an die klinische Untersuchung der Rechtsmittelwerberin noch gut erinnern. Diese habe ihm gegenüber angegeben, keinen Alkohol getrunken zu haben, jedoch habe er selbst Alkoholgeruch in ihrer Atemluft festgestellt. Er habe damals zum ersten Mal Kontakt mit der Rechtsmittelwerberin gehabt und die sie vorführenden Polizeibeamten hätten ihm mitgeteilt, daß sie als drogensüchtig bekannt sei. Er habe festgestellt, daß die Rechtsmittelwerberin sehr enge Pupillen, einen schwankenden Gang und einen Spontannystagmus aufwies, was für ihn ein wesentlicher Hinweis auf eine Beeinträchtigung nicht nur durch Alkohol gewesen sei. Sie sei auffallend gleichgültig, lethargisch und teilnahmslos gewesen und im Bereich des linken Unterarms und der Ellenbeuge seien etwa 10 Einstichstellen zu sehen gewesen, die die Rechtsmittelwerberin mit zuvor bei einem Krankenhausaufenthalt erhaltenen Infusionen erklärte. Die Einstichstellen seien etwas verstreut und auch nicht sehr gepflegt gewesen, weshalb ihre Schilderung der Infusionen für ihn nicht ganz glaubwürdig gewesen sei. Er habe nicht mehr im Gedächtnis, ob die Einstichstellen ganz frisch oder schon einige Tage alt gewesen seien, aber das sei für ihn zum damaligen Zeitpunkt nicht relevant gewesen. Er sei allein aufgrund des Allgemeinzustandes der Rechtsmittelwerberin zu der Auffassung gelangt, daß sich diese in einem Zustand befand, der einem Blutalkoholgehalt von 0,8 %o oder darüber entsprach. Diese Ansicht hätte er auch vertreten, wenn er das Resultat der Blutuntersuchung zu diesem Zeitpunkt bereits gekannt hätte. Er habe auch mit Sicherheit sagen können, daß die Rechtsmittelwerberin aufgrund der Untersuchungsergebnisse um 15.50 Uhr sich bereits um 15.00 Uhr in einem zumindest ähnlichen Zustand befunden haben müsse.

Die medizinische Amtssachverständige Dr. H hat zur Frage, ob sich die Rechtsmittelwerberin zum Zeitpunkt des Lenkens des Kraftfahrzeuges unter Zugrundelegung der Aussagen des Polizeiarztes in einem durch Alkoholeinwirkung fahruntüchtigen Zustand befunden hat, ein medizinisches Gutachten erstattet, in dem sie im wesentlichen zu der Überzeugung gelangt, daß sich die Rechtsmittelwerberin zur Tatzeit mit Sicherheit in einem fahruntüchtigen Zustand befunden hat. Die klinische Untersuchung habe eine eindeutige Schädigung des zentralen Nervensystems (Kleinhirnstörung bzw Störung des Gleichgewichtsapparates und Sehstörungen) ergeben, welche eine Fahruntüchtigkeit belege. Hinsichtlich der Frage der Ursache könne festgestellt werden, daß eine Alkoholeinwirkung in einem Ausmaß, welches eine Fahruntüchtigkeit bewirken könne, nachgewiesen sei (der Blutalkoholgehalt habe zum Zeitpunkt der Blutabnahme 0,55 %o und zur Tatzeit 0,65 %o betragen). Es sei medizinisch erwiesen, daß die schweren und eindeutig alkoholbedingten Ausfälle bereits ab einem Blutalkoholgehalt von 0,3 bis 0,5 %o vorlägen. Andere Ursachen für eine Fahruntüchtigkeit zum Tatzeitpunkt seien, abgesehen von der Frage der Drogeneinnahme, aus dem Verfahrensverlauf nicht ersichtlich. Die Beschuldigte sei daher zum Tatzeitpunkt durch Alkoholeinwirkung fahruntüchtig gewesen. Unter Umständen sei eine gleichzeitige Drogenoder Medikamentenbeeinträchtigung vorgelegen, die aber im gegenständlichen Fall nicht verifiziert werden könne.

4.2. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Der Zeuge Dr. S hat im Rahmen seiner Einvernahme den damaligen Zustand der Rechtsmittelwerberin umfangreich geschildert, wobei die von ihm festgestellten und aus seiner Sicht auf Fahruntüchtigkeit schließen lassenden Untersuchungsergebnisse im einzelnen beschrieben und überzeugend dargelegt wurden. Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates ist davon auszugehen, daß die klinische Untersuchung sehr sorgfältig durchgeführt wurde und sich der Zeuge nicht von Erzählungen der die Rechtsmittelwerberin vorführenden Polizeibeamten beeinflussen ließ, sondern selbst aus den vom ihm umfangreich geschilderten einzelnen Untersuchungsergebnissen einen Eindruck über deren Allgemeinzustand gewonnen hat, der sich im von ihm abgegebenen Gutachten widerspiegelt.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß unter Zugrundelegung des Ergebnisses der Blutuntersuchung zum Zeitpunkt des Lenkens des Fahrzeuges am 26. Dezember 1992 um 15.00 Uhr bei der Rechtsmittelwerberin ein Blutalkoholgehalt von 0,65 %o vorgelegen hat. Es ist daher mit Sicherheit vom Vorliegen einer Alkoholbeeinträchtigung auszugehen, wobei nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das Gesetz keinen Unterscheid macht, ob die eine Fahruntüchtigkeit bewirkende Alkoholbeeinträchtigung durch einen Blutalkoholgehalt von mindestens 0,8 %o oder durch einen diese Konzentration nicht erreichenden Promillgehalt hervorgerufen wurde. Tatbestandsmerkmal der Übertretung nach § 5 Abs.1 StVO ist das Vorliegen eines die Fahruntüchtigkeit bewirkenden, durch Alkohol beeinträchtigten Zustandes, nicht aber die Höhe des Alkoholwertes (vgl ua Erkenntnis vom 12. April 1985, 85/18/0202). Selbst wenn die Fahruntüchtigkeit nicht allein durch die Alkoholmenge, sondern überwiegend durch andere Umstände (zB Einnahme von Medikamenten, Ermüdungserscheinungen, usw) verursacht wurde, ist der Tatbestand des § 5 Abs.1 StVO gegeben (VwGH vom 26. September 1984, 84/03/0172).

Auf der Grundlage der Schilderung des Zustandes der Rechtsmittelwerberin durch den Polizeiarzt Dr. Schloßbauer sowie der gutachtlichen Ausführungen der Amtsärztin Dr. Hasenöhrl gelangt der unabhängige Verwaltungssenat zu der Auffassung, daß bei der Rechtsmittelwerberin zum Untersuchungszeitpunkt ebenso wie zum Zeitpunkt des Lenkens des Kraftfahrzeuges eine Fahruntüchtigkeit bestanden hat, die zumindest zum Teil durch Alkoholeinwirkung bedingt war. Eine Aussage darüber, ob die Rechtsmittelwerberin am 26. Dezember 1992 als drogenabhängig einzustufen war, kann ebensowenig getroffen werden, wie eine Feststellung darüber, ob die festgestellte Fahruntüchtigkeit - zumindest zum Teil durch Drogeneinwirkung mitverursacht war. Für die Erfüllung des Tatbestandes des § 5 Abs.1 StVO 1960 ist diese Frage jedoch insofern ohne Belang, als die Alkoholeinwirkung einwandfrei festgestellt wurde. Aufgrund des Zustandsbildes der Rechtsmittelwerberin geht der unabhängige Verwaltungssenat davon aus, daß ihr ihre Fahruntüchtigkeit (insbesondere die verminderte Reaktionsfähigkeit) auffallen und damit bewußt sein mußte. Die Rechtsmittelwerberin hat daher den ihr zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten.

4.3. Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß die seitens der Erstinstanz verhängte Geldstrafe insofern als zu hoch anzusehen war, als die Rechtsmittelwerberin zwar Verwaltungsvormerkungen aufweist, die aber nicht als einschlägig zu beurteilen sind. Erschwerend war daher kein Umstand zu werten; ebensowenig waren Milderungsgründe gegeben. Den von der Erstinstanz zugrundegelegten Einkommensverhältnissen der Rechtsmittelwerberin ist diese im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht entgegengetreten, sodaß davon ausgegangen wird, daß sie ein monatliches Nettoeinkommen von 20.000 S bezieht, kein Vermögen hat und sorgepflichtig für zwei Kinder ist.

Unter Zugrundelegung des Strafrahmens des § 99 Abs.1 StVO 1960 (der Geldstrafen von 8.000 S bis 50.000 S sowie Ersatzfreiheitsstrafen von einer bis sechs Wochen vorsieht) ist die nunmehr verhängte Geldstrafe unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG sowohl dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung angemessen, als auch dem general- und vor allem spezialpräventiven Strafzweck entsprechend anzusehen. Die Erstinstanz hat hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe bereits die Mindeststrafe verhängt, sodaß diesbezüglich das Straferkenntnis zu bestätigen war.

Der vorgeschriebene Ersatz der Barauslagen gemäß § 5 Abs.9 StVO 1960 ist insofern als dem Grunde nach gerechtfertigt anzusehen, weil bei der klinischen Untersuchung und bei der Blutabnahme eine Alkoholbeeinträchtigung festgestellt worden ist. Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates sind die Kosten der klinischen Untersuchung und Blutabnahme (2.604 S samt 100%igem Feiertagszuschlag, 45,60 S für die Blutvenüle) ebenso wie die Kosten der Blutuntersuchung bei der BBSU Linz (1.672,80 S) als angemessen zu beurteilen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Ausspruch über die Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r

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